
Gesundheit in der Kita: Die Kinder
Eine interdisziplinär zusammengesetzte Kommission hat den 13. Kinder- und Jugendbericht im Auftrag der Bundesregierung erstellt, der im Mai veröffentlicht wurde. Der in jeder Legislaturperiode zu erstellende Bericht über die Lage von Kindern und Jugendlichen widmet sich dieses Mal dem Thema Gesundheit. Dabei wird ein umfassender Gesundheitsbegriff zugrunde gelegt, der soziales, seelisches und körperliches Wohlbefinden umfasst.
In den Bildungsplänen der Länder hat das Thema Gesundheit einen hohen Stellenwert. Anlass dazu gibt es genug. Zwischen 9 und 13 Prozent der 3- bis 10jährigen Kinder leiden an Übergewicht, was zu gesundheitlichen Einschränkungen führen kann. Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey http://www.kiggs.de/experten/erste_ergebnisse/Basispublikation/GesundheitsverhaltenEntwicklung.html hat ergeben, dass lang andauerndesFernsehen mit Übergewicht korreliert ist, d.h. dass Jungen und Mädchen, die mehr als drei Stunden täglich vor dem Fernseher haben, eher zu Adipositas neigen.
Nutzung elektronischer Medien im Jugendalter
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Er hat allerdings auch ergeben, dass vorgeburtliche Faktoren wie Diabetes, starkes Übergewicht und überdimensionale Gewichtszunahme der Mutter in der Schwangerschaft die Neigung zu Übergewicht, zu Krankheiten wie Diabetes, Asthma, ADHS und zu, Suchtverhalten fördern kann. Riskantes Verhalten von Schwangeren im Hinblick auf Rauchen und Alkoholkonsum ist unterschiedlich in der Bevölkerung verteilt. Während Rauchen in den unteren Schichten verbreiteter ist, ist der Konsum von Alkohol in den oberen Schichten häufiger.
Perinatale Einflussfaktoren auf die spätere Gesundheit
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Demgegenüber ist das Risiko, psychische Auffälligkeiten zu entwickeln, eindeutig schichtspezifisch verteilt: in den unteren Schichten, aber auch in den (vermutlich zu diesen gehörenden) Migrationspopulationen sind häufiger Kinder zu finden, die nach Einschätzung ihrer Eltern emotionale oder Verhaltensprobleme aufweisen.
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen
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Mehr als ein Fünftel der 11-13jährigen Kinder leiden an einer Essstörung. Essstörungen haben tief liegende psychische und soziale Ursachen, Sie sind als eine Form psychischer Erkrankungen zu sehen.
Essstörungen im Kindes- und Jugendalter
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Daher, so die Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestages, Ekin Deligöz,
„bedarf es komplexer Antworten. Einfache Informationskampagnen und Aufklärung allein reichen nicht. Der Alltag und die Realität der Menschen müssen beachtet, die Ursachen müssen angegangen werden“
(Stellungnahme Gesunde Ernährung vom 6. Juli 2009).
Essstörungen, die zu Adipositas und Übergewicht führen, sind fast doppelt so hoch bei Kindern, die in unteren Schichten leben. Ebenso erschreckend ist der Befund, dass Kinder mit Migrationshintergrund (die wiederum zu einem weit höheren Anteil arm sind als die deutschen Kinder) eine um 50 % erhöhte Häufigkeit an Essstörungen haben.
Dazu nochmal die Vorsitzende der Kinderkommission:
„Ein großer Teil der sozial bedingten gesundheitlichen Ungleichheit erklärt sich allein aus der sozialen Position. Deshalb ist eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik zu entwickeln, um die sozial bedingte Ungleichheit der Gesundheitschancen verringern zu können. Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Bildungs-, Sozial-, Kinder-, Familien-, Wohnungsbau- und Umweltpolitik müssen hierfür Hand in Hand arbeiten.“
Dass Gesundheitsförderung in der Schule effektiv sein kann, zeigt eine Langzeitstudie der AOK Hessen in Grundschulen für den Verein Klasse2000. Dieser setzt in seinem Programm zur Gesundheitsförderung auf die Zusammenarbeit von GesundheitsförderInnen und Lehrkräften. Das Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung IFT-Nord führte die Untersuchung von 2005 - 2008 durch.
„Befragt wurden 65 Klassen aus Hessen, die bei Klasse2000 mitmachten: Lehrkräfte, Schulleitung und ab der dritten Klasse auch die Kinder selbst. Die Antworten dieser Gruppe wurden verglichen mit denen einer Kontrollgruppe: 54 Klassen, die sich nicht an Klasse2000 beteiligten. Gefragt wurde nach den Auswirkungen von Klasse2000 auf die Kinder, auf die gesamte Klasse sowie auf die Struktur der Schule.
Vor dem Start des Programms waren die Ausgangsbedingungen der Klasse2000-Kinder schlechter: der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund war höher als in den Kontrollklassen, es fanden sich mehr Verhaltensauffälligkeiten und geringere soziale Kompetenzen. Am Ende der Grundschulzeit zeigte sich ein anderes Bild:http://www.klasse2000.de/seiten/artikel.php?id=29
- Problematische Verhaltensweisen nahmen bei Klasse2000-Kindern in der Tendenz stärker ab als in den Kontrollklassen, so dass Eingangsunterschiede verringert oder abgebaut werden konnten. Diese Ábnahme zeigte sich bei den Klasse2000-Kindern insbesondere in den Bereichen “Mangelndes Selbstwertgefühl“ und “Stress und körperliche Belastungen“.
- Klasse2000-Kinder verfügen über ein größeres Gesundheitswissen als die Kinder der Kontrollklassen.
- In der 3. und 4. Klasse schätzen die Klasse2000-Kinder die Möglichkeit, selbst etwas für die eigene Gesundheit tun zu können, höher ein.
- Die Klasse2000-Kinder beginnen in der vierten Klasse seltener mit dem Konsum von Alkohol und Zigaretten als die Kinder der Kontrollklassen. Da die Wahrscheinlichkeit einer Suchtentwicklung umso höher ist, je früher der erste Konsum beginnt, ist dies ein besonders erfreuliches Ergebnis.
- Das Klassenklima in den Klasse2000-Klassen entwickelte sich sowohl aus Sicht der Schüler als auch der Lehrer positiver als in den Kontrollklassen.
- Schulleiter berichten über positive Auswirkungen des Programms auf die ganze Schule. An jeder zweiten Schule trug Klasse2000 dazu bei, weitere gesundheitsfördernde Maßnahmen zu einzuführen.“
Und was ist mit den Kitas? Auch hier tut sich viel. Obgleich die Kinderkommission in ihrer Stellungnahme sich auf Schule als den Ort beschränkt, an dem Arbeit mit Eltern und andere präventive Maßnahmen greifen sollen.
Bei vielen Trägern von Kindertageseinrichtungen ist die Botschaft, Gesundheit von Kindern durch gesunde Ernährung und Bewegung zu fördern, angekommen. Soeben hat die AWO die Kampagne „Kinder in Form. Gemeinsam begeistern, zusammen bewegen“ gestartet. Ziel ist es, die Kinder in den rund 1.800 Kindertagesstätten der AWO zu motivieren, sich mehr zu bewegen. Die Aktion wird vom Bundesministerium für Gesundheit, vom Nationalen Aktionsplan „IN FORM“ und von der Glücksspirale unterstüzt. Bei der Auftaktveranstaltung am 15. Juli in Berlin sprach auch Bundesministerin Ulla Schmidt.
http://www.presseportal.de/pm/15839/1440986/arbeiterwohlfahrt_awo_bundesverband
Man sollte jedoch auch sehen, dass es starke Gegner der Kindergesundheit in dieser Gesellschaft gibt. Das sind:
Teile der pharmazeutischen Industrie, die für Präparate wie Ritalin Reklame machen, bei denen keiner die Folgewirkungen kennt; Teile der Lebensmittelindustrie, die es ablehnen, sichtbar die Belastung durch Zucker und Fett in Lebensmitteln darzustellen.
Daneben ist die ökonomische, soziale und bildungsmäßige Armut vieler Familien ein wesentlicher Grund für gesundheitliche Probleme. Einkommen, soziale Eingebundenheit und Bildung sind entscheidend dafür, dass Eltern sich und ihre Kinder gut ernähren können.