Wie kompetent kaufen Kinder ein?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Siegen, der Privatuniversität Schloss Seeburg (Österreich) und des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation untersuchen gemeinsam Kaufkompetenz, Kaufverhalten und Kaufentscheidungen von Grundschulkindern.
„Mama, Papa, darf ich das haben?“ Ein Satz, den alle Eltern kennen, die mit Kindern in den Supermarkt gehen. Schon ab einem Alter von etwa einem Jahr beeinflussen Kinder die Kaufentscheidungen von Erwachsenen. Eigene Kaufentscheidungen treffen sie in der Regel ab dem sechsten Lebensjahr. Zahlreiche Händler und Hersteller sprechen mit ihrer Produktwerbung gezielt Kinder an. Auch die Verpackungen und Namen vieler Produkte sind auf diese sehr junge Zielgruppe zugeschnitten. Doch wie steht es um die Kaufkompetenz von Grundschulkindern? Auf welches Hintergrundwissen können sie zurückgreifen – und wie wenden sie dieses Wissen bei Kaufentscheidungen praktisch an?
In dem Projekt „Modellierung der Kaufkompetenz von Kindern“ möchten Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Uni Siegen und der Privatuniversität Schloss Seeburg (Österreich) sowie Bildungsforschende des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation gemeinsam die Kaufkompetenz, das Kaufverhalten und Kaufentscheidungen von Grundschulkindern untersuchen. Das Projekt läuft bis Mitte 2020 und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 400.000 Euro gefördert.
„Kaufkompetenz ist ein sehr komplexer Begriff, der jede Menge einzelne Fähigkeiten beinhaltet. Beispielsweise müssen Kinder ein Grundverständnis für Zahlen, Preis-Mengen-Relationen, Budgetplanung oder die Bedeutung von Werbebotschaften in Geschäften mitbringen. Gleichzeitig spielen persönliche Fähigkeiten eine Rolle, etwa, inwiefern ein Kind in der Lage ist, sich selbst zu kontrollieren und eigene Wünsche zu reflektieren“, erklären Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein, die an der Uni Siegen die Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Handel innehat, und Dr. Michael Schuhen vom Zentrum für ökonomische Bildung (ZöBiS). Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Österreich und vom DIPF möchten sie einen computerbasierten Test entwickeln, mit dem die Kaufkompetenz von Schulkindern erfasst werden kann. Anhand der erhobenen Daten möchten die Forschenden außerdem den Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis analysieren – also dem abrufbaren Wissen einerseits und dem Entscheidungsverhalten von Kindern in Konsumsituationen andererseits.
„Der Test besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil müssen die Kinder Wissens- und Einstellungsfragen rund um das Thema ‚Kaufentscheidungen‘ beantworten. Im zweiten Teil geht es darum, in einer realitätsnahen Einkaufssimulation eine Aufgabe zu bewältigen“, erläutert Prof. Dr. Johannes Hartig vom DIPF. Im Rahmen früherer Studien haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für diesen Part bereits einen virtuellen Supermarkt entwickelt. Auf einem Tablet führen die Kinder durch Tippen und Wischen mit dem Finger einen Einkaufswagen durch die virtuellen Regalreihen. Ihre Aufgabe: Eine Einkaufsliste mit zehn verschiedenen Produkten abarbeiten – und dabei so wenig Geld ausgeben wie möglich.
„Der virtuelle Supermarkt stellt die Kinder vor die gleichen Herausforderungen wie ein realer Supermarkt“, sagt Dr. Michael Schuhen. „Auch in dieser simulierten Kaufsituation gibt es ein großes Warenangebot, spezielle Sonderangebote und Werbebotschaften.“ Halten sich die Schülerinnen und Schüler trotzdem an die Einkaufsliste? Wie effizient gehen sie vor? Und schaffen sie es, sparsam einzukaufen – zum Beispiel, wenn Produkte in verschiedenen Verpackungsgrößen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden? „Von der Auswertung versprechen wir uns Hinweise darauf, in welchen Bereichen Kinder in Konsumsituationen stärker geschützt werden müssen und wie ihre Kaufkompetenz noch besser gefördert werden kann“, sagt der Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Gunnar Mau von der Privatuniversität Schloss Seeburg. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben hier in früheren Untersuchungen bereits Testsituationen entwickelt, um Aussagen über die Bedeutung von Werbung oder Verboten zu treffen und den Einfluss von Lehrerkräften, Eltern oder Gleichaltrigen auf die Kaufentscheidungen von Kindern zu untersuchen. Die Ergebnisse sollen in das aktuelle Projekt mit einfließen.
In der ersten Phase des Forschungsprojektes geht es darum, den Test samt praktischer Aufgabe sowie die Testumgebung zu entwickeln. Grundschullehrkräfte überprüfen, ob die konzipierten Fragen und Aufgaben verständlich formuliert sind. Anschließend sollen rund 1.600 Grundschulkinder aus Nordrhein-Westfalen und Hessen an der Haupterhebung teilnehmen. 80 dritte und vierte Klassen werden dazu Besuch von den Forschenden bekommen. Die Auswertung der gewonnenen Daten und die Veröffentlichung der Ergebnisse bilden den Abschluss des Projektes. „Unser Ziel ist es, konkrete Empfehlungen und anwendbare Hinweise für Politik, Eltern und Lehrkräfte zu formulieren“, erklärt Prof. Schramm-Klein.
Aktuell werden noch Grundschulen gesucht, die an dem Forschungsprojekt teilnehmen möchten. Weitere Informationen zum Projekt sowie die Möglichkeit, sich anzumelden, finden Sie online unter www.verletzliche-verbraucher.de
Quelle: Pressemitteilung des Leibniz-Institutes für Bildungsforschung und Bildungsinformation vom 26.11.2018