Kinder mit Migrationshintergrund
Kinder mit Migrationshintergrund - hinter diesem Begriff verbirgt sich eine unglaubliche Vielfalt. Zum einen unterscheidet sich der staatsbürgerliche Status: neben Flüchtlingskindern, deren Eltern (oder die, wenn sie Jugendliche sind, selbst) um ihr Verbleiben in Deutschland kämpfen, die also einen völlig ungesicherten Aufenthaltsstatus haben (siehe dazu auch Rezension des Buches „Minderjährige Flüchtlinge“), gibt es Kinder, die als Ausländer lange in Deutschland leben und wiederum solche, deren Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben. Eine weitere Unterscheidung ergibt sich durch den Bezug der Eltern zur deutschen Sprache. Manche Eltern haben sehr gut deutsch gelernt und können mühelos zwischen den beiden (oder vielleicht sogar noch einer dritten) Sprache hin- und her"switchen". Manche bemühen sich, zu Hause deutsch zu sprechen, und manche sprechen nur ihre Muttersprache. Mit diesen unterschiedlichen Voraussetzungen kommen Kinder in eine Kita.
Bedauerlich ist sowohl in vielen Kitas wie generell in der Schule, dass die Leistung der Kinder hinsichtlich ihres Sprachvermögens überhaupt nicht in den Blick gerät. Man stelle sich vor: Da sind Drei-, Vierjährige, die ständig mit zwei Sprachen herumjonglieren. Wenn dann die Muttersprache abgewertet wird, ist (siehe Artikel zur Bilingualität) der Sprachentwicklung kein Gefallen getan. Insbesondere aber erscheint es an der Zeit, die große Leistung dieser Kinder ins Visier zu nehmen.
Wie sich die Fähigkeiten der Kinder mit (und übrigens auch ohne) Migrationshintergrund entwickeln, hängt sehr stark von den Ressourcen des Elternhauses ab. Eine Ressource ist zunächst die Bildungsorientierung. Wie sich im Rahmen einer Studie herausstellte, sind vietnamesische Eltern äußerst bildungs- und aufstiegsorientiert. Die Kinder passen sich dem deutschen Schulsystem an und erbringen zum Teil bemerkenswerte Leistungen.
„Keine andere Einwanderergruppe kann in der zweiten Generation mit solchen Schulerfolgen aufwarten. Etwa 50 Prozent der vietnamesischen Kinder schaffen es in Deutschland aufs Gymnasium, in Brandenburg sind es sogar 74 Prozent. Damit sind sie ihren deutschen Mitschülern weit überlegen.“
Berliner Zeitung, 20.3.09, S. 16).
Anders hingegen die Kinder aus türkischen Familien.
„Zum Teil massive Integrationsmängel bestehen dagegen bei Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Afrika und vor allem bei der aus der Türkei. Von den hier lebenden 2,8 Millionen Türkischstämmigen ist knapp die Hälfte schon in Deutschland geboren. Diese zweite Generation schafft es jedoch kaum, die Defizite der meist gering gebildeten Zugewanderten aus den Zeiten der Gastarbeiteranwerbung auszugleichen. So sind auch noch unter den in Deutschland geborenen 15- bis 64-Jährigen zehn Prozent ohne jeden Bildungsabschluss - siebenmal mehr als unter den Einheimischen dieser Altersklasse. Dementsprechend schwach fällt ihre Integration in den Arbeitsmarkt aus.“
(http://www.berlin-institut.org/studien/ungenutzte-potenziale.html, Januar 2009).
Wir wissen noch nicht, warum die Einwanderer verschiedener Nationen, Religionen und Kulturen sich so unterschiedlich in Deutschland einleben. Als ein wesentlicher Faktor wird die Schichtzugehörigkeit genannt. Aber wenn man sieht, unter welchen Bedingungen Vietnamesen in Berlin ihr Geld für die Familie verdienen (Billig-Gastronomie, Blumenverkäufer u.ä.), dann muss schon gefragt werden, ob dies der ausschlaggebende Faktor ist. Wir werden weiterhin dazu Material suchen!
Eine gute Methode, die Familien von Einwanderern für die Integration ihrer Kinder in Kita und Schule zu gewinnen, ist das Projekt der Stadtteilmütter in Berlin-Neukölln:
„Sie wissen, wovon sie reden: Sie haben selber Kinder, einen Migrationshintergrund und waren meist mehrere Jahre arbeitslos - die Stadtteilmütter von Neukölln. Sie sind ein beispielhaftes Projekt aus dem Bereich der frühen Hilfen für Kinder und ihre Eltern.
Nach einer sechsmonatigen Qualifizierung suchen die Stadtteilmütter den Kontakt zu werdenden Müttern und solchen mit jungen Kindern in ihrem Bezirk. Sie sind keine Sozialarbeiterinnen, sondern leisten eine moderne Form der Gemeinwesenarbeit: Indem sie auf andere Mütter zugehen, über wichtige Themen informieren, Lücken in der Erziehungskompetenz schließen und mit Rat und Tat im Alltag zur Seite stehen. Zentrale Themen sind der Zugang zu Kindertagesstätten, das Funktionieren der deutschen Schule, Spracherziehung oder der Umgang mit Medien.
Durch die persönliche Ansprache soll den Frauen die Angst vor Ämtern genommen werden. Die Stadtteilmütter verstehen sich als Lotsen, die, wenn dies gewünscht wird, weitere Kontakte zu öffentlichen Einrichtungen herstellen.“
Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 19.3.2009
Übernommen aus: Deutsche Liga für das Kind: Newsletter Nr. 309 vom 26. März 2009
Einen allgemeinen Artikel zu Lebenswelten von MigrantInnen finden Sie unter: http://www.bpb.de/publikationen/KTORL9,0,0,Lebenswelten_von_Migrantinnen_und_Migranten.html
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