zwei U3 Kinder

Entwicklung des Regelverstehens beim Kind

Dr. Erika Butzmann

30.05.2022 | Fachbeitrag Kommentare (0)

  • Mit ca. 2 Jahren wissen Kinder schon, was die Eltern gut finden und was nicht. Sie reagieren auf das „Nein“ der Eltern, können Erklärungen jedoch noch nicht verstehen. Zuerst richten sie sich nur nach dem „Nein“, wenn die Eltern anwesend sind. Ist das Kind allein, tut es unbekümmert das, was es will.
  • Im nächsten Schritt sagt das Kind zu sich selbst, es dürfe das nicht, wenn es sich mit etwas Verbotenem beschäftigt. Es kann das zwar noch nicht lassen, aber der Einfluss der Eltern ist jetzt schon so stark, dass er auch in Abwesenheit ins Bewusstsein des Kindes kommt. Zu beobachten ist dieses Verhalten insbesondere, wenn Kinder mit ihren Puppen oder Teddys sich selbst spielen. In dieser Phase üben die Kinder ‘unbewusst’ die Regeleinhaltung im Spiel.
  • Wenn die Kinder sich weiterentwickelt haben, schieben sie die Schuld für ihre Vergehen auf andere. Sie wissen jetzt einigermaßen, was richtig und was falsch ist. Aufgrund ihrer ‘ich-bezogenen’ Denkweise sind sie im Einzelfall auf die regelwidrige Sache so konzentriert, dass sie ihr falsches Verhalten nicht registrieren (sie können zwei Sichtweisen einer Sache noch nicht gleichzeitig bedenken). Das stellen sie erst hinterher fest und sind über das Fehlverhalten sehr erschrocken. Da zu diesem Zeitpunkt ihr positives Selbstwertgefühl vom richtigen eigenen Verhalten abhängig ist (sie bestehen oft auf Lob für ihr richtiges Regelverhalten), denken sie sich sofort eine passende Geschichte aus. Diese „Lüge“ hinterlässt kein schlechtes Gewissen, weil die vorlogische Denkweise des Kindes bis ca. 5 Jahren dazu führt, dass es Wahrheit und Lüge und Fantasie und Wirklichkeit nicht immer klar trennen kann. Im gleichen Augenblick glaubt es selbst an seine Geschichte, sodass es die „Lüge“ so überzeugend vorbringt. Nicht alle Kinder verhalten sich so. Die eher ängstlichen und empfindsamen Kinder brauchen die Fantasiegeschichten bei eigenen Regelverletzungen nicht, sondern können sich schon früher als die anderen an Regeln halten, weil diese für ihr Sicherheitsempfinden wichtig sind. Wenn es z.B. verboten ist, andere zu hauen, wird das Kind selbst auch nicht gehauen. 
  • Mit ungefähr 4 Jahren haben die meisten Kinder schon eine schwache innere Bremse, wenn sie auf freundliche, aber bestimmte Weise an Regeln gewöhnt wurden. Sie sind oft stolz, dass sie allein ‘wissen’, was richtig und was falsch ist. Ein gutes Vorbild durch andere Kinder beschleunigt diese Entwicklung. Die allgemeinen Prinzipien, die den Verboten und Geboten der Erwachsenen zugrunde liegen, verstehen sie jedoch noch nicht. Deshalb ‘petzen’ sie, wenn sie die Regelverletzung durch andere bemerken; denn sie sehen in den Erwachsenen die zuständige Instanz für die Regelüberwachung.
  • Mit 5 Jahren kennt das Kind die Regeln, verhält sich aber häufig nur danach, wenn sie für das Kind von Vorteil sind.
  • Mit ca. 6 Jahren begreifen Kinder Regeln erst richtig: sie entdecken, dass Regeln notwendig sind, da sonst dauernd etwas schief geht. Sie achten dann besonders auf die Einhaltung der Regeln.
Literatur:
Butzmann, Erika: Sozial-kognitive Entwicklung und Erziehung. Impulse für Psychologie, Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik. Gießen: Psychosozial-Verlag 2020
 
Autorin: 
Dr. Erika Butzmann
Entwicklungspsychologin 
Erziehungswissenschaftlerin
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