Das „Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2014“ misst männlichen Fachkräften und Fachkräften mit Migrationshintergrund keine Bedeutung bei.
Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) hat das "Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2014" veröffentlicht, das den Anspruch erhebt, die erste umfassende Bestandsaufnahme zum Personal in der Kindertagesbetreuung in Ausbildung und Beruf zu sein. Der Bericht handelt das Thema „Männliche Fachkräfte“ auf wenigen Absätzen ab und sieht keine Entwicklung bei den Geschlechterstrukturen in den Kita-Teams. Fachkräfte mit Migrationshintergrund werden erst gar nicht erwähnt.
Das Fachkräftebarometer Frühe Bildung, den die WiFF vor kurzem veröffentlichte (siehe: http://www.fachkraeftebarometer.de) gibt einen guten Überblick über die Personalsituation und die Ausbildungslandschaft bzw. –beteiligung im Bereich der Kindertagesbetreuung. Der Bericht beschreibt beispielsweise die enorme Personalexpansion in den Kindertageseinrichtungen. So hat sich die Anzahl der pädagogisch Beschäftigten in Kitas bundesweit zwischen 1998 und 2014 um rund 190.000 auf ca. 522.500 Personen (+57%) erhöht (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2014, S.8). Die wichtigsten Ergebnisse des Fachkräftebarometers sind Folgende: Im Zuge des Personalausbaus
- ist der Anteil der Teilzeitstellen gewachsen,
- das Qualifikationsniveau des Personals gleichgeblieben,
- gab es einen auffälligen Anstieg älterer Fachkräfte,
- hat eine starke Expansion bei der (Fachschul-)Ausbildung von Erzieher/innen stattgefunden.
Aus unserer Sicht ist jedoch bedauerlich, dass die Autorengruppe des Fachkräftebarometers das Thema „Fachkräfte mit Migrationshintergrund“ komplett ausspart und auf die geschlechtliche Zusammensetzung des Personals nur sehr oberflächlich eingeht. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Autorengruppe „Geschlecht“ selber für ein wesentliches Individualmerkmal zur Darstellung des Personalgefüges im Arbeitsfeld und auch für berufspolitisch relevant hält (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2014, S.26). Das Fachkräftebarometer gibt den Anteil des männlichen pädagogischen und leitenden Personals mit 4,8% an und kommt zu dem Ergebnis, dass die Geschlechterstrukturen sich in den letzten 40 Jahren nicht grundsätzlich gewandelt hätten. Kindertageseinrichtungen – so der Bericht – seien damit weitgehend „männerfreie Zonen“ und die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder auf eine männliche Bezugsperson treffen, sei ausgesprochen gering (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2014, S.26). Der Bericht geht des Weiteren noch kurz darauf ein, dass der Anteil männlicher Leitungskräfte weitgehend dem Männeranteil am Personal ohne Leitungsaufgaben entspricht, weitergehende geschlechterbezogene Analysen bleiben jedoch aus.
Diese (oberflächliche) Perspektive verhindert jedoch die Entwicklung des Männeranteils in Kitas in den letzten Jahren differenzierter wahrzunehmen und kann auch die Bedeutung, die geschlechterheterogene Kita-Teams und Ausbildungsklassen in bestimmten Bundesländern und Regionen mittlerweile haben, nicht ermessen.
So ist es zwar auf der einen Seite richtig, dass der Anteil männlicher Fachkräfte, Praktikanten und Freiwilligendienstler in den letzten Jahren nur gering gestiegen ist. Laut der Koordinationsstelle „Männer in Kitas“ stieg der Männeranteil zwischen 2007 und 2014 von 9712 auf 22.212. Damit hat sich die Anzahl der Männer, die in Kitas arbeiten, seit 2007 immerhin mehr als verdoppelt. Die 22.212 männlichen Fachkräfte, Praktikanten, etc. entsprechen einem Anteil von 4.4% (die Koordinationsstelle rechnet Verwaltungspersonal und Personal, das in reinen Schulhorten beschäftigt ist, nicht in die Statistik mit ein und kommt deshalb zu einem niedrigeren Männeranteil als der Fachkräftebarometer, siehe oben).
Eine nach Bundesländern differenzierte Analyse zeigt auf der anderen Seite jedoch, dass insbesondere in Bezug auf Hamburg und Berlin, die im Jahr 2013 einen Anteil männlicher Fachkräfte, Praktikanten, etc. von 10,2% bzw. 8,3% aufwiesen, nicht mehr von „männerfreien Kita-Zonen“ gesprochen werden kann (für 2014 liegen leider noch keine nach Bundesland differenzierten Zahlen vor). Und auch in Bremen (7,7%) und Schleswig-Holstein (6,4%) sowie Hessen (5,7%) ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder (und weibliche Fachkräfte) auf männliche Erzieher und Praktikanten treffen gar nicht mehr so unwahrscheinlich (auf Bayern, das einen Anteil männlicher Fachkräfte, Praktikanten, etc. von 2,3% aufweist, trifft die Diagnose „männerfreie Zone“ dagegen schon eher zu).
Vor dem Hintergrund der Entwicklung in der Erzieher/innenausbildung, ist es noch unverständlicher, dass das Fachkräftebarometer der Kategorie Geschlecht keine relevante Bedeutung beimisst.
So steigt seit Jahren auch der Anteil männlicher Fachschüler in den „Fachschulen für Sozialpädagogik“, die für den Erzieherberuf ausbilden. Im Schuljahr 2013/2014 lag der Anteil männlicher Fachschüler bundesweit bei 16,3% (ohne Saarland) gegenüber 13,8% im Schuljahr 2009/2010 (ohne Saarland). In absoluten Zahlen ausgedrückt: In den Jahren 2009/2010 bis 2013/2014 stieg die Anzahl männlicher Fachschüler von 7740 auf 14.105. Dies entspricht einer prozentualen Steigerung von 82,2% (der Anteil der Fachschülerinnen stieg im gleichen Zeitraum dagegen nur um 50,2%). In insgesamt fünf Bundesländern beträgt der Anteil männlicher Fachschüler sogar über zwanzig Prozent, und zwar in Berlin (24,2%), Hamburg (23,1%), Bremen (22,5%), Schleswig-Holstein (21,2%) und Brandenburg (20,8%). Den geringsten Anteil männlicher Fachschüler weisen die Bundesländer Bayern (10,9%), Baden-Württemberg (11,9%) und Rheinland-Pfalz (12,6%) auf.
In anbetracht der nicht unbedeutenden Anzahl männlicher Fachkräfte und Praktikanten in einigen Bundesländern (und Städten) und insbesondere in Fachschulen für Sozialpädagogik erscheint es uns zentral, die Kategorie Geschlecht bei der Beschreibung der Personalsituation in Kitas mitzudenken. Erst dann treten auch Fragen wie beispielsweise die nach den „richtigen“ Umgangsweisen von Geschlechterdynamiken in Kita-Teams oder nach den „richtigen“ Umgangsweisen mit (General)Verdächtigungen gegenüber männlichen Erziehern im Krippe- und Kitabereich in den Blick und werden professionell bearbeitbar.
Genauso wünschenswert ist es, dass die Autorengruppe des Fachkräftebarometers in Zukunft auch Fachkräfte mit Migrationshintergrund berücksichtigt und somit „sichtbarer“ macht.
Michael Cremers und Jens Krabel arbeiten in der Koordinationsstelle Chance Quereinstieg / Männer in Kitas