3 Jahre Gute-Kita-Gesetz: Was hat sich getan?
Am 1. Januar 2019 trat das Gute-Kita-Gesetz in Kraft. Der Bund nahm zur Verbesserung der frühkindlichen Fremdbetreuung 5,5 Milliarden Euro in die Hand. Mit diesem Geld sollten die KiTas in den einzelnen Ländern unterstützt werden. Doch welches Fazit kann nach 3-Jahren Gute-KiTa-Gesetz gezogen werden? Ist die Situation in den Einrichtungen heute wesentlich besser als noch zu Beginn des Jahres 2019?
Das Gute-KiTa-Gesetz im Überblick
Mit dem Gute-KiTa-Gesetz sollte ab 2019 die Qualität der frühkindlichen Betreuungsstätten in Deutschland maßgeblich verbessert werden. Ein besonderer Fokus liegt bei der Umsetzung darauf, die Chancengleichheit der Kinder durch die KiTa-Betreuung positive zu beeinflussen.
Insgesamt liegt das Förderungsbudget, das mit dem Gesetz verbunden ist, bei 5,5 Mrd. Euro. Der Bund liefert den 16 Bundesländern eine Finanzspritze, mit der sie verschiedene Maßnahmen umsetzen können. Was konkret in den KiTas subventioniert wird, bleibt den Ländern überlassen.
Im Rahmen des Gesetzentwurfes wurden allerdings 10 Handlungsfelder herausgearbeitet, an denen sich bei der Verwendung der Gelder orientiert werden soll. Diese 10 Handlungsfelder lauten:
- Bedarfsgerechte Angebote schaffen, die zum Familienalltag passen.
- Ordentlicher Betreuungsschlüssel, um mehr Zeit für die Bedürfnisse und Fördermaßnahmen zu haben.
- Qualifizierte Fachkräfte als wichtiger Qualitätsfaktor für KiTas. Sie sollen professionelle Begleitung erhalten und auch die notwendige Wertschätzung für ihre Arbeit.
- Starke KiTa-Leitung ist eine erfahrene, qualifizierte Person mit ausreichend Zeit zum Arbeiten sowie zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen.
- Kindgerechte Räume zum Spielen und Entdecken, aber auch für Rückzug.
- Gesundes Aufwachsen mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und der Vermittlung von Gesundheitsbildung.
- Sprachliche Bildung mit genügend Möglichkeiten zum Erzählen, Fragen und Erklären.
- Starke Kindertagespflege, um die Ausbildung und den Arbeitsalltag von Tagesmüttern bzw. Tagesvätern zu verbessern.
- Netzwerk für mehr Qualität will die Vernetzung verschiedener Betreuungsangebote besser fördern.
- Vielfältige pädagogische Arbeit, die passgenau auf Kinder zugeschnitten werden soll. Damit sollen Inklusion, Beteiligung und Schutz der Betroffenen verbessert werden.
Ein weiterer Stützpfeiler, der die Chancen für Kinder im KiTa-Alter verbessern soll, bezieht sich auf die Gebühren. Im Rahmen des Gesetzentwurfes wurde festgelegt, dass kein Kind aufgrund mangelnder finanzieller Mittel aus der frühkindlichen Bildung ausgeschlossen werden darf.
Besonderer Fokus auf Chancengleichheit in Deutschland
Wer sich näher mit dem Gute-Kita-Gesetz beschäftigt, der wird immer wieder mit dem Thema Chancengleichheit konfrontiert. In dem Zusammenhang existiert in Deutschland massiver Nachholbedarf. Das ist spätestens seit den Pisa-Studien bekannt.
Während bei der ersten Pisa-Studie im Jahr 2006 noch wesentlich stärkere Bildungsdefizite bei Kindern aus einem sozial schwachen Umfeld erkennbar waren, wendet sich das Blatt leicht zum Positiven. So lautet jedenfalls die Aussage der OECD nach ihrer Pisa-Studien-Auswertung aus dem Jahr 2015. Dennoch ist die Schere in Deutschland zwischen den stärksten und den schwächsten Schülern mit 103 Punkten immer noch enorm. Das entspricht einem Unterschied von etwa drei Schuljahren.
Im Vergleich beträgt der Unterschied zwischen dem Bildungsniveau der besten und schlechtesten Schüler einer Altersgruppe bei allen Pisa-Teilnehmern im Schnitt nur 88 Punkte. Deutschland liegt deutlich darüber. Pro Schuljahr rechnet die OECD mit einem Wissenszuwachs von 38 Punkten.
Besonders auffällig ist die Situation der Migrantenkinder, die in Deutschland geboren wurden. Sie liegen in ihrem Leistungsumfang 93 Punkte hinter den einheimischen Schülern. Es ist bisher ungeklärt, warum der Unterschied bei dieser Schülergruppe besonders groß ist.
Die KiTas könnten einen entscheidenden Beitrag zur Chancengleichheit liefern, wenn sie bereits frühzeitig Kinder aus einem sozial schwachen Umfeld fördern würden. Hier war im Jahr 2019 noch in vielen Einrichtungen Nachholbedarf, worauf unter anderem Clemens M. Weegmann vom Konzept-e Netzwerk aus Stuttgart ausdrücklich hinwies.
Deutschlands große KiTa-Studie 2020 widmete den sozialen Unterschieden in der frühkindlichen Betreuung ebenfalls ein Kapitel. Besonders augenscheinlich dabei ist, dass ärmere Kinder wesentlich weniger Stunden pro Woche in den Kitas verbrachten. Auch hier könnte der finanzielle Faktor eine Rolle spielen.
Aufgrund der starken Bildungs- und Chancenunterschiede von Kindern aus sozial schwachen und starken Elternhäusern, wollte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem Gute-KiTa-Gesetz bereits in den frühen Lebensjahren einen Grundstein schaffen. Je besser die Förderung bereits in den jüngeren Jahren ist, desto geringer soll der Leistungsunterschied von Anfang an sein.
Bericht Gute-Kita-Gesetz 2021: Die Ergebnisse
Die Resultate, die mit den Maßnahmen aus dem Gute-KiTa-Gesetz erzielt werden, fasst die zuständige Behörde jedes Jahr in einem Bericht zusammen. Dabei wird jedes der zehn definierten Handlungsfelder einzeln angeschaut und beurteilt. Anschließend werden die Ergebnisse für das Jahr 2020 zusammengefasst.
Bedarfsgerechte Angebote
Drei Viertel der Kindertagesstätten in Deutschland sind zwischen neun und elf Stunden geöffnet. Dadurch soll Eltern die Möglichkeit einer vollen Berufstätigkeit gewährleistet werden. Die Einrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern weisen nach wie vor längere Öffnungszeiten auf als die Westdeutschen. Insgesamt ergaben sich bei den Öffnungszeiten aber kaum Veränderungen zum Vorjahr.
Tatsächlich wurden im Jahr 2020 leichte Veränderungen bezüglich des Betreuungsumfangs festgestellt. Es wurden mehr Kinder für eine Ganztagsbetreuung angemeldet. Allerdings scheint es gleichzeitig mehr Eltern zu geben, die sich ihre Kinder nur in Halbtagesbetreuung wünschen. Sowohl bei der Altersgruppe der unter als auch über Dreijährigen hätten die Erziehungsberechtigten ihre Kinder gerne den halben Tag zu Hause. Ob die Diskrepanz zwischen vermehrten Ganztagsverträgen und dem Wunsch nach mehr gemeinsamer Familienzeit eine finanzielle oder coronabedingte Ursache hat, bleibt ungelöst.
Guter Betreuungsschlüssel
Im zweiten Jahr des Gute-Kita-Gesetzes zeigen sich erste Veränderungen im Personalschlüssel. Im bundesweiten Durchschnitt betreut jetzt eine Fachkraft 0,1 Kinder weniger als in 2019. In manchen Ländern hat sich der Wert sogar um 0,4 Kinder pro Betreuungsperson verringert. Interessant ist, dass sich die leichte Verbesserung vor allem in der Gruppe der über Dreijährigen verzeichnet. Bei den jüngeren Kindern ist die Lage beinahe gleich. Auffällig ist auch, dass sich die starken Unterschiede zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern immer noch deutlich zeigen. So betreut in Ostdeutschland nach wie vor eine Fachkraft 5,2 Kinder unter drei, während es in Westdeutschland nur 3,3 Kinder sind. Laut Bertelsmann Stiftung liegt der optimale Betreuungsschlüssel in der Gruppe der unter Dreijährigen bei 3,0.
Qualifizierte Fachkräfte
Zehn der 16 Bundesländer setzten sich für mehr Fachkräfte in KiTas ein. Sie schufen unter anderem finanzielle Anreize besonders in sozial schwierigen Regionen. 1.100 zusätzliche Ausbildungsplätze konnten durch die Gelder etabliert werden. Auch den Quereinsteigern wird es leichter gemacht, einen Arbeitsplatz in der KiTa zu finden. So wurden 4,6 Prozent mehr Fachkräfte in Kindertagesstätten beschäftigt. Insgesamt stieg die Anzahl der Auszubildenden, die eine Lehre zum Erzieher starteten, um 3.100 an.
Starke KiTa-Leitung
In sechs Bundesländern wird seit 2020 den KiTa-Leitungen mehr Zeit für die Leitungsfunktion gewährt. Rund 7.000 Führungskräften stehen nun Mitarbeiter für Verwaltungsaufgaben zur Seite. Außerdem verfügen seit 2020 92 Prozent der KiTas über Arbeitsverträge mit ihren Leitungspersonen, in denen die genauen Leitungsaufgaben definiert werden. Das ist ein Anstieg um 1,3 Prozent. In einem Drittel der KiTas waren die Verantwortlichen ausschließlich für Leitungsaufgaben zuständig. Ein sehr geringer Teil der KiTas in Deutschland besitzt keine Person, die die formale Führungsverantwortung trägt.
Kindgerechte Räume
Ob die Räumlichkeiten kindgerechter wurden, geht aus dem Fazit des Berichts Gute-Kita-Berichts 2021 nicht hervor. Es wird lediglich darüber berichtet, dass über 50 Prozent der Einrichtungen die empfohlene Fläche von 6 m² pro Kind einhalten oder sogar übertreffen. Bei dem Außengelände sieht es genau gegenteilig aus. Hier besaßen weniger als die Hälfte deutlich weniger Fläche als die empfohlenen 15 m² pro Kind. Im Osten sind die Einrichtungen flächenmäßig teilweise wesentlich größer. Sie besitzen im Schnitt sogar zwei Räume mehr als die KiTas im Westen. Die gesundheitsbezogenen Raumgrößen wie Belüftung, Hygiene, Unfallschutz und Beleuchtung gelten großteils als in Ordnung.
Gesundes Aufwachsen
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie war es schwierig diesen Punkt ausführlich zu evaluieren. In den meisten Kindertagesstätten werden die gesundheitlichen Aspekte allerdings in ausreichendem Maße berücksichtigt. Dennoch sieht ein Drittel der Erzieher weiteren Entwicklungsbedarf. So liegen in nur 44 Prozent der Einrichtungen Qualitätsstandards bei der Verpflegung vor. Das ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil 2,6 Millionen Kinder das Mittagessen in den Kindertagesstätten in Anspruch nehmen. Immerhin 90 Prozent der Einrichtungen bietet eine Mittagsverpflegung an.
Sprachliche Bildung
In vielen Kindertagesstätten war in 2020 die sprachliche Entwicklung Teil der Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen des Personals, speziell in Einrichtungen mit mehr als 30 Prozent Fremdsprachenanteil. In 50 Prozent der KiTas gibt es vorstrukturierte Programme, um die sprachliche Entwicklung zu fördern. Fast alle Betreuungsstätten nutzen das Vorlesen und verschiedene Sprachspiele aktiv. Auf welchem sprachlichen Entwicklungsstand sich die einzelnen Kinder befinden, wird in der Regel durch freies Beobachten erfasst. Welche weiteren Maßnahmen zur Feststellung der Sprachkompetenz benutzt werden, hängt stark vom jeweiligen Bundesland ab.
Starke Kindertagespflege
In sechs Bundesländern wurde ein Fokus auf die Stärkung der Kindertagespflege gelegt. Im gesamten Land bekamen so 20.000 Tagesmütter und -väter mehr Geld. Auch die Qualifizierungsangebote wurden teilweise verbessert.
Netzwerk für mehr Qualität
Das Zusammenspiel zwischen Jugendämtern, Trägern und Leitungspersonen scheint auch 2020 in Ordnung gewesen zu sein. 80 Prozent der Jugendämter bieten regelmäßige Treffen mit den Trägern an. In 83 Prozent der Fälle kommt es zum persönlichen Austausch zwischen Jugendamtsmitarbeitern und KiTa-Leitung. Wo dagegen noch Aufholbedarf besteht, sind externe Qualitätsprüfungen, welche im Jahr 2020 nur in 37 Prozent der Einrichtungen passierten. Dabei ist ein auffälliger Unterschied zwischen den Bundesländern festzumachen. Während in Berlin 97 Prozent extern geprüft wurden, waren es in Bayern nur 23 Prozent.
Vielfältige pädagogische Arbeit
Das 10. Handlungsfeld des Gute-KiTa-Gesetzes umfasstverschiedenste Bereiche. So wird unter anderem die Beteiligung der Kinder hierrunter zusammengefasst. Dreiviertel der Erzieher lassen Kinder ab drei Jahren frei entscheiden, mit wem, wo und was sie spielen wollen. Auch das Kindeswohl ist ein Teil des 10. Handlungspunktes. Jeder 5. Erzieher ist sich nicht im Klaren darüber, ob seine Einrichtung eine Vorgabe hat, wie bei einem Verdachtsfall der Kindeswohlgefährdung vorzugehen ist. Rund 78 Prozent der Erzieher sehen sehr großen Bedarf an einer Weiterbildung im Bereich des Kinderschutzes. Auch die Eingliederung von Kindern mit Behinderungen und/oder Migrationshintergrund wird berücksichtigt. Die Zahl der Kinder, die mit einer Eingliederungshilfe in den Einrichtungen sind, ist im Jahr 2020 auf 62.782 gestiegen.
Was dagegen konstant niedrig ist, ist die Männerquote bei den Erziehern. Sie liegt weiterhin bei 3,9 Prozent. Dagegen konnte in den Leitungsfunktionen der Kindertagesstätten ein leichter Zuwachs von +0,4 Prozent bei den Männern verzeichnet werden.
Das Fazit nach 3 Jahren Gute-Kita-Gesetz
Der offizielle Bericht mit den Zahlen für das Jahr 2021 steht derzeit noch aus. Aktuell kann also nur auf Basis der Daten von 2020 ein Fazit gezogen werden. Dieses fällt ernüchternd aus. Zwar sind einige Verbesserungen im Bereich der Kindertagesstätten zu sehen, ein großer Durchbruch zeichnet sich aber bisher nicht ab. Ob die 5,5 Milliarden Euro der staatlichen Unterstützung einfach in der Luft verpuffen oder doch einen langfristigen Effekt haben, bleibt abzuwarten.
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