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Für Europa qualifizieren! ErzieherInnen aus den Europaklassen – wer drin war hat mehr drauf!

Horst Küppers

19.05.2013 Kommentare (4)

Seit 1997 gibt es an der Elly-Heuss-Knapp-Schule Neumünster, im Herzen Schleswig-Holsteins, die Europaklasse für ErzieherInnen. Ein Team von drei Lehrkräften organisiert und gestaltet seit dieser Zeit die Ausbildung in diesen Klassen. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass dieses Team stabil geblieben ist, denn auch in diesem Lernfeld ist Kontinuität ein hohes Gut.

Klassenbildung und Schwerpunkte in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern

Die SchülerInnen der Europaklassen bleiben in den ersten drei Semestern weitgehend zusammen und wechseln nur selten zum dritten Semester in „normale“ Klassen. Ab dem vierten Semester können die Studierenden für die letzten drei Semester ihre persönliche sozialpädagogische Schwerpunktsetzung in einem der angebotenen Arbeitsfelder wählen, z. B.: Elementarpädagogik, Integration, Erlebnispädagogik, Hort- und Freizeitpädagogik, Kinder- und Jugendarbeit, Assistenz von Lehrkräften (assistant teachers), Heimerziehung etc.

In welchen Ländern können Praktika absolviert werden?

Praktika können in allen europäischen Ländern und als Ausnahme (bisher Australien, Namibia, USA, Georgien, Indien, Nicaragua, Kanada, Malawi und Brasilien) auch außereuropäische Länder gewählt werden. 

Praxisbegleitung und –besuche vor Ort

PraktikantInnenbesuche sind ein wichtiges Element der Praxisbegleitung. Alle Europalehrer beraten bei der Praxiswahl, betreuen und besuchen ihre Schüler vor Ort, mit Ausnahme der Schulen im außereuropäischen Ausland Von der Schule sind sie für diesen Zeitraum vom Unterricht freigestellt. Allerdings werden die Besuche weder vom Land Schleswig-Holstein noch von  der Schule finanziert – die Lehrer bleiben also auf ihren Kosten sitzen. An einer Lösung mit dem Ministerium arbeiten wir, aber angesichts leerer Kassen sind die Gespräche schwierig.

Schulische Vorbereitung

Wir bereiten die Schüler in den Europaklassen gezielt auf den Auslandseinsatz vor. Dies geschieht zurzeit durch den Fremdsprachenunterricht in: Englisch, Französisch, Spanisch, Dänisch, Italienisch und Gebärdensprache. Dazu werden wir noch Türkisch für Türken und für Anfänger anbieten. Wer in ein Land mit anderen Sprachen gehen will, muss die entsprechenden Kenntnisse zertifiziert belegen.

In diesem Zusammenhang ist es von exponierter Bedeutung, Theorien des Sprachenlernens für Deutsche und Ausländer auf der Basis von z. B. DfA (Deutsch für Ausländer),  DaF (Deutsch als Fremdsprache) oder DfD (Deutsch für Deutsche im Ausland) und die Immersionstheorie zu kennen und anwenden zu können. Wichtig ist auch die interkulturelle Vorbereitung. Alle SchülerInnen arbeiten mit einem persönlichen Portfolio, in dem die individuelle Lernentwicklung dokumentiert wird. Wir verlangen, dass die SchülerInnen Patenschaften zu Nichtdeutschen übernehmen und darüber ihrer Position reflektieren. Diese Patenschaften suchen sich die SchülerInnen in ihrem direkten Wohnumfeld oder arbeiten in der Unterkunft für Asylsuchende  z. B. mit nicht begleiteten Jugendlichen..

Finanzielle Förderung für das Auslandspraktikum

Jedes Jahr stellen wir neue Anträge auf Förderung durch EU-Mittel des Programms „Berufliche Mobilität in Leonardo da Vinci“. Allerdings ist die Genehmigung durch die Nationale Agentur (NABIBB) in Bonn immer eine Zitterpartie, denn die Vergabe der Mittel erfolgt durch sie allein und muss für jede Maßnahme beantragt werden. Die Mittel beinhalten Stipendien, Reisekosten-, Sprachvorbereitungs-kosten und Verwaltungskostenzuschüsse. Die Höhe der Stipendien ist von der Dauer des Aufenthaltes abhängig. Das Einbringen von Eigenmitteln ist nachzuweisen.

Europazertifikate

Alle SchülerInnen der Europaklasse erhalten, wenn sie mindestens zwei der drei Praktika im europäischen Ausland absolviert haben oder als ausländische SchülerInnen, wenn sie zwei Praktika in Deutschland absolviert haben, das Zertifikat der Landesregierung Schleswig-Holstein „Europaerzieher“. Es ist im Moment die einzige uns bekannte Deutschland weite staatliche Europaqualifizierung für ErzieherInnen. Zudem werden alle Praktika im „Europass Berufsbildung“ der EU bescheinigt. Damit beweisen die AbsolventInnen bei Bewerbungen ihr hohes Maß an beruflicher Mobilität im Geltungsbereich der EU.

Entsendungen in Zahlen

Wir starteten 1997 und beginnen mit dem Schuljahr 2013/14 unsere 16. Europaklasse. Damit haben wir jährlich drei flows an AuslandspraktikantInnen, das bedeutet etwa 50 – 60 Entsendungen pro Jahr. Für den Zeitraum des Bestehens der Europaklassen kommen wir auf ca. 600 Auslands-Praktika insgesamt, an denen etwa 320 Schülern der EHKS teilgenommen haben.

Bisherige Ergebnisse

Was bringt die Europaklasse den SchülerInnen?:

  • Stärkung von Neugier, Mut und Selbstbewusstsein
  • Offenheit für Europainhalte.
  • Verbesserung der persönlichen Fremdsprachenkompetenz
  • Fachwissen über das Erlernen von Bilingualität, Fremd- und Muttersprache (DaF – Deutsch als Fremdsprache und Immersionstheorien)
  • Erleben europaweit verschiedene methodisch-didaktische Arbeitsweisen in den sozialpädagogischen und schulischen Arbeitsfeldern
  • Intensivere Verbindung  regionaler Schnittstellen zwischen In-und Ausland (z. B. das Minderheitsgebiet der Deutschen mit der Minderheit der Dänen in Deutschland) Nutzbarmachung der sozialpädagogischen „soft skills“, um zu erleben, wie europäische Politik in kleinen Schritten entwickelt werden kann

Für SchülerInnen UND  Lehrkräfte ergeben sich neue Erfahrungen:

  • Erprobung von sozialer Veränderung
  • Das Gefühl, sich im Ausland souverän zu bewegen, eine neue „Haut“ zu besitzen
  • Sich als Lehrer oder SchülerIn bewusst zu werden, am „europäischen Königswissen“ beteiligt zu sein
  • Erleben von  neuen Formen der sozialpädagogischen Begleitung und Förderung durch eine deutsche Einrichtung

Die Frühpädagogik wird bereichert durch die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher ErzieherInnen auf dem europäischen (Teil-) Arbeitmarkt und den Erwerb von multinationalen Schlüsselqualifikationen

Kompetenz für die Arbeit im Ausland

Es zeigt sich, dass eine Vielzahl von  Europaqualifikationen in Verbindung mit längerfristigen Auslandspraktika (von Deutschland aus gesteuert, durch Besuche im Ausland begleitet und in Deutschland nachbereitet) erworben werden können. Als besondere Kompetenzen lassen sich hervorheben:

  • Ambiguität, Toleranz und Empathie
  • Fach-, Methoden- und Handlungskompetenz
  • Identitätsreflexion, individuell und kollektiv
  • Multilingualität
  • Multikulturelle Kompetenz auf der politischen, sozialen und kulturellen Ebene.

Diese Kompetenzen gewinnen europa- und weltweit immer mehr an Bedeutung und sind für Erzieherinnen, die im Ausland arbeiten wollen unabdingbar.

EuropaerzieherInnen – wertvoll für die Praxis

Die o. g. Kompetenzen nutzen vor allem Träger von Einrichtungen in Deutschland, die  in einem multi-kulturellen Stadtteil liegen. Andere Träger oder Eltern erwarten von ihrem Personal, dass ihre Kinder mit einer zweiten Sprache aufwachsen (bzw. ihre eigene Muttersprache nicht verlieren). Diese Erwartung haben auch deutsche sozialpädagogische Auslandseinrichtungen,  besonders Auslandsschule und die im Ausland lebenden deutschen Familien. 

Darüber hinaus zeigt sich, dass unsere AbsolventInnen zunehmend im Ausland Stellen antreten. Voraussetzung dazu sind die persönlichen Kompetenzen. Wir als Europaschule liefern dazu die Europaerzieher und sind der Überzeugung, wer drin war hat mehr drauf!

Der Autor: Horst Küppers, OStR, Koordination der Europaklassen Erzieher und Erzieherinnen
Elly-Heuss-Knapp-Schule-Neumünster (Europaschule)
24530 Neumünster, Bachstraße 32, Tel 04321 / 91 59 314 Fax: 04321 / 91 59 320
ho.kueppers@web.de, www.kueppers-info.de

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Kommentare (4)

Josephine Speder 13 Dezember 2016, 22:27

Sehr geehrter Herr Küppers,

ich interessiere mich sehr für die Arbeit im Ausland nach der Ausbildung, mehreren Weiterbidungen und ggf. einem Studium.

Ich bin derzeit im 2. Ausbildungsjahr für die Sozialassistentin in MV. Ich spreche außer Englisch noch ägyptisches arabisch und japanisch.

Welche Möglichkeiten gibt es für mich im sozialpädagogischen Bereich diese Sprachen weiter auszubauen? Und welche Chancen habe ich eine Erzieherausbidung mit Möglichkeit zum Auslandspraktikum zu bekommen?



Mit freundlichen Grüßen

Josephine Speder

Horst Küppers 11 Dezember 2013, 21:17

Hallo Miriam,
ein Praktikum in Indien ist zu empfehlen, wenn Sie bereits Vorerfahrungen zu Indien haben. Wahrscheinlich werden Sie keine Förderung erhalten und müssen alles selbst bezahlen. Ich rate davon ab, bei Familie, Freunden etc. unterzukommen, da sie von diesen vereinnahmt werden.
LG
Horst Küppers z.Zt. Kolumbien

Miriam Natur 09 Dezember 2013, 22:17

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich studiere im Bereich Frühpädagogik in der Kindheit an der Diploma Hochschule in Hamburg. Ich habe große Interesse nach Indien für einen gewissen Zeitraum ein Praktikum zu machen. Ich beherrsche die Muttersprache Hindi und meine Muttersprache Dari(afghanisch).

Würde mich über eine Rückmeldung freuen.

Mit freundichen Grüßen:
M.Natur

ruscopybook.com/informatics/7_class 19 Mai 2013, 12:50

Von dem Konzept der Europa-Klasse bin ich begeistert. Ebenso vom neuen Buch von Horst Küppers, in dem er anschaulich wie beeindruckend über die von ihm in aller Welt besuchten Kindertagesstätten berichtet. Möge dieses Modell unter seinem Nestor in Deutschland Schule machen. Beides hilft angehenden Erzieherinnen und Erziehern, aber auch Bildungspolitikern über den Tellerrand zu schauen und im eigenen Land neue, bessere Wege zu gehen.

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