Gewaltprävention im Vorschulalter
Der Chemnitzer Psychologe Professor Dr. Udo Rudolph (49) erhält den mit 8.000 Euro dotierten Leuchtturm-Preis 2012 der Stiftung Ravensburger Verlag, ein Preis "für vorbildliches Engagement im Sektor familiäre, institutionelle oder ehrenamtliche Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen". Udo Rudolph engagiert sich an der Technischen Universität Chemnitz im Rahmen des von ihm und seinem Team gegründeten Vereins "Huckepack Kinderförderung" beispielhaft und erfolgreich für die Prävention aggressiven Verhaltens und für die frühzeitige Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen bei auffälligen Kindern im Vorschulalter. Der Preis wird am 19. November in Berlin übergeben.
Professor Dr. Udo Rudolph, der sich schwerpunktmäßig mit Motivation und Emotion beschäftigt, stellte mit einem Team von 6 Mitarbeitern und vielen ehrenamtlichen Studierenden am Institut für Psychologie der Technischen Universität Chemnitz ein besonderes Mentorenprojekt für Kita-Kinder auf die Beine. Hierbei geht es um die Prävention aggressiven Verhaltens. Gefährdete Kinder werden ein Jahr lang in ihrer vertrauten Kita-Umgebung durch Mentorinnen und Mentoren in spielerischen Einzeltrainings zu "Gefühlsdetektiven" ausgebildet. Spezielle Workshops richten sich an die Erzieherinnen und die Eltern. Ein wichtiger Kooperationspartner ist der lokale Kita-Trägerverein Kinder, Jugend- und Familienhilfe in Chemnitz.
Der Leuchtturm-Preis der Stiftung Ravensburger Verlag wird nicht öffentlich ausgeschrieben. Die Stiftungsvorsitzende Dorothee Hess-Maier erklärte zur Auswahl des Preisträgers 2012:
"Der Psychologe Professor Dr. Udo Rudolph hat sich mit seinem Präventionsprojekt große Verdienste in der frühzeitigen Vorbeugung von Aggression bei Kindern und somit auch der Prävention von Gewaltneigung bei Jugendlichen und Erwachsenen erworben. Er verstand es, neben Forschung und Lehre wissenschaftliche Erkenntnisse anhand innovativer Verfahren in die reale Welt von Kindergärten und Familien zu transportieren. Das ganz überwiegend ehrenamtliche Engagement des begleitenden Huckepack-Teams soll mit diesem Preis gewürdigt und gestützt werden. Wir hoffen, dass das Chemnitzer Modell, die wissenschaftlichen Erkenntnisse wie auch die vielfältigen Praxiserfahrungen in der Arbeit mit Kindern, Eltern und Erzieherinnen überregionale Verbreitung finden und zu ähnlichen Initiativen an anderen Orten führen. Eine gelungene Prävention kann dazu beitragen, der Gesellschaft Kosten zu ersparen, und ihr volkswirtschaftlicher Nutzen ist nicht zu unterschätzen."
Den Hintergrund des Projektes erläutert Professor Rudolph wie folgt: "Kinder, die schon im Kindergarten von anderen abgelehnt und gemieden werden, machen früh negative Erfahrungen in Sozialkontakten und können angemessenes Verhalten nur schwer einüben. Sie empfinden das Verhalten anderer Kinder und Erwachsener häufig als feindselig und ärgern sich. Zudem werden sie aus der Gruppe der Gleichaltrigen ausgeschlossen und verpassen so wichtige Lernmöglichkeiten, die sich in der Folge negativ auf die schulische Entwicklung auswirken. Wenn Kinder jedoch soziale und emotionale Kompetenzen erwerben, ist es eher möglich, negative Bildungswege zu verhindern." Frühzeitige Prävention sei geeignet, späteres Mobbingverhalten, Brutalität auf dem Schulhof oder Gewalt im Familienleben zu verhindern. Das Präventionsprojekt "Huckepack" schule die emotionalen Kompetenzen der Kinder, ebenso ihre Fähigkeit, zwischenmenschliche Konflikte selbst zu lösen. Die Kinder werden mindestens für die Dauer eines Jahres durch einen Mentor betreut.
1.500 Fünfjährige in Chemnitz diagnostiziert
Insgesamt sind in dem seit drei Jahren laufenden Modellprojekt 50 ehrenamtliche Mentoren tätig, deren Ausbildung in das universitäre Curriculum integriert ist – Mitarbeiter der Professur, wissenschaftliche Hilfskräfte sowie zahlreiche Absolventen aus Bachelor-, Master- und Promotionsstudiengängen. Mit Hilfe einer eigens entwickelten spielerischen Diagnostik gelingt es dem "Huckepack"-Team, die Vorschulkinder in rund 20 Kitas verschiedener Träger im Stadtgebiet von Chemnitz zu diagnostizieren. Von etwa 1.500 Fünfjährigen werden jährlich etwa 20 bis 50 ausgewählt und betreut – sofern die Eltern zustimmen.
Mädchen anders aggressiv als Jungen
Der wissenschaftliche Hintergrund des Modells beruht laut Rudolph auf der Erkenntnis, dass "indizierte Prävention besser ist als universelle Prävention". Das Zeitfenster hierfür sei eng eingegrenzt, denn eine wirksame Prävention im Bereich der sozialen und emotionalen Kompetenzen erreiche die 4- bis 6-jährigen Kinder weitaus besser als ältere Altersgruppen. Weil Jungen von Erzieherinnen und Eltern eher als Risikogruppe wahrgenommen werden und Mädchen in der Regel auf sozial weniger auffällige Weise aggressiv sind, erklärt der Psychologe eine wissenschaftlich fundierte Diagnostik und Auswertung für unentbehrlich: Diese zeige, dass geringe soziale Fertigkeiten ebenso bei Mädchen auftreten.
Preisverleihung mit Vortrag am 19. November 2012 in Berlin
Der Leuchtturm-Preis der Stiftung Ravensburger Verlag wird am 19. November 2012 in Berlin überreicht. Professor Rudolph spricht bei dieser Gelegenheit zum Thema "Vom Fühlen zum Handeln: Zur Förderung emotionaler Kompetenzen und sozialer Motivation".
Informationen über die Huckepack-Kinderförderung e. V. und über die
Arbeit des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie II und Biopsychologie
der Technischen Universität Chemnitz unter:
www.huckepack-kinderfoerderung.de und
www.tu-chemnitz.de/hsw/psychologie/professuren/allpsy2/