zwei U3 Kinder

Die Freude am Lernen

Karl Gebauer

12.08.2014 Kommentare (0)

Kinder werden als Entdecker geboren

Kinder müssen fast alles, worauf es im Leben ankommt, durch Erfahrung lernen. Sie werden als Weltentdecker geboren und können erfolgreich sein, wenn sie Lernen als ihre eigene Sache begreifen. Dafür brauchen sie Spiel- und Lernräume, die Entdeckungen ermöglichen. Sie brauchen eine anregende, freundliche und wertschätzende Atmosphäre in der Familie, im Kindergaren und in der Schule. So erfahren sie, dass Lernen Freude macht und stabilisieren damit ihr Motivationssystem.

Druck macht dumm

Viele Eltern sind nach den Ergebnissen der Pisa-Studien stark verunsichert. Sie wollen nichts falsch machen. In vielen Fällen führt dies zu sehr hohen Erwartungen gegenüber ihren Kindern. Überhöhte Ansprüche werden aber als Druck wahrgenommen. Ständige Überforderungen führen zu Stress und in der Folge zu psychosomatischen Beschwerden. Diese können das Lernvermögen und die herbeigesehnten Lernerfolge stark einschränken. Auflösen wird man diesen Teufelkreis, der durch verunsicherte Bildungspolitiker noch verstärkt wird, nur durch Besinnung auf die wichtigen Faktoren, die beim Lernen eine Rolle spielen. Dazu zählen in der frühen Kindheit die Erfahrung von Geborgenheit und Selbstwirksamkeit.

Die Quelle des Lernens

Es kommt darauf an, den Kindern Geborgenheit und damit emotionale Sicherheit zu geben. Über vielfältige Anregungen erhalten sie die Chance, grundlegende Erfahrung ihrer Selbstwirksamkeit zu machen. Damit ist eine Erfahrung gemeint, die sich in dem schlichten Satz ausdrückt: „Ich kann das.“ Zunächst verbindet sich diese Erfahrung mit allen Aktivitäten, die beim kindlichen Spiel vorkommen. Ich kann krabbeln, stehen, laufen, klettern, rennen, Dreirad fahren, mit Wasser und Feuer spielen, mit einem Messer schnitzen, klettern, balancieren, hüpfen und springen, kämpfen, gewinnen und verlieren, Theater spielen, Musik machen, lesen, schreiben, rechnen. Wenn Eltern oder nahe Bezugspersonen diese Lernerlebnisse der Kinder wohlwollend begleiten und durch zustimmende Äußerungen unterstützen, bilden sich im Gehirn der Kinder neuronale Netzwerke aus, in denen nicht nur das motorische Können gespeichert wird, sondern auch die Freude am Können. Sie erfahren auf diese Weise eine Bestätigung und Stärkung ihrer Selbstwirksamkeitserfahrung. Daraus entwickelt sich die für lebenslanges Lernen so notwendige innere Motivation. Hier liegt die Quelle des Lernens. In allen nachfolgenden Prozessen müssen wir darauf achten, dass diese Quelle nicht versiegt. Sie kann durch kein noch so ausgeklügeltes Förderprogramm ersetzt werden. Die Freude am Lernen steht in einem direkten Zusammenhang mit der Erfahrung, dass das eigene Tun auch in den Augen und Ohren anderer Menschen als etwas Wichtiges wahrgenommen wird. Die positive Resonanz, die Kinder erfahren gibt ihnen Sicherheit und bestärkt sie in ihrem Tun.

Ein Bildungsplan als Orientierungsplan

Hilfreich sein kann dabei der Hessische Bildungsplan „Bildung von Anfang an.“ Er basiert auf wissenschaftlichen Grundlagen und enthält viele wertvolle Anregungen für die Praxis. Manchmal werden die Leserinnen und Leser den Eindruck haben, dass man die umfassenden Ziele kaum wird erreichen können.

Deswegen ist es wichtig, dass man aus der Fülle der Anregungen für sich die wichtigsten Teile markiert. Das kann am besten im Team geschehen.

Spiel als Quelle von Selbstzufriedenheit und Lernfreude

Im Kindergarten ist es vor allem das Spiel, das dem Kind erlaubt, neue Fertigkeiten zu erproben, Lösungen und Strategien für immer komplexere Probleme zu erfinden und emotionale Konflikte zu bewältigen. Trotz Anstrengung, gelegentlicher Frustrationen und Momenten von Langeweile kann das Spiel daher für das Kind zu einer unersetzbaren Quelle von Zufriedenheit, Selbstsicherheit und positivem Selbstwertgefühl werden. Das Spiel ist heute ein bedrohtes Gut, das in ein „Schutzprogramm“ für gesunde Lebens- und Lernbedingungen aufgenommen werden müsste. Die Fähigkeit zu spielen scheint aber sowohl bei vielen Kindern als auch bei ihren Eltern in beunruhigendem Maße verloren zu gehen. Der damit verbundene Mangel an Erfolgserlebnissen und Selbstwirksamkeitserfahrungen verstärkt bei den Kindern Unzufriedenheit, Langeweile und führt zu raschem Aufgeben schon bei kleinen Herausforderungen. Einfache Förderprogramme können nicht leisten, was im Spiel versäumt wurde.

Lernen findet in einem sozialen System statt

Lernen im Kindergarten und in der Schule vollzieht sich immer in einer Gemeinschaft. Kinder können schon frühe voneinander lernen, miteinander agieren, Probleme aufwerfen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Werden diese Aktionen mit Interesse verfolgt, von Freude begleitet und durch Applaus belohnt, so stellen sie die wichtigsten Voraussetzungen für gelingende Lernprozesse dar.

Erzieherinnen und Lehrer müssen diese Prozesse pflegen und entsprechende Entwicklungs- und Gestaltungsanreize geben. Im Spiel sammeln Kinder z.B. vielfältige emotionale und kognitive Erfahrungen, die sich auf eine differenzierte Ausbildung ihres Gehirns auswirken.

Dr. Karl Gebauer leitet den XV. Kongress für Erziehung und Bildung in Göttingen.

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