Studentinnen

Fachschule und Hochschule im Deutschen Qualifikationsrahmen. Sind die beiden frühpädagogischen Ausbildungen gleichwertig?

Hilde von Balluseck

05.11.2012 Kommentare (0)

Inhalt
  1. Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR): Gleichbehandlung unterschiedlich erworbener Kompetenzen und Lebenslanges Lernen
  2. Die Akteure beim Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR)
  3. Die Inhalte des DQR
    1. Niveau 6
  4. Die Konkurrenz Fachschule – Hochschule in der frühpädagogischen Ausbildung
  5. Die Argumente für und gegen eine Gleichwertigkeit
  6. Die Lösung: Einbeziehung nicht-formaler und informeller Kompetenzen
  7. Auf das Profil kommt es an!
  8. Zwischen Akademisierung und Öffnung nach unten
    1. Die Fachschule im Spagat

Die Bewertung der Ausbildung von ErzieherInnen bzw. Bachelor-AbsolventInnen der Studiengänge Kindheits- bzw. Frühpädagogik wird zurzeit unter neuen Vorzeichen diskutiert. Im Deutschen Qualifikationsrahmen soll die Ausbildung an der Fachschule der Hochschulausbildung mit dem Abschluss „Bachelor“ gleichgesetzt werden. Dies hat eine Kontroverse ausgelöst, die im Folgenden reflektiert und gespiegelt wird.. Inwieweit die Einstufung in den DQR tarifliche Konsequenzen haben wird, ist derzeit nicht abzusehen.

Hilde von BalluseckProf. em. Dr. Hilde von Balluseck
Chefredakteurin von ErzieherIn.de

Langfristig könnte es aber entsprechende Konsequenzen geben: Wer höher im DQR eingestuft wird, hat Aussicht auf bessere Bezahlung, auch wenn es jetzt noch nicht so weit ist.

Ich freue mich sehr, dass die GEW und die Fachschulverbände diesen Beitrag kommentieren und damit die Vielfalt der Argumente verdeutlichen.

Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR): Gleichbehandlung unterschiedlich erworbener Kompetenzen und Lebenslanges Lernen

Ausgangspunkt für den Deutschen Qualifikationsrahmen ist der  Europäische Qualifikationsrahmen (EQR), dessen Erarbeitung 2006 beschlossen und der 2008 von der Europäischen Kommission verabschiedet wurde.

Er soll als „Übersetzungsinstrument“ dienen,  „das nationale Qualifikationen europaweit verständlich macht und so die grenzüberschreitende Mobilität von Beschäftigten und Lernenden und deren lebenslanges Lernen fördert.“  http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/eqf_de.htm

Der EQR weicht von der bisher üblichen Praxis der Höherbewertung der schulischen und hochschulischen Bildung im Vergleich zur beruflichen Bildung ab. Das ist das progressive Element in diesem Konzept. Derzeit finden wir – von Ausnahmen abgesehen – auf dem Arbeitsmarkt eine im Vergleich zur akademischen Bildung durchgängige Geringerbewertung von Berufsbildung und praktischer Arbeit - sei es Handwerk, Hausarbeit  oder Kinderbetreuung - was sich an den Einstiegstarifen für die unterschiedlichen Berufe ablesen lässt. Das Interessante dabei: die gedanklichen Prozesse und intellektuellen Leistungen, die für diese Tätigkeiten notwendig sind, werden weitgehend außer acht gelassen (1). 

Das ANKOM-Projekt hat hier im Auftrag des Bundesbildungsministeriums große Fortschritte gebracht (vgl. ANKOM 2012, Freitag 2008) (2). Schon heute werden an manchen Stellen in der Berufsbildung erworbene Kompetenzen anerkannt. So wird per Beschluss der Europäischen Kommission seit 2007 der Meisterbrief einem Fachhochschulabschluss gleichgesetzt. Es ist ein großer Gewinn,  dass nicht mehr nur schulisch, sondern auch in der Praxis erworbene Qualifikationen in die Bewertung der Kompetenzen von Arbeitskräften mit eingehen sollen.

Die zweite Neuerung ist die Einsicht,  dass Lernen nicht auf eine bestimmte Lebensphase beschränkt sein darf, sondern lebenslang geschieht.  Mit der Forderung an die Bevölkerung der EU, lebenslang zum Lernen motiviert zu sein, wird unterschiedlichen Herausforderungen  Rechnung getragen:

  • Im internationalen Wettbewerb stellen die Kompetenzen der EU-Bevölkerung ein wichtiges Kapital dar.
  • Die demographische Entwicklung in der EU verbietet es, nur Jugendlichen und jungen Erwachsenen Lernchancen einzuräumen. Auch ältere ArbeitnehmerInnen werden gebraucht.
  • Der rasante gesellschaftliche und technische Wandel erfordert die Bereitschaft zu immer neuen Lernprozessen für alle Generationen.

Die Forderung des lebenslangen Lernens beinhaltet die flexible Anpassung der Erwerbspersonen an wechselnde Anforderungen des Arbeitsmarkts. Dem müssen die Individuen mit ihrer Lernbereitschaft und die Bildungsinstitutionen und Arbeitgeber mit ihren Angeboten gerecht werden.

Die Akteure beim Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR)

Parallel zum Europäischen Qualifikationsrahmen beschloss das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der Kultusministerkonferenz (= die Kultusminister der Länder), den Deutschen Qualifikationsrahmen zu entwickeln.  Dieser wurde erarbeitet von der  Bund-Länder-Koordinierungsgruppe „Deutscher Qualifikationsrahmen“ und dem Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (http://www.deutscherqualifikationsrahmen.de/de/der_dqr/akteure_und_gremien/) und 2011 verabschiedet.  Die Besetzung dieser beiden Gruppen mit allen relevanten Akteuren in Politik und Gesellschaft zeigt, dass es sich beim Deutschen Qualifikationsrahmen um ein Projekt handelt, dem auf politischer und gesellschaftlicher Ebene höchste Bedeutung zugestanden wird. Denn in der Tat müssen sich die Bildungsinstitutionen umorientieren und die Arbeitgeber ebenso. 

Die Inhalte des DQR

Im DQR sollen alle Kompetenzen (oder: Lernergebnisse)  aufgeführt werden, unabhängig davon, wo sie erworben wurden. Dazu hat der EQR eine Matrix geschaffen, also ein Gefüge, nach dem die verschiedenen Kompetenzen eingeordnet werden. Es werden zunächst einmal unterschieden Fachkompetenz und Personale Kompetenz. Innerhalb der Fachkompetenzen wird unterschieden nach Wissen und nach Fertigkeiten, und innerhalb der Personalen Kompetenzen wird unterschieden nach Sozialkompetenz und Selbständigkeit.

In einer Zuordnungsliste des DQR-Büros vom 31.1.2012 finden sich unter Niveau 6  Fachschule und Bachelor auf der gleichen Stufe eingeordnet.  Die Kompetenzen der Niveaustufe 6 werden im DQR folgendermaßen definiert:

Niveau 6

Über Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet.

Fachkompetenz

Wissen

Fertigkeiten

Über breites und integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung eines wissenschaftlichen Faches sowie eines kritischen Verständnisses der wichtigsten Theorien du Methoden (entsprechend der Stufe 1- Bachelorebene – des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse oder über breites und integriertes berufliches Wissen einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen verfügen.

Über ein sehr breites Spektkrum an Methoden zur Bearbeitung komplexer Probleme in einem wissenschaftlichen Fach, (entsprechend der Stufe 1 – Bachelorebene – des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse, weiteren Lernbereichen oder einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.

Kenntnisse zur Weiterentwicklung eines wissenschaftlichen Faches oder eines beruflichen Tätigkeitsfeldes besitzen.

Neue Lösungen erarbeiten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Maßstäbe beurteilen, auch bei sich häufig ändernden Anforderungen.

Über einschlägiges Wissen an Schnittstellen zu anderen Bereichen verfügen.

 

Personale Kompetenz

Sozialkompetenz Selbständigkeit

In Expertenteams verantwortlich arbeiten oder

Gruppen oder Organisationen verantwortlich leiten.

Ziele für Lern- und Arbeitsprozesse definieren, reflektieren und bewerten und Lern- und Arbeitsprozesse eigenständig und nachhaltig gestalten.

Die fachliche Entwicklung anderer anleiten und vorausschauend mit Problemen im Team umgehen.

 

Komplexe fachbezogene Probleme und Lösungen gegenüber Fachleuten argumentativ vertreten und mit ihnen weiterentwickeln.

 

 

Es wäre eine wichtige Aufgabe, diese Sätze textanalytisch im Hinblick auf die von den Fachschulen und Hochschulen zu erwerbenden Kompetenzen zu untersuchen. Dies kann jedoch hier nicht geleistet werden. Stattdessen wollen wir kurz in die jüngste Geschichte der Frühpädagogik gehen und dann die Argumente betrachten, die für und gegen diese Einstufung vorgebracht werden.

Die Konkurrenz Fachschule – Hochschule in der frühpädagogischen Ausbildung

Schon zu Beginn der Akademisierung der frühpädagogischen Ausbildung (3) stellten sich die Fragen, die heute die akademischen und Fachschul-Gremien beschäftigen. Auf der einen Seite wurde mit der Akademisierung eine Professionalisierung in Form der Höherqualifizierung des Berufs angestrebt (vgl. Balluseck 2008). Auf der anderen Seite wurde Durchlässigkeit von der Fachschule zur Hochschule mitgedacht und konzipiert (vgl. Balluseck/Kruse/Pannier/Schnadt 2008) (4).

Heute streben die Fachschulen nach Gleichstellung mit der Bachelor-Ausbildung an Hochschulen. Zu diesem Kampf um soziale und tarifliche Anerkennung gibt es in der Vergangenheit Parallelen:

  • Die Höheren Fachschulen  für Sozialarbeit/Sozialpädagogik wurden in den 60er Jahren zu Fachhochschulen, ohne dass das Personal entsprechend ausgebildet war.  Die Kindergärtnerinnenausbildung (heute: Frühpädagogik) verblieb in der Fachschule. Fachhochschulen kämpften jahrzehntelang um Anerkennung gegenüber den Universitäten, die ihnen erst im Gefolge der Bachelorisierung durch die Bologna-Reform partiell eingeräumt wurde (5).
  • Die Akademisierung der Frühpädagogik ging von den Fachhochschulen aus. Die Universitäten hielten sich  zunächst äußerst bedeckt (6).

Wir erleben also heute einen Konkurrenzkampf der Bildungsinstitutionen, wie er häufig ist bei der Höherstufung einer Ausbildungsinstanz. Was bis in die 90er Jahre der Kampf der Fachhochschulen um Anerkennung war, ist heute der Kampf der Fachschulen. Dies ist zu bedenken, wenn wir überlegen, wer hier im Recht ist. 

Die Lösung sah Peer Pasternack, Direktor des Instituts für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, schon Anfang 2011 in einer Aufwertung von ausgewählten Fachschulen:

„Was spricht dagegen, einzelne Fachschulen für Sozialpädagogik als Fachbereiche für Frühpädagogik in Berufsakademien oder Fachhochschulen zu integrieren?  Dies kann zwei attraktive Chancen eröffnen:

Einerseits würden reformbereite Fachschulen die Chance erhalten, auf das Ziel einer institutionellen Statusanhebung hinzuarbeiten. Andererseits ermöglichte es Berufsakademien und Fachhochschulen, von den jahrzehntelangen Ausbildungserfahrungen der Fachschulen ganz unmittelbar zu profitieren.“ (https://www.erzieherin.de/fachschulen-oder-hochschulen.php).

Diese Idee hat auch Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts,  auf der Tagung des DJI im April dieses Jahres unter dem Titel „Das Gleichheitsdilemma aufgegriffen (http://www.weiterbildungsinitiative.de/ueber-wiff/wiff-veranstaltungs-dokumentation/april-2012-fachforum-das-gleichheitsdilemma.html).

Eine solche Entwicklung einiger Fachschulen kann das Problem des Vergleichs der Fachschul- mit der Hochschulausbildung jedoch nicht lösen, da es sich um ausgewählte Fachschulen handelt und nicht um eine generelle Gleichbehandlung der Ausbildungsgänge.

Die Argumente für und gegen eine Gleichwertigkeit

Im Folgenden werden die Argumente der verschiedenen Akteure zusammengetragen.  Für die Gleichstellung der Ausbildungsgänge sprechen die Fachschulen , darunter Ludger Mehring.

„Fachschulen und Fachakademien praktizieren einen handlungsorientierten, fachrichtungsbezogenen und wissenschaftlich fundierten Unterricht, der theoretisches Grundla­genwissen vermittelt, ein berufliches Selbstkonzept fördert und die Ausprägung von Handlungskompetenzen im Umgang mit Personen unterschiedlichen Alters intendiert. Die Ausbildungsstätten sind Orte zur Förderung lebenslangen Lernens und thematisieren neue Konturen moderner Professionalität“ ((Mehring 2012 http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=1130&Jump1=RECHTS&Jump2=10)).

Der Studiengangstag Pädagogik der Kindheit, in dem HochschullehrerInnen zusammengeschlossen sind, hat sich mit einer Stellungnahme vom 14. Juli 2012 gegen die Gleichstellung verwahrt.  Die Argumente:

  • Die Professionalisierung über ein Studium, die auch von der OECD gefordert werde, sei  gefährdet, weil nur die Hochschulen die Einheit von Lehre und Forschung gewährleisten könnten. 
  • Fachschulen bauten in der Regel auf einem mindestens in drei Jahren erlernten Beruf auf, nicht so die Fachschulen für Sozialpädagogik.
  • Viele Hochschulen setzten als Voraussetzung für das Studium  eine Ausbildung zur Erzieherin voraus.  Die entsprechenden Regelungen würden widersinnig, wenn die Fachschulausbildung der Hochschulausbildung gleichgestellt werde.
  • Die erforderliche Höherqualifizierung insbesondere des Leitungspersonals wäre gefährdet.

Desgleichen hat sich die GEW gegen eine gleiche Einstufung der beiden Ausbildungsgänge ausgesprochen,  mit ähnlichen Argumenten, u.a.:

„… weil es an Hochschulen einschlägige BA-Studiengänge "Kindheitspädagogik" gibt, die ebenfalls in DQR 6 eingeordnet werden sollen. Diese Studiengänge sind zum einen grundständig, man kann sie also direkt nach dem Abitur beginnen, zum anderen gibt es solche, die eine Erzieherausbildung voraussetzen. Wenn die Erzieherausbildung ebenso wie der BA in DQR 6 käme, wäre ein Studium obsolet.“ (Eibeck, GEW, Mai 2012).

In vielen Bundesländern ist nach wie vor der Mittlere Schulabschluss und eine KinderpflegerInnen- oder SozialassistentInnenausbildung Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachschule. Es wäre empirisch zu untersuchen, ob die Kompetenzen der Fachschul-AbsolventInnen den Bachelor-AbsolventInnen gleichwertig sind.

Eine Gleichbewertung der beiden Abschlüsse zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint in der Tat nicht sehr realistisch. Dagegen sprechen außer den genannten Gründen folgende Argumente.

  • Solange die Zulassungsvoraussetzung nicht an allen Fachschulen die Hochschulreife oder ein Äquivalent ist, können die Fachschulen nicht als gleichwertige Ausbildungsinstanz gelten (7).
  • Wie praktische Erfahrungen verarbeitet werden, liegt am intellektuellen und persönlichen Hintergrund. Beide im DQR bei Niveau 6 genannten Komponenten Fachkompetenz und Sozialkompetenz erfordern bestimmte Vorerfahrungen, die von Mädchen und Jungen mit MSA nur in Ausnahmefällen in der Sozialassistenten- oder Kinderpflegeausbildung erworben werden.
  • Die Fachschulen sind generalistisch ausgerichtet und können im Hinblick auf die Kindheitspädagogik nicht gleichermaßen in die Tiefe der Themen gehen wie eine Bachelor-Ausbildung der Kindheits- bzw. Frühpädagogik.
  • Das Argument der Fachschulen, sie seien stärker praxisbezogen, ist seit Einführung der Bachelor-Ausbildung nicht tragfähig.

Die Lösung: Einbeziehung nicht-formaler und informeller Kompetenzen

Bisher bildet der DQR formal erworbene allgemeinschulische, berufliche und akademische Kompetenzen ab. Es ist aber Ziel des Rats zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens und des DQR, auch nicht-formal und informell erworbene Kompetenzen mit einzubeziehen.  Bei den nicht formal erworbenen Komptenzen handelt es sich um

  • „Weiterbildung im Jugend- und Erwachsenenalter in Verbänden und Vereinen und bei Bildungsträgern sowie im Ehrenamt
  •  Hinzu kommt das nformelle Lernen: Erfahrungslernen, Lernprozesse bei der Arbeit, Berufs- und Mobilitätserfahrung sowie
  • Prozesse der Aneignung von Kompetenzen im gesamten Lebenslauf.“  (Empfehlungen der Arbeitsgruppen zur Einbeziehung nicht-formal und informell erworbener Kompetenzen in den DQR – abgestimmt zwischen den beiden Vorsitzenden, 22.11.2011).

Bis zum Jahr 2015 sollen die nicht-formal und informell erworbenen Kompetenzen in den Mitgliedsländern validiert sein, d.h. es wird derzeit erarbeitet, wie welche Kompetenzen angerechnet bzw. eingeordnet und bewertet werden (http://www.deutscherqualifikationsrahmen.de/de/aktuelles/kommissionsvorschlag-f%C3%BCr-eine-empfehlung-des-rates_h70e1dlj.html, abgerufen 13.10.12).

In diese Diskussion werden sich die Akteure im Arbeitskreis DQR einmischen. Nach Sichtung aller Argumente könnten FachschulabsolventInnen unter folgenden Bedingungen mit Bachelor-AbsolventInnen gleichgestellt werden:

  • Die Praxiserfahrungen werden einbezogen nach Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung, Dauer der Tätigkeit (z.B. zwei Jahre) und Qualität der Einrichtung. Die Qualität der Einrichtung muss durch unabhängige Stellen evaluiert und festgestellt worden sein (Beispiel Berlin, vgl. https://www.erzieherin.de/berlin-zeugnisse-fuer-die-kitas.php). Eine Bewertung allein aufgrund der Tätigkeitsdauer ist unsinnig, wie das Beamtenrecht zeigt. Damit sind auch die Kita-Träger verpflichtet, sich Qualitätsstandards zu stellen.
  • Die Teilnahme an längerfristigen Weiterbildungen bei anerkannten Weiterbildungsträgern. Die von der Bundesagentur zertifizierten Weiterbildungsträger können nicht automatisch dazugehören, weil sie nicht von pädagogischen Fachkräften zertifiziert werden (vgl. https://www.erzieherin.de/warum-fallen-quereinsteigerinnen-durch.php).

Gleichzeitig sollte dem Anspruch der Fachschulen auf  Anerkennung Rechnung getragen werden, wie dies in der engen Kooperation zwischen Fachschulen und Hochschulen schon mancherorts der Fall ist (vgl. https://www.erzieherin.de/kooperation-fachakademie-fachhochschule-auch-in-nuernberg.php?searched=N%C3%BCrnberg&advsearch=oneword&highlight=ajaxSearch_highlight+ajaxSearch_highlight1)-

Langfristig muss dann auch erreicht werden, dass die Einstufung im DQR tarifliche Konsequenzen hat.

Anmerkungen

(1)   Die eigennützigen Interessen der EU im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit lassen  häufig den gesellschaftskritischen Kern der Debatte  vergessen. Denn die Bewertung der Arbeit hat auch etwas mit Herrschaft zu tun (vgl. Sohn-Rethel 1970).

(2)   Parallel zur Bologna-Reform begann  das ANKOM-Projekt.

(3)   Die Verfasserin dieses Beitrages hat die Akademisierung erlebt und gestaltet. Gegen den Widerstand mächtiger Gruppen, darunter die Kultusministerkonferenz, entschieden sich 2003 der Berliner Senat und die Alice Salomon Hochschule zur Konzeption des ersten grundständigen Studienganges für frühpädagogische Fachkräfte, der 2004 seine Arbeit aufnahm.  

(4)   Die Fachschulen äußerten damals auf Tagungen und in persönlichen Gesprächen Befürchtungen um eine Hierarchisierung der Berufsgruppen in der Frühpädagogik,  Dabei ist das Miteinander verschiedener Qualifikationsniveaus in unterschiedlichen Berufsfeldern eine Selbstverständlichkeit – es muss nur vernünftig organisiert werden und eine Durchlässigkeit nach oben möglich sein. 

(5)   Anerkennung“ heißt hier wie bei den derzeitigen Bemühungen der Fachschulen: Geringeres Lehrdeputat und damit Zeit für Forschung, bessere Bezahlung der Lehrkräfte und der AbsolventInnen.

(6)   Als der Studiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter schon seine Arbeit aufgenommen hatte, wurde an den Universitäten noch über eine Akademisierung diskutiert. Die wenigen Lehrstühle für Frühpädagogik hatten nicht die Ausbildung von Kita-MitarbeiterInnen als Ziel. Schließlich haben die Universitäten sich den Fachhochschulen mit Studiengängen angeschlossen – es gab Geld zu verteilen. Einer der großen Verdienste der Robert Bosch Stiftung war es, dass sie die Vorreiterinnenfunktion der Fachhochschulen gewürdigt und damit die höhere Anerkennung der Fachhochschulen befördert hat.

(7)   Als Berlin die Fachhochschulreife zur Zulassungsvoraussetzung festlegte, berichteten mir mehrere Fachschul-Lehrkräfte,  wie anders jetzt das Unterrichten sei: Das Niveau konnte stark angehoben werden.

Quellen

ANKOM – Übergänge von der beruflichen in die hochschulische Bildung. http://ankom.his.de/, Abruf 12.10.12

Balluseck, Hilde von (Hrsg., 2008): Professionalisierung der Frühpädagogik. Perspektiven, Entwicklungen, Herausforderungen. Opladen &Farmington Hills: Barbara Budrich

Balluseck, Hilde von, Elke Kruse, Anke Pannier, Pia Schnadt  (Hrsg., 2008): Von der ErzieherInnen-Ausbildung zum Bachelor-Abschluss. Mit beruflichen Kompetenzen ins Studium, Berlin u.a.: Schibri

Bundesministerium für Bildung und Forschung/Kultusministerkonferenz (Hrsg.):

Deutscher Qualifikationsrahmen (Abruf  13.10.12)2012) http://www.deutscherqualifikationsrahmen.de.

Europäische Kommission (Hrsg.): Der Europäische Qualifikationsrahmen. http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/eqf_de.htm. Abruf 9.10.12

Freitag, Walburga (2008): Soziale und strukturelle Durchlässigkeit als bildungspolitische Herausforderung. In: Balluseck, Hilde von (Hrsg.): Professionalisierung der Frühpädagogik. A.a.O.

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Hrsg.2012) : Zur Einordnung des Berufs „staatlich anerkannte Erzieher/in“ im DQR

Mehring, Ludger: „Fachschulen und Fachakademien: Kompetenzzentren mit Zukunftspotenzial“. http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=1130&Jump1=RECHTS&Jump2=10, Abruf 13.10.12

Pasternack, Peer  im Editorial März/April 2011 https://www.erzieherin.de/editorial-maerz-april-2011.php auf ErzieherIn.de zum Thema: Fachschulen oder Hochschulen

Rauschenbach, Thomas (2012): Zitat auf der Tagung: Das Gleichheitsdilemma. Unter: http://www.weiterbildungsinitiative.de/ueber-wiff/wiff-veranstaltungs-dokumentation/april-2012-fachforum-das-gleichheitsdilemma.html

Sohn-Rethel, Alfred (1970): Geistige und körperliche Arbeit. Zur Theorie der gesellschaftlichen Synthesis. Frankfurt a.M.: Suhrkamp

Stieve, Claus/Kägi, Sylvia (2012): Gleicher Level für Fachschulausbildung und Studium? Der DQR und Rückschritte in der Professionalisierung der „Pädagogik der Kindheit“. In: Frühe Bildung (1), Heft 3, 2012, S. 159-162

Studiengangstag Pädagogik der Kindheit im Fachbereichstag Soziale Arbeit (2011): Ausführliche Stellungnahme von GründungsteilnehmerInnen des Studiengangstags Pädagogik der Kindheit zu aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Ausgestaltung des DQR

Auf das Profil kommt es an!

Was hat ein Dachdeckermeister mit einem Bauingenieur Hochbau oder Architektur gemeinsam? Zum einen arbeiten sie beim Bau eines Hauses am selben Projektziel und zum anderen befinden sich beide beim DQR auf Niveaustufe 6. Niemand kommt nun auf den Gedanken, aufgrund der zweiten Übereinstimmung das Haus allein vom Dachdeckermeister oder umgekehrt allein vom Bauingenieur errichten zu lassen. Diese „Gleichstellung“ funktioniert nicht – und jeder weiß es auch. Das Bauprojekt gelingt nur mit beiden profilierten und kompetenten Kräften.

Nicht anders sieht es im Bereich der (Früh-)Pädagogik aus. Akademisierte Kindheitspädagoginnen und an Fachschulen und Fachakademien ausgebildete Erzieherinnen engagieren sich für den selben Bildungsauftrag, allerdings bringen sie durchaus unterschiedliche Kompetenzen ein. Von daher ist es auch nicht problematisch, wenn der DQR nun im Wissen um die spezifischen unterschiedlichen Kompetenzen beide Berufsgruppen auf Niveau 6 verortet – übrigens zusammen mit dem Bauingenieur und dem Dachdecker. Die Kurzformel lautet folgerichtig: Gleichwertigkeit bei konstatierter Andersartigkeit!

Von daher lohnt weniger der Streit um den Status von Institutionen und in der Folge um Rangkämpfe der Berufsgruppen im Kontext von notwendigen Tarifverhandlungen. Auch ist das Bedauern über den drohenden Verlust lieb gewonnener Bildungstraditionen und ihrer bisherigen Bedeutung für die Professionalisierungsdebatte wenig konstruktiv in einer Phase, in der der Stellenwert der beruflichen Bildung neu definiert und zu dem der akademischen Bildung neu positioniert wird.

Vielmehr sollte der DQR als Chance begriffen werden als Partner mit demselben Ziel miteinander ins Gespräch zu kommen, um die berechtigten und sicher auch notwendigen unterschiedlichen Kompetenzen, die so dringend benötigt werden für einen soliden und fundierten Bau (ob Um- oder Neubau ist an dieser Stelle nicht die zu entscheidende Frage) unseres Bildungshauses, zu beschreiben.

Deshalb brauchen wir Projekte, die dieser Chance Raum geben: Projekte eines konstruktiven Miteinanders von Hochschule und Fachschule. Projekte, die herauskristallisieren, wie unterschiedlich die Profile von Kindheitspädagog/inn/en und Erzieher/inne/n sind und zeigen, dass gerade deshalb beide für die Entwicklung von Kindern wirklich wichtig sind.

Ludger MehringDr. Ludger Mehring

Der Bau eines Hauses gelingt dann, wenn die unterschiedlich kompetenten Akteure nicht gegen-, sondern miteinander am gemeinsamen Ziel arbeiten. Denn die Akteure sind nicht Selbstzweck. Ziel war, ist und bleibt das zu bauende Haus! In unserem Fall: Ziel war, ist und bleibt das Kind mit seiner individuellen Zukunft!

Dr. Ludger Mehring
Gemeinsame Vertretung
der Bundesverbände der
Ausbildungsstätten für Sozialpädagogik

Zwischen Akademisierung und Öffnung nach unten

Die Fachschule im Spagat

Die Anerkennung der Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildungsabschlüsse ist seit Jahrzehnten ein wichtiges Ziel gewerkschaftlicher Bildungspolitik. Mit dem Deutschen Qualifikationsrahmen ist es nun erstmals möglich, dieses Ziel durch eine systematische Bewertung der Kompetenzen und Bildungsabschlüsse zu erreichen. Schaut man sich die Bildungsgänge der Fachschulen, die angestrebten Ziele, die Zugangsvoraussetzungen und erzielten Kompetenzen näher an, so kann man feststellen, das vier von fünf Fachschultypen die Voraussetzungen erfüllen, in DQR-Niveau 6 und damit gleichwertig mit dem Bachelor-Abschluss eingruppiert zu werden. Eine Ausnahme davon bildet die Fachschule für Sozialpädagogik.

Fachschulen sind gemäß KMK-Rahmenvereinbarung vom 7. November 2002 (i. d. F. vom 2. März 2012) „Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung“. Im Anschluss an eine berufliche Erstausbildung und einige Jahre Berufserfahrung qualifiziert man sich an Fachschulen für die Übernahme von Führungsaufgaben in Betrieben, Verwaltungen und Einrichtungen. So qualifiziert z. B. die Fachschule der Agrarwirtschaft zur Leitung eigener Unternehmen und für Führungsaufgaben auf mittlerer Ebene in der Agrarverwaltung. In der Fachschule Technik geht es darum, Fachkräfte für „die Lösung technisch-naturwissenschaftlicher Problemstellungen“ und für „Führungsaufgaben im betrieblichen Management auf der mittleren Führungsebene“ auszubilden. Die Fachschule für Sozialpädagogik hat das Ziel, Erzieherinnen und Erzieher dazu zu befähigen, „Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen sowie selbstständig und eigenverantwortlich tätig zu sein.“ Die Qualifizierung für eine herausgehobene Führungsaufgabe wird in der Erzieherausbildung nicht angestrebt. Auch im von der Kultusministerkonferenz am 01.12.2011 beschlossenen „kompetenzorientierten Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen/Fachakademien“ findet sich kein Hinweis darauf, dass die Fachschule Kompetenzen vermittelt, die denen der anderen Fachschulen vergleich bar sind. Die Rede ist von einer „generalistischen Ausbildung“, die „Orientierung und Überblick“ ermöglicht. Insofern muss in Frage gestellt werden, ob die Zuordnung der Fachschule für Sozialpädagogik in DQR-Niveau 6 sachgemäß ist.

Die Fachschule für Sozialpädagogik steht unter erheblichem Druck. Auf der einen Seite ist man bestrebt, die Erzieherausbildung an das europäische Ausbildungsniveau eines Hochschulstudiengangs anzupassen, sie also zu akademisieren. Auf der anderen Seite wird verlangt, die Absolventenzahlen deutlich zu erhöhen, um dem Fachkräftemangel in Kindertageseinrichtungen begegnen zu können. Von Seiten der Politik wird darauf gedrängt, die Zugangsvoraussetzungen zu öffnen, Ausbildungsgänge zu verkürzen, sie berufsbegleitend anzubieten oder Teilzeitbildungsgänge zu eröffnen. Außerdem gibt es zunehmend Personen, die sich extern auf die Prüfung vorbereiten und die Fachschule zusätzlich belasten. Dieser Spagat führt zu einer Zerreißprobe. Wenn die Fachschule für Sozialpädagogik die Chance nutzen will, einen dem Bachelor-Abschluss gleichwertigen Berufsabschluss zu erreichen, muss sie mit aller Stringenz die Vorgaben der KMK-Rahmenvereinbarung einhalten. Dies gilt vor allem für die Frage der Zulassungsvoraussetzungen und für die Dauer der Ausbildung. Zudem muss die Fachschule nachweisen, warum die dort vermittelten Kompetenzen den anderen Fachschulformen, die für Leitungsaufgaben in Unternehmen und Verwaltungen qualifizieren, gleichwertig sind. Nur dann kann es gerechtfertigt sein, Erzieherinnen und Erzieher mit staatlicher Anerkennung in DQR-Niveau 6 einzuordnen.

Bernhard EibeckBernhard Eibeck

Die Erwartung zu schüren, durch die Gleichsetzung der Erzieherausbildung mit dem BA-Studium käme es quasi automatisch zu einer höheren Eingruppierung, ist unverantwortlich und entbehrt jeder Grundlage. Das Tarifrecht orientiert sich strikt an der ausgeübten Tätigkeit. Diese Tätigkeit wird hinsichtlich der Qualität, der Bedeutung und des Umfangs bewertet. Daraus leitet sich die Eingruppierung ab. Erst wenn es gelingt, die Tätigkeit neu zu bewerten, indem man den Erzieherberuf als pädagogischen Beruf im Elementarbereich des Bildungswesens einordnet, wäre eine bessere tarifliche Eingruppierung denkbar. Tariffragen sind Machtfragen. Es kommt einzig allein darauf an, was Gewerkschaften durchsetzen können. Und dies hängt wiederum ganz entscheidend davon ab, wie viele Mitglieder eine Gewerkschaft hat, wie stark sich die Mitglieder in den Tarifauseinandersetzungen engagieren und ob sie bereit sind, für ihre Interessen zu streiken.

Bernhard Eibeck
GEW-Hauptvorstand
Referent für Jugendhilfe und Sozialarbeit

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