
Blick in die Fachzeitschriften Mai 2011
Wir behandeln in diesem Bericht neben frühpädagogischen Fachzeitschriften auch zwei wissenschaftliche Zeitschriften. Insgesamt liegen uns vor:
- Klein & groß, Heft 5
- Betrifft Kinder, Heft 4
- Frühe Kindheit, Heft 2
- Welt des Kindes, Heft 3
- Psychologie in Erziehung und Unterricht, Hefte 1 und 2
- Frühförderung interdisziplinär, Hefte 1 und 2
Die Hefte, aus denen wir einen Beitrag übernehmen durften, sind mit den Websites der jeweiligen Redaktionen verlinkt.
Klein & groß
Das Thema ist „Das haben wir gemeinsam erlebt! Eltern-Kind-Aktionen in der Kita“. Sibylle Münnich hat den Leitartikel verfasst, es folgen Beiträge mit Ideen für Eltern-Kind-Aktionen („Tage für Klein und Groß“ von Kerstin Hielscher, „Mütter und Väter in Aktion“ von Elke Ostendorf-Servissoglou), für einen „Elternverwöhntag“, zu einem Zirkusprojekt für Kinder und Eltern, und zur Väterarbeit in Kitas. Wie immer gibt es auch eine Reihe von Beiträgen zu anderen Themen, z.B. zur Praxis der Arbeit mit 0-3jährigen, zu Praxisprojekten. Für den Umgang mit den Unter-Dreijährigen erscheint uns der Artikel zur Altersgerechten Sprachförderung für Kleinkinder sehr wichtig, den wir übernommen haben. Darin wird eine Neubewertung der Kleinkindsprache anvisiert. Interessant auch das Gespräch zu Anforderungen an die Auswahl von Männern für eine Umschulung zu Erziehern sowie der Ratgeber Recht zur Haftungspflicht bei Eltern-Kind-Aktionen.
Betrifft Kinder
Der Leitartikel des Heftes lautet „Kunst und Design als kindlicher Bildungsraum“. In ihm erläutert Stefan Brée die große Bedeutung ästhetischer Erfahrung für die frühkindliche Entwicklung. Passend dazu befassen sich Artikel mit einem Baustellen-Projekt (Erika Berthold), mit einem Metall-Projekt (Brigitte Ramtsteiner) und einem Krippenatelier (Antje Bostelmann und Michael Fink). Gerlinde Lill führt ihre Beantwortung von Fragen zur Offenen Arbeit fort („Beobachtung als Beachtung“) und karikiert den Begriff „Bezugskinder“. In einem Interview mit der Projektleiterin stellt Barbara Leitner ein Modellprojekt vor, in dem der Ausbau der U-3-Betreuung mit einem vielfältigen Angebot an Bildung, Erziehung und Familien unterstützenden Diensten gekoppelt ist. Diesen Beitrag haben wir übernommen. Lesenswert auch die Glosse von Michael Fink über den Einmarsch der Werbeindustrie in die Kitas.
Frühe Kindheit
Das Thema von Heft 2 sind Kinder bei Trennung und Scheidung. Den wissenschaftlichen Einstieg ins Thema bringt der Artikel von Sabine Walper „Die Folgen von Trennung und Scheidung für Kinder in Deutschland“, den wir übernommen haben. Claus Koch gibt Anregungen, wie Kindern geholfen werden kann. Zwei Modelle werden vorgestellt (das „Cochemer Modell“ und die Warendorfer Praxis), in denen die kurz- und langfristigen Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten sorgsam beachtet und der Trennungsprozess begleitet werden. In einem Interview mit dem Kinderarzt Dr. Remo Largo wird deutlich, dass Scheidung und Trennung nicht grundsätzlich als Katastrophen für die Kinder angesehen werden müssen. Daneben gibt es einen Artikel zu den Folgen von Stalking und häuslicher Gewalt für Kinder von Rainer Balloff
Welt des Kindes
„Zeit für jedes Kind“, unter diesem Motto steht das neue Heft. Die Bedeutung des Zeitfaktors für die Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen erläutert Hedi Friedrich. Die Art der Aufmerksamkeit, die dem Kind zuteil wird, spielt generell (Interview mit Prof. Pauen) wie auch bei einzelnen Aktionen wie dem Wickeln (Artikel von Gerburg Fuchs) eine bedeutende Rolle für die Beziehung des Kindes zu Eltern oder ErzieherIn. Für die pädagogische Beziehung zum Kind ist auch die Auffassung von Beobachtung als Begegnung eine Bereicherung (Helga Schneider). Auf die Arbeitssituation von ErzieherInnen gehen mehrere Artikel ein, so der Ratgeber Recht zur Arbeitssicherheit in Kitas und der Artikel zum Mitspracherecht von Leitungen bei Personaleinstellungen. Die Beilage „Persona Dolls – mit Kindern über Vielfalt sprechen“ bringt einen interessanten Ansatz für vorurteilsfreie Erziehung und Bildung. Diese Beilage haben wir übernommen.
Psychologie in Erziehung und Unterricht
Heft 1 hat das Thema Kindergarten und Schule, wobei sich mehrere Artikel mit den Effekten einer vorzeitigen Einschulung befassen. Zunächst wird ein Verfahren zur Einschätzung des Sprachförderbedarfs vor der Einschulung vorgestellt und kritisch gewürdigt. Ebenfalls empirisch gestützt ist eine Studie zu den Kompetenzen von Kindern, die regulär und solchen, die vorzeitig eingeschult wurden. Susanne Ebert, Jutta von Maurice und Katharina Kluczniok kommen in ihrem Artikel Kognitiv-sprachliche Kompetenzen im Kindergartenalter: Sind vorzeitig eingeschulte Kinder wirklich kompetenter? zu einem verblüffenden Ergebnis: Die subjektiven Kompetenzen, die ErzieherInnen in der Kita Kindern zuschreiben, die sie für eine vorzeitige Einschulung für geeignet halten, korrelieren nicht mit den objektiv erhobenen Kompetenzen. Konkret: ErzieherInnen unterliegen genauso wie Lehrkräfte ihren subjektiven Einschätzungen. Diese Erkenntnis gehört in die Ausbildung von ErzieherInnen – ob an der Fachschule oder an der Hochschule.
Ein weiterer Artikel befasst sich mit einem Schulversuch in der Schweiz, bei dem in der sog. „Basisstufe“ je eine Kindergärtnerin und eine Unterstufenlehrerin 5- und 6-jährige Kinder in 50 % ihrer Anwesenheit unterrichten. Um zu erfahren, ob die Kinder davon profitieren, wurden Kinder in der Basisstufe mit Kindergartenkindern des gleichen Alters verglichen. Die Hypothese, Kinder in der Basisstufe würden mehr schulfähigkeitsrelevante Fähigkeiten entwickeln, konnte jedoch nicht eindeutig bestätigt werden. In der nächsten Studie wurden die Auswirkungen eines Programms zum induktiven Denken von Marx und Klauer bei Kindern in Kindertagesstätten untersucht, wobei ErzieherInnen als Trainerinnen eingesetzt wurden. Das Training ergab signifikante kurz- und langfristige Effekte bei den Kindern. Sowohl die Methode als auch ihre Anwendung durch Erzieherinnen konnten damit als erfolgreich festgestellt werden. Das gleiche Training wurde bei entwicklungsverzögerten Kindern angewendet und war auch dort erfolgreich.
Alle Studien beschränken sich auf in der Schule gemessene Leistungen der Kinder. Weder ihr Sozialverhalten noch die Auswirkungen in der Familie wurden untersucht.
In Heft 2 ist nur je ein Artikel auf das Vorschulalter und auf das Grundschulalter bezogen. Der Artikel von Anna-Katharina Paetorius, Karine Karst, Oliver Dickhäuser und Frank Lipowsky „Wie gut schätzen Lehrer die Fähigkeitsselbstkonzepte ihrer Schüler ein? Zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften berichtet Ergebnisse bei 37 Lehrkräften, die insgesamt 663 Grundschüler der ersten Jahrgangsstufe unterrichteten. Am spannendsten ist das Ergebnis, dass die diagnostische Kompetenz mit der Berufserfahrung nicht zunimmt. In ihrem Artikel Effekte einer grafomotorisch ausgerichteten psychomotorischen Intervention bei Kindern im Vorschulalter berichten Irene Kranz, Karoline Sammann, Susanne Amft und Martin Vetter über die Effekte einer grafomotorischen Förderung (d.h. einer Förderung von Schreibfähigkeiten) bei insgesamt 188 Kindern in 12 Kindergärten des Kantons Zürich. Die Interventionen waren erfolgreich, und zwar am meisten bei denjenigen Kindern, die das niedrigste Ausgangsniveau hatten. Solch ein Ergebnis ist eigentlich zentral für die Fördermaßnahmen, die wir auch in deutschen Kitas anstreben.
Frühförderung interdisziplinär
Heft 1 befasst sich ebenfalls mit Psychomotorik. Klaus Fischer berichtet über die Wirksamkeit von Psychomotorik bei im Durchschnitt vierjährigen Kindern, wovon drei Viertel Jungen waren. Lena Hartmann behandelt die psychomotorische Förderung von Kindern aus psychosozialen Risikolagen und betont, dass diese zu einem besseren Selbstkonzept beitragen kann. Astrid Krus schreibt über eine psychomotorische Begleitung des Übergangs in die Grundschule. Sie empfiehlt eine vermehrte Einbindung psychomotorischer Bewegungs- und Spielangebot in die Bildungskonzepte in Kindertageseinrichtungen (und bezeichnet diese fälschlicherweise als Elementarpädagogik). Jutta Schneider macht die Bedeutung von Elternarbeit in der psychomotorischen Förderung deutlich. Letztere kann auch die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung verbessern. Schließlich schreibt Gerhard Neuhäuser über Frühförderung und Psychomotorik und beschreibt die Psychomotorik als wesentlichen Bestandteil der Frühen Hilfen.
Heft 2 enthält verschiedene Themen. Zum einen stellt Gerhard Klein den Zusammenhang und die Unterschiede der Systeme Frühförderung und Frühe Hilfen. Frühe Hilfen sind demnach eher in der Lage, Kinder zu erreichen, die eine Frühförderung brauchen. Der Autor fordert eine Zusammenführung beider Systeme. Manfred Hintermair, Lena Krieger und Toni Mayr schreiben über Entwicklungsförderliche Kompetenzen hörgeschädigter Kinder im Vorschulalter. Hier wurden nicht primär Informationen zur Leistungsfähigkeit, sondern zur ganzen Entwicklung der Kinder gesammelt. Einige Ergebnisse deuten darauf hin, dass hörgeschädigte Kinder sich im Regelkindergarten besser entwickeln als im Förderkindergarten. Wichtig ist hierbei auch ein sehr frühes Einsetzen von Fördermaßnahmen. Der Artikel von Nina Pannhorst befasst sich mit Berührung, Körperkontakt und Beziehungsgestaltung bei vernachlässigten Kindern. Dabei geht es um die körpernahe und körperorientierte Förderung von Eltern mit ihren Kindern, denn Vernachlässigung von Kindern deutet immer auf eine frühere Vernachlässigung der Eltern hin. Dieser Ansatz erscheint der Berichterstatterin essentiell, um mit vernachlässigenden Eltern zum Wohle der Kinder zu arbeiten.
Das Heft ist eine hervorragende Einführung in die Systeme von Frühförderung und Frühen Hilfen und weist neue Ansätze auf.