
Frühkindliche Bildung und Betreuung heute - eine multidisziplinäre Herausforderung
Auf der Fachtagung der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung am 9./10. Dezember i Berlin ging es vor allem um die Frage, welche Aspekte die Wirtschafsforschung beisteuern kann, wenn es um den Ausbau und die Qualitätsverbesserung der frühkindlichen Bildung geht. In ihrem einleitenden Vortrag stellte Katharina Spieß plausibel die Möglichkeiten einer ökonomischen Betrachtungsweise für die Frühpädagogik dar. Spieß hat sich in der Vergangenheit um die ökonomische Begründung der Frühpädagogik verdient gemacht, indem sie beweisen konnte, dass durch einen Ausbau der institutionellen Betreuung und Bildung die Müttererwerbstätigkeit steigt und diese wiederum zu finanziell fassbarem volkswirtschaftlichem Nutzen führt. In ihrem Vortrag wurden allerdings weit mehr Gesichtspunkte ökonomischer Herangehensweisen benannt und erläutert. Sobald der Vortrag auf der Homepage des DIW veröffentlicht wird, werden wir Sie darüber informieren.
Nach der ökonomischen Sichtweise gab der Erziehungswissenschaftler Hans-Günther Rossbach einen Überblick über die Studien, die eine kurz- oder langfristige Wirkung von frühkindlicher institutioneller Bildung nachweisen. Auch auf diesen Vortrag dürfen Sie gespannt sein, denn die Ergebnisse sind nicht nur eindeutig. Wieder wurde betont, dass für Deutschland umfängliche, überzeugende Untersuchungen nicht vorliegen. Diesem Mangel will die NUBBEK-Studie, über die Wolfgang Tietze berichtete, abhelfen. Die Ergebnisse werden Ende nächsten Jahres vorliegen, die Veröffentlichung vermutlich um Einiges später.
Eine wirklich multidisziplinäre Perspektive entfaltete Friedhelm Pfeiffer. Als Ökonom hatte er sich in die Entwicklungspsychologie eingearbeitet und entwickelte daraus die Bedeutung der nachgeburtlichen Mutter-Kind-Interaktion in den ersten Lebensmonaten. Auch er referierte Untersuchungen und berichtete über eine eigene Studie, in der der Wert der frühesten Interaktionen für die Entwicklung von Kindern erneut unter Beweis gestellt wurde. Fabienne Becker-Stoll verstärkte diesen Aspekt der Bedeutung der frühkindlichen Bindungs- und Bildunsprozesse in ihrem Vortrag aus psychologischer Sicht.
Wir wissen das natürlich alles längst seit René Spitz (spätestens), aber es ist sicher hilfreich, wenn die ökonomische Perspektive diesen Erkenntnissen mehr Gewicht gibt. Die Frage ist nur, warum in diese frühesten Beziehungserfahrungen zwischen Eltern und Kindern außer in ein paar Projekten nicht mehr investiert wird, sondern mit erheblichem Aufwand und flächendeckend nur in die institutionelle Bildung und Erziehung.
Nicht so gut in die Frühpädagogik eingearbeitet waren dann zwei Ökonominnen aus wissenschaftlichen Instituten, die eigene quantitative Studien mit einem beeindruckenden Aufwand und methodischen Repertoire durchgeführt hatten. Da fehlte bei der "Ausstattung" einer Kita die Personalsituation ebenso wie die Berücksichtigung des sozialen Umfeldes. In dem anderen Falle wurde das Personal zwar berücksichtigt. Der errechnete Personalschlüssel vernachlässigte dann sowohl die Frage der Teil- oder Vollzeitbeschäftigung wie auch das Alter der Kinder. Solche Arbeiten sind fast gefährlich, wenn sie öffentlich gemacht werden, denn die Nennung wissenschaftlicher Institutionen und die großen Zahlen der quantitativen Erhebungen beeindrucken PolitikerInnen.
Bleibt zu wünschen, dass in Zukunft ökonomisch begründete Aussagen die Erkenntnisse der Frühpädagogik stärker berücksichtigen. Dazu gehört die Kenntnis sowohl der durchaus komplexen Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe wie auch der zentralen Bedeutung der Erzieherin-Kind-Interaktion.
Wie schon erwähnt: Wir informieren Sie über die Vorträge, sobald sie im Netz sind.