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In der Peer starten wir!
Heike Fink
02.09.2018 | Fachbeitrag Kommentare (1)
Krippenkinder unterstützen sich gegenseitig – ein innovatives Modell zur Eingewöhnung
Die Vorteile scheinen glasklar zu sein: In der Gruppe treffen die Kinder beim Start in die Kita auf andere Kinder, die in der gleichen Situation sind und ähnlich fühlen. Sie können miteinander interagieren und soziale Beziehungen aufbauen. Doch wie funktioniert das in der Praxis? Und was bedeutet es für die pädagogischen Fachkräfte?
Beitrag: In der Peer starten wir! (336KB)
Quelle: Wir übernehmen den Beitrag mit freundlicher Genehmigung der TPS Ausgabe 07/2018
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Kommentare (1)
Meine Meinung zu diesem Beitrag ist etwas zwiespältig.
Der Artikel beginnt für mich mit zwei Irritationen.
"Peer" ist m.E. der Einzelne, Gleiche und Eingewöhnung "in die Peer" ist wohl eine Eingewöhnung "in die Peer-Group" ... oder soll mit dem Titel etwas Anderes angedeutet werden?
Die zweite Irritation entsteht in der Einleitung, bei der sich mir der Gedanken aufdrängt, dass die Eingewöhnung in erster Linie DURCH die Peergruppe erfolgen würde; - was tatsächlich aber wohl keineswegs gemeint ist. Vielmehr ist auch in diesem Modell der Aufbau einer tragfähigen Beziehung zu den PädagogInnen Ziel der Eingewöhnung. ("Die Eingewöhnungsphase gilt als abgeschlossen, wenn alle Kinder der Peer zu einer oder beiden Eingewöhnungsfachkräften eine Beziehung aufgebaut haben, sich von ihren Bezugspersonen lösen können...") Insofern befindet sich dieses Modell im Einklang mit der ggw. herrschenden Meinung der Fachpraxis und Fachwissenschaft.
Es wäre aus meiner Sicht nicht nötig gewesen, durch solche Irritationen "das Neue" und "Innovative" dieses Modell so missverständlich herauszustellen. Ein etwas zurückhaltenderer Anspruch hätte aus meiner Sicht dem Artikel gut getan; denn interessant ist das Vorhaben allemal. In diesem Modell werden also 3-5 Kinder (je nach Alter) in separaten Gruppen von jeweils zwei Fachkräften gemeinsam eingewöhnt. Es wird also nicht die Eingewöhnung einzelner Kinder in die bestehende Gruppe, sondern die Schaffung einer neuen Gruppe in einem separaten Raum angezielt. „Peers“ in dem hier gemeinten Sinne, sind also die Kinder, die ebenfalls gleichzeitig neu eingewöhnt werden sollen
Im Grunde sind solche Formen als Vorstufen zur Kita-Betreuung (als "Eltern-Kind-Gruppen", als "Nestgruppen" u.ä.) bekannt; hier werden sie als systematischer Zugang zur Kita-Betreuung entwickelt. Da es solche Praxisansätze bereits gibt, können mit diesem Modell und der Begleitforschung auch Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob diese Form eine geeignete Alternative zur Eingewöhnung einzelner Kinder darstellt und ob/wie ein Übergang dieser "Sondergruppe" in den regulären Kita-Betrieb zu gestalten wäre. Ob dies allerdings auch Gegenstand der Begleitforschung ist, geht nicht aus dem Artikel hervor; der Übergang am Ende der Eingewöhnung wird nicht beschrieben.
Sicherlich auch aufgrund des begrenzten Umfangs des Artikels erfahren wir auch wenig über die Rolle der Eltern in dieser Eingewöhnungsform. Auch in diesem Modell erfolgen nach der ersten Woche "erste kleine Trennungen von den Bezugspersonen, wenn das einzelne Kind signalisiert, dass es die Fachkräfte als sichere Basis anerkennt und zu einer der beiden Eingewöhnungsfachkräften eine Beziehung aufgebaut hat." Bis dahin sind offenbar die 3 bis 5 Eltern immer anwesend. Aber auch diese Eltern bilden ja eine Peer-Group, die vermutlich aufgrund der gemeinsamen Situation eine eigene Dynamik entfaltet. Man darf gespannt auf die Begleitforschung sein, die hoffentlich betrachtet, ob und inwiefern dieses Setting (Anwesenheit einer ElternGRUPPE) konstruktiv für den Eingewöhnungsprozess und für das spätere Verhältnis untereinander und zum Fachpersonal ist.
Optimistisch wird der gegenwärtige Erfahrungsstand aus dem Modell referiert: "Bisherige Erkenntnisse zeigen, dass die Eingewöhnung in der Peer im Vergleich zur individuellen Eingewöhnung ohne verstärkt beobachtbares aktiviertes Bindungsverhalten bei den Kindern abläuft und die Phase des Beziehungsaufbaus zeitlich gesehen in der Regel kürzer oder vergleichbar lang dauert." Hierzu wird die Begleitforschung berichten müssen, ob diese Ergebnisse (wenn sie sich stabil nach Abschluss und nach Auswertung zeigen) dem Modell zugeschrieben werden können oder den speziellen Bindungen der Kinder/Eltern …oder anderen Faktoren zugeschrieben werden müssen. Bedenkenswert scheint mir auch, ob die Anwesenheit mehrerer Eltern in allen sozialen Rahmenbedingungen ein erfolgreiches Setting ist. Eine Modellevaluation, die nicht nur eine freundliche Begleitforschung ist, wird versuchen müssen, solche Fragen zu beantworten, weil erst dann Aussagen über den Wert und die Übertragbarkeit dieses Modells möglich sind.
Bei allen offenen Fragen möchte ich außerordentlich positiv werten, dass in diesem Modell überhaupt Praxisentwicklung und kontrollierende Forschung zu diesem wichtigen Gegenstand betrieben wird. Viel zu oft leben wir in der Kindheitspädagogik noch von Überzeugungen, Hoffnungen, Befürchtungen und unbewiesenen Annahmen. Wir haben aus meiner Sicht viel zu viel Konzepte und zu wenig echte Theorie ..und noch weniger echte Forschung, die sich mit Wirkungszusammenhängen befasst.
Daher vielen Dank für dieses Projekt, für die Forschung und den Bericht darüber.