Großeltern sind vor allem im Westen Deutschlands für Kinderbetreuung wichtig
Großeltern spielen bei der Betreuung von Kindern eine große Rolle. Vor allem bei Unter-Dreijährigen haben sie den gleichen Stellenwert wie die Kita-Betreuung – allerdings nur im Westen Deutschlands. Bedeutsam auch ein weiterer Effekt: Unterstützen Oma und Opa, steigt das Wohlbefinden der Mütter, was wiederum positive Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung haben kann. Das zeigen die Zwischenergebnisse einer auf zwei Jahre angelegten Studie des DIW Berlin unter Leitung von Professorin C. Katharina Spieß und der Stiftung Ravensburger Verlag.
„Ein dreifach Hoch auf alle Omas“: wie im bekannten Kinderlied jubeln Familien oft über die Großelterngeneration. Denn sie unterstützt den Alltag enorm: Viele Klein- und Vorschulkinder in Deutschland werden – neben dem Besuch einer Kindertageseinrichtung – zusätzlich vor allem von Großmüttern betreut. Je nach Alter und Wohnort der Kinder zeigen sich aber große Unterschiede: Während in den ostdeutschen Bundesländern weniger als 5 % der Unter-Dreijährigen regelmäßig vormittags Zeit mit Oma und Opa verbringt, liegt diese Zahl im Westen Deutschlands bei fast 20 %.
Betrachtet man die Nachmittagsbetreuung, klaffen auch hier Zahlen für Ost und West auseinander. Im Osten dominiert nachmittags in den meisten Altersklassen die Kita- bzw. Schulbetreuung, im Westen liegen durchgängig familiäre Betreuungsformen vorne.
Dass dieser Unterschied immer noch so groß ist, erklärte die Wissenschaftlerin C. Katharina Spieß so: „Die gewachsene Struktur einer flächendeckenden Nachmittagskinderbetreuung kommt aus dem Osten, der beim Kita-Ausbau und der Nachmittagsbetreuung von Schulkindern seit jeher viel besser aufgestellt ist. Wir sehen aber, dass sich hier die westdeutschen Bundesländer allmählich annähern.“
Mit Blick auf die Großeltern bedeutet das: Oma und Opa werden nicht nur aus emotionalen, sondern auch aus ganz praktischen Gründen gebraucht. Im Westen sind sie am Nachmittag neben den Eltern bei jungen Kindern sogar die Hauptbetreuungsform, im Osten werden sie am Nachmittag dabei sehr häufig mit der Kita kombiniert, beispielsweise um die (Randzeiten-)Betreuung der Unter-Zehnjährigen sicherzustellen.
Zufriedene Mütter = positiver Effekt auf die Entwicklung der Kinder
Helfen Großeltern mit, kann man zwei Effekte bei den Müttern beobachten. Sie sind zufriedener mit ihrer Kinderbetreuungs-Situation und mit ihrer eigenen Freizeit. Dieser Effekt ist besonders groß in Haushalten mit Kindern bis sechs Jahren: 11 % ist der Anstieg der Zufriedenheit mit der Betreuungssituation, bei der Zufriedenheit mit der Freizeit sind es sogar 14 %.
Diese Zahlen zeigen, wie Großeltern die Entwicklung der Kinder entscheidend mitprägen, so C. Katharina Spieß: „Die Steigerung der mütterlichen Zufriedenheit hat einen direkten Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung. Salopp gesagt: Zufriedene Mütter haben sozio-emotional stabilere Kinder.“
Wissenschaftlich bis jetzt selten belegt, zeigen die vorliegenden Forschungsergebnisse nun empirisch messbar: Großelternbetreuung hilft vor allem den Müttern, die nach wie vor die Hauptbetreuungsperson sind – bei den Vätern sind die Effekte auf die Zufriedenheit nicht so groß.
Zweijähriges Forschungsprojekt mit dem DIW Berlin
An dem Forschungsprojekt arbeitet seit Januar 2020 ein Team unter Leitung von Professorin Dr. C. Katharina Spieß, Abteilungsleiterin Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) und Professorin an der Freien Universität Berlin. Dessen Basis bildete die Auswertung repräsentativer Datensätze der Jahre 2009 bis 2020, mit der Wissenschaftlerinnen die Rolle von Großeltern in Deutschland bei der Bildung und Betreuung des Nachwuchses in der Altersgruppe 0 bis 10 Jahre beleuchten.
„Es ist wenig erforscht, wie sich die Rolle von Omas und Opas in einer Zeit mit zahlreichen familienpolitischen und anderen Reformen verändert hat“, erläuterte Johannes Hauenstein, der Vorstand der Stiftung Ravensburger Verlag.
Die Stiftung fördert das Projekt „Oma und Opa gefragt? Veränderungen in der Enkelbetreuung und der Beitrag von Großeltern zur kindlichen Entwicklung“ bis Frühjahr 2022 mit 160.000 Euro.
Was tragen Großeltern heutzutage zur Enkelbetreuung bei?
Neun von zehn Kindern im Vorschulalter besuchen in Deutschland eine Kindertageseinrichtung; dennoch betreuen Großeltern vielfach ergänzend jedes zweite Kleinkind und auch Vorschulkind. Sie prägen den Alltag und die Entwicklung der Kids entscheidend mit. Mehrheitlich empfinden Mütter und Väter das Engagement ihrer eigenen Eltern als hilfreich auch bei Erziehungsfragen.
"Diese Ausgangssituation gab der Stiftung Ravensburger Verlag den Anlass, sich für ein weitergehendes Forschungsvorhaben in einem bislang von der Bildungs- und Familienforschung wenig untersuchten Gebiet einzusetzen", erläuterte Stiftungsvorstand Johannes Hauenstein: "nämlich die Rolle der Großeltern für die Betreuung der Enkel und ihr Einfluss auf deren Entwicklung".
Während der kontaktarmen Corona-Krise vermissten viele Familien ihre Oma und ihren Opa schmerzlich – nicht nur aus emotionalen, sondern ganz praktischen Gründen. Für annähernd 40 Prozent aller Familien mit Kindern unter 10 Jahren springen vor allem Großmütter in Notfallsituationen verlässlich ein. Sind die Kinder noch nicht im Schulalter, ist die Hälfte der berufstätigen Mütter auf Großeltern-Hilfe angewiesen. In 55 Prozent dieser Familien mit 2- bis 3-jährigen Kindern kümmern sie sich zeitweise um die Enkel. Dies ergab die Auswertung repräsentativer Datensätze, die ein wissenschaftliches Team des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) aus aktuellem Anlass auf der Basis von Daten aus Vor-Corona-Zeiten durchführte.
Die Rolle von Oma und Opa im Reform-Konzert
Wie hat sich die Betreuung von Enkeln in einer Zeit mit zahlreichen familienpolitischen und anderen Reformen verändert? Das untersucht das DIW-Team und betrachtet dabei die Ausweitung des Kitabesuchs von Kindern unter drei Jahren, die Zunahme des ganztägigen Kitabesuchs für immer mehr Vorschulkinder, die Einführung des Elterngeldes und die Kürzung der bezahlten Elternzeit sowie das spätere Renteneintrittsalter für Frauen. Darüber hinaus analysiert das Team der DIW-Abteilung Bildung und Familie, inwieweit Großeltern die verschiedenen Entwicklungsebenen von Kindern beeinflussen: kognitiv, emotional, sozial, motorisch und gesundheitlich. Auch das Wohlbefinden der Familie wird untersucht. Den Fokus richten die Wissenschaftlerinnen auf die Altersgruppe 0 bis 10 Jahre.
Erste Ergebnisse aus Anlass der Corona-Krise
Erste Ergebnisse zeigen, wie viele Kinder von Großeltern betreut werden. Dabei wird die Gruppe von Müttern, die einen systemrelevanten Beruf ausüben (rechte Kolumnen), mit anderen berufstätigen Müttern (linke Kolumnen) verglichen. Schlussfolgerungen:
- Großeltern sind wichtig für die Betreuung ihrer Enkel.
- Mütter von 2- bis 6jährigen Kindern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, beziehen noch stärker als andere die Großeltern in die Betreuung mit ein. Ein Erklärungsversuch: Vermutlich haben Mütter in systemrelevanten Berufen mehr Betreuungsbedarf durch ihre Eltern und Schwiegereltern, weil sie beispielsweise in ihren Gesundheits- und Pflegetätigkeiten zeitlich flexibler sein müssen und hohe Verantwortung für Patienten und Heimbewohner tragen, die sie nicht einfach im Stich lassen können.
- Ältere Kita-Kinder werden häufig von Großeltern betreut, um z. B. Randzeiten abzudecken.
Weitere Ergebnisse zeigen die repräsentativ ausgewertete Antwort von Eltern mit Kindern unter 10 Jahren auf die Frage: Wer könnte im Notfall (z. B. ungeplante Schließung von Kita oder Hort, Erkrankung übliche Betreuungsperson) bei der Betreuung Ihrer Kinder einspringen? Das Ergebnis: Zwar übernehmen die meisten Väter und Mütter oft die Betreuung dann selbst, allerdings zählen sie in Krisensituationen vor allem auf die Großmütter als zentrale Betreuerin.
Quelle: Stiftung Ravensburger Verlag vom 20.04.2020 und 19.07.2021