mehrere Kinder

Kirchen fordern zügigere Bearbeitung der Anträge ehemaliger Heimkinder

12.02.2014 Kommentare (1)

Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland haben die teilweise schleppende Bearbeitung der Anträge ehemaliger Heimkinder durch staatliche Beratungsstellen kritisiert. Sie mahnten Verbesserungen beim Verfahren des Fonds an. Insbesondere seien die Zeiten vom ersten Kontakt mit der Beratungsstelle bis zur Auszahlung der vereinbarten Mittel durch die Bundeskasse oft zu lang.

„Wartezeiten von mehreren Monaten tragen zur Re-Traumatisierung derjenigen bei, die sich an den Fonds wenden. Dies muss vermieden werden“, sagten am 4. Februar der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, in einer gemeinsamen Erklärung.

Da ehemalige Heimkinder sich nur noch bis Ende 2014 an den Fonds Heimerziehung West wenden können, um Leistungen zur Linderung von Leiden aus der ehemaligen Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten, riefen der Erzbischof und der EKD-Ratsvorsitzende Betroffene auf: „Melden Sie sich bei einer regionale Anlauf- und Beratungsstelle des Fonds! Nutzen Sie dieses Hilfeangebot, das noch bis Ende dieses Jahres zur Verfügung steht!“

Die Kirchen reagieren mit diesem Aufruf auf Meldungen aus dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben der letzten Woche, nach denen der Fonds Heimerziehung West im Unterschied zum Fonds für Betroffene aus der ehemaligen DDR noch gut gefüllt ist. In den Jahren 2012 und 2013 sind demnach 66 Millionen Euro von insgesamt 120 Millionen Euro beantragt worden. Zollitsch und Schneider werten es als einen Erfolg, dass diese Summe zur Unterstützung von ehemaligen Heimkindern zur Verfügung gestellt werden konnte. „Dies ist eine wirksame Hilfe, die bei den Betroffenen auch ankommt!“

Die beiden Vorsitzenden bedauerten jedoch, dass es trotz intensiver Bemühungen noch nicht gelungen ist, Betroffenen aus der Behindertenhilfe und Psychiatrie ein ähnliches Angebot zu unterbreiten. Menschen, die zwischen 1945 und 1975 in der Bundesrepublik Deutschland in einer solchen Einrichtung untergebracht waren, berichten oft von den gleichen schlimmen Erfahrungen wie ehemalige Heimkinder. „Wir appellieren an den Bund und die Länder: Auch diese Gruppe Betroffener sollte schnellstens Hilfen zur Bewältigung ihrer schlimmen Erlebnisse erhalten. Die Kirchen haben hier schon vieles in Sachen Aufarbeitung und Hilfe unternommen – jetzt muss dringend eine Lösung durch den Staat geschaffen werden!“, so Zollitsch und Schneider abschließend.

Quelle: OTS: EKD Evangelische Kirche in Deutschland vom 4.2.2014

Ihre Meinung ist gefragt!

Diskutieren Sie über diesen Beitrag.

Kommentare (1)

Meuser Marianne Monika Edith 21 Juli 2014, 02:30

Hallo,
ich (geb. im Aug. 67) habe den Bericht mit großem Interesse gelesen, nachdem mir eine gute Bekannte über diesbezügliche Nachrichten aus dem Fernsehen berichtete und mich aufforderte einen Antrag zu stellen. Er ist für mich sehr aufschlußreich.

Mein Heimleben bzw., so sagte man in Herzogenrath bei Aachen, „Kloster“-Leben, war schlimm. Eine Kollegin, die aus Herzogenrath kam, erzählte mir, im Ort sagten die Leute: „Die Kinder dort leiden für die Sünden ihrer Eltern.“

Sexuelle Gewalt habe ich zwar dort nicht erfahren; jedoch körperliche und seelische Gewalt. Die Kindernonne (Schwester Friedwind) hatte zwei Staatsexamen in Psychologie mit Auszeichnung bestanden und rühmte sich dessen. Mein Selbstwertgefühl und Stolz wurden gebrochen. Mein Heimatort sei im Volksmund „ein Saustall“ oder ich sei „unter Sünde geboren und wäre die Wertloseste die im Heim“. Dabei wäre mein Vater (bei einer morgendlichen Standpauke vor allen Kindern) eine sehr hohe Persönlichkeit. Leider hat sie mir nie gesagt wer mein Vater ist.

Schläge mit Holzkleiderbügel auf jeden Handrücken erhielt ich mit voller Wucht, so dass die Adern hervortraten. Ein anderes Mal, nur weil ich etwas wußte, wurde ich mit einem abgebrochenen Besenstiel, auf den Allerwertesten geschlagen, ganz zu schweigen von dem blauen Po.
Anderen Kinder erging es ähnlich.

Ich leide heute noch, wenn Erinnerungen kommen. Ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl kann ich nicht leugnen. So habe ich mir einmal den Arm gebrochen und habe aus Angst wegen der Schläge nichts gesagt. Die anderen Kinder wußten es und halfen mir in alltäglichen Dingen. Die Nonne oder die Kindergärtnerin, Fräulein Gerta Schmitz, mußten das wohl gesehen haben. Folge war, ich mußte unseren Waschraum und fünf Duschen putzen. Ausgewrungen habe ich das Tuch mit meiner linken Hand und den Zähnen. Ein anderes Kind hatte mir zuvor schnell den Boden geputzt.
Als ich im Bett lag kam das Donnerwetter, wie schlecht ich doch den Waschraum gereinigt hätte und als Strafe müsse ich nun eine ganze Woche den Raum putzen. Darauf sagte Elke zu ihr: „Die kann das doch gar nicht, denn die hat den Arm gebrochen.“ Worauf Schwester Friedwind doch erschrocken war und ich am nächsten Morgen zum Arzt gebracht wurde.

Mein Überlebensgedanke war: „Ich laß mich lieber totschlagen, als dass sie noch einmal in meine Seele blickt.“ Dann tat ich etwas, was mir in Meditation wieder bewußtgemacht wurde. Ich lag im Bett und habe mich umprogrammiert z.B. Freude ist Trauer, Freundlichkeit ist Abstoßung, etc. Nun arbeite ich selber daran diese Dinge wieder richtig zu programmieren.

Wenn ich in einem anderen Bericht lese, dass einer Frau von einem Gericht in Aachen psychische Gewalt nicht angerechnet wird und sie darum keine Wiedergutmachung erhält, finde ich ein solches Urteil sehr traurig. So entstehen seelische Krüppel, die als Erwachsene sozusagen Schiffbruch erleiden. Tolle Christen. Als ich zur Erstkommunion ging mußte nicht nur ich sondern auch die anderen Jungs und Mädchen ihr unsere Beichte vortragen. Axel wollte nicht und bekam was? natürlich Prügel.

Danke für ihren aufklärenden Bericht. Mal sehen ob ich morgen auf der Stadtverwaltung den Weg gezeigt bekomme, an wen ich mich wenden muß, um einen Antrag zu erhalten, denn was meine eigene Person angeht, weiß ich oft nicht wie ich zu meinem Recht komme. Im Beruf, Op und Ambulanz-Schwester, war ich erfolgreich. Für meine Patienten habe ich alles getan! Was mir bei der Pflegedienstleitung oft Rügen einbrachte. Das habe ich in Kauf genommen.

Verzeihen Sie meinen langen Bericht, vielleicht auch etwas daneben gegriffen.

Seien Sie behütet und viel Erfolg für Ihre Arbeit, Ihre Marianne Meuser

Kommentar schreiben




Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.


Bitte schreiben Sie freundlich und sachlich. Ihr Kommentar wird erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet.





Ihre Angaben werden nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Hinweise zum Datenschutz finden Sie im Impressum.