
Bleiben Sie gesund, durch Achtsamkeit die innere Balance stärken
Kennen Sie das auch? Zu Beginn des neuen Jahres fasst man die besten Vorsätze. Doch dann, im ganz normalen Alltagstrubel, schlittert man nach und nach wieder zurück in das wohlbekannte Spannungsfeld zwischen beruflichen Verpflichtungen, den Bedürfnissen der eigenen Familie und dem Wunsch nach etwas mehr Zeit für sich selbst.
Stress an sich ist nichts Negatives! Ein gewisses Maß davon (Eustress) ist sogar wichtig und hilfreich um unsere Ziele aktiv zu erreichen, sie zu verwirklichen. Nur wenn er sich zu einem Dauergast in unserem Leben entwickelt und sich Symptome wie: Ein- oder Durchschlafprobleme; das Gefühl permanent völlig erschöpft zu sein oder nicht mehr zur Ruhe zu finden mehren, dann stimmt etwas nicht mehr. Spätestens jetzt wird es Zeit sich bewusst zu werden was einem gut tut und was nicht und gegebenenfalls auch etwas zu verändern.
Die Frage ist dann: Wie gehe ich mit mir selbst um? Was brauche ich damit es mir gut geht?
Schon im Dezember 2003 hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sich im Rahmen des Projektes „Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren“ mit den Auswirkungen von stressverursachenden Arbeitsbedingungen auf die Gesundheit und das Unfallrisiko der Beschäftigten befasst. Ziel der Befragung war es, Berufsgruppen bzw. Betriebsarten zu identifizieren, in denen die Beschäftigten unter einem überdurchschnittlichen Stressniveau leiden. Die Gruppe der ErzieherInnen und KinderpflegerInnen kristallisierten sich im Laufe der Untersuchung als besonders stark belastete Berufsgruppen heraus, im Besonderen die Einrichtungsleitungen.
Obwohl diese Erkenntnisse also seit langem im Raum stehen, bleiben sie dennoch im Kitaallltag oft noch weit hinter pädagogischen Fachthemen zurück und werden weniger als diese beachtet. Dabei ist das Wohlbefinden und die Gesundheit des Fachpersonals mit ausschlaggebend dafür, ob und wie weit der pädagogische Anspruch an der Einrichtung auch umgesetzt werden kann oder eben nicht. Der bestehende Fachkräftemangel verschärft diese Situation noch.
Sicherlich wird der Bereich Gesundheitsvorsorge in der Zukunft deutlich an Beachtung gewinnen, doch bis dahin gilt es die eigene Achtsamkeit zu stärken, die eigenen Grenzen wahrzunehmen, sie zu erkennen. Auch deshalb, weil die Ihnen anvertrauten Kinder sehr rasch wahrnehmen wie sich ihr Gegenüber wirklich fühlt und genau darauf auch reagieren! Wenn Sie selbst also unter Dauerstress leiden und Ihre Grenze erreicht haben, werden die Kinder genau darauf reagieren, entweder mit Verunsicherung oder mit eigenem Stressverhalten.
Vielleicht fragen Sie sich: „woher soll ich denn noch die Zeit nehmen zusätzlich Achtsamkeits- oder Entspannungsübungen zu machen?“. Das Schöne daran ist, dass Sie im Grunde dafür keine zusätzliche Zeit brauchen. Denn Entspannung beginnt im Kopf und Achtsamkeit ist eine innere Grundhaltung die es zu stärken gilt. Achtsamkeitsübungen können Sie zu jeder Zeit und in jeder Situation machen. Egal ob Sie morgens gemütlich die Bettwärme genießen, in der voll gedrängten UBahn stehen oder mit den Kindern draußen im Garten sind. Es geht dabei stets darum wahrzunehmen was ist. Sie müssen bei einer Achtsamkeitsübung nichts verändern oder erreichen wollen. Viele der folgenden Anregungen für mehr Achtsamkeit und ebenso die kurzen Entspannungsübungen können Sie während Ihres ganz normalen Alltages oder auch gemeinsam mit den Kindern durchführen. Eine Seminarteilnehmerin hat die Übungen als: „Meine kleinen Inselmomente“ bezeichnet.
Diese Inselmomente unterstützen Sie darin Ihr Leben und sich selbst bewusst im Hier und Jetzt wahrzunehmen. Dabei entscheunigen sie automatisch, sammeln frische Kraft und es wird leichter Druck und Nervosität von sich „abfließen“ zu lassen. Als „Nebeneffekt“ dieser eigenen inneren Haltung werden die Kinder mit denen Sie arbeiten ebenfalls entspannter reagieren. Denn auch Kindern ergeht es nicht anders als uns Erwachsene. Regelmäßige „Auszeiten" helfen ihnen dabei, ihr inneres Gleichgewicht wieder herzustellen und sich zu stabilisieren.
Welcher Entspannungstyp sind Sie?
Manche Menschen kommen nach einem anstrengenden Tag erst über die Bewegung, über eine Aktion wieder zurück in ihre eigene Balance und andere brauchen dafür Stille und Rückzug. Zu welchem der beiden Entspannungsgrundtypen gehören Sie? Das zu erkennen ist schon der erste Schritt hin zu mehr Selbstfürsorge.
Achtsamkeitsübungen schulen die eigene Wahrnehmung und sind gleichzeitig die Basis für Entspannungsübungen.
Nutzen Sie die Kraft der Rituale
Ein vertrautes Ritual das Freude macht unterstützt unser Gehirn in den entspannten Alphawellen-Modus zu kommen. Dieser hilft uns und auch den Kindern innerlich ruhiger zu werden. So ein Entspannungsritual könnte beispielsweise die vertraute Lieblings CD mit (klassischer) Entspannungsmusik sein die Sie nach der Arbeit oder kurz vor dem Einschlafen bewusst hören. Die tägliche kleine Geschichte die die Kinder in die Mittagsruhe begleitet, oder die fünf Minuten Ruhe nach Dienstschluss die man für sich alleine im Gruppenraum genießt. Egal welche Rituale Sie schon einsetzen oder erst noch für sich finden wollen, seien Sie sich darüber bewusst, dass diese wiederkehrende Rituale entspannend wirken, sowohl auf die Kinder als auch auf Sie selbst.
Start in die Achtsamkeitspraxis
Um Achtsamkeit zu erlernen braucht es im Grunde keine speziellen Übungen, nur die eigene Bereitschaft sich selbst und die Welt um sich herum bewusst wahrzunehmen. Die nachfolgende Übung dient dem Zweck Ihnen den Einstieg zur bewussten Selbstwahrnehmung zu erleichtern.
Einstiegsübung
Konzentrieren Sie sich ganz auf diesen Moment und stellen Sie sich die Frage: „Was mache ich jetzt gerade?"
Beispielsweise: „ich sitze; ich lese; ich gehe „ ect.
Sagen Sie sich: „Wenn ich sitze, dann sitze ich! Sitzen ist genug!“.
Sollten Ihnen dabei Gedanken, Gefühle durch den Kopf gehen, nehmen sie diese wahr ohne zu bewerten und lassen Sie sie weiterziehen. Genießen Sie den Augenblick.
Diese einfache Achtsamkeitsübung schärft ihr Bewusstsein für das Hier und Jetzt. Auch wenn es Ihnen möglicherweise zu Beginn schwer fällt diese kleinen Aktionen für wichtig zu halten. Sie sind die ersten Bausteine die zu mehr innerer Ruhe und Ausgeglichenheit führen.
Dauer: Einige kurze Momente am Tag reichen schon aus um in die Selbstschulung zu finden. Der Schlüssel liegt in der Wiederholung der Einstiegsübung.
Übungsbeispiele
A. Hören & Entspannen
Unsere Ohren werden täglich von einer wahren Geräuscheflut überrollt. Doch Hören, Wohlbefinden und Gesundheit stehen im engen Zusammenhang! Dauerlärm kann schnell zu Stress werden und negativer Stress belastet wiederum unser Nervensystem.
Achtsamkeitsübung
Egal wo Sie gerade stehen oder sitzen schließen Sie ihre Augen und nehmen Sie für einige Momente ganz bewusst war was Sie hören. Stimmen, Naturgeräusche, Autos?
Dauer: ca. 3-5 Minuten, je nach Wohlbefinden
Ablauf: Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen, richten Sie Ihren Rücken auf. Legen Sie Ihre Hände auf den Bauch und lauschen Sie den Klängen, Geräuschen um sich herum. Bewerten Sie nichts, lassen Sie die Geräusche an sich vorrüber ziehen.
Entspannungsübung: Dem Klang in die Stille folgen
Position: Sitzend
Dauer: ca. 3-5 Minuten
Material: Klangschale auf kleinem Kissen
Ablauf: 2-3x Sie halten die Klangschale, schließen die Augen und lassen sie jeweils 1x erklingen. Konzentrieren Sie sich ganz auf diesen Klang und folgen Sie ihm bis er verklungen ist.
Diese Übung ist auch bei Kinder ab ca. 3 Jahren gut einsetzbar. Jüngere Kinder finden sie auch interessant nur ist ihre Aufmerksamkeitsspanne dann kürzer!
B. Sehen & Entspannen
Wenn wir in zu großen Stress kommen, reagieren auch unsere Augen. Wir bekommen den sogenannten Tunnelblick und dabei verengen sich unsere Sicht- und damit auch unsere Reaktionsweise!
Achtsamkeitsübung
Lassen Sie ihren Blick dort wo Sie gerade sind frei umher schweifen. Suchen Sie sich einen Gegenstand (die Mauer, ein Bild, den Baum ect.) aus der Ihnen spontan interessant vorkommt. Betrachten Sie ihn ganz genau. Seine Form, Farbe und was Ihnen sonst noch auffällt, ganz so als ob Sie ihn noch nie zuvor gesehen hätten.
Dauer: ca. 3-5 Minuten, je nach Wohlbefinden
Ablauf: Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen, richten Sie Ihren Rücken auf. Spüren Sie Ihren Atem, die Hände können dabei auf Ihren Oberschenkeln liegen oder seitlich am Körper sein. Bewerten Sie nichts was Sie sehen, lassen Sie sich ausreichend Zeit den gewählten Gegenstand, die Umgebung ganz neu zu entdecken. Schließen Sie nun die Augen, was nehmen Sie wahr?
Entspannungsübung: Augengymnastik
Position: Sitzend, die Ellbogen auf dem Tisch aufgestützt.
Dauer: 2-3 Durchläufe, je nach Wohlbefinden ca. 5 Minuten
Ablauf: Reiben Sie Ihre Hände fest aneinander bis sie sich heiß anfühlen. Dann legen Sie Ihren Kopf locker in die Hände (Nacken leicht nach unten gedehnt). Lassen Sie nun die wohltuende Wärme einige Minuten auf die Augen einwirken. Anschließend führen Sie sie mit geschlossenen Augen langsam nach rechts und dann nach links, nach oben und nach unten. Anschließend kurze Pause.
Wie fühlen sich Ihre Augen jetzt?
Variation für Kinder
Alle Kinder sitzen am Tisch und reiben ihre beiden Hände wie beim Händewaschen fest an einander. Wenn sie „warm wie die Sonne“ geworden sind, legen sie sie auf Ihre Augen und genießen für einige Minuten die Wärme Ihrer Hände.
Ziel: In die Ruhe kommen, Stärkung der Konzentration.
Mögliche Fragen zur Stärkung der Selbstwahrnehmung: „Wie haben sich dabei deine Augen gefühlt, wie deine Hände?“.
Für Kinder ab ca. 4 Jahren
Einsatzmöglichkeiten: Vor dem Essen am Tisch, oder im Morgenkreis, vor den Hausaufgaben oder einfach mal zwischendurch. Erweiterung, ein Bild dazu malen.
C. Atem
Achtsamkeitsübung: Einfach Atmen
Gerade bei Stress kann der Atemfluss ein Anker zu mehr innerer Ruhe sein.
Sie stehen mit beiden Füßen auf dem Boden und nehmen Ihren Atem wahr.
Ihr Atem fließt Ein und Aus ganz nach Ihrem Rhythmus.
Spüren Sie jedem Atemzug nach.
„Alles ist gut!“.
Entspannungsübung: Arme über Kreuz schwingen
Ziel: Beweglich werden, Spannungen loslassen, Atmung vertiefen
Position: Im Stand
Aktion: Locker beide Arme hängen lassen. Sie dann gleichzeitig von einer Körperseite (Hüfte) zur anderen hin und her, vor und rück und über Kreuz vor dem Körper schwingen lassen.
Zeit: Nach Wohlgefühl
Abschließend nachspüren wie sich Ihr Körper jetzt fühlt, ob sich etwas geändert hat. Dann den Körper mit lockerer Hand abklopfen. Erst den rechten Arm von der Hand bis zur Schulter und dann den linken Arm, die Körperseiten, Beckenbereich und Beine bis zu den Füßen.
Kinder lieben diese Übung sehr, finden sie lustig und gleichzeitig tut sie ihnen gut.
"Tu deinem Körper etwas Gutes damit die Seele Lust hat darin zu wohnen" (Teresa von Aguilar)
Literatur:
- Das Anti-Stress-Buch, Don Bosco Verlag
- Die 50 besten Spiele zur Resilienzförderung, Don Bosco Verlag
- Resilienz im Alltag fördern, Don Bosco Verlag
Website Gabriele Kubitschek: www.bim-bam-bini.de
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