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Fachfortbildung und Diskussion zur naturnahen Spielraumplanung

15.08.2022 Kommentare (0)

Gut besuchte 2-tägige Fortbildung in Dresden beleuchtet aktuelle Fragen der Spielraumgestaltung im Spannungsfeld von naturnaher Gestaltung, Sicherheitsbedürfnis und drohender Überhitzung durch den Klimawandel
Spielräume für Kinder zu planen ist eine hochanspruchsvolle planerische Aufgabe. Es reicht nicht, Spielplätze mit einer üblichen Ansammlung von Spielgeräten, Sandkästen, Rollerbahnen und ein bisschen Grün auszustatten. In mehreren Fachvorträgen und einer Tagesexkursion am 6. und 7. Juli in Dresden wurde die Dringlichkeit aufgezeigt, für eine gesunde Entwicklung von Kindern Spielräume mehr als Natur-Erlebnis-Räume und naturnahe Spiellandschaften auszugestalten.

Kindgerechte Lebensräume erfordern einen Planungswandel

Um sich vielseitig und gesund entwickeln zu können, brauchen Kinder eine Umgebung, die dazu anregt, sie zu entdecken und zu erforschen, selbst und mit anderen aktiv zu werden, Risiken einzugehen und die Umwelt mit allen Sinnen zu erfahren. Die Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e. V. engagiert sich seit längerem für eine Freiraumgestaltung, die sich an den frühkindlichen Bildungsbedürfnissen orientiert und die unter Beteiligung von Kindern und pädagogischen Teams erfolgt. Eileen Hornbostel von der SLfG e.V. verband in ihrem Vortrag die Frage, was Kinder für ihre Entwicklung brauchen und welche Notwendigkeiten sich daraus für die Gestaltung von Freiflächen in Kitas und Schulen ergeben. So sind nach aktuellen Einschätzungen deutlich mehr als 10 m2 Geländegröße pro Kind nötig, um eine spannungsreiche, naturnahe Gestaltung der Außenanlagen mit viel schattigem Grün zu erreichen.

Es braucht eine Spiellandschaft mit Winkeln und Nischen, mit Bodenbewegung und Pfaden, Kletterbaumstämmen, einheimischen Pflanzeninseln, Natursteinmauern und Hölzern als Abgrenzung. Anschaulich zeigte der Landschaftsarchitekt Matthias Mohring, wie kleinteilig gestaltete Gelände nicht nur Kletteranreize, Naturerfahrung und ruhige Ecken bieten, sondern auch Pflanzen und Hügel trotz des intensiven Bewegungsspiels und Forscherdrangs der Kinder erhalten werden können.

Eine 2022 aktualisierte Empfehlung des Landesjugendamts Sachsen fordert in diesem Sinne eine naturnahe Gestaltung von Freiräumen an Bildungseinrichtungen und bietet wichtige Argumentationshilfen für Planende, Kommunen, Träger und pädagogische Teams.

Gesundheitsschutz erfordert mehr Schatten in Außenanlagen

Auch der Arbeitsschutz liefert Argumente für andere Gestaltungsprinzipien mit viel Begrünung und Schatten, ist doch die Gefährdung der Berufsgruppe der Erzieher:innen durch Hautkrebs aktuell das Gefährdungsrisiko Nr.1, wie Frau Langer von der Unfallkasse Sachsen ausführte. Sie forderte auch mehr hitzesensible Gestaltung von Außenanlagen, da Kinder in Zeiten des Klimawandels mit ihrem empfindlichen Organismus durch starke Sonneneinstrahlung und langanhaltende Hitze besonders gefährdet sind.

Wie ungiftig sind sogenannte Giftpflanzen in Wirklichkeit?

Ein ausgiebig diskutiertes Thema war das Thema Pflanzen: Zahlreiche Planungsbüros und Bildungseinrichtungen haben in den letzten Jahren damit zu tun, dass die Angst vor angeblich gefährlichen Pflanzenarten überhand nimmt. Lange Zeit waren nur wenige Arten auf der „Giftpflanzenliste“ für Spielplätze verboten, wie zum Beispiel Seidelbast und Goldregen. Nun droht das Entfernen und Abholzen von Schatten spendenden Robinienbäumen, dichten Efeu- Rankwänden, Holundersträuchern und anderen meist heimischen und raumbildenden Gehölzen.

Frau Ute Eckardt vom Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft der Landeshauptstadt Dresden riet in ihrem Vortrag zu mehr Gelassenheit: Die Gefährdung von Kindern an Spielorten durch giftige Pflanzen sei durchweg als übertrieben und wissenschaftlich unbegründet einzuschätzen. Es gibt zwar Pflanzen mit giftigen oder unbekömmlichen Bestandteilen, aber in der Realität und den Statistiken der Giftnotrufzentralen zufolge sind schwere Schäden oder gar Todesfälle durch den unbeabsichtigten Verzehr von Pflanzenteilen in den letzten Jahrzehnten nicht vorgekommen.

Kühlendes Wasser – heiß diskutiert

Wasser in Spielbereichen wird in Zeiten sommerlicher Hitzewellen wichtiger denn je, bot aber auch Stoff für heiße Diskussionen: Während die Regenwassernutzung für ein begrüntes Gelände zunehmend Stand der Technik sein sollte, scheiden sich noch die Geister am Spielen mit stehendem und fließendem Wasser. Dem Wunsch Regenwasser zum Spielen anzubieten, stehen hierzulande strenge hygienische Vorschriften entgegen. Im Nachbarland Österreich ist dagegen das Spielen mit Regenwasser inzwischen Standard.

Auch Trinkwasser für Duschen, Wassermatschen und Wasserspiele im Freien ist aktuell umstritten (u. a. wegen möglichem Legionellen-Befall). Hier braucht es dringend eine Klärung und planerische Handreichungen, welche technischen Lösungen und Bauweisen aus spielpädagogischer und hygienischer Sicht sicher möglich sind. Frau Eileen Hornbostel von der SLfG e.V. sagte zu, diese Frage im Dialog mit Gesundheitsämtern und Fachstellen weiter zu verfolgen.

Fachdialog bringt noch keine Einigung aber Erkenntnisse und Lösungsansätze

Mehrere Teilnehmende aus Planungsbüros und Kitas formulierten den Wunsch, dass es mehr fachkundige Schulungen zu den Erfordernissen der Geländegestaltung und auch zur realistischen Einschätzung des Pflanzenbestandes geben sollte. Als Beispiel wurde die Methode des Pflanzenrundganges mit Fachleuten genannt, um gemeinsam mit pädagogischen Teams Wissenslücken zu schließen und Ängste zu nehmen.

Selbst die Normen und Vorschriften raten dazu, Kindern den Umgang mit Pflanzen und das Kennenlernen von ungenießbaren oder giftigen Pflanzen in ihrer Lebenswelt im Rahmen der pädagogischen Begleitung zu ermöglichen.

Im Sinne der Prävention begrüßt auch die Unfallkasse Sachsen Herausforderungen und Bewegungsvielfalt im Außengelände, um Kinder motorisch fit zu machen, Risikobewusstsein zu stärken und Unfällen vorzubeugen.

Allerdings bleiben Widersprüche zwischen diesen Grundsätzen und der Sicherheitsbeurteilung im Einzelfall nicht aus. Besonders wichtig sei es da, mögliche Risiken nicht isoliert, sondern gesamtheitlich zu betrachten und immer die kindlichen Bedürfnisse im Dialog mit den pädagogischen Teams in den Blick zu nehmen, so die Moderatorinnen der Fachveranstaltung Sigrid Böttcher-Steeb und Claudia Blaurock von der Arbeitsgruppe Bildungsräume.

Schon lange engagiert sich die Arbeitsgruppe Bildungsräume im bdla Sachsen für mehr Freiraumqualität, Naturnähe und klimagerechte Gestaltung von Außengeländen. Die große Resonanz auf die aktuelle Fortbildung und die verbleibenden offenen Fragen ermutigen die Veranstalter, eine Fortsetzung des Fachdialogs ins Auge zu fassen.

Veranstalter:

  • bdla Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen, Landesverband Sachsen
  • Architektenkammer Sachsen

In Kooperation mit der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung SLfG e.V., der Unfallkasse Sachsen und dem Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft der Landeshauptstadt Dresden

Verfasser:
Sigrid Böttcher-Steeb, Petra Bernsee, Landschaftsarchitektinnen bdla

Download der Vortragsinhalte und weitere Informationen zur bdla AG Bildungsräume: https://www.bdla.de/de/landesverbaende/sachsen/nachrichten/3605-kindgerecht-erfordert-planungswandel

Quelle: Bund Deutscher Landschaftsarchitekten

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