Kind mit Büchern

Das Bilderbuch König Corona

Angelika Mauel

11.03.2021 | Medienhinweis Kommentare (0)

Bereits im Mai letzten Jahres erschien im Schweizer Verlag Kobold Books das reichhaltig illustrierte und mit witzigen, unterhaltsamen und anregenden Textpassagen ebenfalls großzügig ausgestattete Bilderbuch „König Corona“.

Illustrator Werner Nydegger und seine Lebensgefährtin, die Autorin Isabelle Bitterli haben auf den üblichen 32 Seiten gemeinsam ein unbekümmert unperfektes Bilderbuch gestaltet, dessen Anschaffung sich sowohl für den Kindergarten als auch für Familien lohnen könnte.

Ein märchenhafter Anfang

Über den kugeligen König Corona mit seiner mehrzipfeligen Krone über seinen schwarzen, buschigen Augenbrauen wird gleich zu Beginn berichtet, wie anspruchsvoll er schon als Kind gewesen sei. Als kleiner Junge regte es ihn fürchterlich auf, „wenn seine Geburtstagstorte nicht größer war als er selber und die Geschenke das Schloss nicht mindestens bis zur Decke füllten.“ Da er seinen Minderwertigkeitskomplex nie überwunden hat, will er nun alles dran setzen, um durch einen Krieg gegen die Menschen so berühmt wie andere Prinzen oder Prinzessinnen zu werden. 

Witzige und abwechslungsreiche Bilder und Texte erheitern

Seine dickbäuchigen Soldaten tragen wie er eine markante Zipfelmütze, Vampirzähnchen und buschige Augenbrauen. Letztere wirken jedoch über ihren Kulleraugen nicht so finster wie der Blick des Königs. Bei flüchtigem Hinsehen könnte man sie fast für Wimpern halten. - Überhaupt sorgen die harmonischen Farbverläufe der mit Stiften kolorierten Bilder dafür, dass bei Kindern keine Ängste geschürt werden. Nachdem viele Kinder bereits die Geschichte von Karius und Baktus kennen, können wir davon ausgehen, dass es ihnen leicht fällt, sich auf die Neuerscheinung „König Corona“ einzulassen. 

Was fliegt außer den Satelliten noch alles um die Erde und die anderen Planeten herum? Eine Taucherbrille? Hanteln, ein Würfel  und ein Mensch-ärger-dich-nicht-Püppchen mit extralangen Armen, die als Saugglocke enden... Die Soldaten tragen verschiedene Waffen und ihr Reisegepäck reicht vom mehrstöckigen Rucksack bis hin zum Propeller. Während König Corona seinen Soldaten ihren Auftrag erteilt, können Kinderaugen wie in einem Wimmelbilderbuch zahlreiche Details und Absonderlichkeiten entdecken. Und auch der längere Text geizt nicht mit Einfällen. Die Truppe erhält den Namen „Viren“. Ihr Auftrag ist es, sich über die ganze Welt zu verstreuen, um die Menschen krank und König Corona berühmt zu machen. Weil Seife Viren schadet, wird sie im ganzen Königreich verboten. 

Viren rutschen durch Nase und Mund auf den Schleimhäuten direkt in eine menschliche Lunge. Und während der Betrachter auf drei in der Lunge angekommene Viren schaut, die wie auf lachsfarbenen Sandsäcken liegend ausruhen und dabei selig lächeln, heißt es im Text lapidar „ Sie machten es sich dort gemütlich und konnten sich wunderbar vermehren.“ - Aufklärung light? „Aber die haben ja gar keine Frauen!“ höre ich schon Kinderstimmen sagen. Und es ist gut möglich, dass wissbegierige Kinder mehr wissen wollen, so dass Erzieher*innen am besten gut vorbereitet sind. – Schließlich gehört es immer wieder auch zu unseren Aufgaben, in den Gedankenaustausch mit besonders wissbegierigen oder hochbegabten Kindern zu gehen.

Zu sehen sind die ersten weiblichen Wesen im Buch auf der gegenüberliegenden Seite: Ein blondes Mädchen hält die Hand seiner ebenfalls blonden Mutter. Beide sehen besorgt aus und stehen (ohne Schutzmaske) vor einem die Krankheit im eigenen Bett ausschwitzenden Mann. Hier wartet der Text mit knappen und kindgerechten Erklärungen zur Ansteckung und zum exponentiellen Wachstum auf. In rechteckigen Kästen wird mit kurz skizzierten kugelrunden „Virenköpfen“ gezeigt, wie flott diese mehr werden können. Doch ein großes Interesse der Kinder dürfte der offensichtlich leidende Mann auf sich ziehen. Sein Anblick provoziert zu der Frage „Warum hat der so eine komische Mütze auf?“ - Die riesigen Schweißtropfen, die dem Kranken über das Gesicht laufen, erinnern an Tränen. Auf seinen Kopf ruht ein blaues Cool-Pack. Ein Bild, dass es leicht möglich macht, auf die Einweisung in ein Krankenhaus und Intensivpflege zu sprechen zu kommen. Das Thema Tod wird für Kinder nicht tabu sein. - Nicht alle Kinder wurden im letzten Jahr von Todesfällen in ihrem Umfeld verschont. Auch macht sich bemerkbar, dass Kindergartenkinder zum Teil für lange Zeit in erheblich kleineren Gruppen als im Regelbetrieb betreut wurden. Eine bessere Gesprächskultur ist das Resultat. 

Weil Kinder magisch denken können, gern lachen und nicht nur mit sachlichen Erklärungen abgespeist werden wollen

Immer wieder spielt Werner Nydegger mit den Proportionen: Diverse Fahrzeuge in Spielzeuggröße umkreisen die Welt und mit ihnen die nun unsichtbaren Viren... Groß und gierig daneben jedoch ein grünlich angehauchter König Corona. Wir sollen den kleinen, dicken Giftzwerg, der am liebsten knusprige Menschen-Chips isst, nicht so leicht vergessen. Alle Sinne der Kinder werden angesprochen. Insofern eignet sich das Buch durchaus für eine gemütliche Vorlesezeit - auch wenn wir das Wort „Corona“ am liebsten nicht mehr hören würden... Empfohlen wird es für Kinder zwischen 4 und 7 Jahren, doch falls einige jünger sind, dürften auch diese Kinder nicht zu kurz kommen. 

Das große Aber: Genderkorrekt geht anders

Im Buch gibt es keine Soldatinnen, was friedliebende Menschen nur gut finden können. Mädchen und Frauen tragen viel öfter lange Haare, Kleider oder Röcke als das in Wirklichkeit der Fall ist. (Na und?) Ein Kranker wird von männlichen Sanitätern auf einer Bahre getragen und am Rasterelektronenmikroskop sitzt wie selbstverständlich ein Mann, was als „nicht genderkorrekt“ üblicherweise heute beanstandet wird. Doch Erwachsene, denen Kunstfreiheit wichtig ist und die die vielen gut gemeinten „Zensurmaßnahmen“ im Rahmen der Kinderliteratur allmählich satt haben, mögen sich darüber amüsieren. Sucht eine Fachkraft jedoch nach einem Buch, das sie Kindern mit vorbereiteten Fragen in „erarbeitender Form“ präsentieren kann, dann dürfte ein reines Sachbuch geeigneter sein. Der Charme von „König Corona“ liegt darin, dass ein bedrohliches Thema locker angegangen wird. Hygieneregeln werden selbstverständlich auch thematisiert, aber mit Humor. Kinder dürfen mit niemandem ihren Kaugummi oder Lolli teilen. Die Erwachsenen sollten wirklich nicht jammern, wo Kinder doch viel schwierigere Regeln als sie einhalten müssen. 

Keine Panik vor Corona

Während Eltern im Homeoffice beschäftigt sind, springt ein Junge mit Kinnschutz und Schutzhelm -  aber ohne Maske - auf einem Trampolin im Wohnzimmer. Mit fliegenden Ohren rennt ein Dackel über sein kleines Laufband. Opa macht es sich mit der Zeitung im Sessel gemütlich und eine Schürze und Puschen tragende Oma präsentiert eine üppig blühende Zimmerpflanze oder Kunstblume. Trotz Corona gibt es also noch ein idyllisches Familienleben. -  Nur schade, dass sich nicht alle sehen können, die nicht zusammen wohnen. 

Weil Corona zur Geschichte gehört

Als am Ende ein Mädchen seine Großeltern vermisst, erfährt es von diesen in einem Telefonat, was viele Kinder von ihren eigenen Großeltern zu hören bekommen und noch ein bisschen mehr.

„Wenn du einmal so alt bist wie wir, wirst du auch deinen Enkelkindern Geschichten aus deinem Leben erzählen. Was du jetzt mit diesen Coronaviren erlebst, wird eine davon sein! Dieses Jahr wird sogar in den Geschichtsbüchern deiner Enkel stehen. Du wirst sagen können: Ich war dabei, ich habe das erlebt!“

Am Ende des phantasievollen Bilderbuchs folgt dann die Anregung, dass Kinder Bilder zeichnen und Geschichten zu Corona und ihren täglichen Erlebnissen einfach aufschreiben sollen. Ein stimmiger Schluss und je intensiver Kinder die Bilder betrachtet haben, um so leichter dürfte es ihnen fallen, eigene Comics zu malen und uns zu diktieren, was wir in die Sprechblasen schreiben sollen. 

Wer findet im König-Corona-Buch eigentlich die erste Schutzmaske? Es sind nicht viele zu entdecken und die erste befindet sich nicht dort, wo sie direkt auffällt. Gleich zu Beginn trägt ein kugeliger Soldat, ein „Virus“ einen Mund-Nasen-Schutz. Ein netter „Virus“, der andere und sich selbst schützen will. 

Ob das am Ende der Geschichte angehängte „kleine Lexikon“ zur Erklärung von Begriffen, die während einer Pandemie immer wieder benutzt werden, als hilfreich empfunden wird, wage ich zu bezweifeln. Für Kinder ist es befriedigender, wenn ihnen Erwachsene etwas mit eigenen Worten erklären. Positiv hervorzuheben ist noch, dass das Buch auf festem Papier gedruckt und solide verarbeitet ist. Es ist gut möglich, dass „König Corona“ in einigen Jahren zu einem gefragten Sammlerstück wird.

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