Integration/Inklusion von Kindern mit Behinderungen
Dass Kindern mit Behinderungen die gleichen Chancen auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, an Bildung, an Arbeit zugestanden wird, darüber sind sich insbesondere die pädagogischen Fachkräfte einig. Die Frage ist - wie auch beim Umgang mit Kindern mit Migrationshintergrund, mit Jungen und Mädchen, mit Hoch- und Normalbegabten: Wie geht eine ErzieherIn mit Diversity, mit Verschiedenheit, mit Heterogenität (drei Worte für den gleichen Anspruch) um?
Dazu sammeln wir in den nächsten Wochen Material.
Inklusion und Integration
Doch zunächst zum Begriff der Inklusion. Was hat er mit Integration zu tun? Dazu ein Artikel von Brigitte Schumann. In ihm ist nur von der Schule die Rede, die Inhalte lassen sich jedoch teilweise auf die Kita übertragen.
Brigitte Schumann
Inklusion statt Integration – eine Verpflichtung zum Systemwechsel
Deutsche Schulverhältnisse auf dem Prüfstand des Völkerrechts
In der deutschen Öffentlichkeit ist der Begriff Inklusion noch weitgehend unbekannt und selbst in pädagogischen Kreisen herrscht erstaunlich viel Unsicherheit über seine Bedeutung.Der Beitrag macht die Differenz zwischen dem älteren Begriff der Integration und dem neueren Begriff der Inklusion deutlich, verweist auf internationale Vereinbarungen und zeigt die Unvereinbarkeit des gegliederten Systems mit dem Anspruch von Inklusion.
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Dieser Beitrag ist zuerst in der Zeitschrift PÄDAGOGIK, Heft 2/2009, S. 51-53 erschienen. Wir danken der Redaktion für ihre freundliche Genehmigung der Veröffentlichung.
Die Benutzung der Begriffe Integration und Inklusion ist nach wie vor sehr uneinheitlich. Unseres Erachtens sollte man sich daran auch nicht zu stark aufhalten. Entscheidend ist ja das Ziel, Kindern mit besonderen Bedürfnissen auch alle Möglichkeiten zu eröffnen. Speziell für den Kindergarten hat Mecklenburg-Vorpommern Leitlinien formuliert, die die Integration (hier ist die Inklusion wiederum nicht erwähnt) ermöglichen.
In der Schule scheint die Integration von Kindern mit Behinderungen besonders problematisch zu sein. So hat der Sozialverband Deutschland erst kürzlich verlangt, dass der gemeinsame Schulbesuch von behinderten und nichtbehinderten Schülern zur Regel wird und nicht wie bisher die Ausnahme bleibt. Entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention fordert der Sozialverband von Bund und Ländern ein Aktionsprogramm mit einem verbindlichen Zeitplan, um zu einem inklusiven Bildungssystem zu kommen. In Deutschland werden nur ca. 15 Prozent der Kinder mit sog. Sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen integriert, in Großbritannien, Portugal, Schweden oder Norwegen sind es hingegen mehr als 90 Prozent. Das deutsche Schulsystem diskriminiert Kinder mit Behinderungen und ist mit dafür verantwortlich, dass nur 0,2 Prozent der Sonderschüler das Abitur machen, 2,2 Prozent einen mittleren Abschluss und 20 Prozent einen Hauptschulabschluss. Das heißt, dass nahezu 80 Prozent der Kinder mit Behinderungen keinen Schulabschluss haben, der ihnen einen gangbaren Weg in einen Beruf öffnet.
„Zuletzt besuchten mehr als 400.000 Kinder eine Sonderschule. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die der Bundestag und der Bundesrat zum Jahreswechsel ratifiziert haben, verlange eine Integrationsquote von 80 bis 90 Prozent, so der Sozialverband.
Bisher blockieren viele Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg und Bayern einen konsequenten Umbau des Schulsystems zu inklusivem Unterricht. In fast allen Bundesländern sind derzeit Klagen von Eltern anhängig, die für ihr behindertes Kind einen Platz in einer normalen Schule einfordern. Bisher gibt es nur in Bremen einen Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht.
Offiziell wollen sich die Kultusminister drei Jahre Zeit lassen, um zu erklären, wie sie die UN-Vorgaben umsetzen wollen. "Wir müssen jetzt sofort anfangen und nicht erst 2012", forderte Sozialverbandspräsident Bauer in Anspielung auf die Bummelei der Länder.
Doch selbst dann werde der Umbau zu einem inklusiven Bildungssystem mindestens bis 2020 dauern, so Bauer. Schließlich müssten Lehrkräfte geschult, Gebäude barrierefrei werden - und vor allem die bisher an den Förderschulen angesiedelten Sonderpädagogen in die normalen Schulen geholt werden. "Nicht die Sonderpädagogik ist gescheitert, sondern das System Sonderschule", sagte Bauer.
Die Grünen im Bundestag haben vor kurzem ein Gutachten vorgelegt, wonach bis 2020 alle Sonderschulen aufgelöst werden könnten. Laut dem Papier des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie würde dies jährlich zwischen 1,8 und 4,3 Milliarden Euro kosten.
Eine Abschaffung restlos aller Sonderschulen fordert der Sozialverband hingegen nicht. In manchen Fällen - etwa bei schwer und mehrfach behinderten Kindern - könne der Besuch einer Förderschule auch in Zukunft der bessere Weg sein.“
Quelle: http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/artikel/1/schluss-mit-dem-sonderschulweg/ 11.3.09
Zielsetzungen von Inklusion und Integration
Das Ziel der Integration von Kindern mit Behinderungen ist auch in den Parteien ein Thema, allerdings in unterschiedlicher Form. So hat sich die SPD Baden-Württemberg eindeutig für die Integration in die Regelschule ausgesprochen (siehe: http://bildungsklick.de/pm/67136/spd-eltern-behinderter-kinder-sollen-kuenftig-schule-und-kindergarten-frei-auswaehlen-koennen/ 16.3.09).
In Schleswig-Holstein, wo die CDU regiert, setzt sich auch diese Partei für inklusive Bildung ein (siehe "besser zusammen" - 2009 ist das "Jahr der inklusiven Bildung" http://bildungsklick.de/pm/66343/besser-zusammen-2009-ist-das-jahr-der-inklusiven-bildung/).
Frühförderung
Ein besonderes Thema in der Arbeit mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen ist die Frühförderung. Sie kann dazu beitragen, dass vorhandene gesundheitliche Probleme reduziert, vielleicht sogar beseitigt werden und dass die Entwicklung insgesamt positiv beeinflusst wird. Seit dem Inkrafttreten des SGB IX im Jahr 2001 haben behinderte Kinder oder Kinder mit Entwicklungsverzögerungen einen Anspruch darauf, dass die Frühförderung in Frühförderstellen oder Sozialpädiatrischen Zentren als interdisziplinäre „Komplexleistung“ erbracht wird. „Das bedeutet, das heilpädagogische und therapeutische Leistungen gemeinsam - ‚wie aus einer Hand' - bei den zuständigen Rehabilitationsträgern auf der Grundlage eines Förder- und Entwicklungsplans beantragt, genehmigt und erbracht werden“ (DBSH-Newsletter 3/2009). Diese Komplexleistung wird aber nur in wenigen Bundesländern realisiert. Darauf haben Wohlfahrtsverbände, Behinderten-, Eltern- und Fachverbände am 16. Januar 2009 hingewiesen und fordern die Bundesministerien für Gesundheit sowie für Arbeit und Soziales auf, das geltende Recht umzusetzen.
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