Studentin im Hörsaal

Fördert guter Unterricht die Aufmerksamkeit und das Verhalten von Schüler:innen?

Schüler*innen können sich in Unterrichtsstunden, die in ihren Augen besonders gut umgesetzt werden, besser selbst regulieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, die im Fachjournal „Learning and Instruction“ vorgestellt wurde. Der Zusammenhang zwischen Unterrichtsqualität und Selbstregulation trifft demnach tendenziell besonders für Schüler*innen zu, die etwa aufgrund einer ADHS-Symptomatik Probleme damit haben, dauerhaft ihr Verhalten zu kontrollieren und dem Unterricht zu folgen.

Guter Unterricht zeichnet sich dadurch aus, dass die Lehrkraft die Klasse ohne Störungen durch die Stunde führt, die Schüler*innen zum Nachdenken anregt, sich für sie interessiert und sie individuell unterstützt. Je besser eine Lehrkraft dies beherrscht, umso besser können die Schüler*innen ihr Verhalten regulieren, also beispielsweise dem Unterricht aufmerksam folgen, mitarbeiten und die Klassenregeln einhalten. Entsprechend lernen sie auch besser. Dieser in der Forschung bereits bekannte Zusammenhang wurde im Rahmen einer Tagebuchstudie noch genauer untersucht und mit Hilfe von Multilevel-Analysen ausgewertet.

Dabei wurde deutlich, dass sich die Unterrichtsqualität nicht nur insgesamt, sondern auch in jeder einzelnen Unterrichtsstunde auf die Selbstregulierung auswirkt, fasst Dr. Friederike Blume, Erstautorin der nun veröffentlichten Studie, die Ergebnisse zusammen: „Wenn Lehrkräfte in einer Unterrichtsstunde die Klassenführung und die konstruktive Unterstützung besonders gut umsetzen, können die Schüler*innen ihr Verhalten besser regulieren. Klappt es mit diesen beiden Merkmalen guten Unterrichts in einer Stunde nicht so gut, berichteten die Schüler*innen auch, dass sie sich nicht so gut konzentrieren und mitarbeiten konnten.“ Die kognitive Aktivierung als drittes Merkmal guten Unterrichts sei hingegen für die Selbstregulation kaum relevant gewesen.

Besonders wichtig sei folglich die persönliche Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler*in, unterstreicht Dr. Blume. Dies gelte gerade bei Schüler*innen, die etwa aufgrund einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) Probleme haben, sich selbst zu regulieren. „Vielen Lehrkräften fällt es nicht so leicht, eine positive Beziehung mit Kindern mit einer ADHS-Symptomatik aufzubauen“, so die Bildungsforscherin. „Unsere Studie zeigt aber: Gerade in Stunden, in denen Kinder mit Schwierigkeiten in der Selbstregulation sich gezielt von ihrer Lehrkraft unterstützt fühlten, berichteten sie häufiger, dass sie sich besser konzentrieren und die Klassenregeln einhalten konnten. Diesen Kindern im Unterricht positiv zu begegnen und sich ehrlich für sie zu interessieren, lohnt sich also durchaus, denn es kann die Lehrkräfte langfristig entlasten und mehr Ruhe in die Klasse bringen.“ Den Lehrer*innen empfiehlt die DIPF-Forscherin zudem, sich von ihren Schüler*innen von Zeit zu Zeit Rückmeldungen zu ihrem Unterricht einzuholen. Dies sei zwar für viele noch ein Tabu, könne aber wertvolle Hinweise dafür liefern, wie sie ihren Unterricht besser auf die Bedürfnisse einzelner Schüler*innen abstimmen können.

Die Studie

An der Studie hatten insgesamt 64 Schüler*innen der Klassen 5 und 6 teilgenommen. Diese gehörten nicht zwangsläufig der gleichen Schule oder Klasse an, sondern wurden über einen Aufruf per E-Mail etwa an Musikschulen, Sport- und Freizeiteinrichtungen erreicht. Zu Beginn füllten die Kinder einen Fragebogen zu allgemeinen Informationen wie Klassenstufe und Schulform aus und machten Angaben darüber, wie sie ihre selbstregulatorischen Fähigkeiten einschätzen. In den drei darauffolgenden Schulwochen beantworteten die Kinder täglich Fragen zur letzten Unterrichtsstunde des jeweiligen Tages – sie führten quasi Tagebuch zu dieser Thematik. In diesen Fragen ging es um die Unterrichtsqualität (z. B. Unterstützung durch die Lehrkraft, Unterrichtsstörungen, Anregen zum Nachdenken), sowie um ihre Fähigkeit, sich in dieser Stunde selbst zu regulieren (z. B. Aufmerksamkeit, Impulskontrolle).

Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden und den dazugehörigen täglichen Einträgen wurden über eine sogenannte Multilevelanalyse ausgewertet. Unter anderem wurden die Ergebnisse auf intrapersoneller Ebene analysiert, was Rückschlüsse auf der Ebene eines jeden einzelnen Kindes erlaubt. Zusätzlich wurden interpersonelle Zusammenhänge untersucht, was Aussagen über alle Teilnehmenden zusammen ermöglicht. Es wurde zudem betrachtet, ob Merkmale von qualitätsvollem Unterricht für Kinder, die anfangs größere Probleme bei der Selbstregulierung berichtet hatten, besonders bedeutsam sind.

Grenzen der Studie

Studien mit einem solch aufwändigen Studiendesign mit täglichen Befragungen streben stets eine möglichst wenig zeitlich belastende Datenerhebung an. Entsprechend wurde die Unterrichtsqualität hier nur anhand weniger Aussagen gemessen, die sicherlich nicht alle Merkmale guten Unterrichts abdecken. Daher sollten zukünftige Studien noch genauer auf die Prozesse im Klassenzimmer blicken, um herauszufinden, welche Merkmale von Unterricht besonders förderlich sind, insbesondere auch für Kinder mit einer ADHS-Symptomatik. Des Weiteren müssen zukünftige Studien zeigen, ob die hier gefundenen Ergebnisse für alle oder nur für bestimmte Unterrichtsfächer gelten und welche Rolle verschiedene Lehrmethoden spielen.

Die Veröffentlichung:

Blume, F., Schmiedek, F. (2024). It counts in every single lesson: Between- and within-person associations of teaching quality and student self-regulation. Learning and Instruction, 92, 101908, https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2024.101908


Quelle: Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) vom 06.05.2024


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