Studentin im Hörsaal

Dramatisch hohe Krankheitsausfälle beim Kita-Personal erfordern Antwort der Politik

Kita-Mitarbeitende sind deutlich häufiger krank als der Durchschnitt aller Berufsgruppen. Insbesondere die Ausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen liegen über dem Schnitt aller Berufsgruppen. Wir und das Fachkräfte-Forum appellieren, die pädagogischen Fachkräfte zu entlasten und die Ausfallzeiten durch Vertretungen aufzufangen. Dafür braucht es Geld und pädagogisch qualifizierte Vertretungskräfte.

Beschäftigte in der Kinderbetreuung und -erziehung waren im Jahr 2023 durchschnittlich an knapp 30 Tagen arbeitsunfähig, gegenüber rund 20 Tagen bei allen Berufsgruppen. In Ostdeutschland fehlten Kita-Mitarbeitende krankheitsbedingt im Schnitt 34 Tage und damit häufiger als in Westdeutschland mit knapp 29 Tagen. Auch der Krankenstand, also der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage an den Soll-Arbeitstagen, fiel mit rund 8 Prozent im Kita-Bereich 2023 deutlich höher aus als der Mittelwert aller Berufsgruppen (rund 6 Prozent). Zwischen 2021 und 2023 sind die Arbeitsunfähigkeitstage des Kita-Personals sehr stark angestiegen, um rund 26 Prozent. Das geht aus einer Auswertung von Daten der Krankenkassen durch uns hervor.

Am häufigsten sind Kita-Beschäftigte im Jahr 2023 aufgrund von Atemwegsinfektionen krankheitsbedingt ausgefallen, auf Platz zwei folgen bereits psychische Erkrankungen. Insbesondere die Arbeitsunfähigkeitstage infolge psychischer Erkrankungen sind im Kita-Bereich in den letzten Jahren stark angestiegen sowie deutlich höher als im Schnitt aller Berufsgruppen. Krankheitstage führen zu einem Großteil der Ausfallzeiten beim Kita-Personal. Den übrigen Teil machen Urlaub und Fortbildung aus.  Laut unseren Berechnungen lagen die Ausfallzeiten in den Kitas 2023 im bundesweiten Durchschnitt bei knapp 18 Prozent der jährlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. In Ostdeutschland betragen die Ausfallzeiten sogar knapp ein Viertel des regulären Arbeitspensums, im Westen sind es rund 17 Prozent.

Hohe Krankenstände, weniger kindgerechtes Handeln, steigende Überlastung

Das Fachkräfte-Forum, das sich aus Kita-Fachkräften, Leitungskräften und Fachberater*innen aus allen Bundesländern zusammensetzt, mahnt an, dieses Problem gezielt anzugehen. In einem gemeinsam mit uns veröffentlichten Positionspapier zeigt das Forum die Folgen der Ausfallzeiten auf: 

„Viele Kitas stecken in einem Teufelskreis: Aufgrund der steigenden Krankenstände fallen immer mehr Fachkräfte aus, wodurch die Überlastung für die verbleibenden Beschäftigten weiter zunimmt. An gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken“, 

erklärt Anette Stein, unsere Expertin für frühkindliche Bildung.

Wir und das Fachkräfte-Forum plädieren deshalb dafür, gesetzlich zu verankern, dass Vertretungen durch qualifiziertes Personal für alle Ausfallzeiten finanziert werden. Denn lediglich in wenigen Bundesländern gibt es bisher konkrete Regelungen für eine verlässliche Vertretung. Legt man die aktuellen Ausfallzeiten je Bundesland zugrunde, müssten bundesweit zusätzlich knapp 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte für Vertretung eingestellt werden, davon 25.000 in Ost- und 72.000 in Westdeutschland. Dies würde zusätzliche Personalkosten von rund 5,8 Milliarden Euro pro Jahr verursachen. Dadurch ließe sich die Personalsituation in den Kitas zumindest kurzfristig stabilisieren.

Warnung vor weiterem Absenken der fachlichen Standards

Im Rahmen der Verhandlungen über die Fortsetzung des Kita-Qualitätsgesetzes sollten sich Bund und Länder auch auf einen gemeinsamen Standard einigen, der Vertretungen für Ausfallzeiten garantiert. Dafür braucht es jedoch genügend pädagogisch qualifiziertes Personal. Wie unser „Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule“ zeigt, gibt es aufgrund zurück-gehender Kinderzahlen im Osten die Chance, freiwerdende Fachkräfte für Vertretungen zu nutzen. Dafür müssen die Länder jedoch die gesetzlichen Grundlagen für die Weiterbeschäftigung schaffen.

Dort, wo Personal fehlt, warnen wir und das Fachkräfte-Forum davor, pädagogisch unzureichend qualifizierte Mitarbeitende auf die Personalbemessung anzurechnen. Das gilt insbesondere für die westlichen Bundesländer, wo entsprechende Tendenzen zunehmen. 

„Beschäftigte ohne ausreichende pädagogische Qualifikation müssen in der Arbeit mit den Kindern enger durch die vorhandenen Fachkräfte begleitet werden – was deren Zeit noch mehr beansprucht“, 

so das Fachkräfte-Forum. Deshalb komme es darauf an, die pädagogische Qualifizierung von Quereinsteiger*innen berufsbegleitend voranzutreiben und bundesweite Standards für die fachliche Eignung festzulegen. 

„Kitas unterstützen Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In erster Linie sind sie aber für gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder verantwortlich – die gibt es aber nur mit qualifiziertem Personal“, 

betont Stein.

Quelle: Bertelsmann Stiftung vom 20.08.2024

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Kommentare (1)

Dr. Erika Butzmann 30 August 2024, 17:13

Wenn die Bertelsmann-Stiftung wirklich das Wohl der Kinder im Blick hätte, würde sie auf die Bundesregierung einwirken (das kann sie ja bekanntermaßen sehr gut) und dafür plädieren, den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz auszusetzen. Dann wäre qualifiziertes Personal frei für die Kinder aus Notlagen und die älteren Kinder, deren Bildung unter den derzeitigen Bedingungen katastrophal vernachlässigt wird. Bei den Krippenkindern ist Bildung kein Thema, weil die das nicht brauchen und eher geschädigt werden von dem ganzen Theater.

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