zwei U3 Kinder

Kleine Stühle in der Kita?

Regina Pöpl

13.06.2011 Kommentare (7)

Seit vielen Jahren arbeitete ich als selbstständige Physiotherapeutin in eigener Praxis mit zahlreichen Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, welche wegen unterschiedlicher Probleme zu mir kamen.

Meistens klagten sie über das unbequeme Sitzen auf den kleinen Kinderstühlen bei bestimmten vorgegebenen Arbeitsabläufen. Ich ließ mir diese Körperhaltung real nachspielen und entdeckte folgende Auffälligkeiten.

Schon der Akt des Hinsetzens auf diesen kleinen Stuhl ist umständlich und haltungsfeindlich, weil man erst mal alle Körperteile koordinieren muss, tiefer als die Kniegelenke absinkt ,damit das eigene Raumlageempfinden stimmt. Stellen sie sich einmal vor, sie müssen mehr als 4 Stunden am Tag auf einem kleinen Baumstumpf sitzen und dabei mit zusammengezwickten Beinen nach rechts und links oder sonst wohin ihre Arbeit verrichten.

Die hochgezogenen Schultern, Nackenverspannungen und ein gestauchter Rumpf lassen sich nicht vermeiden.Herangezogene Beine blockieren den Leib, was zu Unwohlsein im Beckenboden und Venenstauungen in den Beinen führt. Von Verdauungsproblemen bei gestauchten Därmen ganz zu schweigen…

-Wenn ich mich jetzt noch seitlich dem Kind zuwenden soll, quetsche ich mich in den Eingeweiden zusammen, verliere die Aufmerksamkeit für das Wesentliche und die Atmung reduziert sich auch noch, sodass Müdigkeit vorprogrammiert ist. Unsensible Ausgangsstellungen, welche ich zwanghaft einnehmen muss, führen zu Aufmerksamkeitsverlusten.

..und das nennt man dann zugewandtes kindgerechtes Arbeiten ?

Ich therapiere sehr viele Kleinkinder und befrage u.a. Eltern nach häuslichen Gegebenheiten.

Niemand von meinen Patienteneltern käme auf die Idee, sich ab dem ersten Lebensjahr ihres Kindes einen kleinen Tisch mit 3 Stühlchen anzuschaffen um „kindgerecht“ ihre Mahlzeiten einzunehmen.

Um auf Augenhöhe mit dem Kind zu sein, kann ich das auch erreichen, wenn ich das Kind mit einer adäquaten Bestuhlung und Tischversorgung auf meine Augenhöhe erhebe und es wird stolz sein, bei den Großen zu sitzen.

Die Konzentration wird deutlich besser sein, weil Ruhe und Körperfrieden sich einstellen.

Ich plädiere dafür, dass beide Möglichkeiten der sitzenden Tätigkeiten in diesen Kinderbetreuungs- Einrichtungen bedacht und eingeführt werden, da ich dies auch als Prävention in diesem Berufsstand erkenne. Verstellbare Hochstühle und funktionelle Tische wären ein riesiger Zugewinn in jeder Arbeitsgruppe und eine geniale Investition in eine mobile Zukunft.

Die Autorin:

Ich bin staatl. examinierte Krankengymnastin/Physiotherapeutin, geb. 1950, war u.a. 30 Jahre in eigener Praxis mit einem interessanten Team selbständig, nach dem Verkauf der Praxis dort als Angestellte weiter tätig. Schwerpunkt Kinderheilkunde, Krankengymnastik nach Vojta, Bobath. Kinderosteopathie, viele Ausbildungen in Verhaltens- und Kommunikationstherapien, CMD, Orofaciale Therapien für Kinder u. Erw., Geburtsvorbereitung u.v. m.

E-Mail: regina.poepl@gmx.de

 

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Kommentare (7)

Bezzerwizzer 24 November 2016, 18:28

Fragt man die Kinder was sie wollen, sind die Antworten durchaus unterschiedlich, doch viele der kleinen freuen sich mal an so einem "großen Erwachsen Tafel" sitzen zu können und sich eben in der Rolle Erwachsen zu fühlen ( chef sein )

Ute Garbsch 27 Juli 2011, 11:24

Ich muss mich nochmals zu Wort melden....
ich heisse auch nicht alle Äußerungen von Maria Montesorri heute noch für zeitgemäss, aber(!)als sie sagte, dass kleine Menschen kleine Möbel brauchen und Kinder alles benötigte in ihrer Höhe erreichbar haben sollten, war und ist doch eigentlich klar zu erkennen, dass diese Forderung ganz klar auf die Kinder und nur auf die Kinder zu beziehen war und ist!
Erwachsene sollen NICHT(!) auf Kindermöbeln sitzen und arbeiten,weil es K I N D E R M Ö B E L sind und auch bleiben sollen.
Die meisten der angeführten Arbeiten die Sie (selbstverständlich) mit den Kindern zusammen anführen, können genauso gut auf ganz normalen Tischen und Bänken ausgeführt werden.
Es ist eigentlich sogar sehr viel sinnvoller es an „Erwachsenentischen und -stühlen“ auszu führen, weil den Kindern dadurch noch einmal signalisiert wird, dass es etwas besonderes war, das sie erreicht haben, das das Arbeiten am Computer und Drucker eine besondere Verantwortung bedeutet, die „normalerweise“ nur den Erwachsenen vorbehalten ist, und heute darf das Kind am „Erwachsenentisch“ mit der Erieherin daran arbeiten.
Weshalb müssen Sie als erwachsener Mensch auf Kinderstühlen sitzen, um mit dem Kind zu basteln oder auszuschneiden?
Und wenn doch zu viele Möbel in den Gruppenräumen sind, warum räumen Sie nicht ein paar zur Seite?
Platz ist auch in der kleinsten Hütte und wenn nicht, sollte man evtl. überprüfen , ob das Konzept noch passt oder vielleicht doch inzwischen zu klein geworden ist?!
Viele liebe Grüsse aus dem Rheinland!
Ute Garbsch

Angelika Mauel 17 Juni 2011, 14:12

Nichts gegen Maria Montessori - aber Erzieherinnen müssen nicht jede ihrer Äußerungen gutheißen. Mir gefällt der Titel von Renate Zimmers Buch „Schafft die Stühle ab“ besonders gut. Unter seinem Einfluss hat man in den Neunzigern bewusst in vielen Gruppenräumen die Anzahl der Tische und Stühle immerhin reduziert. Die Bewegungsfläche in den eigentlich reichlich kleinen Gruppenräumen wurde dadurch etwas vergrößert.
Und heute? - Fast alle Kinder essen in der Kita zu Mittag. Und weil jedes Kind seinen Essplatz braucht, stehen stehen mehr Möbel als zuvor in den Gruppenräumen! Mir scheinen Kinder und Erzieherinnen auch viel öfter als früher auf kleinen Stühlen und an kleinen Tischen zu sitzen. Dort wird zum Beispiel auch gepuzzelt und gespielt, weil am Boden kaum Platz wäre. Außerdem wird für jedes Kind mittlerweile eine eigene Bildungsdokumentation erstellt: Fotos, Gemaltes, Gebasteltes, „Urkunden“, „Diplome“, „Führerscheine“ und andere Belobigungen werden dort zeitaufwändig und so sauber wie möglich - mit den Kindern! - eingeklebt.

Ich finde es bedauerlich, dass Erzieherinnen sich dabei verrenken und ihre Gedärme stauchen lassen.

Angelika Mauel

Regina Pöpl 16 Juni 2011, 23:04

Hallo Frau Garbsch,
Danke für Ihre Phantasie...
um Mißverständnisse beim Lesen meines Artikels zu vermeiden - hier noch mal die Erklärung für den orientalischen Sitz (nicht Yogasitz) auf dem Fußboden, eventl.mit Kissen für schlanke langbeinige Männer:
Knie leicht geöffnet unter dem Tisch, Po auf den Fersen. Probieren Sie das aus.
R. Pöpl mit besten Grüßen

Ute Garbsch 15 Juni 2011, 10:26

ich kann mir ein Schmunzeln nie verkneifen, wenn ich Themen wie das Ihre zu lesen bekomme.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich bewundere Sie und Ihre Tätigkeit sehr.
„Zauberhände“ wie die Ihren, finde ich anbetungswürdig.
Nein , mein Lächeln bezieht sich auf die Pädagogen.Die Kolleginnen und Kollegen die WIEDERMAL(!!)nur die Hälfte von pädagogischen Ansätzen lesen oder behalten haben, und sich wundern, warum sie nicht funktionieren.
Frau Montessori hat ihrerzeit klar gesagt: „Kleine Menschen brauchen kleine Möbel“ Sie hat ganz bestimmt nicht nicht gesagt: „Los.. alle quetschen sich auf Ministühle! Nur so kann man mit Kindern auf einheitlichen Ebene arbeiten.“
Aber abgesehen mal von solchen kleinen Übersetzungsfehlern ist es Ganz bestimmt amüsant, zu sehen wie ein Mann mit sehr langen Beinen sich auf einen solchen orthopädischen(!) KINDERSTUHL faltet.
Lieb Grüsse aus dem Rheinland!!

Regina Pöpl 14 Juni 2011, 19:39

Liebe Frau Mauel,
Danke für die schnelle Reaktion.Die Kniescheiben sind wirklich ein heißes Thema, denn diese werden bei dem tiefen Sitzen eindeutig ins Gelenk gepresst, was dem Knorpel auf der Rückseite überhaupt nicht bekommt...und wenn man dann aus der Tiefe aufsteht, wird durch die Zugspannung des m. rectus femoris, welcher über 2 Gelenke spannt- das Becken in die Kippung gezogen. Ein Hohlkreuz wird dadurch begünstigt, was wiederum Lendenschmerzen verursacht, wenn eine Neigung dazu besteht. Große Männer in diesem Beruf sollten sich auf Polster knien, um „orientalisch“ zu knien.

Angelika Mauel 14 Juni 2011, 08:30

Danke!

Frau Poepl geht in klaren Worten auf ein unangenehmes Thema ein. Ich würde gern mehr von ihr lesen und hoffe, dass Erzieherinnen und die wenigen männlichen Erzieher, die ihre Anpassungsbereitschaft immer wieder auf den niedlichen Stühlchen sitzend demonstrieren, endlich ein gesundes Anspruchsdenken entwickeln.

Unbegreiflich ist mir, wie ein Mann, der zwanzig oder dreißig Zentimeter größer ist als ich, seine Beine während des gemeinschaftlichen Mittagessens unter den Mittagstisch bringen könnte. - Er braucht vermutlich einen Eckplatz, damit ein Knie rechts und eins links von der Tischkante in die Höhe ragen kann.

Könnte Frau Poepl auch etwas zu den Problemen schreiben, die die Kniescheiben betreffen?

Wenn mehr Männer in Kitas arbeiten sollen, führt kein Weg an anderem Mobiliar vorbei!

Freundliche Grüße

Angelika Mauel



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