Erzieherin spielt mit Junge und Mädchen

Geschlechtsbewusste Erziehung und Bildung

Hilde von Balluseck

26.03.2009 Kommentare (1)

Inhalt
  1. Männerbilder in Konkurrenz. Am Beispiel der Diskussion um die Benachteiligung von Jungen in der Schule
    1. Einleitung
    2. 1. Jungen als Verlierer?
      1. 1.1.Die aktuelle Empirie: IGLU und TIMMS
      2. 1.1 Der Diskurs
    3. 2. Bilder vom Geschlecht
      1. 2.1 Geschlechterverhältnis und Soziale Ungleichheit
      2. 2.2 Die Inkorporation der Bilder
      3. 2.3 Biologie und Psychologie der Geschlechter
    4. 3. Jungen als Opfer und Täter
      1. 3.1 Gewalt in Familie und Schule
      2. 3.2 Mediennutzung und Konsum von Gewalt
    5. 4. Herausforderungen
      1. 4.1 Abbau sozialer Ungleichheit
      2. 4.2 Veränderung des Systems Schule
      3. 4.3 Zusammenarbeit mit Eltern und Elternbildung
      4. 4.4 Mediennutzung
      5. 4.5 Männer als Retter?
    6. 5 Fazit
    7. Quellen

Sollen Mädchen und Jungen gleich erzogen werden? Oder müssen wir doch Unterschiede beachten? Diese Fragen, denen sich jede/r Erzieher/in stellen muss, wurden neu aufgeworfen durch die Diskussion zur Benachteiligung von Jungen. Dabei kam die These auf, dass Jungen allein schon dadurch schlechtere Lern- und Entwicklungschancen haben, weil das Personal in Kita und Grundschule vorwiegend weiblich ist. Was an diesen Behauptungen dran ist, und welches die wirklichen Ursachen für die schlechteren Leistungen EINIGER Jungen sind, hat Hilde von Balluseck untersucht. Der Artikel wird gedruckt in in dem Buch „Soziale Arbeit im Dialog gestalten“, das von Hans-Ulrich Krause und Regina Rätz-Heinisch beim Verlag Barbara Budrich herausgegeben wird. Wir danken HerausgeberIn und Verlag für die Erlaubnis der vorzeitigen Veröffentlichung.

Männerbilder in Konkurrenz. Am Beispiel der Diskussion um die Benachteiligung von Jungen in der Schule

Einleitung

Die Diskussion um die Benachteiligung von Jungen im Bildungswesen betont Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen auf der einen, und zwischen weiblichen und männlichen Professionellen in Kita und Grundschule auf der anderen Seite. Unberücksichtigt bleiben bei einer teilweise biologistischen Argumentation andere Aspekte, die in diesem Beitrag thematisiert werden: Die widersprüchlichen Bilder von Männlichkeit, denen Jungen - und natürlich auch Mädchen - begegnen, und ihre Inkorporierung im Sozialisationsprozess. Diesen Themen widmet sich der vorliegende Beitrag, ohne die biologischen Unterschiede zu leugnen.

1. Jungen als Verlierer?

1.1.Die aktuelle Empirie: IGLU und TIMMS

Jungen haben statistisch im Durchschnitt schlechtere Bildungsverläufe in der Schule als Mädchen. Dabei sind die geringeren Bildungserfolge der Jungen, d.h. der geringere Anteil von Jungen an mittleren und oberen Schulabschlüssen, der wichtigste Faktor (vgl. Kuhn 2008). Jungen erhalten aufgrund ihrer schlechteren Noten häufiger (32,9 % gegenüber 25,7 % der Mädchen) eine Hauptschulempfehlung, Mädchen (mit 37,6 %) häufiger eine Gymnasialempfehlung als Jungen (32,4 %). Mehr Jungen als Mädchen machen einen Hauptschulabschluss (ein Drittel gegenüber einem Viertel) und 10,5 % der Jungen im Vergleich zu 6,3 % der Mädchen erwerben überhaupt keinen Schulabschluss (Kuhn 2008: 51). Aufgrund zusätzlicher Tests kommt die IGLU-Studie zu dem Schluss, dass Jungen - bei gleichen Leistungen - schlechter bewertet werden als Mädchen (vgl. Valtin u.a. 2005: 191).

Es handelt sich immer um geringe Prozentanteile, in denen sich Mädchen und Jungen unterscheiden. Man könnte die Daten auch wenden und fragen, in welchen Punkten die Geschlechter übereinstimmen und ob die Übereinstimmung zugenommen hat. Alle Angleichungstendenzen der Geschlechter, die AUCH aus den Daten hervorgehen könnten, werden in der Diskussion zur Benachteiligung von Jungen im Schulsystem nicht berücksichtigt (vgl. Rohrmann 2008 b).

Jungen sind aber nicht nur „Verlierer“. Auch heute haben sie in Naturwissenschaften und in Mathematik einen leichten Vorsprung, der in der Sekundarstufe ausgebaut wird. Die AutorInnen der TIMMS-Studie bemängeln, dass es noch immer nicht gelungen sei, diese Differenz zwischen Mädchen und Jungen zu eliminieren (Bos u.a. 2008:6). Dass diese Differenzen zwischen den Geschlechtern in Deutschland ausgeprägter sind als in anderen Staaten deckt sich mit dem Ergebnis, dass die soziale Herkunft aller Kinder in Deutschland eine größere Auswirkung auf den Schulerfolg hat als in anderen Ländern.

Mädchen haben demgegenüber einen Vorsprung in Deutsch und im Sachunterricht (vgl. Valtin u.a. 2005). Sie lesen häufiger, auch ausführliche Texte, sie schreiben häufiger, auch in ihrem Tagebuch. Und auch die Erziehungsstile der Eltern sind unterschiedliche bei Jungen und Mädchen: Mädchen wird häufiger vorgelesen, sie haben auch mehr Kinderbücher, die Eltern sprechen häufiger mit ihnen über das Gelesene. Dafür sehen weitaus mehr Jungen exzessiv fern oder Videos: 11,5 der Jungen, aber nur 3,5 % der Mädchen sehen 5 Stunden und länger. Auch für die Computernutzung wenden Jungen mehr Zeit auf als Mädchen.

Jungen langweilen sich in der Schule häufiger als Mädchen (31 zu 21 %, vgl. Valtin u.a. 2005). Die Schule ist für sie häufiger als für Mädchen ein Ort, an den sie nicht gehen möchten. Sie sind in ihrem Wohlbefinden mehr als Mädchen von der Anerkennung der LehrerInnen abhängig, während bei Mädchen die intrinsische Leistungsmotivation, also Freude am Lernen, stärker ausgeprägt ist (vgl. a.a.O.: 198).

1.1 Der Diskurs

Dass Jungen im Durchschnitt schlechtere Noten als Mädchen erreichen, ist nichts Neues. Das Thema wird seit den 60er Jahren immer wieder - jedoch ohne die derzeitige Publizität - diskutiert (vgl. Rohrmann 2005: 13). Die Schulleistungen und das Verhalten in der Schule standen jedoch seit dem ersten Hinweis auf die Nöte des männlichen Geschlechts (Schnack/Neutzling 1990) nicht im Mittelpunkt. Seit Erscheinen der IGLU-Studie 2005 nun wird die nachweisbare Benachteiligung von Jungen im Schulsystem in einer immer öffentlicher werdenden Diskussion kausal in Verbindung gebracht mit dem Fehlen männlicher Bezugspersonen für Jungen in Kita und Grundschule. Die weiblichen Professionellen, die nahezu alle pädagogischen Fachkräfte in der Kita und den Großteil der Lehrkräfte in der Grundschule stellen, wurden für das schlechtere Abschneiden der Jungen verantwortlich gemacht. Einen polemischen Höhepunkt erreichte dieses Argument durch die Warnung des Präsidenten der Freien Universität Berlin, Dieter Lenzen (2007, zit. n. Kasten 2008:61): „Man darf gespannt sein, wie die obersten Gerichte mit den ersten Klagen von Eltern umgehen, deren Jungen aus ihrer Sicht dadurch benachteiligt wurden, dass Frauen sie unterrichteten.“ Klaus Hurrelmann forderte dann moderater gemeinsam mit Gudrun Quenzel: „Lasst sie Männer sein“, um im Untertitel darauf hinzuweisen: „Jungen stehen im Schatten leistungsfähiger Mädchen. Es wird Zeit, ihnen zu helfen“ (2008).

Wissenschaftlich eingeläutet hatte diese Diskussion ein Aufsatz von Heike Diefenbach und Michael Klein (2002), mit dem auf der Basis von empirischen Daten der Beweis geführt werden sollte, dass Jungen aufgrund des weiblichen Geschlechts der Lehrkräfte schlechtere Noten erhalten. Lehrerinnen neigten - so die Autoren - in Anbetracht ihrer weiblichen Eigenschaften oder Bewertungen eher dazu, Mädchen positiv zu bewerten, während sie gegenüber den Eigenarten von Jungen weniger tolerant und bei einigen sogar behindernd wirkten, wie z.B. hinsichtlich des größeren Bewegungsdranges der Jungen. Diese Haltung der Lehrerinnen bewirke
a. schlechtere Noten von Jungen,
b. eine geringere Häufigkeit bei Empfehlungen der Grundschule für „höhere“, nämlich Real- oder gymnasiale weiterführende Schulen.

Diese Auffassung schien nochmals bestätigt zu werden durch ein Statement in der IGLU-Studie. Demnach können die schlechteren Noten von Jungen als „ systematische Ungleichbehandlung der Jungen durch die überwiegende Zahl der Grundschullehrerinnen interpretiert werden.“ (Valtin u.a. 2005:226; vgl. a. Matzner/Tischner 2008b).

Beherrscht wird dieser Diskurs von drei Behauptungen:

  1. Jungen könnten ihre männliche Identität nicht mit Frauen, sondern nur mit Männern als Bezugspersonen ausprägen. Dafür gibt es jedoch keinen wissenschaftlichen Beweis (vgl. Kasten 2008:53; Rohrmann 2008 b). Forschungsergebnisse zu bei lesbischen Paaren aufwachsenden Kindern ergaben, dass Jungen durchaus eine von ihnen als männlich definierte und von der Umwelt auch so wahrgenommene Identität ausprägen. Sie sind allerdings weniger aggressiv als der Durchschnitt der Jungen, während Mädchen durchsetzungsfähiger als der Durchschnitt der Mädchen ist (vgl. Sielert 2001).
  2. Weibliche Lehrkräfte gäben Jungen bei gleichen Leistungen schlechtere Noten. Diefenbach ist in ihrer neuesten Veröffentlichung von dieser Behauptung abgerückt, denn es gibt keine wissenschaftlichen Beweise für diese Behauptung. Faktisch „unterliegen weibliche Klassenlehrer bei ihrer Notenvergabe in geringerem Maße Verzerrungen“ als männliche (Schultheis 2008; vgl.a. Kuhn 2008). In einem Telefonat am 15.12.08 versicherte mir auch der Leiter der Studien IGLU und TIMMS, Wilfried Bos, dass es keinerlei Belege dafür gebe, dass weibliche Lehrkräfte Jungen schlechter beurteilen als männliche. Tatsache sei allerdings, dass Jungen es generell - also bei weiblichen und männlichen Lehrkräften - schwerer hätten, bei gleichen Leistungen die gleichen Noten wie Mädchen zu erhalten. Damit ist der Behauptung von Valtin u.a.2005 in der IGLU-Studie der Boden entzogen.
  3. Jungen störten häufiger den Unterricht, ihr externalisierendes Verhalten sei Anlass für die Lehrerinnen, sie schlechter zu bewerten. Diefenbach hat darauf hingewiesen, dass das häufig externalisierende Verhalten von Jungen in den Bildungsinstitutionen weniger „passt“ als das eher angepasste Verhalten der Mädchen. Daher werden sie häufiger als Mädchen als störend wahrgenommen. Die Annahme, dass weibliche Lehrkräfte auf dieses Verhalten durch schlechtere Noten überreagieren, lässt sich jedoch nicht erhärten, im Gegenteil: Weibliche Lehrkräfte versuchen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen stärker, „ihre Notenvergabe nicht von disziplinarischen Wahrnehmungen des schülerischen Unterrichtsverhaltens beeinflussen zu lassen.“ Sie konzentrieren sich bei ihrer Notenvergabe in erster Linie an der Erfüllung von Hausaufgaben und Fleiß (Schultheis 2008: 369). Schülerinnen und Schüler, die von weiblichen Lehrkräften unterrichtet werden, haben außerdem eine „deutlich positivere Einstellungen zur Schule“ (Rohrmann 2008 b:115). Dies könnte schwerlich der Fall sein, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlten.

Neben den Unterstellungen im Hinblick auf die Auswirkungen der Feminisierung des Lehrerberufs wird in der Diskussion die Tatsache ausgeblendet, dass der Zusammenhang zwischen schlechten Schulnoten und sozialer Herkunft weit enger ist als der zum Geschlecht. Ausgeblendet wird ferner, dass nach wie vor in vielen gesellschaftlichen Bereichen eine Benachteiligung von Frauen festzustellen ist (vgl. Rohrmann 2005: 13). Die Argumente der öffentlichen Diskussion sind somit nicht tragfähig. Dass renommierte Wissenschaftler die nicht bewiesenen Argumente spontan aufgriffen und damit die öffentliche Diskussion beeinflussten, lässt vermuten, dass hier durchaus noch Ressentiments gegenüber der fortschreitenden Gleichberechtigung der Frauen am Werke sind. Aber dieses Thema kann ich hier nicht vertiefen. Die Frage jedoch, warum Jungen sich in der Schule anders verhalten als Mädchen und auch andere Leistungen erbringen, bleibt und soll die folgenden Ausführungen leiten: Inwieweit also sind die Geschlechter unterschiedlich und wenn ja, warum?

2. Bilder vom Geschlecht

2.1 Geschlechterverhältnis und Soziale Ungleichheit

Die mit der Zweigeschlechtlichkeit einhergehenden Dimensionen - Junge oder Mädchen zu sein, sich als Junge oder als Mädchen zu fühlen, in der Geschlechtsrolle anerkannt zu werden - sind eine grundlegende Herausforderung für die Sozialisation, für die Pädagogik und damit auch für die Bildung von Kindern. Was Weiblichkeit und Männlichkeit, auf deren eindeutige Zuordnung Kinder hinstreben, jeweils bedeuten, ist allerdings kulturell höchst unterschiedlich und hat sich in Europa auch in den letzten Jahrzehnten vielfach gewandelt.
In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts begann in einigen europäischen Ländern die Studentenbewegung, verbunden mit einer erstarkenden Frauenbewegung, Selbstverständlichkeiten bzw. bislang tabuisierte Facetten des Geschlechterverhältnisses (häusliche Gewalt, Unterordnung der Frau unter den Mann, Sexismus, sowie die Annahme von „typisch“ männlichen und weiblichen Eigenschaften) in Frage zu stellen und erlangte damit auch Gehör bei politisch und juristisch wirksamen Institutionen. Diese Veränderungen wurden begleitet von einer Aufwertung traditionell weiblicher Qualifikationen wie Empathie und Kommunikationsfähigkeit in vielen Berufen, während sich gleichzeitig traditionell männliche Tätigkeits- und Berufsfelder für Mädchen erschlossen. Angefangen von sportlichen Aktivitäten wie dem Fußballspiel bis zur Förderung von Mädchen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen haben die Frauen hinzugewonnen. Auch für Jungen gilt die Perspektive der Erweiterung ihrer Möglichkeiten - nur sind die traditionell weiblichen Berufsdomänen nicht so gut bezahlt und angesehen. Von daher wird die Entwicklung von Jungen und Männern zu sensiblen, empathischen Menschen gesellschaftlich nur peripher wahrgenommen und überhaupt nicht gewürdigt. Denn sie erobern keine begehrten Felder, sondern solche, die immer noch einen geringen gesellschaftlichen Status haben - wie eben der Beruf der Erzieherin, der Sozialarbeiterin, der Grundschullehrerin oder auch die Familie, für die sich mehr Männer als je zuvor nicht nur als breadwinner, sondern auch als Väter engagieren.

Die Angleichung der Geschlechtsrollen war möglich - und erforderlich! - aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen und daraus resultierender Zwänge. Die entsprechenden Veränderungen lassen sich mit dem Begriff „digitaler Kapitalismus“ (Böhnisch 2008) bezeichnen. Damit ist u.a. die Verfügbarkeit der Arbeitskräfte und gleichzeitig die Auflösung traditioneller Sicherheiten und Stabilitäten gemeint, zu denen auch der Wohlfahrtsstaat gehört. Die Unterwerfung aller gesellschaftlichen und individuellen Entwicklungsprozesse unter die Gesetze des Geld- und Warenmarktes schwächt die Bedeutung des Merkmals Geschlecht. Daneben gibt es die sozialstaatlich geförderte Durchlässigkeit von Geschlechtlichkeit insofern, als Männer weiblicher und Frauen männlicher sein dürfen (vgl. a.a.O.). Gender Mainstreaming, eine Strategie der EU, soll in allen Institutionen die Unterprivilegierung von Mädchen und Frauen überwinden.

Dies ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist durch starke Tendenzen zur Beibehaltung bzw. Stärkung der traditionellen Rollenteilung im Rahmen vieler internationaler und nationaler Ungleichheitsfaktoren bestimmt. International wären hier die unterschiedlichen Lebensverhältnisse zu thematisieren, die die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern beeinflussen können, ebenso die ideologisch bzw. religiös begründete Abwertung von Frauen in vielen Staaten, die z.B. zur Steinigung von Mädchen und Frauen nach einer Vergewaltigung (Somalia), zur Verätzung von Frauen durch ihre Ehemänner (Indien) oder zum Schwangerschaftsabbruch weiblicher Föten (China) führen. [1] Aber auch in Europa sorgen kriegerische Auseinandersetzungen dafür, dass über die persönliche Beteiligung deutscher Soldaten oder über Medien ein traditionelles Männerbild (wieder) ersteht.

In kriegerischen Auseinandersetzungen blüht das Bild des starken Mannes mit Aggressionspotenzial wieder auf. Ihm gegenüber steht die schwache Frau als Opfer, sowohl von Bombardements wie von Vergewaltigungen (vgl. Theweleit 1980; Seifert 2004). [2] Für viele junge Männer in Deutschland ist daher der Soldatenberuf nicht (mehr) attraktiv: Seit Deutschlands Eintritt in Kriegshandlungen hat die Bundeswehr Nachwuchssorgen. Es sind die Unterschichtsjungen ohne Aussicht auf einen von ihnen akzeptierten Ausbildungsplatz, die im Rahmen der Hartz-IV-Gesetze von den Job Centern für die Bundeswehr angeworben werden (Brendle 2007). Die Traumatisierung der Männer durch kriegerische Auseinandersetzungen lässt sich eher in den USA ablesen, die schon seit langem darin verwickelt sind und wo die Selbstmordrate der Veteranen immens hoch ist (Der Spiegel 2006). Männer waren möglicherweise immer so verletzlich, aber heute ist es sehr offenbar, dass sich die soldatische Existenz mit einer Männlichkeit, die in den Angleichungsszenarien auf Zuwendung und Empathie aufgebaut sein sollte, nicht verträgt.

Auf nationaler Ebene gibt es ähnliche Widersprüche. Den Tendenzen zur Angleichung von Frauen- und Männerbildern stehen die Lebenswelten der Ober- und Unterschicht entgegen. So fungieren in Oberschichten und Prominentenzirkeln (z.B. bei Fußballern) nach wie vor Frauen als Repräsentationsfiguren der Macht und des Einkommens ihrer Männer. Diese Ungleichheit von Frauen und Männern wird nicht als problematisch wahrgenommen, im Gegenteil: Die Macht und/oder das Prestige des reichen Mannes oder der glamourösen Frau werden gerne von den Medien zelebriert. Männer und Frauen, die keinerlei Chance haben, diese Positionen zu erreichen, konservieren ähnliche Bilder. Aufgrund ihrer marginalen gesellschaftlichen Position und ihres fehlenden Bildungskapitals sind sie von Erfolgen in Beruf und Vermögen quasi ausgeschlossen und „häufig zur Sprachlosigkeit verdammt“ (Forst 2008). Rigide Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit bieten ihnen ein Minimum an Orientierung in einer Welt, in der ihnen keine Anerkennung zuteil wird. Zu vermuten ist, dass die Aufrechterhaltung bestimmter Klischees in der Oberschicht die rigiden Geschlechtsrollen für die Unterschichten legitimieren hilft.

Männer, die in der Gesellschaft keine Anerkennung bekommen, weil sie bildungsfernen, sozioökonomisch schwachen Schichten angehören, neigen dazu, traditionelle Formen von Männlichkeit besonders zu betonen, auch und gerade, wenn ihr kultureller Hintergrund ihnen dies vorschreibt. Es sind nicht nur die Unterschichten mit Migrationshintergrund, die sich daran klammern, sondern durchaus auch christlich und andere religiös motivierte Subgruppen (vgl. Liebsch 2004) sowie Angehörige der deutschen Unterschichten. Für sie alle bringt die Bewegung bei den Geschlechtszuschreibungen für Mädchen und Jungen eine zusätzliche Verunsicherung (vgl. Voigt-Kehlenbeck 2005: 107) mit sich, insbesondere für die Männer, die die letzten Bastionen von Hegemonie dahinschwinden sehen. Bilder kämpfender Soldaten wie Bilder der unerreichbaren männlichen Alphatiere in der Ober- bzw. Prominenten-Schicht unterstützen sie bei der Pflege eines ansonsten überholt erscheinenden Männerbildes. Und dabei kommt es häufig zu einer „Verfestigung von Marginalisierung und Männlichkeit“ (vgl. Bereswill 2007:90), d.h. die Bilder der eigenen Männlichkeit können umso weniger aufgebrochen werden, je geringer die Chancen auf soziale Anerkennung sind.

2.2 Die Inkorporation der Bilder

Die Differenzierung von Weiblichkeit und Männlichkeit ist eine der vielen Unterscheidungen, die Kinder von Geburt an lernen. Überlagert und/oder verknüpft sind diese Differenzierungen von anderen Unterscheidungen wie z.B. Behinderung/Nichtbehinderung, einheimisch/fremd, Aufenthaltsrecht ja/nein, arm/nicht-arm (vgl. Frerichs 2007; Klinger/Knapp/Sauer 2007; Becker-Schmidt 2007).

Wesentlich bei der Findung der Geschlechtsidentität sind die Bilder von Männern und Frauen in der nächsten Umgebung. Geschlechtlichkeit vermittelt sich von Geburt an - und schon davor - durch Erwartungen der Eltern und der übrigen Erwachsenen- und Kinderumwelt. Ihre Bilder vermitteln sich „von Anfang an, in jeder Berührung, in jedem Streicheln und Wiegen und Halten und Liebkosen des Säuglings, sogar im Blick und in der Art, wie die Eltern das Baby ansprechen... Der Körper wird gewissermaßen insgesamt sexuiert, d.h. mit den Bedeutungskontexten eines Geschlechts überzogen, bis er zuletzt auch subjektiv so empfunden wird.“ (Rendtorff 2006: 98). Es ist also weniger das Geschlecht des Kindes, sondern die Reaktion auf einen Jungen oder ein Mädchen, die die Geschlechtsidentität formen (Diefenbach 2008:102).

Weil Geschlechtlichkeit für die Eltern und anderen Bezugspersonen von so herausragender Bedeutung ist, bemühen sich Kinder, wenn sie denn im Alter von zwei bis drei Jahren die Geschlechtsunterschiede entdecken, Eindeutigkeit herzustellen. Wie sie ihre Geschlechtlichkeit im doing gender inszenieren und Leitbilder wie auch Selbstbilder variieren (Villa 2006), hängt wiederum von den Freiräumen ab, die sie dafür vorfinden.

Im Kindergarten wissen die Kinder schon, welchem Geschlecht sie sich zuordnen, und inszenieren sich als Mädchen bzw. als Junge (vgl. Voigt-Kehlenbeck 2005: 100). Damit zeigen sie den Erwachsenen, besonders aber auch den anderen Kindern, dass sie genau wissen, welchem Geschlecht sie zugehören, und welche Unterschiede dabei beachtet werden müssen. In gleichgeschlechtlichen Gruppen werden die geschlechtshomogenen Eigenschaften und Kommunikationsformen besonders stark betont (Faulstich-Wieland u.a. 2004: 223; Jösting 2008), während in gemischten Gruppen eine stärkere Angleichung stattfindet. Die „Grammatik der Zweigeschlechtlichkeit“ wird dann im Grundschulalter gefestigt (Voigt-Kehlenbeck 2005: a.a.O.: 102).

Kinder haben einen gewissen Anteil an der Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit, aber ihr Spielraum ist begrenzt durch den sozialen Kontext, in dem sie aufwachsen (vgl. Dausien 2005; Hagemann-White 2006). In einem Elternhaus, in dem rigide Normen herrschen, in dem Anderssein nicht gedacht werden darf, haben Kinder nur geringe Möglichkeiten, ihre Männlichkeit oder Weiblichkeit selbst zu gestalten. Familien, für die der unsichere Aufenthaltsstatus, die (drohende) Erwerbslosigkeit der Eltern oder auch das geringfügige Einkommen das dominierende Thema sind, erfordern die Loyalität der Kinder als oberstes Gebot. Erst wenn Eltern von ihrer Bildung und von ihrer sozialen Lage her ihre eigene Geschlechtlichkeit reflektieren können, besteht auch für Kinder ein Gestaltungsspielraum.

Jungen, die mit rigiden Geschlechternormen aufwachsen, müssen, um Anerkennung in der Familie zu erlangen, eine entsprechende Form von Männlichkeit inkorporieren. Verbunden damit ist häufig eine Verachtung gegenüber Frauen. Kinder, die in dieser strikten Trennung von Männlichkeit-Weiblichkeit und mit einer Abwertung des Weiblichen aufwachsen, haben von vorne herein ein Problem, wenn sie den weiblichen Professionellen in Kita und Grundschule begegnen. Die hier gelebte Geschlechtlichkeit ist der in der Familie erfahrenen entgegengesetzt. Für Mädchen mögen sich daraus Akte der Befreiung ableiten lassen. Für Jungen sind Misserfolgserlebnisse quasi vorprogrammiert. Denn für die weiblichen Professionellen sind sie eine spezielle Herausforderung, zumal dann, wenn diesen Frauen Verachtung entgegengebracht wird.

Es ist zu vermuten, dass ein Teil der Auffälligkeiten von Jungen mit und ohne Migrationshintergrund auf solche Divergenzen zurückzuführen ist. [3] Erzieherinnen wie Lehrerinnen werden mit den entsprechenden Konflikten im Wesentlichen allein gelassen. Das allgemeine Bemühen um Integration wird von ihnen realisiert - aber die Gesellschaft dankt es ihnen nicht, sondern lässt sie im Regen stehen, wenn sie sich unlösbaren Konflikten gegenübersehen. [4]

2.3 Biologie und Psychologie der Geschlechter

Die Aussagen über Unterschiede zwischen Männern und Frauen beruhen heute auf zwei sehr unterschiedlichen Arten von Veröffentlichungen. Auf der einen Seite werden immer wieder biologische Unterschiede festgestellt, die die common-sense-Überzeugungen zur Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen zu bestätigen scheinen. Auf der anderen Seite hat die sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung in den letzten drei Jahrzehnten viel Material zusammengetragen, das die These belegt, Geschlecht sei keine biologische, sondern eine soziale Kategorie. In diesem Kontext haben sich sozialwissenschaftliche Werke wie von Judith Butler, philosophische wie von Luce Irigaray und empirische Untersuchungen mit der Frage befasst, wie Männlichkeit und Weiblichkeit entstehen und was sie bedeuten. Eine Verbindung zwischen diesen beiden Diskussionssträngen existiert kaum, so dass die biologischen Interpretationen, die sich zudem einer leicht verständlichen Sprache bedienen, eine größere Verbreitung finden als die sozialwissenschaftlichen.

Geschlechtlichkeit bedeutet auch das Erleben von Körperlichkeit. Von daher verdienen die biologischen Erklärungen für biologische Unterschiede auch in den Sozialwissenschaften und in der Philosophie Aufmerksamkeit, nicht zuletzt, weil weibliche und männliche Professionelle in Kita und Schule Argumentationshilfen brauchen, um biologistischen Darstellungen argumentativ begegnen zu können.

Der Organismus des männlichen Säuglings reift im Durchschnitt später als der des weiblichen. Auch im Verhalten unterscheiden sich Jungen von Mädchen schon bei der Geburt: Sie brauchen mehr Aufmerksamkeit, u.a. weil es schwieriger für sie ist, Augenkontakt zu halten (Bischof-Köhler 2008). Jungen verfügen im Alter von 2 bis 3 Jahren über eine geringere Impulskontrolle, sie weisen ein höheres Aktivitätsniveau auf und sind leichter erregbar als Mädchen (Hagemann-White 2005:42). Von daher sind sie eher „geneigt“, räumliche Strategien anzuwenden und daher die entsprechenden Muskeln und Muster im Gehirn zu entwickeln. „Die Anfänge und Auslöser dieser Prozesse mögen biologische Wurzeln haben, doch ist weder die Spezialisierung der Gehirnhälften, noch das räumliche Vorstellungsvermögen, noch die gezielte Bündelung von Köperkraft in der Auseinandersetzung eine angeborene Überlegenheit oder Disposition, sondern sie erwachsen als Kette von auf einander aufbauenden Folgen geringfügig unterschiedlicher Präferenzen bei der Problembearbeitung“ (Hagemann-White 2005:40). In der IGLU-Studie wird die spätere Reifung auch noch für das Schuleintrittsalter angenommen (Valtin u.a. 2005:218).

Weniger gravierend erscheint die Überlegenheit von Mädchen im Hinblick auf Sprech- und Lesefähigkeit. Sie ist vermutlich von Geburt an vorhanden, allerdings in äußerst geringem Maße. Die sprachlichen Kompetenzen werden erst deshalb zum regelrechten Vorsprung, weil sich die Mädchen auf sprachliche Interaktion eher und mehr einlassen als Jungen (vgl. Hagemann-White 2005: 40). Die pflegerische Verhaltenskomponente der Mädchen wiederum ist nicht biologisch bedingt, wie Studien über andere Kulturen zeigen, sondern Mädchen werden eher in die Situation gebracht, mit kleinen Kindern zusammen zu sein und für sie zu sorgen (vgl. a.a.O.: 43 f.).

Diese skizzenhafte Darstellung zeigt, dass die Biologie die Unterschiede im Leistungs- und Sozialverhalten von Jungen und Mädchen nicht erklären kann. Wohl aber muss bedacht werden, was in kleinen Jungen und kleinen Mädchen vorgeht, wenn sie trotz der unterschiedlichen Reifung als Gleiche behandelt werden. Jungen könnten Mädchen im Hinblick auf Impulskontrolle und Sprachvermögen als überlegen wahrnehmen. Bei manchen Jungen wird diese Unterschiedlichkeit, vor allem, wenn die männlichen oder weiblichen Bezugspersonen sie bewerten, als Erfolglosigkeit erlebt. Dies könnte ein Grund für die Aufmerksamkeit sein, die sie von den Lehrkräften erheischen und auch für die häufigere extrinsische Leistungsmotivation. Vor allem aber ist zu überlegen, was sich in kleinen Jungen abspielt, deren geringere Impulskontrolle von den Eltern als typisch männlich wahrgenommen und der Junge als „ein richtiger Junge“ gelobt wird. Wenn Jungen dann bei ErzieherInnen und LehrerInnen genau aufgrund dieses Verhaltens in die Kritik geraten, kommen die verschiedenen Bilder von einem „richtigen“ Jungen in Konflikt. Dies wäre ein weiterer Erklärungsfaktor für das teilweise auffällige externalisierende Verhalten von Jungen.
Derartige Rollenkonflikte können Kinder nicht alleine, sondern nur mit den Erwachsenen gemeinsam lösen,

3. Jungen als Opfer und Täter

3.1 Gewalt in Familie und Schule

Mädchen und Jungen werden in Familien misshandelt und missbraucht. Während Mädchen häufiger sexuelle Gewalt erfahren, werden Jungen doppelt so häufig wie Mädchen von ihren Eltern geschlagen und misshandelt. Dies Schicksal trifft Jungen besonders häufig, deren Familien aus der Türkei und Südeuropa stammen (Matzner/Tischner 2008 b: 390). Ein weiteres Trauma kann das Erleben von Gewalt gegen die Mutter sein (Kindler 2007).

Misshandlungen körperlicher, seelischer, sexueller Art beeinträchtigen die seelische und teilweise auch intellektuelle Entwicklung von Kindern erheblich und differieren nach Geschlecht. Für die sexuelle Gewalt hat Gahleitner (2007: 243) festgestellt, dass männliche Opfer später (jedoch nicht zwangsläufig!) eher dazu neigen, zu Tätern zu werden, weibliche hingegen wiederum den Opferstatus einnehmen. Dies bestätigt die Befunde, wonach Jungen eher Probleme externalisieren, auch, weil sie weniger darin gefördert werden, sich sprachlich vermittelnd zu artikulieren. Beim Erleben von Gewalt, auch von häuslicher Gewalt gegen die Mutter wurde bei beiden Geschlechtern eine Neigung zu Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten festgestellt (vgl. Garbarino/Bradshaw 2004; Kindler 2007).

Die schwere Last der erlebten Gewalt wird den Kindern in der Grundschule nicht abgenommen. Hier sind es ebenfalls Jungen, die häufiger Gewalt erleben als Mädchen. Geschlagen oder verletzt worden zu sein, gaben fast ein Drittel (32,6 %) der Jungen an, aber nur ein Viertel der Mädchen, wobei Jungen auch häufiger als Mädchen (55,6 gegenüber 48,4 %) davon zu berichten wissen, dass jemand anderes (vermutlich ebenfalls ein Junge) in ihrer Klasse geschlagen oder verletzt wurde (vgl. Valtin u.a. 2005.: 195). Dieses Leid wird in der Diskussion nicht in gleichem Maße wahrgenommen wie die Tatsache, dass Jungen auch häufiger Täter sind als Mädchen (Baier/Pfeiffer 2005; Lenz 2007; Matzner/Tischner 2008b).

Kleine Jungen, die in der Familie misshandelt werden, müssen ihre Angst unterdrücken, wenn ihnen niemand zu Hilfe eilt. In der Schule können einige von ihnen sich durch aggressive Akte Entlastung verschaffen. Andere werden zum Opfer, und daraus zu entfliehen, ist nur möglich, indem der Junge - wenn er denn dazu in der Lage ist - sich auf die Seite der Leistungsfähigen schlägt und auf das weniger gewalttätige Gymnasium wechselt, oder aber selbst zum Täter wird, um „mithalten“ zu können. Gewalterleben beeinträchtigt aber die Lern- und Konzentrationsfähigkeit ebenso wie das Selbstbewusstsein. Es ist nachvollziehbar, dass diese Jungen nur mit großer Mühe ein positives männliches Selbstbild entwickeln können. Von daher sind sie prädestiniert für eine negative Schulkarriere.

3.2 Mediennutzung und Konsum von Gewalt

Jungen nutzen mehr Medien und sie nutzen sie anders als Mädchen. Mößle u.a. (2006) konnten feststellen, dass die Schulnoten bei Jungen mit dem Medienkonsum signifikant korrelierten.

Zum einen sehen Jungen schon in der Grundschule häufiger und länger fern als Mädchen. Damit verbunden ist laut US-amerikanischen Untersuchungen die Gefahr einer Beeinträchtigung der Sprach- und Lesekompetenzen wie auch die größere Schwierigkeit, einen höheren Schulabschluss oder Hochschulabschluss zu erwerben (a.a.O.: 8 ff.). Zu der Menge des Fernseh- und Spielekonsums kommen brutale Inhalte in Sendungen und Spielen, die eigentlich als jugendgefährdend eingestuft sind. Jeder zweite Junge von 10 Jahren spielte in der Studie von Mößle u.a. solche Computerspiele. Zum Befragungszeitraum hatten 3 % der Mädchen, aber 21,3 % der befragten Jungen ein solches Spiel genutzt. Bei Kindern, die derartige Spiele nutzen, sind die Schulleistungen schlechter als bei solchen, die nicht diese Spiele spielen.

Auch Jungen in Elternhäusern mit mittlerem und höherem Bildungsabschluss, die derartige Spiele spielen, haben in der Grundschule schlechtere Noten als solche, die dies nicht tun (a.a.O.: 13). Damit scheint erwiesen, dass Mediennutzung ein eigenständiger Faktor zur Verschlechterung der Leistungen von Jungen ist.

Im Jugendalter zeigen Jungen, die häufig Medien mit brutalem Inhalt konsumieren, signifikant häufiger aggressive bis kriminelle Verhaltensweisen.

Daraus ergibt sich: Wenn Jungen in der Grundschule schlechtere Leistungen erbringen und wenn sie störendes Verhalten an den Tag legen, hat dies möglicherweise etwas mit ihrem Medienkonsum zu tun. Diese Komponente muss bei entsprechenden Analysen berücksichtigt werden, fällt aber in der bisherigen Diskussion des Leistungsverhaltens der Geschlechter in der Grundschule unter den Tisch.

4. Herausforderungen

Es kann derzeit nicht nachgewiesen werden, dass Jungen durch männliche Erzieher und Lehrer bessere Leistungen erbringen und weniger auffälliges Verhalten entwickeln würden. Aber auch wenn dieses Argument nicht trägt, so besteht doch offenbar Handlungsbedarf, um Jungen gleiche Chancen wie Mädchen für ihre Entwicklung einzuräumen. Daneben sollte jedoch nicht vergessen werden, dass auch viele Mädchen weder zu Hause noch in der Schule adäquate Entwicklungsmöglichkeiten erhalten. Die folgenden Vorschläge beziehen sich daher zumeist auf beide Geschlechter.

4.1 Abbau sozialer Ungleichheit

Die Internationalisierung und deren ständige Übertragung in Welten von Fernsehen und Internet bieten Männer- und Frauenbilder an, die teilweise mit den in der Bundesrepublik praktizierten nicht kompatibel sind. Damit müssen die Gesellschaft der Bundesrepublik wie auch andere westliche Gesellschaften leben. National gesehen ist der Spielraum daher nicht unendlich, aber es gibt ihn. Gleiche Chancen für Jungen und Mädchen, für Frauen und Männer verschiedener Herkunft stellen die einzige Möglichkeit dar, Kindern ein Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit anzubieten, in dem sie auch eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben. Die wichtigste Voraussetzung für die Schaffung gleicher Chancen für Jungen und Mädchen wären also - da wir die internationale Ebene schwerlich beeinflussen können - gleiche Chancen für die Eltern auf einem Arbeitsmarkt, der auch Ungelernten oder gering Qualifizierten Verdienst- und Bildungsmöglichkeiten bietet. Nur wenn Männer der Unterschicht Anerkennung in dieser Gesellschaft erhalten, die ihnen ein subjektiv gutes Leben ermöglicht, können sie sich auf die Schwächung eines rigiden Männlichkeitsideals einlassen. Wird die Kluft zwischen den Lebensbedingungen der Unterschicht von denen der Mittel- und Oberschicht weiterhin hingenommen und gefördert, lässt sich die damit einhergehende Abkoppelung der Frauen- und Männerbilder nicht aufhalten.

4.2 Veränderung des Systems Schule

Die Bildung und Erziehung in Einrichtungen der Jugendhilfe beruht auf einem ganzheitlichen Bild vom Kind, das ohne Leistungsanforderungen alle Chancen zu seiner Entwicklung erhalten sollte. Die Bildungspläne der Bundesländer für die Kindertageseinrichtungen basieren daher auf der kindlichen Freude am Lernen, auf der anthropologisch bedingten Neugier. Diese Vorstellungen leiten auch die Professionalisierung der Frühpädagogik (vgl. Balluseck 2008). Die Neugier der Kinder gilt es im Schulsystem zu erhalten und zu fördern. Das Konzept von Schule sollte sich daher dem ganzheitlichen der Jugendhilfe angleichen und nicht umgekehrt. Anfänge dazu sind in Projektform bei der Kooperation von Kitas und Grundschule vorhanden, z.B. im Projekt Ponte (Ramseger/Hoffsommer 2008).

Für die praktische Veränderung der Schulstruktur liegen unzählige Vorschläge vor. Die neuesten Ergebnisse zur Koedukation (Rohrmann 2005, 2008 a) wären dabei stärker zu berücksichtigen als dies in den jetzigen Konzepten der Fall ist. Daneben wären Selbstbildungsprozesse der Kinder und die Erweiterung von Gestaltungsmöglichkeiten für LehrerInnen mehr als bisher in den Mittelpunkt des Schulgeschehens zu stellen.

Alle Vorschläge müssen daran gemessen werden, inwieweit es bei ihrer Realisierung gelingen kann, Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, sie in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, Demütigungen zu verhindern und Ausschlussmechanismen abzuschaffen. Preuß-Lausitz (2008) hat dazu einige Details aufgezählt. [5]

4.3 Zusammenarbeit mit Eltern und Elternbildung

Da Jungen- und Mädchenbilder vorwiegend von den wichtigsten Bezugspersonen, meist den Eltern, geprägt und vorgelebt werden, ist die wichtigste Komponente bei einer geschlechtsbewussten Pädagogik die Auseinandersetzung mit Geschlechterbildern der Eltern, und zwar lange vor dem Kindergarten.

Schon für die Professionellen des Gesundheitssystems (Krankenschwestern, Ärzte) ist im zeitlichen Umfeld der Geburt eines Kindes wichtig, sich mit der eigenen Geschlechtsrolle und mit denen der Eltern aus anderen Schichten/Ethnien auseinanderzusetzen. Toleranz alleine reicht nicht aus, sie beinhaltet keinen Austausch. [6] Ein solcher aber ist unbedingt erforderlich, damit Angehörige anderer Schichten/Ethnien überhaupt eine Chance haben, andere Männer- und Frauenbilder als die eigenen wahrzunehmen und schätzen zu lernen.

Die jetzt politisch gewollte und geförderte Krippenerziehung bietet eine Chance für pädagogische Professionelle, vor dem dritten Lebensjahr der Kinder mit den Eltern in Kontakt zu kommen. In vielen Kindergärten findet schon jetzt ein reger Austausch zwischen Eltern und ErzieherInnen statt (vgl. Wagner 2008). In der Grundschule wird dieser Austausch häufig nicht weitergeführt, weil das System Schule die Lehrkräfte selbst in Korsetts presst, die ihnen zu wenig Freiraum für die Arbeit mit Eltern lassen. Nur dort, wo ErzieherInnen und SozialpädagogInnen den Lehrkräften zur Seite stehen, kann eine intensive Zusammenarbeit mit Eltern das gegenseitige Verständnis verbessern helfen.
In einer intensiven Zusammenarbeit mit Eltern kann nicht nur das gegenseitige Verständnis gefördert, sondern auch Gewalt gegen Kinder verhindert oder zumindest abgemildert werden. Eltern, die Kontakte mit der „Außenwelt“ haben, die sich verstanden fühlen von Professionellen, können auch lernen, ihre eigenen Aggressionen nicht an Kindern auszulassen. [7]

4.4 Mediennutzung

Merkwürdig genug gibt es derzeit keine pädagogischen Kampagnen gegen die exzessive und die missbräuchliche Nutzung von Medien durch Kinder (vgl. Pfeiffer 2007). Jungen sind dabei stärker gefährdet als Mädchen. Exzessiver Konsum führt zu Konzentrationsstörungen - dies wird aber bei den Tiraden gegen die schlechten Leistungen in der Schule nicht erwähnt. Ebenso wenig, dass vor allem Jungen durch den Konsum Gewalt verherrlichender Videos und Spiele in ihrer Entwicklung gefährdet werden, und zwar insbesondere jene Jungen, die in bildungsfernen Schichten aufwachsen.

Viele Jungen brauchen Kontrolle, um beim Medienkonsum nicht aus den Fugen zu geraten, gerade auch im Elternhaus. Und Eltern brauchen Unterstützung bei der häuslichen Auseinandersetzung um Medien. Es wäre an der Zeit, dass die pädagogische Community sich zusammentut, um dieses Problem der Gesellschaft bewusst zu machen. Bei der Gewalt gegen Frauen, gegen Kinder und beim sexuellen Missbrauch ist dies gelungen. Warum nicht bei den Medien? Ist Pfeiffers (2007) Verdacht, dass die Industrie sich mehr Gehör verschafft als die Kinderinteressen, berechtigt?

4.5 Männer als Retter?

Es ist sicher erfreulich, wenn Jungen und Mädchen in Kita und Grundschule beide Geschlechter als Professionelle vorfinden. In anderen Ländern gibt es durch gezielte Strategien hier mehr Erfolge zu verzeichnen (Hauglund 2008). Der deutsche Ruf nach Männern in der Kita und in der Grundschule hat aber etwas von der Sehnsucht nach dem Messias: Nur männliche Professionelle können die Jungen retten, aber ob und wann sie kommen, steht dahin. Dazu passt die Forderung, die Gehälter von Kita- und Grundschulpersonal anzuheben, damit Männer sich diesen Berufen zuwenden.

Es ist zu vermuten, dass die beiden ersten und wichtigsten Bildungsinstanzen - Kita und Grundschule - auch weiterhin mit einem geringen Prozentsatz von Männern auskommen müssen. Aber ob mit oder ohne Männer: Beide Geschlechter, die in pädagogischen Berufen arbeiten, kommen ohne eine Reflexion ihrer eigenen Geschlechtsrolle, ihrer eigenen Biographie als Mann oder Frau, ihrer Haltungen gegenüber Jungen und Mädchen nicht aus. An entsprechenden Unterrichtsinhalten fehlt es vor allem in der Lehrerbildung. Für die ErzieherInnenaus- und -weiterbildung gibt es inzwischen entsprechende Konzepte (vgl. Gender Loops 2008; Robert Bosch Stiftung 2008).

5 Fazit

Jungen sollten wie Mädchen die Chance haben, ihre geschlechtliche Identität ohne Zwang auszuprägen - dies ist in der Welt nur höchst unzureichend der Fall, aber auch in Deutschland nicht in allen Schichten realisiert. Die Argumentationsschienen, mit denen der jetzige Diskurs über die unterschiedlichen Leistungen von Mädchen und Jungen in der Grundschule geführt wird, rekurrieren in doppelter Hinsicht auf vorgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Jungen werden dabei ebenso „von Natur aus“ anders als Mädchen charakterisiert wie ErzieherInnen/Lehrerinnen qua Geschlecht anders als männliche Professionelle. Die vorliegende Skizze leugnet die Unterschiede nicht, versucht aber neben den biologischen andere Erklärungsansätze in den Blick zu nehmen und gibt damit Anregungen für eine Pädagogik, die beiden Geschlechtern gerecht wird, und zwar Kindern wie Erwachsenen.

Biologischen Gegebenheiten wie der späteren Reifung von Jungen muss mehr Rechnung getragen werden, ebenso den jungenspezifischen Reaktionen auf Gewalt und ihrem sie gefährdenden Konsum durch Medien. Pädagogik kann hier einiges leisten. Ohne die Betrachtung der gesellschaftlichen Strukturen, die das Verhalten der Jungen und Mädchen prägen, kämpfen die Professionellen allerdings gegen die Windmühlen von Desintegration und Prekarisierung und sind allein auf den guten Willen von Eltern und Kindern angewiesen.

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Fußnoten

[1] Dies sind Beispiele, denen viele aus anderen Ländern hinzuzufügen wären - ganz abgesehen davon, dass die Misshandlung von Ehefrauen in vielen Kulturen selbstverständlich ist.

[2] In einigen Armeen sind Frauen jetzt zwar als Soldatinnen zugelassen, sie nehmen aber selten an Kampfhandlungen teil.

[3] Eine weitere kulturelle Divergenz ist die Ablehnung von Homosexualität in einigen Unterschichten und einigen politischen Strömungen. Es wäre zu erforschen, wie insbesondere schwule Jungen mit der Verdammung ihrer sexuellen Orientierung arrangieren können und wie dies ihr Verhalten formt.

[4] So berichtete mir eine Kita-Leiterin, dass sie mit ihren Kolleginnen überlegt, Gruppenfahrten in Zukunft zu unterlassen, weil die muslimischen Mädchen, die nicht mitfahren dürften, ausgeschlossen wären. Eine Grundschullehrerin berichtete mir, dass Jungen mit islamischem Hintergrund sie - als Frau - nicht anschauen dürfen. Ein Augenkontakt im Gespräch wird damit unterbunden.

[5] Seine Mahnung an die LehrerINNEN, ihr Bewusstsein gegenüber Jungen zu ändern, unterstellt allerdings das „richtige" Bewusstsein bei den männlichen Lehrern - quod esset demonstrandum.

[6] Vgl. zu dieser Diskussion u.a. Akgün 2004 und Terre des Femmes 2008.

[7] Davon unberührt bleibt die Notwendigkeit des Kinderschutzes durch das Jugendamt, wenn es keine anderen Möglichkeiten zur Verhinderung von Misshandlung/Missbrauch gibt.

 

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Kommentare (1)

Dr. med. Renate Försterling 05 August 2010, 01:03

als Sexualmedizinerin ist mir die Wirkung des Testosterons (die ich in der Praxis häufig in der Substitution bzw. im Entzug erfahre) wohl bekannt. Ich vermisse in diesem Aufsatz einen Hinweis auf den peripubertären Anstieg des T. und seine Wirkungen. Mir scheint die Sicht der Autorin diesbezüglich doch sehr gynäzentrisch - auch indem sie gerade das motorische und „externalisierende“ Verhalten, zu dem Jungen mehr neigen, dem Pathologischen, Störenden zuordnet.

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