Erzieherin mit Kindern

Erzieherinnen sind Hochrisikogruppe für Burnout

27.09.2013 Kommentare (2)

In den Kindertagesstätten sind alle U3-Plätze belegt, die Gruppen haben sich gefunden. Aber wie kommen eigentlich die Erzieherinnen mit ihrer Arbeitsbelastung klar und welchem Stress sind sie ausgesetzt? Professor Johannes Jungbauer von der Katholischen Hochschule Aachen hat eine umfangreiche Studie durchgeführt und fast 850 Erzieherinnen zu den speziellen Belastungen ihres Berufes befragt. Was im Übrigen gar nicht so leicht war, denn in der Studie zeigte sich auch, dass viele Kita-Träger es nicht gern sahen, dass ihre Mitarbeiterinnen sich zu diesem Thema äußerten.

Das Ergebnis der Untersuchung ist alarmierend, denn viele Erzieherinnen und Erzieher sind extrem Burnout-gefährdet. Stressquelle Nummer eins ist die mangelhafte Personalausstattung in den Einrichtungen. Die Studie zeigt aber auch, dass Erzieherinnen trotz aller Belastungen ihren Job lieben. Schwierige Kinder bewerten sie zwar als anstrengende Herausforderung, viel größeren Stress aber bereiten ihnen zu große Gruppen und gleichzeitig zu wenig Mitarbeiterinnen.

Doris Noteborn, Leiterin einer integrativen Kindertagesstätte in Aachen, kann diese Ergebnisse nur bestätigen. Sie beobachtet, „dass sich die Langzeiterkrankungen häufen – das hängt ganz eindeutig mit dem Stress zusammen.“ Ein gut eingespieltes Team könne Personalausfälle eine Weile auffangen, „aber irgendwann sind die Reserven erschöpft“, sagt Noteborn.

Die mangelhafte Personalausstattung bedeutet: Zu große Gruppen, ein unzureichender Betreuungsschlüssel, Zeitdruck und Mehrarbeit wegen erkrankten Kolleginnen. Weitere Stressoren im Kita-Alltag sind der Geräuschpegel in den Gruppenräumen und die umfangreichen Dokumentationspflichten. Kinder mit deutlichen Disziplinproblemen, einem zusätzlichen Betreuungs- und Förderbedarf und Verhaltensauffälligkeiten stellen eine starke Belastung für die Erzieherinnen dar. Doch auch die Elternarbeit wird oft als große Herausforderung erlebt: Viele der befragten Erzieherinnen klagten z.B. über überhöhte Ansprüche mancher Eltern oder die Neigung, Erziehungs- und Bildungsaufgaben an die Kita zu delegieren.

Je mehr Erzieherinnen und Erzieher beruflich unter Stress stehen, desto stärker sind ihre gesundheitlichen Beschwerden. Bei ihnen liegen die Werte für die Verdachtsdiagnose Burnout deutlich über dem Normwert. Fast ein Fünftel der befragten Personen (18,9 Prozent) leidet sogar unter sehr starken beruflichen Stressbelastungen und gilt damit als Hochrisiko-Gruppe für Burnout. Und fast 15 Prozent der Befragten gaben an, unter deutlichen bis starken psychosomatischen und psychischen Beschwerden zu leiden. „Die von uns analysierten Daten zeigen, dass bei hoher Stressbelastung auch die Betreuungsqualität leidet“, mahnt Prof. Jungbauer. „Strukturell mangelhafte Arbeitsbedingungen, z.B. im U3-Bereich, gehen damit letztlich auf Kosten der Kinder.“

Ein gesundheitsförderlicher Kita-Arbeitsplatz zeichnet sich aus durch ein realistisches, zu bewältigendes Arbeitspensum; ausreichend Zeit für die Kinder; eine angemessene Gruppengröße in Abhängigkeit vom Alter der betreuten Kinder; angemessene Möglichkeiten für Pausen und Erholung sowie tragfähige Lösungen bei Personalausfall.

Prof. Jungbauer sieht die Politik hier in der Pflicht: „Schließlich geht es um die Zukunft unserer Kinder.“ Und Kita-Leiterin Noteborn ergänzt: „Wir haben eine Bildungsauftrag und wollen keine Ikea-Betreuung machen.“

 Zur Person:

Professor Dr. Johannes Jungbauer (Jg.1964), Dipl. Psych., 2002 Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP), seit 2004 Professor für Psychologie an der Katholischen Hochschule NRW Aachen, Leiter des Instituts für Gesundheitsforschung und Soziale Psychiatrie (igsp). Sein letztes Forschungsprojekt war „AKisiA - Auch Kinder sind Angehörige", Modellprojekt in Kooperation mit dem Deutschen Kinderschutzbund für die Kinder psychisch kranker Eltern.

Mit der Studie zu Stressbelastungen und Gesundheitsrisiken von Erzieherinnen in Kindertagesstätten will Prof. Jungbauer dazu beitragen, strukturelle Rahmenbedingungen und betriebliche Gesundheitsprävention für Erzieherinnen zu verbessern.  

Mehr zu der Studie hier: http://bit.ly/10P1nAv  
 
Weitere Informationen: Prof. Dr. Johannes Jungbauer,
Tel. 0241/ 6000 337, KatHO NRW Aachen, www.katho-nrw.de/aachen/ jungbauer@katho-nrw.de   

Redaktion: Claudia Dechamps, Tel. 0241/ 46 32 74 75, info@claudia-dechamps.de

Quelle: Pressemeldung der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen Aachen

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Kommentare (2)

Glückskind 26 April 2018, 18:29

Hallo, wer hat denn einen sinnvollen Vorschlag, der an der Situation etwas verändert?

Die Kinder sind genauso überfordert und zeigen deutlich, dass sie Menschen um sich brauchen, die sich mit ihnen beschäftigen und von denen sie etwas lernen können. Die Kinder verdummen und lernen nur, dass die funktionieren sollen, um später als braver Arbeitnehmer, die vorgegebenen Arbeiten abzuliefern. Nichts mit Individualität, mit einer guten Betreuung, die auch zulässt mit den Kinder zu lernen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. In Deutschland ist das nicht möglich. Die Eltern halten sich eher raus und suchen bei Problemen die Schuld bei der Einrichtung oder einzelnen Erzieherinnen. Ich habe den Eindruck, dass sie die Verantwortung gerne abgeben und froh sind sich nicht den ganzen Tag kümmern zu müssen. Es ist ja so anstrengend und die müssen doch mal schauen, dass die Erzieherinnen mit den Anforderungen klar kommen. Schließlich haben sie sich ja den Beruf ausgesucht. Tipp: Lasst eure Kinder Zuhause und versucht sie so lange wie möglich selbst zu erziehen. Es ist für alle ein Gewinn!

Kita-Team Gänseblume 10 Oktober 2015, 22:22

Der Gedanke, strukturelle Rahmenbedingungen und betriebliche Gesundheitsprävention für Erzieherinnen zu verbessern, ist löblich - aber statt Ressourcen ( Zeit und Geld) in Studien zu stecken, sollte doch ENDLICH mal Geld in die Hand genommen werden, um die krank machenden Arbeitsbedingungen für das an der BASIS (= am KInd) ARBEITENDENDE Personal zu verbessern, um nur einige Beispiele zu nennen:

- lärmmindernde Maßnahmen ("Akkustikdecken" in allen Räumen!)

- höhenverstellbares Mobilar

- größere Räume, mehr Räume (vielerorts findet alles in einem Raum statt: Essen, Spielen, Angebote: da geht viel Zeit und Energie für Auf- und Abbau drauf).

- Jede Kita bräuchte eine Turnhalle/Bewegungsraum!



- Verbindlich festgelegte Verfügungszeiten (in vielen Kitas wird nahezu die gesamte Arbeitszeit im Gruppendienst verbracht; die mittelbaren pädagogischen Arbeiten müssen "nebenbei" erledigt werden - das kostet unglaubliche Energie und ist wenig effizient: wer kann schon einen Entwicklungsbericht im Gruppendienst schreiben???

- die Kitas müssen besser ausgestattet werden: viele haben gerade mal einen PC, den die Leitung braucht - viele Erzieherinnen schreiben Berichte etc. daher Zuhause und somit unbezahlt



So wie es an vielen Schulen für Lehrkräfte ab 55 bzw. 60 Jahren eine "Altersentlastung" (Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung; Verlagerung der Arbeit in weniger "stresserzeugende" Tätigkeiten) gibt, so sollte besonders Kita-Personal auch entlastet werden, die in einem ungleich höheren Maße körperlichen Belastungen ausgesetzt sind (besonders Krippen-Erzieherinnen müssen extrem viel heben, tragen, sich beugen....).



Gesundheitsfördernde Maßnahmen installieren (Rückenschulungen, Angebote zur körperlichen und seelischen Regernation wie z.B. Yoga, Qi-Gong o.ä.)



Es gäbe noch unzählige Möglichkeiten, aber ohne eine bessere personelle und räumliche Ausstattung (auch der Außengelände!!!) bleibt es bei der Analyse und in beschwörenden Worten, dass Kinder unsere Zukunft sind und wir in Deutschland keine anderen "Rohstoffe" haben als Kinder.



Und dass BILDUNG nicht erst in der Schule anfängt, wird ja auch immer wieder betont - nur diesen Worten folgen keine Taten.

Es ist schon sehr ermüdend, immer wieder die gleichen Forderungen erheben zu müssen, aber im Interesse unserer Kinder ist das bitter notwendig.



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