Studentin im Hörsaal

Kita-Fachkräfte sind unzufrieden mit Arbeitsbedingungen

06.10.2021 Kommentare (2)

Kita-Fachkräfte sind trotz ihrer hohen Motivation mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Die Beschäftigten drohen in andere Bereiche abzuwandern. Das hat eine von ver.di in Kooperation mit der Hochschule Fulda durchgeführte Befragung unter mehr als 19.000 Fachkräften aus allen Regionen und allen Bereichen der Kitas ergeben. 

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die Befragung zwischen Mai und Juni 2021 in Kooperation mit der Hochschule Fulda in bundesdeutschen Kindertagesstätten durchgeführt und dabei Beschäftigte in Krippen, Kindergärten und Horten befragt. Nach einer ersten Auswertung Ende Juni liegt jetzt die gesamte Auswertung vor.

„Die Zahlen sind alarmierend und zeigen deutlich, wo die Probleme in den Kindertageseinrichtungen liegen: Die Fachkräfte sind für zu viele Kinder zuständig. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die Situation zu verbessern“, betont die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Die Studie zeige, wie unzufrieden die Beschäftigten mit ihrer Situation seien. In ihrer Verantwortung für die Kinder beklage die deutliche Mehrheit, dass sie aus Zeitgründen nicht auf die Probleme oder Wünsche der Kinder eingehen könnten. Die Unzufriedenheit wirke sich deutlich auf die Fluktuation in den Kitas aus: Fast 40 Prozent der befragten Beschäftigten denken über einen Stellenwechsel nach und rund 25 Prozent darüber, aus dem Beruf auszusteigen.

Besonders problematische Situation in Krippen und Kindergärten

Besonders problematisch sei die Situation in Krippen und Kindergärten. Drei Viertel der befragten Fachkräfte im Bereich der unter dreijährigen Kinder gaben an, für mindestens fünf und bis zu zwölf Kinder gleichzeitig verantwortlich gewesen zu sein. Im Alltag mit den über dreijährigen Kindern waren die Beschäftigten meist für 13 bis 24 Kinder zuständig. Pro Kita-Team fehlen im Durchschnitt drei Vollzeitkräfte, um gut arbeiten zu können. Bei rund 57.600 Kitas in Deutschland sind dies knapp 173.000 fehlende Fachkräfte.

Für Planung, Vorbereitung, Entwicklungsdokumentation und Elterngespräche steht nur jeder zweiten Fachkraft laut Dienstplan Zeit zur Verfügung. In der Praxis wenden die Fachkräfte jedoch mehrheitlich bis zu einer Stunde für die konkrete Vor- und Nachbereitung auf (50,2 Prozent der Befragten) sowie bis zu einer Stunde pro Tag für Elterngespräche (71,2 Prozent der Befragten). Dies führt zu unbezahlter Mehrarbeit oder geht zu Lasten der Interaktion mit den Kindern.

Aus- und Weiterbilldungen erhalten keinen hohen Stellenwert

Weiter ergab die Befragung, dass trotz des eklatanten Fachkräftemangels im gesamten Bereich der sozialen Berufe Aus- und Weiterbildung keinen hohen Stellenwert erhalten. Obwohl die Mehrzahl der Fachkräfte für die Begleitung von Praktikantinnen und Praktikanten zuständig ist, haben sie für diese Tätigkeit keine Zeit und sind nur selten dafür qualifiziert. 94 Prozent der befragten Fachkräfte gaben zudem an, dass ihre Arbeitgeber ihnen keine Qualifizierungsmaßnahmen ermöglichen, die ihnen ein Weiterkommen durch einen höheren Berufsabschluss ermöglichen. Dies gilt insbesondere für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger ohne einschlägige Berufsausbildung.

„Die Politik setzt in großem Maße auf sogenannte Quereinsteigerinnen, um Fachkräfte zu gewinnen. Ohne eine einschlägige Ausbildung sind diese jedoch keine Fachkräfte, die eine qualifizierte pädagogische Arbeit leisten können, sondern werden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt und können dem Anspruch auf eine hochwertige Bildungs- und Erziehungsarbeit nicht gerecht werden“, kritisiert Behle.

Das alles mache deutlich, dass in der Tarifrunde für den Sozial- und Erziehungsdienst, die im Januar 2022 startet, deutliche Verbesserungen erreicht werden müssen, so ver.di-Vize Behle: „Neben der Erhöhung der Löhne werden wir auch gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und damit auch für bessere Bedingungen für Kinder und Eltern kämpfen.“

Quelle: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) vom 13.09.2021

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Kommentare (2)

svenja Meyer 04 März 2023, 13:36

Marion Ulherr, vielen Dank. Sie haben meine Gedanken wunderbar in Worte gefasst. Auch ich bin seit 25 Jahren im Beruf und stelle mir täglich genau diese Fragen und bin traurig darüber, was wir unseren Kindern unter dem Deckmantel "Kinderfreundlichkeit" antun. Mittlerweile bin ich an einer berufsbildenden Schule tätig und fühle mich leider täglich in meiner Meinung bestätigt, dass die Institutionalisierung von klein auf nicht der richtige Weg ist. Dabei bin ich nicht gegen Kindergärten die stundenweise Kinder betreuen, die in ihrer Entwicklung Kinderkontakte benötigen. Aber nur um der Wirtschaft zu dienen, sollte man Babys nicht von ihren Familien trennen und somit keinen Raum für die Entwicklung der Bindung, des Vertrauens, der Ich- Kompetenz, der Experimentierfreude und so vielem mehr lassen.

Marion Ulherr 06 Oktober 2021, 16:08

Als ich vor 30 Jahren anfing als Erzieherin zu arbeiten, war es normal mindestens 25 Kinder in einer Gruppe zu haben. Diese wurden von einer Erzieherin und einer Kinderpflegerin betreut. Wenn eine von beiden krank wurde, war die andere alleine für alle Kinder verantwortlich. Das war zwar wirklich nicht einfach, aber über einen kurzen Zeitraum hinweg doch machbar.
Heute wäre das völlig undenkbar. Ich würde mich schlicht weigern 25 Kinder alleine zu betreuen, weil es unverantwortlich wäre. Was hat sich also in unserem Beruf so sehr verändert? Vor 30 Jahren waren die Kinder meistens schon 4 Jahre o. knapp davor, wenn sie in den Kiga kamen. Außerdem mußten sie sauber sein. Ein Kind, daß noch eine Windel brauchte, durfte nicht in den Kindergarten.
Die Kinder waren also damals aufgrund ihres Alters schon wesentlich selbständiger und der pflegerische Aufwand war somit geringer.
Hinzu kommt, daß durch den gravierenden gesellschaftlichen und technologischen Wandel in den letzten etwa 20 Jahren, die Individualisierung, die Anspruchshaltung und die Reizüberflutung stark zugenommen haben. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf die Kinder aus. Grob vereinfacht gesagt: Die Kinder sind in ihrem Verhalten "komplizierter" geworden. Das heißt, obwohl wir heute personell besser aufgestellt sind als vor 30 Jahren, muss jede einzelne von uns mehr leisten, da die Anforderungen so immens gestiegen sind. Heute erstellen wir nebenher noch Portfolios für jedes Kind, füllen Beobachtungsbögen aus, führen wesentlich mehr Elterngespräche, arbeiten viel intensiver mit der Grundschule zusammen etc. etc. Ich stelle mir schon lange die Frage, wo das eigentlich noch hinführen soll.
Wollen wir noch mehr u. immer mehr öffentliche Betreuungseinrichtungen mit zu wenig Personal? Wollen wir weiterhin Einnjährigen das Tagespensum eines Vollzeit berufstätigen Erwachsenen zumuten?
Wollen wir weiterhin Kinder, die schon von kleinstauf "funktionieren" müssen?
Wollen wir weiterhin von unseren Kindern verlangen, daß sie sich gefälligst den Erfordernissen einer völlig
überdrehten Erwachsenenwelt unterzuordnen haben?
Und ist das dann wirklich "kinderfreundlich"? Oder ist das vielleicht eher erwachsenen-bzw. wirtschaftsfreundlich?
Zählt für uns wirklich nur noch die Erwerbstätigkeit, während familiäre Erziehungsarbeit als minderwärtig angesehen wird? Warum schätzen wir diese Arbeit so gering? Warum ist uns diese Leistung, die eine der wichtigsten in unserer Gesellschaft ist, so wenig wert?
Ich könnte die Liste meiner Fragen noch endlos fortführen, aber leider würde das nichts nützen. Unsere Gesellschaft ist nämlich mit Scheuklappen auf einem Weg unterwegs, der, meiner Meinung nach , in die völlig falsche Richtung führt. Unterstützt und bestärkt durch das Familienbild, daß uns Wirtschaft, Politik und Medien als das einzig selig machende Ideal vermitteln wollen.
Und wir rennen diesem Bild wie eine Herde Schafe hinterher.

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