Kind mit Bausteinen

Convergent Facilitation am Beispiel der Entwicklung eines Schutzkonzeptes in einer Kölner Kit

Tugba Olmustur, Maren Stemmler, Ayline Götsch und Daria Silke

07.04.2023 | Fachbeitrag Kommentare (0)

Wie aus Herausforderungen gemeinsame Lösungen entstehen.

Vorstellung der Methode Convergent Facilitation nach Miki Kashtan am Beispiel der Entwicklung eines Schutzkonzeptes in einer Kölner Kindertagesstätte.

Wir leben in einer Zeit, in der eine Vielzahl von gesellschaftlichen Herausforderungen auf den Menschen zukommen. Diese gesellschaftlichen Herausforderungen kann der Mensch nicht alleine bewältigen, sondern bedarf Unterstützung und Austausch des sozialen Systems. Daraus folgt, dass wir als Menschen zusammenarbeiten müssen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit nimmt ab und ist kaum noch auf der Welt vorhanden, sie benötigt Förderung und Unterstützung.

Für dieses Problem hat Miki Kashtan einen Lösungsansatz: Convergent Facilitation (vgl. Kashtan 2018, S.1). Convergent Facilitation ist eine Methode die dazu führt, dass richtungsweisende Ergebnisse erzielt und bedeutsame Entscheidungen im Team getroffen werden können, ohne Entscheidungen durch Zwang und Hierarchie durchzusetzen (vgl. ebd.). Die Needs Choreography ist eine grundlegende Haltung, die in Verbindung mit dem Prozess der Convergent Facilitation angewendet werden kann, um den Prozess der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Sie konzentriert sich darauf, die Bedürfnisse und Werte aller Beteiligten zu identifizieren und anzusprechen, um eine Lösung zu finden, die für alle zufriedenstellend ist. Die Convergent Facilitation ist ein Prozess, der diese Haltung fördert, indem er sich auf die Bedürfnisse und Werte aller Teilnehmer:innen konzentriert, um eine Lösung zu finden, die für alle akzeptabel ist. Um die praktische Anwendung der Convergent Facilitation zu demonstrieren, wird im Rahmen dieses Textes auch die Entwicklung eines Schutzkonzepts einer Kölner Kindertagesstätte als Beispiel vorgestellt. Die Aufstellung des besagten Schutzkonzeptes soll über den Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation und der Haltung der Needs Choreography durchgeführt werden. Um eine strukturelle Bedürfniserfüllung beim Entwickeln des Schutzkonzeptes, inhaltlich aber auch während der Entwicklung, erfüllen zu können, wird die Methode Convergent Facilitation nach Miki Kashtan angewandt. In diesem Artikel wird nach der Vorstellung der Begriffe Needs Choreography und Convergent Facilitation die erste Phase der besagten Methode am Beispiel der genannten Kindertagesstätte vorgestellt. 

Miki Kashtan erkannte im Laufe ihrer Arbeit mit der Methode der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg, dass es ein tieferes Verständnis von Bedürfnissen erfordert, um Konflikte erfolgreich zu lösen und Beziehungen aufbauen zu können (vgl. Kashtan 2021a, S. 1). Sie entwickelte das Konzept der Needs Choreography, um Menschen dabei zu helfen ihre Bedürfnisse und die Bedürfnisse anderer zu identifizieren, sowie diese besser zu verstehen und Wege zu finden diese zu erfüllen, sodass die Wege für alle Beteiligten funktionieren (vgl. ebd.). Miki Kashtan wählt hier bewusst den Begriff Needs Choreography, um das Konzept der Bedürfniserfüllung zu veranschaulichen. In einer Choreografie geht es um eine Abfolge von Bewegungen oder Aktionen von Menschen, welche sich aufeinander abstimmen, um gemeinsam Ziele zu erreichen. In ähnlicher Weise geht es bei der Needs Choreography darum, die Bedürfnisse von Menschen zu koordinieren und in Einklang zu bringen, um gemeinsam Ziele zu erreichen. Der Begriff ‚Dance‘ könnte auch auf den Prozess der Bedürfnis-erfüllung angewendet werden, aber ‚Choreography‘ betont stärker das Konzept der Zusammenarbeit und Koordination, was das Ziel der Needs Choreography besser beschreibt (vgl. Kashtan 2021b). Die Essenz der Needs Choreography ist Kashtan zufolge eine bewusste Zuweisung von Ressourcen, wie z.B. Aufmerksamkeit und Energie, sodass alle bekannten Bedürfnisse auf den Tisch gelegt und alle Auswirkungen berücksichtigt werden, um folglich mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen die Bedürfnisse mit den geringsten negativen Auswirkungen zu erfüllen (vgl. Kashtan 2021a, S. 2). Dies erfordert möglicherweise eine Anpassung oder Überprüfung der eigenen Bedürfnisse in Bezug auf andere. Diese gegenseitige Beeinflussung ist das, was Kashtan als das versteht, worum es im Leben geht (vgl. Kashtan 2021b).

Das Konzept der Needs Choreography basiert auf der Annahme, dass alle Menschen universelle Bedürfnisse haben, die sie erfüllen möchten, wie z. B. Sicherheit, Freiheit, Verbindung, Sinn etc.. Dabei ist die Erfüllung dieser Bedürfnisse der Schlüssel zu unserem Wohlbefinden und unserer Erfüllung (vgl. Kashtan 2021a, S. 6). Die Bedürfnisse sind das ‚Warum‘ hinter allem, was wir tun, denken und fühlen. Oft stehen auch nicht die Bedürfnisse im Konflikt, sondern die Strategien diese zu erfüllen (vgl. Kashtan 2021a, S. 3). Die Needs Choreography bezieht sich darauf, wie Bedürfnisse ausgedrückt und kommuniziert werden können, insbesondere in Konfliktsituationen. Kashtan betont, dass es wichtig ist Bedürfnisse klar und präzise auszudrücken, ohne dabei in Vorwürfe oder Bewertungen zu verfallen, wodurch eine tiefere Verbindung in Beziehungen aufgebaut werden kann (vgl. ebd.).

Ein wichtiger Aspekt der Needs Choreography ist die Art und Weise wie etwas formuliert wird. Anstatt etwas zu fordern, wie ‘du solltest dies oder jenes tun‘, sollte sich beim Sprechen auf die Bedürfnisse konzentriert und diese ausgedrückt werden. Es soll versucht werden, die Bedürfnisse in einer Art und Weise auszudrücken, die für andere verständlich und nachvollziehbar sind, sodass sich das Gegenüber wertgeschätzt fühlt (vgl. Kashtan 2021a, S. 21). Dies hilft Missverständnisse und Verwirrung zu minimieren und unterstützt den Vertrauens- und Beziehungsaufbau (vgl. ebd., S. 23). Zum Beispiel kann gesagt werden ‚Ich brauche Respekt und Anerkennung in dieser Situation‘ anstatt ‚Du solltest mich nicht so behandeln‘. Kashtan betont auch die Bedeutung von Empathie und Verständnis in der Needs Choreography, welche unabdingbar für die Unterstützung der Zusammengehörigkeit sind (vgl. ebd., S. 40). Wenn sich auf die Bedürfnisse anderer konzentriert und versucht wird ihre Perspektive zu verstehen, kann eine tiefere Verbindung aufgebaut und die Kommunikation verbessert werden (vgl. Kashtan 2014, S. 63). Dabei sollte beachtet werden, dass die Empfindungen und Bedürfnisse von den Interpretationen und Beurteilungen getrennt werden und die Aufmerksamkeit hierbei auf den Bedürfnissen hinter den Empfindungen fokussiert wird (vgl. Kashtan 2021a, S. 38). Die Needs Choreography ermutigt zudem offen und wertschätzend zu handeln. Es wird versucht den Gesprächspartner:innen zu vertrauen und ihnen gegenüber offen und ehrlich zu sein, ohne diese zu verletzen oder zu kritisieren (vgl. ebd. S. 14). Durch die Anwendung der Needs Choreography können Menschen lernen wie sie in Harmonie und Frieden miteinander leben können, indem sie auf die Bedürfnisse aller Beteiligten eingehen.

Im Kern geht es bei der Needs Choreography darum, interne sowie externe Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die den Menschen daran hindern, Bedürfnisse, Auswirkungen und Ressourcen zu offenbaren und sie bei Entscheidungen gemeinsam mit so vielen Beteiligten wie nötig und möglich abzuwägen (vgl. Kashtan 2021a, S. 2). Die Needs Choreography kann als eine Haltung der Bewusstheit, Klarheit, Empathie und Wertschätzung beschrieben werden, die dazu beiträgt, eine bessere Kommunikation und Verbindung in Beziehungen zu schaffen. Hier kann die Methode der Convergent Facilitation nach Kashtan angewandt werden, um das genannte Ziel erreichen zu können. 

Die Grundlage der Convergent Facilitation ist die Erkenntnis, dass wenn Menschen das sichere Gefühl haben, dass ihre eigenen Bedürfnisse einen Wert haben und sie auch in der Lage sind, die Bedürfnisse anderer nachzuvollziehen, eine bahnbrechende Kreativität und Großzügigkeit wachsen kann (vgl. ebd., S. 3). Es entsteht eine Bereitschaft gemeinsam am großen Ganzen zu arbeiten und zum gemeinsamen Ergebnis beizutragen (vgl. ebd.). Convergent Facilitation kann mit „Zusammenführende Moderation“ übersetzt werden (vgl. ebd. S. 2). In einem 3-Phasen-Prozess wird das Ziel verfolgt eine Gruppe bei ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen. Oberste Priorität hat dabei das Ergebnis, „das jeder von ganzem Herzen annehmen kann“ (ebd. S. 2). Es geht also darum, eine Entscheidung zu treffen, einen Weg zu finden, mit dem jede und jeder Beteiligte in Frieden leben kann. Genau diesen Weg ist die Kölner Kindertagesstätte im noch folgenden Praxisbeispiel gegangen. Die erste Prozessphase wurde von den Autorinnen begleitet.

Der Prozess ist in mehrere Phasen einzuteilen und wird von einem*einer Moderator*in begleitet. Diese*r strukturiert den Ablauf der Convergent Facilitation Methode, leitet den Prozess an und fasst Beschlüsse und Aussagen zusammen:

Phase 1: „Sammeln von Kriterien: Was ist jedem in der Gruppe wichtig?“ 

Phase 2: „Vorschläge erstellen: Hat jemand einen Weg, der alle Kriterien (Bedürfnisse) auf der Liste berücksichtigt?“

Phase 3: „Entscheidungsfindung: Kann die Gruppe zu einer Entscheidung finden, die jede*r Einzelne als seine*ihre eigene annehmen kann?“. (Kashtan 2018, S. 3)

In Phase 1 wird der zentralen Frage nachgegangen, was für alle in der Gruppe wichtig ist. Die Kriterien bzw. Bedürfnisse, die dabei erfasst werden, leiten den gesamten Entscheidungsprozess (vgl. ebd., S. 7). Der/die Moderator:in hat in dieser Phase die Aufgabe, die Kriterien oder Bedürfnisse so umzuformulieren und zu benennen, dass jede/r damit einverstanden ist (vgl. ebd.). Das bedeutet, dass aus der Aussage einer Person der wesentliche Kern herausgefiltert werden soll, die „unstrittige Essenz“ (ebd., S. 7). 

In Phase 2 geht es darum, Vorschläge für einen Lösungsweg zu entwickeln, bei dem alle zuvor gesammelten Bedürfnisse mit einbezogen werden. An dieser Stelle ist die kreative und schöpferische Kraft des Teams gefragt, die sich in Phase 1 durch die Wertschätzung der Bedürfnisse entwickeln konnte. Jetzt geht es nicht mehr darum, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, sondern eine Lösung im Sinne des Gemeinwohls zu finden (vgl. ebd., S. 11). In dieser Phase ist es außerdem wichtig, insbesondere Personen, die sehr meinungsstark sind, in den Prozess einzubeziehen, sodass zielführende Kontroversen stattfinden können (vgl. ebd., S. 13).

In Phase 3 wird das Ziel verfolgt, die zuvor gesammelten Vorschläge in eine konkrete Entscheidung zu transformieren. Eine Entscheidung kann erst dann final getroffen werden, wenn jeder und jede Einzelne von ganzem Herzen hinter dieser Entscheidung steht (vgl. ebd., S. 16). Daher ist es auch in dieser Phase noch wichtig, gegensätzliche Meinungen herauszufiltern und diesen nachzugehen. Die Kunst liegt darin, auch die Bedürfnisse mit in den Prozess einzubeziehen, die den größten Widerstand verursachen (vgl. ebd., S. 17f.). Um den Widerstand erst aufzudecken, bietet es sich an, niedrigschwellige Fragen zu stellen, durch die es vereinfacht wird die eigenen Bedenken zum Ausdruck zu bringen (vgl. ebd., S. 19). Fragen mit höherer Schwelle hingegen erschweren dies und führen somit schneller zu einer Entscheidungsfindung (vgl. ebd.).

Einen gemeinsamen Entscheidungsprozess auf diesem Wege zu führen, erfordert einen Perspektivwechsel und die Besinnung auf zwei entscheidende Grundprinzipien: „Wir alle wollen die gleichen Dinge“ und „Menschen können sich verändern“ (ebd., S. 4). Das bedeutet, dass alle Menschen im Kern die gleichen Bedürfnisse haben und dass hinter unterschiedlichen Forderungen die gleichen Bedürfnisse stecken können. Wenn diese Bedürfnisse aufrichtig gehört und wertgeschätzt werden, können sich Menschen und Situationen verändern. Außerdem entscheidend für den Prozess der Entscheidungsfindung ist es, weniger das „Was“ und vielmehr das „Warum“ zu fokussieren (vgl. ebd., S. 4). Das bedeutet, es geht nicht vordergründig um das Ergebnis selbst, sondern um die dahinterliegenden Beweggründe und Bedürfnisse. Den Schlüssel dafür bildet der Fokus auf die Bereitschaft. Die Bereitschaft aller Beteiligten, nicht nur an der Entscheidung mitzuwirken, sondern diese auch selbst tragen zu können (vgl. ebd., S. 5).

Um den Prozess erfolgreich voranzutreiben sind seitens der Moderatorin oder des Moderators bestimmte Strategien hilfreich (vgl. ebd., S. 5):

  1. Das Gesagte soll ausschließlich wiederholt werden, wenn Unklarheiten auftreten. 
  2. Bevor eine Aussage oder Frage geäußert wird, soll bedacht werden, ob diese hilfreich für die Entscheidungsfindung sein kann. 
  3. Das Gesagte sollte stets mit einer konkreten, klar formulierten Bitte an die teilnehmenden Personen gerichtet werden. 
  4. Es muss nicht zwingend jede Person zu Wort kommen, jedoch sollte sichergestellt werden, dass alle Bedürfnisse gehört werden. 
  5. Ja/Nein-Fragen verringern das Risiko, dass die Diskussion ausschweift. 
  6. Es sollte nur nach für die Entscheidungsfindung hilfreichen Informationen gefragt werden. 
  7. Eine festgelegte Zeitspanne für Redezeit sollte im Vorhinein vereinbart werden.

Der Prozess ist dabei weniger linear, sondern vielmehr ein Tanz, bei dem es darum geht, flexibel zu bleiben (vgl. ebd.). Das heißt, es geht weniger darum eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten, sondern vielmehr einer Bedeutung, einem Thema zu folgen, solange bis dieses zur Zufriedenheit aller abgeschlossen ist (vgl. ebd., S. 6). Ziel dabei ist es, Annäherung zu schaffen und zu bewirken, dass sich Menschen für Veränderungen öffnen (vgl. ebd.). Wichtig ist an dieser Stelle die Energie aufrechtzuerhalten, in dem jeder und jede Einzelne wertgeschätzt wird (vgl. ebd.).

Praxisbezug: Neuentwicklung eines Schutzkonzeptes für eine Kölner Kindertagesstätte 

Am 29.06.2022 fand ein Treffen zur Anpassung des Schutzkonzeptes einer Kölner Kindertagesstätte statt, bei dem die Methode Convergent Facilitation nach Miki Kashtan eingesetzt wurde. Ziel war es in der ersten Phase der Convergent Facilitation einen Grundstein für ein Schutzkonzept zu legen, mit dem alle Beteiligten einverstanden sind und welches nach der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation ausgerichtet und geschrieben wird. Anhand des folgenden Praxisbeispiels kann verdeutlicht werden, wie die Haltung der Needs Choreography im Prozess der Convergent Facilitation Unterstützung findet und die Methode Entscheidungsfindung positiv bestärkt.

Die Kölner Kindertagesstätte hat sich mit der Frage beschäftigen, wie ein Schutzkonzept aufgebaut werden kann, ohne die Erzieher:innen oder Mitarbeitenden, sowie die Elternschaft unter Generalverdacht zu stellen, aber auch die Kinder vor jeglicher Gewalt schützen zu können. Dies soll in einem gewaltfreien Rahmen mit dem Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation stattfinden. Die anwesende Gruppe setzt sich aus Personen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen zusammen, darunter die moderierende Person (die ausschließlich auf Englisch spricht), Übersetzer*in, Dokumentar*in, Mitarbeiter*innen der Kölner Kita, Mitarbeiter*innen der aktiven Schule, Kita-Träger, Qualitätsmanager*innen, Fachreferent*innen der paritätischen Wohlfahrt, Elternschaft, Dozent:in und Student:in einer Hochschule. Um den Prozess der Convergent Facilitation Phase eins anzuwenden, lädt die moderierende Person zunächst die Gruppe ein, ihre Bedürfnisse und Werte in Bezug auf die Erstellung des Schutzkonzeptes für die Einrichtung zu teilen. Die moderierende Person achtet darauf, dass alle Teilnehmer*innen die Gelegenheit haben, ihre Bedürfnisse und Werte auszudrücken, unabhängig von ihrer Position oder ihrem Hintergrund. 

Nach einer kurzen Vorstellung beginnt die erste Runde nach der Methode Convergent FacilitationHierfür wurden folgende Fragen zur Anregung mitgegeben: 

  • Was denke ich, was ich sehen würde?
  • Kenne ich Räume und Situationen, in denen keine Gewalt gab? 
  • Was ist denkbar, wenn es keine Gewalt gibt?
  • Was verbinden wir mit geschützt sein vor Gewalt? 

Im nächsten Schritt wurden die Ideen auf einem Plakat gesammelt und festgehalten, welche auch in Abbildung eins zu sehen sind.

Vorstellungen Abbildung 1

Abbildung 1

Nachdem das Plakat mit den genannten Grundbedürfnissen (Abbildung eins) erstellt wurde, wurde es mit der Bedürfnistabelle von Miki Kashtan verglichen (siehe Abbildung zwei und Abbildung drei). Diese Tabelle basiert auf einer Liste von universellen menschlichen Bedürfnissen, die von Kashtan erstellt wurde und als Grundlage für eine bewusste Kommunikation in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) dient (Kashtan 2014). Nach dem Vergleich der gesammelten Ideen mit den Grundbedürfnissen der Gewaltfreien Kommunikation nach Kashtan stellte sich heraus, dass diese miteinander übereinstimmen. Nachdem diese Erkenntnis erarbeitet wurde und die Erwartungen in die Bedürfnisliste nach Miki Kashtan eingeordnet wurden (Abbildung zwei und drei), endet die erste Runde der ersten Phase.  

Abbildung 2 Convergent Facilita      Abbildung 3 Convergent Facilication

Abbildung 2 / Abbildung 3

In der zweiten Runde erläutert der/die Moderator:in zuerst den nun folgenden Prozess:

Ziel der Runde ist es, sich über die Gesetzgebung in Bezug auf das Schutzkonzept in Kitas auszutauschen und für die Kölner Kita ein Schutzkonzept zu entwerfen, welches in der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation begründet ist. Dabei wird das Prinzip der gewaltfreien Denkweise "Aligning means with ends" (Kashtan, 2022) angewandt, was bedeutet, dass Mittel und Ziel im Einklang sein müssen und dass Gewalt keine Gewaltfreiheit schafft. Um Gewaltfreiheit zu erreichen, müssen die Mittel zum Ziel passen.

Die moderierende Person äußerte zunächst Bedenken, dass Menschen nicht gezwungen werden können gewaltfrei zu handeln, und dass Gesetzgebungen schwer in gewaltfreie Sprache übertragbar sind. Daraufhin eröffnete die moderierende Person die folgende Diskussion und betont, dass der Prozess, der heute angewandt wird, auf einem Prinzip der gewaltfreien Kommunikation basiert. Dabei wird nach einer Lösung gesucht, mit der alle leben können, die für Kinder, Eltern und den Staat gleichermaßen funktioniert, ohne dass eine Seite auf Kosten der anderen gewinnt oder verliert. Es wird kein Kompromiss geschlossen, sondern jede/r wird gehört und es wird nach einer gemeinsamen Lösung gesucht. Ziel ist es, ein Fundament zu finden, das jede Person involviert und auf dem aufgebaut werden kann. Ideen der Einzelnen werden gesammelt und jeder Person wird zugehört. Wenn etwas gesagt wird, das für jemanden problematisch ist, wird versucht, darüber zu sprechen und eine Lösung zu finden. Am Ende entsteht eine Liste mit den Bedürfnissen, die für alle wichtig sind. Diese Punkte auf der Liste gehören nicht nur der Person, die sie genannt hat, sondern allen, da alle gemeinsam nach einer Lösung suchen, die die Bedürfnisse aller berücksichtigt. Dieser Prozess, eine Liste mit Bedürfnissen zu erstellen, ist der erste Schritt zur Schaffung von Vertrauen und Kommunikation. Nachdem die Liste erstellt wurde, wird zu einem späteren Zeitpunkt ein Entwurf erstellt, der mit anderen Kitas, der Regierung und Interessierten geteilt werden kann. Nach der Diskussion und vor der praktischen Umsetzung findet eine 20-minütige Pause statt. Nach der Pause stellt die moderierende Person die Ausgangsfrage für den Beginn: "Was ist für uns alle wichtig?". Jede/r soll noch einmal in sich gehen und einige Minuten über diese Frage im Zusammenhang mit dem Schutzkonzept nachdenken. Danach beginnt jede*r nach der Reihe seine*ihre Bedürfnisse zu äußern. Die moderierende Person formuliert die Äußerung in gewaltfreie Sprache um und stellt sicher, dass alle mit der Formulierung einverstanden sind. Die Aufgabe der moderierenden Person ist es in der kompletten Phase Übereinstimmung zu finden und diese für alle Beteiligten zur Zufriedenheit zu formulieren. Um nun intensiver in die Materie einzusteigen und für die Bedürfniserfüllung aller Beteiligten zu sorgen, stellt die moderierende Person nach jedem Beitrag folgende Fragen zu einem der genannten zentralen Bedürfnisse:

  • Gibt es Einwände? Hat jemand Bedenken?
  • Falls es Skepsis gibt, sollen wir uns diese Fragen stellen:
    1. Was wäre gut?
    2. Wie kann man es realisieren?  

Im Prozess der ersten Phase wurden folgende Bedürfnisse formuliert, welche auch in Abbildung vier festgehalten werden: 

  • Zeit und Raum zur Reflexion
  • Situierte Unterstützung und danach
  • Reflexionsfähigkeit
  • Selbsterkenntnis (Self-awareness) entwickeln
  • Zugängliches Vokabular
  • Werte- und Normenausrichtung
  • Feedbackkultur
  • Minimum an Regeln
  • Konzept soll auch außerhalb der Einrichtung anwendbar sein
  • Weitere Forschung im Bereich Gewalt und Kinder 
  • Unterstützung für Eltern bieten
  • Dialog über Differenzen hinweg
  • Risikobewusstsein
  • Konsistenz
  • Unterstützung beim Stressabbau
  • Kindern dabei helfen ihre Souveränität zu entdecken

Abbildung 4 Convergent Facilita

Diese aufgelisteten Bedürfnisse sind in Gesprächsrunden, wie dem nun folgenden Beispiel, entstanden. Es handelt sich um einen Auszug der Gesprächsentwicklung als Beispiel der Methode Convergent Facilitation:

Bedürfnis: „Uns gegenseitig darauf aufmerksam machen, wenn jemand anders handelt.“

M (moderierende Person) formuliert die Bedürfnisaussage um: „Eine Feedbackkultur schaffen.“

Person A: „Mut und Vertrauen das zu äußern, was man fühlt in einem wertungsfreien Raum. In Verbindung mit den eigenen Gefühlen zu sein.“

Person B: „Einige Vereinbarungen zu treffen.“

M: „Gibt es Einwände?“ 

Person A äußert Kritik zur Vereinbarung: „shared understanding (gemeinsames Verständnis) und Feedbackkultur führen dazu, dass man keine Vereinbarungen braucht.“ 

Person B ist anderer Meinung: „Denn keine Vereinbarungen zu haben, führt zu Diskussionen und dies ist nicht effizient. Zudem gibt es keine Ressourcen dafür.“

M: „Wir finden einen Mittelpunkt: Ein Minimum an Regeln, um (shared understanding) gemeinsames Verständnis zu unterstützen.“

Ergebnis: Nun sind beide Personen mit dieser Formulierung einverstanden. 

 

Nach mehrerer solcher Gesprächsrunden zu den einzelnen formulierten Bedürfnissen wird die zweite Runde der ersten Phase zusammengefasst und abgeschlossen. Die moderierende Person sagt zum Abschluss: „Wenn einem später etwas in den Sinn kommt, dass für sie/ihn wichtig ist, kann dies per Mail oder/nruf mitgeteilt werden“. Dadurch bietet die moderierende Person einen Raum zum Überdenken und die Möglichkeit weitere Erkenntnisse in den Prozess der nächsten Phase (Phase zwei) mitnehmen zu können.

Ergebnisse der ersten Phase nach der Methode der Convergent Facilitation: 

Die erste Phase der Entwicklung des Schutzkonzeptes mithilfe der Methode der Convergent Facilitation ist abgeschlossen und die zweite Phase hat begonnen. In dieser Phase soll ein Entwurf des Schutzkonzeptes auf Grundlage der vorliegenden Bedürfnisliste erstellt werden. Zudem werden Personen mit starken Meinungen einbezogen, um konstruktive Kontroversen zu fördern.

Obwohl das endgültige Schutzkonzept noch nicht vorliegt, betont die Kölner Kindertagesstätte im Ausblick, dass aufgrund der gesammelten Kriterien keine Verhaltensampel eingeführt werden soll, da sie keine Selbstverbindung unterstützt und die Notwendigkeit der Abwägung und der sensiblen Berücksichtigung von Bedürfnissen nicht erfüllt. Die Kölner Kita stellt sich die Frage, welches Menschenbild hinter der Verhaltensampel steht und welche Auswirkungen dies auf Kinder hat. Es soll reflektiert werden, ob ein Unterschied zwischen der Behandlung von Kindern und Erwachsenen gemacht werden sollte.

Statt der Verhaltensampel soll ein Bedürfniskompass im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) genutzt werden, da dieser die Fokussierung auf Bedürfnisse statt Gefahren ermöglicht. Um das Schutzkonzept erfolgreich umzusetzen, ist es für die Kölner Kita nicht ausreichend lediglich ein Konzept zu haben. Es ist ihnen wichtig, dass Fortbildungen in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) angeboten werden, um die Menschen zu motivieren das Konzept auch in die Praxis umzusetzen. Die Kölner Kita betrachtet es als wesentlich, dass das Schutzkonzept über das bloße Papier hinausgeht und überall einsetzbar ist, sodass die Allgemeinheit und nicht nur Kindertageseinrichtungen von dem Prozess profitieren. Daher halten sie es für relevant, dass neben Fortbildungen in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) das Schutzkonzept eine Orientierung bietet. 

Die Convergent Facilitation wird also als eine Methode verstanden, die einen bestimmten Prozess zur Entscheidungsfindung nutzt. Sie basiert auf der Annahme, dass die Integration unterschiedlicher Meinungen und Perspektiven zu besseren Ergebnissen führt als die Reduktion auf einen Konsens oder eine Mehrheitsentscheidung. Aus den vorab genannten Gründen hat die Kölner Kindertagesstätte diese Methode ausgewählt und wird nach den erfolgreich abgeschlossenen Phasen eins und zwei auch die dritte Phase gemeinsam erarbeiten.

Quellenverzeichnis:

Kashtan, M. (2014). Reweaving Our Human Fabric: Working together to create a nonviolent future. Fearless Heart Publications.

Kashtan, I., Kashtan, M., Kashtan, A. (2014). Universal Human Needs- Partial List.  Verfügbar unter: https://thefearlessheart.org/nvc-reference-materials/list-of-needs/ [Zugriff am 15.03.2023]

Kashtan, M. (2018). Convergent Facilitation. Center for Efficient Collaboration. 

Kashtan, M. (2021a). Needs Choreography in a Fractured World. Reference Materials and Practices. Fearless Heart Publications. [letzte Aktualisierung: 03.11.2021]

Kashtan, M. (2021b). Needs Choreography and Mutual Influencing: Decoding the Flow of Interdependence. Verfügbar unter: https://thefearlessheart.org/needs-choreography-and-mutual-influencing-decoding-the-flow-of-interdependence/ [Zugriff am: 13.03.2023]

Kashtan, M. (2022). Aligning Means with Ends: Nonviolence for Everyday Living. Verfügbar unter: https://baynvc.org/event/aligningmeanswithends-may-22/ [Zugriff am: 14.03.2023]

Ihre Meinung ist gefragt!

Kommentar schreiben




Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.


Bitte schreiben Sie freundlich und sachlich. Ihr Kommentar wird erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet.





Ihre Angaben werden nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Hinweise zum Datenschutz finden Sie im Impressum.