Kindergruppe in einer Bibliothek

Bildungstandem: Wie Bibliotheken und Kitas gemeinsam Kinder fördern können

Katrin Seewald

06.02.2015 Kommentare (0)

Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg steht die Zusammenarbeit mit Kindertageseinrichtungen seit Jahrzehnten im Fokus der kinderbibliothekarischen Arbeit.
Durch kontinuierliche Evaluation wird den Kindergruppen heute viel mehr als nur bloßes Vorlesen geboten.

Nach den erschreckenden Ergebnissen der PISA-Studie im Jahr 2000 entwickelten die Stadtbibliotheken Friedrichshain-Kreuzberg im Rahmen einer Bildungsoffensive ein Sprachbildungsprojekt für Kinder im Vorschulalter – WortStark.

Diese Bildungsoffensive sollte den beobachteten Defiziten (zum Beispiel mangelndes Sprechvermögen und Sprachverständnis) der im Bezirk ansässigen Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien entgegen wirken. Der Begriff der Sprachbildung, bis dahin in Bibliotheken kein Thema, erlangte hierbei eine besondere Relevanz, gepaart mit der Frage: Wie kann sich die Bildungseinrichtung Bibliothek auf diesem Arbeitsfeld positionieren?

Förderung mit Modul-Charakter

So entstanden nach und nach 8 Module zur Leseförderung und Sprachbildung, die unter dem Namen „Kinder werden WortStark" als sog. best practice Beispiel schon seit vielen Jahren die Aufmerksamkeit und Anerkennung des Fachpublikums gefunden haben.

Mit dem Programm „Kinder werden WortStark" erhalten Kinder bereits mit 3 Jahren Sprachbildung. Durch die auf Jahre angelegten regelmäßigen Besuche in den Bibliotheken durchlaufen die Kinder im besten Fall alle acht Module, die auf das jeweilige Alter zugeschnitten sind. Mit dem letzten Modul Info-Fahnder erhalten Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen abschließend Recherchekompetenzen als Vorbereitung auf den Besuch der weiterführenden Schulen.

WortStarkes Szenario

Das Modul WortStark, das sich inhaltlich eng an das Berliner Bildungsprogramm und an dem Inhalt der Gruppenarbeit in der Kita anlehnt, ist das zentrale Modul im Gesamtprogramm Kinder werden WortStark.
Der Ablauf des Bibliotheksbesuches ist stark ritualisiert.
Alle 2-3 Wochen kommt eine Gruppe in die Bibliothek und begegnet folgendem wiederkehrendem Szenario:
Ein Stuhlkreis, in der Mitte ein Teppich, darauf Dinge, die unter einem Tuch verborgen sind.
Die Kinder nehmen sich ihre Namenschilder und die Bibliothekarin beginnt mit einem Begrüßungslied, in dem alle Kinder mit Namen angesprochen werden.
Die mit einem bestimmten System ausgewählten Kinder (z.B. Kinder, die etwas Rotes anhaben) dürfen das Tuch anheben. Sprachbildende Spiele ziehen sich wie ein roter Faden durch das Programm. Jede Programmeinheit besteht aus vielen, kleinen Elementen und bedient Bewegung genauso wie Sprechanlässe, Rollen- und Wahrnehmungsspiele. Am Ende einer Einheit steht immer ein ausgewähltes Bilderbuch, das natürlich zum Thema passt.
Am Ende einer Stunde haben die Kinder Zeit, sich nach Herzenslust Bücher anzusehen und als Leihgabe für die Kita auszusuchen.

Die Bibliotheken legen einen besonderen Wert auf regelmäßigen und engen Kontakt mit den Erzieherinnen und Erziehern, nicht nur um die Themen abzusprechen sondern auch um einen ständigen Austausch über die Entwicklung der Kinder zu etablieren.
„Wie kann man bei Kind x die Förderung noch verstärken, warum hat Kind y heute gar nichts gesagt?"
Durch die häufigen und regelmäßigen Bibliotheksbesuche der Kinder entwickeln sich sehr schnell persönliche und emotionale Bindungen und besonders schön ist es, wenn man die Kinder später wieder bei einem Besuch mit ihrer Schulklasse wiedertrifft.

Bibliotheksservice

Generell stellen die Bibliotheken auf Anfrage Medien zu einem bestimmten Thema oder für ein Projekt für Kitas und Schulklassen zusammen

2012/2013 wurden im Rahmen eines EU-geförderten Projektes dieser Service ausgeweitet und Medienkisten angeschafft. Hierbei handelt es sich um gut zu transportierende Plastikkisten mit einem Medienmix, bestehend aus Büchern, CDs, DVDs und Spielen Diese Materialien können sowohl bei der Arbeit mit Kitas oder Schulklassen in den Bibliotheksstandorten oder in den Kitas und Schulen zum Einsatz kommen, als auch von Kooperationspartnern wie z.B. den Stadtteilmüttern oder dem RAA Rucksackprojekt benutzt werden. Die Themenauswahl erfolgte in Absprache mit den Kooperationspartnern und orientierte sich an Alltagsfragen der Kinder und den Rahmenlehrplänen für Grundschulen. So gibt es z. B. Kisten zu Berufen, Tieren, Länder, Geschichte, Bilderbuchklassiker aber auch Englisch für die Grundschule, Medien über Gefühle, den menschlichen Körper oder Sinne für alle Altersklassen.

Insgesamt verfügt die Stadtbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg über 150 Medienkisten zu 45 Themen, die aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und Mitteln der Europäischen Union – EFRE-Fonds (Programm Bibliothek im Stadtteil /BIST) und durch die Initiative Aktionsräume plus im Gebiet Kreuzberg Nordost mit Mitteln zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen des Bundes und des Landes Berlin gefördert wurden.

Für die fachliche Arbeit halten alle Bibliotheken einen großen Bestand an Fachliteratur zur Frühförderung und Sprachbildung, Bewegung und Entspannung und eine große Auswahl an Medien zum Thema Pädagogik bereit.

Ständige Weiterentwicklung

Die Arbeit mit dem Programm Kinder werden WortStark ist für die Bibliothekarinnen der StadtbibliothekFriedrichshain-Kreuzberg immer ein „work in progress".
So werden als Weiterentwicklung seit einigen Jahren kostenlose Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte angeboten.
Diese Fortbildungsangebote sind heute im neuen Modul „WortStark Praxis" fest verankert. Die Angebotspalette reicht von 2 stündigen Veranstaltungen zu bestimmten Themen („WortStark" durch den Herbst), über ganztägige Teamfortbildungen bis zum mehrtägigen Angebot „WortStark outdoor", das Erzieherinnen und Erzieher zu wortstarker Arbeit in den Kitas fit machen soll, denn die Nachfrage der Kitas an den Modulen teilzunehmen überschreitet schon lange die personellen und zeitlichen Möglichkeiten der Bibliotheken.
Besonders im Fokus stehen dabei Studierende und die Arbeit mit Hochschulen, auch in Form von Mentorings. Praktikantinnen und Praktikanten sind in den Bibliotheken immer willkommen.
Der dadurch entstehende Austausch auch über neue pädagogische Richtungen, über medienpädagogischen Trends und den Einsatz von digitalen Medien und Gerätschaften ist auch für die Bibliothekarinnen und Bibliothekare profitabel.

Der Schritt in die digitale Welt

Das Programm Kinder werden WortStark wird zunehmend digital.
TING- oder Tiptoi-Stifte, zur Sprachbildung sehr geeignet, haben längst Einzug in die Programm-Module gefunden. Der Einsatz von Bilderbuch-Apps ist der nächste Schritt in die digitale Welt.

Fazit

Am Ende bleibt aber doch die große Befriedigung, dass Kinder ebenso wie die Erzieherinnen und Erzieher mit toll gemachten Bilderbüchern und spannenden Geschichten, mit Bilderbuchhelden, die zum Identifizieren anregen, immer noch „zu kriegen" sind. Und damit das auch so bleibt, dazu trägt eine vertrauensvolle und nachhaltige Arbeit mit den KiTas bei.

Katrin SeewaldKatrin Seewald

Die Autorin: Katrin Seewald

Diplom-Bibliothekarin und seit 1990 in der Stadtbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg tätig. Seit 1995 ist sie Leiterin der Else-Ury-Familienbibliothek. Als Mit-Initiatorin des Lese- und Sprachbildungsprogramms „Kinder werden WortStark" gibt sie Workshops für Erzieher*innen, Lehrer*innen und Bibliothekare/innen im In- und Ausland und sehr gerne in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut.

 

 

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