Macht und Sexualität in pädagogischen Beziehungen
Inhalt- Aufriss und Analyse der Diskussion zur Gewalt gegen Kinder und Folgerungen für die Frühpädagogik (1)
Aufriss und Analyse der Diskussion zur Gewalt gegen Kinder und Folgerungen für die Frühpädagogik (1)
Mit wenigen Jahren Verspätung kommt nach den Heimskandalen (seit 2003) der Skandal sexuellen Missbrauchs in kirchlichen und anderen Institutionen erneut ans Licht. Die Opfer des Missbrauchs waren vorwiegend Kinder jenseits des Vorschulalters und Jugendliche, zumeist Jungen vor, während oder kurz nach der Geschlechtsreife. Die Opfer der Gewalt in der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre – sowohl in der BRD wie in der DDR – waren Kinder beiderlei Geschlechts. Die Chefredaktion von www.Erzieherin.de stellt diese Skandale und Diskurse im Folgenden in einen wissenschaftlich begründeten Zusammenhang. Es geht dabei darum, die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Kinder historisch, gesellschaftlich und sozialpsychologisch zu verstehen und so einzuordnen, dass ErzieherInnen in der Praxis sich dazu positionieren und Schlüsse für ihr eigenes Handeln ziehen können. Darüber hinaus möchte dieser Artikel zu einer Versachlichung der emotional hoch aufgeladenen Diskussion beitragen, um so faktischen und potentiellen Opfern jenseits von Empörung und Verurteilung zur Seite zu stehen.
Positionierungen von Erziehungswissenschaft und Pädagogik
Macht, Erotik und Sexualität sind Themen, die die gegenwärtige Diskussion beherrschen, ohne Reflexion darüber, dass sie in allen menschlichen Beziehungen eine Rolle spielen. Erotische Anziehung, sexuelle Bedürfnisse und Macht sind menschlichen Beziehungen immanent. Diese Tatsache wird in der Erziehungswissenschaft und in der Pädagogik weitgehend ausgeblendet. So haben berühmte Leitfiguren wie z.B. Pestalozzi die Unterordnung des Kindes unter den Willen des Pädagogen gefordert und zudem eine Leib- und damit Sexualfeindlichkeit in der Pädagogik etabliert (vgl. Niemeyer 2010). Gegenströmungen in der Reformpädagogik der 20er/30er Jahre stießen in der pädagogischen Zunft selbst auf erbitterten Widerstand, ebenso wie die Reformbemühungen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (Kappeler 2010).
Das neue Bild vom Kind hat hier eine Veränderung gebracht. Das Kind wird als kompetenter, seine Bildung selbst voran treibender Akteur gesehen. Dass das Kind einen sinnlich erlebenden Körper und Bedürfnisse nach Lust hat, wird jedoch wie zu Freuds Zeiten nicht thematisiert (vgl. z.B. bei Schäfer 2003). So kommt die Erziehungswissenschaft auch angesichts der jetzt bekannt gewordenen Übergriffe ins intellektuelle Stottern.
“Als Pädagogen und als Erziehungswissenschaftler, glaube ich, können wir nur im öffentlichen Bereich reagieren durch eine noch stärkere Professionalisierung, durch eine stärkere Professionalität pädagogischer Arbeit, die sich sicherlich auf Fach- und didaktische Kompetenz erstreckt, aber die auch diese pädagogische Kompetenz, diesen pädagogischen Takt, auch die richtige Nähe und aber auch die richtige Distanz zu den Kindern und Jugendlichen auch immer wieder mit reflektiert und eine starke Beratungskompetenz mit vermittelt” (Rudolf Tippelt, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, zitiert nach Heinrich 2010).
Mit den Begriffen Professionalität und Kompetenz sind die Dilemmata pädagogischer Praxis nicht benannt. „Insbesondere Begriffe wie ‚Professionalisierung’ und ‚Beratungskompetenz’ sind von einer solch erschreckenden Allgemeinheit und Banalität, dass damit überhaupt nichts Spezifisches ausgesagt wird, vor allem nichts, was den psychologischen und selbstkritischen Umgang der Erzieher mit Jugendlichen vor allem in deren Pubertät betrifft“ (a.a.O.). Ähnliches gilt für den „pädagogischen Takt“, die „richtige Nähe“ (was ist das?) und die „richtige Distanz“.
Mehr Aufschluss bietet die erstarkende Disziplin der Sexualpädagogik, die aber in der Sozialisationsforschung und in den verschiedenen anderen Disziplinen der Pädagogik noch kaum integriert ist (vgl. Sielert/Schmidt 2008). Für PädagogInnen in der Praxis unerlässlich sind die Materialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die jedoch nur mühsam Eingang in die Regelwerke der Pädagogik finden.
Ich bemühe mich im Folgenden um eine Auseinandersetzung mit dem Thema und der Mediendiskussion unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Untersuchungen und Studien. Die Arbeit ist so aufgebaut, dass zunächst der Wandel der Bewertungen – auch der juristischen – dargestellt wird, dann eine Auseinandersetzung mit den Begriffen erfolgt, wobei auch die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur kindlichen Entwicklung eingebaut sind. Ein Blick auf die Pädosexualität ergänzt diesen Überblick über die wissenschaftliche Auseinandersetzung. Im nächsten Teil wird die Mediendiskussion aufgearbeitet, ebenfalls unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Untersuchungen und Artikel. Im letzten Teil werden Möglichkeiten für PädagoInnen, besonders für FrühpädagogInnen, d.h. für ErzieherInnen in Kitas und Heimen aufgezeigt, wie sie den Herausforderungen begegnen können. Dazu bedarf es der Unterstützung von Trägern und Leitungen. Ihnen insbesondere ist der Artikel ans Herz gelegt.
Bewertungen, Begründungen, Interessen
Gewalt
Wie Gewalt bewertet wird, hängt von den gesellschaftlichen Werten und Normen und von der Position im Sozialgefüge ab. Wir leben in einer Welt, in der der Staat das Gewaltmonopol hat, d.h. offiziell darf nur der Staat (in Gestalt der Bundeswehr, der Polizei, des Strafvollzuges) Gewalt anwenden. Körperliche oder sexualisierte Gewalt, auch in Form von Selbstjustiz, ist in unserem Land untersagt. Dies ist eine große Errungenschaft, wie der Rückblick auf die Geschichte zeigt.
Die „Züchtigung“ von Kindern durch ihre Eltern war bis zum Jahr 1998 erlaubt, die Prügelstrafe in Schulen bis 1973 (alte BRD) ebenfalls. Es waren nicht die Deutschen allein, die das Prügeln in Schulen erlaubten. In Großbritannien wurde die Prügelstrafe in Schulen erst 1999 verboten. Und noch heute ist sie in 21 US-Bundesstaaten erlaubt, in 13 Bundesstaaten die Regel (laut einem Bericht von „Human Rights Watch“, 2006-2007, zitiert nach van Dijk 2010).
In Deutschland wurde das Recht des Lehrherrn zur Züchtigung der Lehrlinge 1951 abgeschafft. Seit 1998 sind „körperliche und seelische Misshandlungen“ im Bürgerlichen Gesetzbuch für unzulässig erklärt worden Und erst seit dem Jahr 2000 gibt es das Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung. Unter Gewalt fällt nun auch psychische Gewalt (Prantl 2010). Heribert Prantl bezeichnet die Zeit davor als eine „Eiszeit der Erziehung“, als „eine Art Scharia im Westen“ (ebenda).
Zu dieser „Art Scharia“ gehörte auch die Praxis der Heimeinweisung. Nach dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871 konnten Kinder von 12 bis unter 18 Jahren nach einem Rechtsverstoß ins Heim eingewiesen werden. Diese Regelung wurde 1876 auf Kinder unter 12 ausgedehnt. Dazu musste die Vormundschaftsbehörde, der u.a. alle allein erziehenden Mütter unterstanden, einen Beschluss fassen.
Die unterdrückenden Erziehungsnormen mit Gewaltanwendung in Familien und Einrichtungen der Jugendhilfe waren also über lange Zeit staatlich legitimiert, d.h. nicht strafbar. Sie entsprachen einer rigiden Pädagogik, die ihre Ziele mit Gewalt durchsetzen wollte. In den Heimen der Jugendhilfe, die in den 50er- bis 70er Jahren in der alten BRD primär in kirchlicher Trägerschaft waren, wurden die Kinder geprügelt, gedemütigt, abgewertet. Es waren zumeist Kinder aus Familien, die von vorneherein als minderwertig stigmatisiert waren, weil ihre Eltern der Unterschicht angehörten, weil sie mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert waren, oder schlicht, weil sie arm waren. Das Familienideal der Adenauer-Ära legte keinen Wert auf die Einrichtung von Kindergärten.
Zwar gab es Proklamationen von Demokratie und das Grundgesetz etablierte eine freiheitliche Rechtsordnung, in der die Würde des Menschen geschützt werden sollte. Aber die Einstellung zum Kind wurde wenig bis gar nicht reflektiert, sie beruhte auf Unterordnung, Disziplin und eindeutiger Hierarchie. Die „Schwarze Pädagogik“ des 19. Jahrhunderts, die Katharina Rutschky dankenswerterweise angeprangert hat, war im Nationalsozialismus noch mal zur höchsten Blüte gebracht worden und ihre Auswüchse befanden sich nach wie vor in den Köpfen der Menschen. (vgl. Chamberlain 2005).
In den Einrichtungen der Jugendhilfe, kirchlich oder nicht, arbeiteten viele PädagogInnen, die die nationalsozialistische Erziehungsliteratur inhaliert hatten. Schon Ende der 20er Jahre wurde die Heimerziehung kritisiert, dies wurde von den Nazis dann unterdrückt, die Praktiken wurden verschärft. Die Akteure der Zwangserziehung im NS-Staat blieben überwiegend in den Positionen „in der Jugendhilfe, im Fürsorgesystem, in der Justiz, im Gesundheitswesen und auch in den einschlägigen Wissenschaften. Hinter den Anstaltsmauern arbeitete weitgehend dasselbe Personal mit denselben Sichtweisen und erzieherischen Praktiken wie vor dem 8. Mai 1945.“ (Kappeler 2010:137). Reformvorschläge wurden nicht umgesetzt. ErzieherInnen, die mit Engagement in die Heime gingen, wurden gebrochen, um sie dem System anzupassen (a.a.O.: 139 f.)
Die Heimkampagne der Studentenbewegung, angeführt von Ulrike Meinhofs Film Bambule, brachte Bewegung in diese Strukturen. In dieser Zeit entwickelte sich auch die Kinderschutzbewegung. Heute steht das Kindeswohl im Vordergrund des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Sozialgesetzbuch VIII). Die Unterstützung der Eltern durch die Jugendhilfe ist nun das Ziel (Münder 2008), Heimaufenthalte sollten vermieden werden (2). Das Pflegekinderwesen wurde ausgebaut.
Sexualisierte Gewalt
Die Bezeichnung von „Missbrauch“ als Gewalt und seine Ächtung ist keineswegs selbstverständlich. In der Antike war sexueller Missbrauch von Kindern üblich. Eine Form des Missbrauchs war die Bemächtigung von Jungen durch Philosophen. Das Tun der angesehenen Männer wurde gebilligt mit dem Hinweis auf die Vorteile, die der intensive Kontakt eines Jugendlichen mit einem – nicht unbedingt sexuell – erfahrenen Philosophen bedeutete. Diese Beziehungen sollten durch Liebe und Anhänglichkeit geprägt sein, wobei die Asymmetrie konstitutiv war: sollte doch der Jüngere in seiner Entwicklung vorangebracht werden. Diese Idealisierung war faktisch eine Bemäntelung der Gelüste der Älteren mit dem Begriff des Eros.
Gegenüber einer gesellschaftlichen Duldung von Missbrauchshandlungen brachte das Christentum eine Veränderung (Bange 2002b: 136 f.). Neben der Ablehnung einer lustvollen Sexualität wurde die sexuelle Befriedigung an Kindern geächtet. In England wurden im 13. Jahrhundert erste Gesetze zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung erlassen. Dennoch gab es genau wie heute eine hohe Dunkelziffer. Daran änderte auch die Ansicht der Kirche nichts, die dem Kind den Zustand der sexuellen Unschuld unterstellte. Diese Ansicht setzte sich erst im 18. Jahrhundert durch (a.a.O.).
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gerät dann nicht nur die Fortpflanzung, sondern auch die nicht an sie gekoppelte Sexualität in den Mittelpunkt gesellschaftlichen Interesses, das die entstehenden Wissenschaften (Medizin, Psychologie, Pädagogik) fördern. Die Masturbation bei Kindern und die vermeintliche Hysterie von Frauen, angeblich durch die Geschlechtlichkeit als solche bedingt, werden zu großen Themen der Gesellschaft und der Wissenschaften (vgl. Balluseck 2010). Und große Teile der Sexualmoral sind auch Gegenstand des Strafrechts.
Im Strafgesetzbuch von 1871 war körperliche Gewalt gegen Kinder ausdrücklich erlaubt. Hingegen waren Inzest und sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen unter Strafe gestellt. Bekannt wurde sexualisierte Gewalt gegen Kinder jedoch sehr selten, das hat sie mit der anderen körperlichen Gewalt gemeinsam.
Die Reformpädagogik der Weimarer Republik strebte eine freie Sexualität von Jugendlichen an, dabei haben einige besonders herausragende Gestalten einerseits ihre damals unter Strafe stehende Homosexualität, andererseits ihre pädophilen Neigungen ausgelebt. Der Kreis um Stefan George gehörte dazu, aber es gab auch Nachfolger (siehe Interview Julia Encke mit Thomas Karlauf 2010). Es handelte sich um begrenzte Kreise von sich elitär fühlenden Künstlern/Intellektuellen, die für sich in Anspruch nahmen, dass die üblichen Regeln für sie nicht gelten. Der Missbrauch fand in privaten Kreisen, nicht in Institutionen statt, hatte aber vermutlich eine ermutigende Funktion für andere Pädosexuelle.
Neben dem Schutz von Minderjährigen und Abhängigen im StGB fand sich dort eine generelle Sexualfeindlichkeit. Homosexualität unter Männern, die Aufnahme eines unverheirateten heterosexuellen Paares zu Übernachtungen (Kuppeleiparagraph), Abtreibung ohnehin waren mit schweren Strafen belegt.Im Nationalsozialismus ging die Abwehr von Homosexualität bis zum Mord an den Schwulen. Auch in der Nachkriegszeit änderte sich an der rigiden Sexualmoral noch nicht viel; die Sexualität war an vielen Stellen eingezäunt durch Verbotsschilder.
Die Studentenbewegung veränderte mit ihrer „sexuellen Revolution“ die Einstellungen zur Sexualität. Mit der Freigabe der oralen Empfängnisverhütung („Anti-Baby-Pille“) und einer sich wandelnden Sexualmoral brachen bei den Heterosexuellen in der BRD alle Dämme. Denn die Nachkriegszeit war lustfeindlich gewesen, die Eltern zumeist „verklemmt“, über Sexualität wurde nicht gesprochen, sie wurde einfach nicht thematisiert. Nun begann in studentischen Kreisen eine Liberalisierung der körperlichen Liebe, die auch die Homosexuellen einbezog und inzwischen, verstärkt durch neue Medien, alle Schichten erreicht hat.
Obgleich teilweise die gleichen Personen die sexuelle Revolution und die Kinderschutzbewegung trugen, wurden sexuelle Übergriffe der Erwachsenen zunächst nicht thematisiert. Skandalisiert wurde durch die bürgerlichen Medien die freie, auf Lustbetonung setzende Erziehung in den Kinderläden, die von den Männern und Frauen der Studierendenbewegung gegründet wurden. Dabei ging es nicht um sexuelle Übergriffe der Erwachsenen, sondern um die Orientierung der Erziehung an der kindlichen Lust, die teilweise als anstößig erlebt wurde.
Gleichzeitig gab es Initiativen, die sich unter Berufung auf die freie Sexualität von Kindern gegen die Verurteilung des sexuellen Missbrauchs wandten. Wieder wurde Pädosexualität zum Gegenstand von Forderungen. Die Grünen nahmen noch 1983 die Forderung nach Freigabe von Pädosexualität in ihr Programm auf, von der sie knapp 20 Jahre später abrückten. Heute sind es Wulff (2010) und Janssen (2010), die eine tolerantere Einstellung gegenüber dem sexuellen Kontakt zwischen Kindern und Erwachsenen fordern – sie finden jedoch keinen Nachhall in Wissenschaft und Medien, sondern unverzüglich eine Gegenrede (vgl. Zander 2010).
Die rigide Sexualmoral im Strafgesetzbuch wurde 1973 verändert. Nun waren der Geschlechtsverkehr unverheirateter Paare (Kuppeleiparagraph), Ehebruch, Homosexualität und „Unzucht mit Tieren“ nicht mehr strafbar. Es blieben die Paragraphen zur sexuellen Selbstbestimmung.
Die Frauenbewegung kratzte seit den 70er Jahren erneut am Bild von der heilen Familie. Sie kritisierte die Indienstnahme der weiblichen Gebärfähigkeit durch den § 218 und machte dann die Gewalt gegen Frauen in der Ehe öffentlich. Dann wurde der sexuelle Missbrauch in der Familie zum Thema – damals eine Ungeheuerlichkeit. Der Nimbus der Kleinfamilie zerbrach endgültig.
Aufgrund der Konzentration der Frauenbewegung auf Männer als Täter blieben der Missbrauch an Jungen und der Blick auf Frauen als Täterinnen zunächst außen vor.
Heute ist das Bewusstsein von sexuellem Missbrauch in der gesamten Jugendhilfe verankert, es handelt sich nicht mehr um ein Tabu, über das nicht gesprochen werden darf.
Begriffe und Erkenntnisse
Die Begriffe: Macht und Gewalt – Erotik und Sexualität
Macht und Gewalt
In den medialen Diskursen zu Gewalt gegen Kinder wird häufig der Begriff „Machtmissbrauch“ und noch häufiger der der Gewalt benutzt. Die AutorInnen haben z.T. unterschiedliche Definitionen der Begriffe, diese werden jedoch nicht weiter erläutert. Daher werden die Begriffe an dieser Stelle zunächst einmal geklärt. Denn jedeR PädagogIn ist mit Macht konfrontiert und in der Lage, Gewalt auszuüben.
Macht bedeutet „ jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 1922/1962: 38) Macht haben also jene Menschen, die ihren Willen durchsetzen können. Von daher ist jede pädagogische Beziehung eine machtvolle: Die Pädagogin oder die Mutter kann ihren Willen gegen den des Kindes durchsetzen. Gleiches gilt für PädagogInnen in Institutionen. Verhängnisvoll ist es, wenn die Pädagogik sich an dieser Tatsache vorbeilügt (vgl. Conen 2002).
Macht ist verführerisch – jede/r kann in die Situation kommen, sie nutzen zu wollen, wenn es die Situation erlaubt. Viele moralische Empörungen gehen an der Tatsache vorbei, dass wir alle solchen Verführungen erliegen können. Es ist daher sinnvoll, Grenzen zu setzen, Normen zu justieren, die sowohl die Mächtigen wie auch die Ohnmächtigen vor Machtmissbrauch schützen. Für einen Herrscher früherer Zeiten oder in anderen Erdteilen heute war/ist es selbstverständlich, den eigenen Willen gegen den anderer durchzusetzen. Mit den Normen unserer Gesellschaft in der Bundesrepublik ist dies nicht vereinbar: Nach dem Grundgesetz ist die Achtung vor der Würde jedes Menschen oberstes Gebot und das Prinzip der Demokratie, also der Ausübung staatlicher Macht aufgrund von Mehrheitsentscheidungen, bestimmt unsere Rechtsordnung. Weder hat der Staat unbegrenzte Macht über Menschen, noch ist es Menschen erlaubt, in Betrieben oder Familien unbegrenzt Macht auszuüben. Juristische Regeln, eingegossen in konsensuale Werte und Verfahrensformen behindern die Machtausübung und kontrollieren sie. So jedenfalls das Ideal (2).
Vom Begriff der Macht zu unterscheiden ist der Begriff der Gewalt. Macht kann jemand haben, der/die keinerlei Gewalt ausübt. Aber Gewalt kann nur jemand ausüben, der/die Macht hat. Selbst wenn die Gewalt anschließend bestraft wird, so wird im Moment der Gewalt die Chance, den eigenen Willen durchzusetzen, genutzt.
Gewalt können wir definieren als einen Akt der Grenzverletzung. Der Gewaltbegriff ist äußerst dehnbar und sollte je nach Kontext definiert werden, weil sonst Missverständnisse entstehen können. Wir gehen hier davon aus, dass Gewalt nicht immer mit physischer Gewaltanwendung verbunden ist, sondern auch psychische Grenzverletzungen einschließt. Des Weiteren schließen wir uns Johan Galtung an, der von struktureller Gewalt sprach, die immer dann vorliegt, „wenn Menschen so beeinflusst werden, dass ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potenzielle Verwirklichung“ (Galtung 1975:9, zitiert nach Imbusch 2002: 40). So werden Armut und Unterdrückung zu Charakteristika struktureller Gewalt. Die Gewalt ist sozusagen in das gesellschaftliche System eingelassen, sie wird gar nicht als solche erkennbar (1). Gröll (2005) geht so weit, jede Form von Erziehung als Gewaltverhältnis zu bezeichnen. Von daher ist es möglich, dass Menschen in solchen Gewaltverhältnissen diese als selbstverständlich wahrnehmen. Es kommt ihnen gar nicht in den Sinn zu fragen, ob die eigenen Möglichkeiten beschnitten werden. Dies bedeutet, dass Menschen, die sich nicht vorstellen können, Rechte zu haben, solche auch nicht einklagen. Es bedeutet für Kinder, dass, wenn ihre Grenzen nie respektiert wurden, sie kein Bewusstsein dieser Grenzen haben. Um Grenzverletzungen wahrzunehmen, sich vielleicht auch zur Wehr zu setzen (wenn es die Machtverhältnisse erlauben), braucht es schon eine ausgebildete Persönlichkeit, die sich ihrer Würde bewusst ist. Für ein Kind, das schon sehr früh mit der Gewalt seiner Lieben – denn es liebt seine Eltern immer und ewig – in der Familie in Berührung kommt, ist die Frage nach einer Grenzverletzung absurd.
Erotik und Sexualität
Für Sigmund Freud war Eros die Lebens- und die Liebeskraft, die Erotik folglich alles, was damit zu tun hat. In seiner Zeit war der Begriff der Sexualität weitaus stärker tabuisiert und dem Eheleben vorbehalten, von daher macht er sich ein wenig lustig über den Begriff Erotik:
„Der ‚Eros’ des Philosophen Plato zeigt in seiner Herkunft, Leistung und Beziehung zur Geschlechtsliebe eine vollkommene Deckung mit der Liebeskraft, der Libido der Psychoanalyse... Diese Liebestriebe werden nun auch in der Psychoanalyse Sexualtriebe geheißen.... Wer die Sexualität für etwas die menschliche Natur Beschämendes und Erniedrigendes hält, dem steht es ja frei, sich der vornehmeren Ausdrücke Eros und Erotik zu bedienen“ (Freud 1940:99).
Seit Freud hat sich die Einstellung zur Sexualität stark gewandelt und die Begriffe Erotik und Sexualität werden nicht mehr synonym verwendet. Im Handbuch der Sexualpädagogik und sexuellen Bildung ist es allerdings nur ein einziger Autor, der sich die Mühe einer Differenzierung macht:
„Sexualität wird heute gelebt in den Modi Sex (Leib – Orgastische Lust), Erotik (Spiel – Vergnügen mit allen Sinnen) und Liebe (Beziehung – Freude an der Nähe des Anderen)“ (Bartholomäus 2008:180, Anm. 2). Diese Definition – erstaunlicherweise von einem katholischen Theologen – zeigt, dass Erotik einen Teil der sexuellen Entfaltungsmöglichkeiten darstellt. Fraglich ist die Reduzierung von Erotik auf Spiel und Vergnügen. Denn Erotik besteht auch in der Anziehungskraft von Menschen in der Kommunikation: Auf einmal flimmert es zwischen zwei Menschen, die beide mit einem jeweils anderen Partner bzw. einer anderen Partnerin verheiratet sind. Deshalb muss es noch nicht zum Ehebruch kommen, aber die Möglichkeit steht im Raum. Das ist nicht nur Spiel, das ist auch prickelnde Gefahr. Von daher ist es auch korrekt, wenn Meyers Universallexikon unter dem Stichwort „Sexualität“ die Erotik nochmals aufnimmt: „Ein besonderes Phänomen der menschlichen Sexualität ist die Erotik, die als umfassende Sensibilisierung psychischen und physischen Erlebens über die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung hinausgeht.“ Von daher könnte man auch sagen: Erotik ist mehr als Sexualität und nicht das Gleiche, wie bei Freud.
Das heißt: Erotik kann überall sein, wo Menschen zusammentreffen. Sie hat etwas von Verführung an sich, kann jedoch durch Reflexion in die Schranken der persönlichen Verantwortung gewiesen werden. Ohne Erotik wäre das Leben arm, die Sexualität schal. Mit Erotik ist sie erregend, beflügelt Erkenntnisprozesse und belebt das Zusammenleben und -arbeiten sexuell mündiger Individuen.
Wenn wir diese Hinweise zusammenfassen, können wir Erotik und Sexualität folgendermaßen definieren:
Sexualität umfasst das gesamte Spektrum an sinnlicher Erfahrung und Aktivität, die bei Erwachsenen zumeist auf die genitale Sexualität bezogen sind. Erotik bezeichnet einen Teil der Sexualität, der nicht direkt auf genitale Befriedigung zielt, jedoch in ihr münden kann. Ohne Erotik kommt eine sexuell befriedigende Liebesbeziehung nicht zustande, aber nicht jede erotische Anziehungskraft führt zu einer Liebes- und schon gar nicht zu einer sexuellen Beziehung. Und natürlich gibt es auch Menschen, die Sexualität ohne Erotik leben, weil sie sie als Kinder im glücklichen Zusammenspiel zwischen Mutter bzw. Vater und Kind nicht erlebt haben. Aber Erotik kann auch einm Gewaltverhältnis vorausgehen – dieser Begriff rettet Täter nicht vor dem Missbrauch.
Erotik ist also ein flimmernder Begriff, und ebenso ist es der Eros, der in pädagogischen Beziehungen eine Rolle spielt. Von der Beimengung von sexueller Lust kann der Begriff sich nicht ganz befreien, von daher erscheint er für die Beschreibung der pädagogischen Beziehung ungeeignet. Denn natürlich spielt Liebe, spielt auch Erotik in pädagogischen Beziehungen eine Rolle. In dem Moment jedoch, wo die Erotik die Distanz zwischen Kind/Jugendlichem und Pädagogen aufhebt, hat der Pädagoge versagt. Denn PädagogInnen müssen ihre sexuellen Strebungen außerhalb der pädagogischen Beziehung unterbringen, weil diese eine asymmetrische ist. Von daher ist der Begriff pädagogischer Eros zwar nicht verwerflich, aber missverständlich (s. Abschnitt Pädosexualität).
Die Entwicklung von Sinnlichkeit und Sexualität beim Kind
Von Beginn des Lebens an spielen der eigene Körper und die körperliche Lust eine wesentliche Rolle für die Entwicklung und Wahrnehmung der kindlichen Identität, das Selbstwertgefühl, die Beziehungsfähigkeit, für das Sein in der Welt. Der Körper fühlt und erlebt, wenn er nicht traumatisiert ist, mit allen zur Verfügung stehenden Sinnen. Begreift man Sinnlichkeit in dieser Weise, könnte jede sinnliche Erfahrung auch eine sexuelle sein. Denn Sexualität ist nicht allein, und schon gar nicht primär durch Genitalität und die Fortpflanzungsfunktion bestimmt, sondern durch sinnliches, lustvolles Erleben (vgl. Balluseck 2010).
Sinnliches und damit auch sexuelles Erleben als Möglichkeit wird dem Körper des Säuglings von Anfang an durch Berührungen, Befriedigung oder Versagung von Bedürfnissen und beginnende Beziehungen eingeschrieben (Quindeau 2008). In welcher Weise dies geschieht, ist kulturabhängig – Kultur verstanden als Produkt von Geschichte, von Gesellschaft, von Normierungen und aktuellen Erfahrungen. Die Pädagogik befasst sich seit kurzem intensiver mit den damit zusammenhängenden Fragestellungen (vgl. v.a. Sielert 2005; Schmidt/Sielert 2008, Balluseck 2010).
Wie der eigene Körper wahrgenommen, wie auf ihn reagiert wird, prägen die Selbstwahrnehmung und das Selbstverständnis der Individuen als Kinder und als Erwachsene. Durch die Interaktionen in und mit der Welt entstehen Muster der Erfahrung, des Lernens und der Affektivität, die den Körper zu Handlungen und Interaktionen veranlassen.
Der Körper des Neugeborenen ist in den ersten Monaten in extremer Weise verletzlich und auf Schutz, Fürsorge und Aufmerksamkeit angewiesen, um gedeihen zu können. Vom Körper und den diagnostischen Instrumenten der Medizin wird zu Beginn das Geschlecht zugewiesen, das dann in vielfältigen Prozessen und Prozeduren Kinder auch subjektiv zu Jungen und Mädchen werden lässt. Das Erlebnis des eigenen Körpers, seiner Sensibilität und seiner Fähigkeit, Lust zu empfinden, begleitet Kinder von Geburt an. Gleichzeitig wird der Körper auch von Anfang an kontrolliert. Abhängig von gesellschaftlichen Normierungen und der lebensweltlichen Kultur lernen kleine Kinder schon sehr früh die Begrenztheiten ihrer Körperlichkeit: die Notwendigkeit, Nahrung zu sich zu nehmen und wieder auszuscheiden, die Erdhaftung durch die Schwerkraft und die Freude oder den Schmerz sinnlicher Erfahrung über die Haut, die Augen, die Ohren. Auch darin drücken sich die Verletzlichkeit und die Sinnlichkeit des Körpers aus. Diese Beschränkungen widerstreben dem Bild des effektiv agierenden Individuums, umso mehr ist dies bei Krankheit und Behinderung der Fall (Balluseck 2010).
Das Körpergefühl und das Begehren, das sich in den Körper einschreibt, entwickeln sich durch die ersten zwischenmenschlichen Begegnungen, die unbewusst verarbeitet werden (Quindeau 2008). In den verschiedenen Phasen der Kindheit werden laut Freud unterschiedliche erogene Zonen aktuell, und gleichzeitig damit Beziehungsthemen zum eigenen und zum anderen Geschlecht erforscht und gelebt. In der Adoleszenz erhält der Körper eine neue Relevanz und Bedeutung für Jungen und Mädchen (vgl. Flaake 2005; King/Flaake 2005). Beide Geschlechter müssen sich durch die hormonellen und körperlichen Veränderungen „durcharbeiten“ und entwickeln ein neues Verhältnis zu ihrem geschlechtlichen Körper und dem Körper der Anderen. Die Persönlichkeitsentwicklung in dieser Phase ist eng damit verbunden, wie der Einstieg in die Welt sexuellen Erlebens gelingt: ob sich der Junge oder das Mädchen von den Eltern als werdender Mann, als werdende Frau akzeptiert fühlen, wie die Umwelt (Lehrkräfte, Peers) auf sie reagieren (Schmidt 2008 b, Schmidt/Schetsche 2008, Martin 2008). Der Bedarf nach einem Erfahrungsaustausch über sexuelle Themen ist groß und kann inzwischen auch über das Internet kostenlos und anonym gedeckt werden. Diese Phase entscheidet mit darüber, wie Sexualität im Erwachsenenleben gelebt wird, gelebt werden kann. Im Erwachsenenalter kann die Beziehung zum eigenen Körper und zur Sexualität in einer stabilen Partnerschaft in geordnete Bahnen gelangen, häufig aber nur für eine begrenzte Zeit, bis eine neue Partnerschaft sich entwickelt oder angestrebt wird. So spielt Sexualität für Menschen je nach Lebensalter, Lebenslage und –situation eine je unterschiedliche Rolle – aber sie ist immer präsent: als glückvolle Befriedigung, die Kraft verleiht, als Sehnsucht, die zu Aktivität drängt, als Verdrängung, die sich in Süchten äußert, als Trauma oder Verbitterung, und nicht zuletzt – unter patriarchalischen Bedingungen insbesondere - als Machtinstrument zur Knechtung der Anderen.
Gewiss haben schon kleine Kinder erotische Ambitionen im Hinblick auf ihre geliebten Bezugspersonen. Sie haben sie jedoch nicht mit dem Ziel einer sexuellen Handlung. Erwachsene brauchen die seelische Kraft und die Einsicht, die Äußerungen der Kinder als Zeichen der Liebe, nicht aber als sexuelles Begehren zu deuten. Die Sexualität des Kindes vor der Geschlechtsreife beinhaltet zwar lustvolle Erfahrungen z.B. durch Masturbation. Sexuelle Beziehungen mit wesentlich älteren Personen fordern jedoch von dem Kind etwas, was es noch nicht kann: Liebesfähigkeit auf Augenhöhe. Wird dies nicht wahrgenommen, kommt es zu einem Ausbeutungsverhältnis dergestalt, dass der/die Erwachsene die Liebe des Kindes und sein Vertrauen missbraucht.
Kindliche und Erwachsenensexualität unterscheiden sich. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat dazu eine Übersicht zusammengestellt, die von mir teilweise kommentiert wird. Kein Kommentar bedeutet Zustimmung zu dem genannten Kennzeichen.
Kennzeichen kindlicher Sexualität (BZgA) |
Kommentar (H.v.B.) |
Spontan, neugierig, spielerisch | Die junge Generation hat ein weitaus spielerisches Verhältnis zur Sexualität, von daher ist die allgemeine Aussage fragwürdig |
Nicht auf zukünftige Handlungen ausgerichtet | Ist bei Erwachsenen auch nicht immer der Fall |
Lustvolles Erleben des Körpers mit allen Sinnen | Kommt auch bei Erwachsenen vor |
Wunsch nach Nähe, Geborgenheit, Vertrauen | Auch viele Erwachsene gehen sexuelle Beziehung mit diesem primären Wunsch ein |
Schaffen von Wohlgefühl beim Kuscheln, Kraulen, Schmusen | Auch bei Erwachsenen |
Doktorspiele | Kein Kommentar |
Vater-Mutter-Kind-Spiele | Kein Kommentar |
Sexuelle Handlungen werden nicht bewusst als sexuelles Agieren wahrgenommen | Kein Kommentar |
Unbefangenheit | Kein Kommentar |
Kennzeichen von Erwachsenensexualität (BZgA) | Kommentar (H.v.B.) |
Zielgerichtet | Trifft häufiger auf Männer zu, wenn überhaupt |
Erotik | Gibt es auch bei Kindern |
Eher auf genitale Sexualität gerichtet | Kein Kommentar, mit der Betonung auf eher |
Auf Erregung und Befriedigung ausgerichtet | Nicht immer |
Häufig beziehungsorientiert | Auch bei Kindern |
Befangenheit | Gibt es auch bei Kindern |
Quelle für beide Tabellen: BZgA o.J.
Die Unterschiede sind nicht so einfach zu benennen, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei vielen Kriterien ist ein Mehr oder Weniger der Unterschied, also mehr Unbefangenheit bei Kindern, häufigere Zielgerichtetheit bei Erwachsenen etc. (vgl. auch die Kritik bei Achterberg 2010). Je älter das Kind ist, umso weniger sind diese Unterschiede aufrecht zu halten. Das entscheidende Kriterium für die Einstufung als sexualisierte Gewalt ist daher die Asymmetrie der Beziehung. Und hier hat der/die Erwachsene die Verantwortung zu übernehmen, nicht und niemals das Kind bzw. der/die Jugendliche. Diese Verantwortung gilt auch für Jugendliche, die Kinder oder Gleichaltrige missbrauchen.
Die asymmetrische Beziehung
Je kleiner die Kinder sind, umso asymmetrischer die Beziehung, umso weniger können sich Kinder gegen Übergriffe jedweder Art wehren. Je größer sie sind, umso eher können sie artikulieren, wenn ihnen Unrecht geschieht. Voraussetzung ist, dass sie gelernt haben, dass ihr Wort gilt, dass ihre Bedürfnisse erkannt und anerkannt werden. Aber selbst dann kommt es bei Kindern und Jugendlichen zu Verwirrungen, wenn eine Person ihres Vertrauens – ob Vater, Mutter, Onkel, Lehrer, Priester – sie benutzt, um die eigenen sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen.
Das Thema sexualisierte Gewalt erhält in der Pubertät eine andere Qualität. Die Distanz, die vorher für Nicht-Pädophile einfach zu halten ist, wird brüchiger: Wenn Eltern kein erfülltes Sexualleben haben, besteht eine erhöhte Gefahr zu Übergriffen in der Familie. Denn auch jetzt handelt es sich um ein asymmetrisches Verhältnis, in dem der/die Jugendliche gerne provoziert, um die Grenzen auszutesten. In unserem Kulturkreis ist jedoch die Verantwortung der Erwachsenen gefordert. Denn sexuelle Abhängigkeiten in einer asymmetrischen Beziehung machen es Jugendlichen schwerer, eine eigene Position zur Sexualität zu finden und sich auf eine ihnen adäquate Partnersuche zu begeben. Eine Herausforderung für Erwachsene sind Jugendliche, die zielgerichtet sexuelle Wünsche an Erwachsene herantragen. Weitaus häufiger als der Fall Lolita ist jedoch, dass die vergehende Kindlichkeit und die beginnende Reifung bei Erwachsenen – auch jenen, die nicht pädophil sind – erotische Gefühle auslöst. Die ästhetische und erotische Attraktivität von Kindern für das eigene Begehren ist nichts Anormales. Eine Verurteilung solcher Wahrnehmungen ist eher kontraproduktiv, wenn wir als Zielsetzung die Verhinderung des sexuellen Missbrauchs formulieren. Denn Gefühle, die man nicht mehr zu äußern wagt, entfalten eine eigene Kraft. Außerdem wird die Person, die vielleicht wirklich durch pädosexuelle Neigungen gefährdet ist, davon abgehalten, das Problem mit dem eigenen Umfeld, oder mindestens einer anderen Person, zu besprechen und zu reflektieren. Bleibt es bei einer erotischen Anwandlung so besteht kein Handlungsbedarf.
Gefährdet sind Kinder, deren Bezugspersonen zwischen den eigenen sexuellen Impulsen und den Bedürfnissen des Kindes nicht unterscheiden können. Dann nämlich wird das eigene Begehren auf das Kind projiziert und als Begehren des Kindes interpretiert. Der Trieb, nur Kinder zu begehren (Pädosexualität) ist eine Krankheit, die nicht geheilt, wohl aber kontrolliert werden kann (3). Es sind jedoch keineswegs nur Pädosexuelle, die Kinder und Jugendliche missbrauchen. Sexueller Missbrauch geschieht auch von Menschen, meist Männern, die in heterosexuellen Beziehungen leben. Sexualisierte Gewalt an Kindern kann auch in Beziehungen erfolgen, in denen es kein Vertrauensverhältnis, geschweige denn Liebe gibt. Diese brutalsten Übergriffe, die bis zum Mord gehen, werden hier nicht weiter thematisiert, weil sie den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden. Die Achtung vor den Opfern gebietet es, sich intensiv damit zu befassen und nicht nur nebenher. Dies geschieht nicht mehr in der Pädagogik, sondern in der Kriminologie.
Warum werden Kinder missbraucht, wenn keine direkte pädosexuelle Neigung vorliegt?
Die sexualisierte Beziehung zu einem Kind gibt dem Erwachsenen (oder Jugendlichen) Macht. Zum einen kann er seine sexuellen Bedürfnisse befriedigen und muss nicht fürchten, von einer sexuell erfahrenen Gleichaltrigen als unbedarft oder impotent abgewertet zu werden. Er kann sich also überlegen fühlen. In einem Vertrauensverhältnis schmeichelt zusätzlich das Vertrauen oder gar die Liebe des Kindes, die ihm das Gefühl geben, liebenswert zu sein. Die Macht und das Kind werden jedoch am meisten missbraucht, indem das Kind zum Schweigen überredet oder mit Drohungen dazu gezwungen wird (vgl. BMFSJ 2008). Damit ist der Täter der Einzige, mit dem das Kind sich über das Geschehen austauschen kann. Indem es seine Gefühle anderen, ihm nahe stehenden Personen nicht vermittelt, wird es von ihnen getrennt, es entsteht eine falsche Kommunikation, die auf Verschweigen bzw. Lüge basiert. Mit dieser Lüge und dem unguten Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, gerät das Kind in eine einsame Situation. Mit seiner Unsicherheit, es könne etwas mit ihm zu tun haben, dass Verbotenes geschieht, entstehen Schuldgefühle. Der eigene Körper kann als etwas Schmutziges erlebt werden, er kann aber auch zum Sexualobjekt nach außen werden, das ständig präsentiert werden muss. Denn das Verdrängte verschafft sich Sichtbarkeit in anderer Form: das Kind zeigt sexuelle, sexualisierte Verhaltensweisen, die nicht altersgemäß sind und pointiert dann den Aspekt der Sexualität so stark, dass andere Aspekte vernachlässigt werden (z.B. auch Wissenserwerb, Neugier). Damit ist seine gesamte Entwicklung gefährdet. Missbraucher behindern Entwicklung und richten Schäden an - aber wo fängt der Missbrauch an, der Schäden verursacht?
Problematisch erscheint es, dass in verschiedenen Beratungs- und Unterstützungskontexten sowie Veröffentlichungen unterschiedliche Definitionen von sexuellem Missbrauch gebräuchlich sind (vgl. Karnatz 2009). So fallen ein Klaps auf den Po einer 14jährigen und eine verbale Anmache eines Jungen bei manchen AutorInnen in die gleiche Kategorie wie sich ständig wiederholende körperliche Übergriffe, z.B. Streicheln, orale Befriedigung, Penetration. Das macht die Einordnung und die adäquate Reaktion nicht leichter Hilfreich ist hier der Band von Schoden (2008).
Pädosexualität (Pädophilie)
Der Ausdruck Pädophilie ist dem Griechischen entnommen und bedeutet Liebe zu Kindern. Wenn wir diesen Begriff ernst nehmen, sind alle die, die Kinder mögen und sich für ihre Rechte einsetzen, pädophil. Allerdings wird dieser Begriff heute ausschließlich zur Bezeichnung der sexuellen Beziehung mit Kindern benutzt. Es ist daher sinnvoll, ihn zu verabschieden und von Pädosexualität zu sprechen.
Wie schon erwähnt sind nicht alle Menschen, die Kinder missbrauchen, pädosexuell. Viele aber sind es. Pädosexualität ist eine chronische Krankheit, die nicht geheilt, aber kontrolliert werden kann. Wie bei anderen chronischen Krankheiten (z.B. Rheuma, Bluthochdruck) braucht es eine Dauerbehandlung, um die Folgen der Krankheit einzudämmen. Während die Folgen von Rheuma primär den Betroffenen angehen, sind es jedoch bei Pädosexualität Kinder, die die Folgen zu tragen haben, wenn keine Behandlung erfolgt – Kinder, die zu Opfern werden.
In der Pubertät, wenn die geschlechtliche Orientierung zumindest dem/der Jugendlichen offenbar wird, entdecken manche Menschen ihre Vorliebe für Phantasien, in denen sie mit Kindern Sexualität praktizieren. Viele Pädosexuelle sind beunruhigt über diese Phantasien, denen sie sich ausgesetzt sehen. Für ihre sexuelle Orientierung sind sie nicht verantwortlich, wohl aber für die Taten, die daraus erwachsen. Daher wenden sich viele an einen Arzt oder Psychologen. Sie finden dort jedoch keine Hilfe, weil das Thema so negativ besetzt ist, dass die Fachkräfte sich nicht damit befassen wollen. Sexualmedizin wird nur an drei Universitäten gelehrt, die meisten Ärzte haben keinen Schimmer von den Chancen einer Behandlung. So werden Männer straffällig, die es eigentlich vermeiden wollten. Und Kinder werden zu Opfern, die es nicht werden müssten (vgl. Interview mit Klaus Baier in Bellwinkel 2010).
Hinzu kommen die Männer – denn bei Pädosexuellen handelt es sich in erster Linie um Männer – die sich im Jugendalter über ihre sexuelle Orientierung nicht klar werden wollen, weil damit die niederschmetternde Erkenntnis einer lebenslangen Behinderung und Einschränkung der sexuellen Befriedigung verbunden ist. Die Bitterkeit dieser Erkenntnis wird noch verschärft durch das Wissen um die gesellschaftliche Ächtung der Pädosexualität: : Pädosexuelle stehen sogar im Strafvollzug auf der untersten Rangstufe. Wenn die Krankheit anerkannt ist und qualifizierte GesprächspartnerInnen zur Verfügung stehen, können die Betroffenen auch Gegenmaßnahmen ergreifen. Dies wäre wichtig, um einer eventuellen Straftat zuvor zu kommen. Wenn sie jedoch aus Angst oder aus anderen Gründen ihre Verantwortung an den Nagel gehängt haben, geht ihnen zumeist auch jedes Gefühl dafür verloren, was sie den Kindern antun. Die Tatsache der asymmetrischen Beziehung wird ausgeblendet zugunsten einer Begründung wie: Das Kind will es ja auch. Das trifft auch für diejenigen zu, die selbst nicht pädosexuell sind, aber Pädophilie verteidigen (Wulff 2010, Kritik daran: Zander 2010). Graf von Lüttichau, der sich in den 80er Jahren noch für den Sex zwischen Kindern und Erwachsenen eingesetzt hat, begriff erst durch seine Begegnung mit Missbrauchsopfern in einer psychiatrischen Klinik, was diese Kontakte für Kinder bedeuten (taz vom 22.4.2010).
Das Bild vom Kind in der Pädagogik: Widersprüche
In der Entwicklungspsychologie, die die Frühpädagogik sehr beeinflusst hat, wird das Kind als kompetenter Akteur gesehen, als ein Wesen, das in der Lage ist, seine Bildungsinhalte ko-konstruktiv mit zu gestalten (http://www.profis-in-kitas.de/fruepaedagogik%20studieren/ausgangspunkte/bild-vom-kind-1). Dieses Bild ist widersprüchlich. Es fehlt die Verletzbarkeit des Kindes, es fehlt die Reflexion der Macht, es fehlt an Hinweisen darauf, dass das Kind ein leibliches Wesen ist. Und Sexualität kommt nicht vor, wenn Körperlichkeit kein Thema ist. Die Konzentration auf die Bildungsfähigkeit des Kindes und seine zweifelsohne vorhandenen Fähigkeiten darf die Verletzlichkeit nicht negieren. Sonst schauen Bildungsinstanzen zu wenig, warum Kinder weniger oder gar nicht mehr neugierig sind.
Auf der anderen Seite hat die Ausblendung der kindlichen Sexualität aus der Frühpädagogik die Folge, dass bei jeder kindlichen sexuellen Äußerung Missbrauch unterstellt wird, anstatt sie der sexuellen Kompetenz des Kindes zuzuordnen (Achterberg 2010) (4). Entscheidend ist eine Perspektive, die das Kind als „sprach-, zeit- und kulturabhängige (s)“Subjekt ansieht, das „nicht ausschließlich als autonom, gesellschaftlich integriert und rational reflektierend gedacht werden (kann). Es ist vielmehr immer auch irrational, (selbst-)gefährdet und seine Emanzipation vom Scheitern bedroht“ (a.a.O.:74). Diese Ambivalenzen sind nicht der Kindheit und Jugend vorbehalten, sondern bestimmen das ganze Erwachsenenalter.
Das Bild vom Kind muss von daher die Körperlichkeit und Sinnlichkeit des Kindes integrieren. Es reicht nicht, dass dafür spezielle Module gebildet werden.
Bestandsaufnahme: Umfang und Ausmaß der Gewalt gegen Kinder
Zur Gewalt gegen Kinder gehören folgende Formen:
- Physische, sexuelle und psychische Gewalt in Familie und Institutionen
- Vernachlässigung, ggf. mit tödlichem Ausgang
- Partnergewalt, d.h. zumeist, dass die Mutter vom Vater misshandelt wird
- Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
- Sexuelle Ausbeutung und Vergewaltigung durch Prostitution und Pornographie
- Sexuelle Ausbeutung und Vergewaltigung in Kriegen
- Genitalverstümmelung von Mädchen
- Unterbringung im Strafvollzug bzw. Abschiebegewahrsam
- Mädchenheiraten
- Einsatz als Kindersoldaten
- Ermordung weiblicher Föten
- Mord nach der Geburt oder im Laufe des Kindesalters
Die meisten dieser Formen kommen auch in Deutschland vor.
UNICEF hat in einer Studie 2006 die Kriegsgewalt gegen Kinder und die Kinderheiraten außer Acht gelassen und für die anderen Formen folgende Zahlen zusammengetragen
- „Zwischen 133 und 275 Millionen Kinder und Jugendliche sind jedes Jahr in ihren Familien Zeugen von gewalttätigen Auseinandersetzungen.
- Allein in den OECD-Ländern sterben jedes Jahr 3.500 Kinder an den Folgen von Misshandlungen und Vernachlässigung. Weltweit wird für das Jahr 2002 die Zahl der Morde an Kindern und Jugendlichen auf 53.000 geschätzt.
- Schätzungsweise 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen unter 18 Jahren werden zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder geschlagen.
- Rund acht Millionen Kinder weltweit wachsen unter oft schwierigen Bedingungen in staatlicher Obhut in Heimen oder Internaten auf – die meisten, weil ihre Familien zerbrochen sind oder weil sie behindert sind.
- Über eine Million Heranwachsende saßen 1999 in Gefängnissen – die meisten waren dort wegen Betteln, kleineren Diebstählen oder anderer geringfügiger Straftaten – oder weil sie von zu Hause weggelaufen waren.
- In Afrika südlich der Sahara und im Nahen Osten werden jedes Jahr drei Millionen Mädchen an ihren Geschlechtsorganen beschnitten.
- Über 5,7 Millionen Kinder leben in Schuldknechtschaft.
- Jedes Jahr werden eine Million Mädchen und Jungen in die Prostitution gezwungen.“
http://www.unicef.de/4025.html
Nimmt man die strukturelle Gewalt hinzu, was auch UNICEF inzwischen tut, so gehört die Armut von Kindern auch zur Gewalt, die sie erleiden (http://www.unicef.de/presse.html).
Obgleich die körperliche Gewalt gegenüber der psychischen Gewalt in der Familie abgenommen hat, wird auch heute in Deutschland davon ausgegangen, dass 10 bis 15 % der Eltern ihre Kinder häufig mit körperlichen Strafen traktieren (Krieger/Lang/Meßmer/Osthoff 2007: 24). Die aktuelle Häufigkeit physischer Gewalt in Heimen ist nicht bekannt, aber sie ist keineswegs abgeschafft (vgl. AFET 2004, Conen 2004, Fegert/Wolff 2002).
Auch im Hinblick auf die sexualisierte Gewalt ist das Dunkelfeld enorm hoch. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass 15-20 Prozent der Frauen und 5-10 % der Männer bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren mindestens einen sexuellen Kontakt hatten, der nicht von ihnen gewünscht wurde oder durch eine deutlich ältere Person, auch mit Gewalt, durchgesetzt wurde (Bange 2002a: 25; 2007: 32).
Die meisten Untersuchungen befassen sich nur mit einer Form von Gewalt. Eine darüber hinausgehende Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ergab, dass bei Einbeziehung von Partnergewalt (meist von Männern gegen Frauen) zwischen 16,1 % und 20,7 % der 16 bis 29 Jahre alten Personen mit 95prozentiger Wahrscheinlichkeit Gewalt erlebt haben (Pfeiffer/Wetzels 1997, zitiert nach Deegener 2005: 51). Eine Untersuchung von Richter-Appelt, die 1994 veröffentlicht wurde, ergab, dass sich die verschiedenen Gewaltformen häufig überlagern. Das heißt, viele Kinder, die geschlagen werden, werden auch vernachlässigt und sexuell missbraucht. Eine weitere Studie zeigt, dass das Ausmaß erlebter Gewalt unter Berücksichtigung verschiedener Gewaltformen immens ist (Libal/Deegener 2008). Alle Studien zur Häufigkeit von Gewalt kommen aber nicht zu den realen Zahlen, denn:
- Erfahrungen von Gewalt, auch sexualisierte Gewalt in der frühen Kindheit werden nicht erinnert (Bange 2007:40);
- Strafgefangene, Prostituierte, Obdachlose, deren Schicksal sehr häufig auf Gewalt in der Kindheit zurückzuführen ist, werden kaum je in Untersuchungen einbezogen (Mosser 2009:25).
Das bedeutet, dass die Zahlen nur Anhaltspunkte liefern. Schon diese sind allerdings so beunruhigend, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Denn Gewalt gegen Kinder verursacht Kosten: durch die ärztliche Versorgung von Kindern, ihre Unterbringung in Pflegefamilien oder Heimen, durch die Weitergabe der schrecklichen Erfahrungen an die nächste Generation, durch Versagen der Betroffenen im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt, das ständige Subventionierung erforderlich macht.
Von sexualisierter Gewalt ist im Gegensatz zu anderen Definitionen (z.B. Maywald 2009) auch dann zu sprechen, wenn der Täter nicht wesentlich älter ist als das Opfer. Der Missbrauch unter nahezu Gleichaltrigen bzw. von Jugendlichen an Kindern wird zunehmend als Problem erkannt (Richter-Appelt 2008; Bange 2007:41).
Sexuelle Ausbeutung: Kinderprostitution und Kinderpornographie
Bei den Kunden von Kinderprostitution und Kinderpornographie können wir davon ausgehen, dass die Täter pädosexuell sind. Wie viele Kinder und Jugendliche sich in Deutschland prostituieren, wissen wir nicht. Von der Prostitution, auf die sich Jugendliche bewusst - wenn auch in Notlagen - einlassen, ist die Vergewaltigung von Kindern zu unterscheiden, durch die Kinder für Pädosexuelle regelrecht abgerichtet und – dies ist anzunehmen – für ihr Leben zerstört werden.
Die sexualisierte Gewalt gegen Kinder im Netz hat ein unvorstellbares Ausmaß. „Die Internet Watch Foundation verzeichnet im Jahr 2008 1536 Domains, die dem Tausch und Download von Kinderpornografie dienen. Gut ein Viertel der Darstellungen zeigen dabei Kinder unter sechs Jahren (Internet Watch Foundation 2008). Erkenntnisse aus dem COPINE-Programm deuten auf mehrere 10 000 neue Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs wöchentlich hin bei geschätzten 5 Mio. im Umlauf befindlichen Darstellungen. Täglich wird von bis zu 450 000 Zugriffen auf Kinderpornografieseiten im Internet ausgegangen. Die Fälle im Hellfeld bleiben weit dahinter zurück. Dennoch finden sich auch hier Hinweise auf die Ausweitung der Problematik durch das Internet. In der Bundesrepublik stiegen polizeilich erfasste Fälle von Besitz, Verschaffung und Verbreitung von Kinderpornografie von 663 im Jahr 1996 auf 8832 im Jahr 2007 (PKS 1996 und 2007).“ http://kein-taeter-werden-ppk.charite.de/hintergrund/.
Den staatlichen Ermittlungsbehörden liegen Fotos und Filme vor, die Ermittlungen gestalten sich aber als äußerst schwierig. Personen – meist Männer – bei denen Fotos oder Filme gefunden werden, ist bei Leugnung schwer die Schuld nachzuweisen. Die Ermittlungsbehörden sind unzureichend ausgerüstet. Die Unterstützung bei Gericht ist oft kläglich, weil die Beteiligten die Fotos nicht zu Gesicht bekommen dürfen und daher nicht wissen, wovon die Rede ist. Sexualstraftäter werden beim Prozess nicht begutachtet, so dass eine Behandlung im Strafvollzug unterbleibt.
Um Kinder vor Pädophilen zu schützen, wären also erforderlich:
- Integration der Sexualmedizin in das medizinische Studium
- Integration des Umgangs mit Pädosexualität in das Psychologiestudium
- Begutachtung jedes Sexualstraftäters beim Verfahren
- Personeller Ausbau der Ermittlungsbehörden
Die hier aufgeführten Fakten sind dem ARD-Film von Sebastian Bellwinkel entnommen, der am 19. und 20.4.2010 in der ARD ausgestrahlt wurde.
Abschließen wollen wir diesen Abschnitt mit den Worten von Klaus Mertes, dem Direktor des Canisius-Kollegs, dem die Öffentlichmachung der ersten neuen Fälle von Missbrauch in der Katholischen Kirche zu verdanken ist:
„Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt rütteln an den Grundfesten von Kirche und Gesellschaft. Sie gefährden die Fähigkeit zu vertrauen. Ohne Vertrauen kann keine Gesellschaft leben. Das wird besonders deutlich gerade an den Beziehungen, in denen Vertrauen prinzipiell niemals von Kontrolle ersetzt werden kann – in den asymmetrischen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern, Ärzten und Patienten, Seelen und Seelsorgern. Die Schutzbefohlenen geben in diesen Beziehungen – mehr unbewusst als bewusst – einen einseitigen Vertrauensvorschuss. Gerade deswegen sind sie auch besonders wehrlos und ausgeliefert. Durch das, was sie sind, sind sie unvermeidlich auf Schutz und Fürsorge angewiesen“ (Mertes 2010a).
Die gegenwärtige Diskussion in den Medien
Die Institutionen: Die Mauer des Schweigens
Die Institutionen, die durch die aktuelle Missbrauchsdebatte in die öffentliche Kritik gerieten, sind in erster Linie Internate, und zwar von zwei sehr unterschiedlichen Richtungen. Einerseits sind es die Einrichtungen der Katholischen Kirche, darunter auch Einrichtungen für Kinder und Jugendliche der Elite. Andererseits ist es ein Internat, das durch reformpädagogische Bemühungen bei meist einem ganz anderen Teil der Bevölkerung ein hohes Ansehen genoss.
Die Frage ist: Was haben diese beiden Arten von Institutionen gemeinsam, was trennt sie?
Die pädagogische Richtung jedenfalls eint sie nicht. Die Reformpädagogik der Odenwaldschule hatte eine große Attraktivität für politisch links gerichtete oder liberale Eltern. Sie waren überzeugt, dass ihre Kinder dort von zugewandten, kompetenten Menschen zum aufrechten Gang erzogen werden. Voraussetzung dafür war die persönliche Beziehung zwischen den Zöglingen und den PädagogInnen.
“Die Lehrer sind Kameraden und Freunde ihrer Zöglinge. Das ist eine unerhörte Veränderung gegenüber der Vorstellung des vor allem Disziplin haltenden, strengen und gerechten Lehrers der normalen staatlichen Schule.” So sprach Gerold Becker, einstiger Leiter und inzwischen Haupt-Zielscheibe der Empörung über sexuellen Missbrauch an dieser Institution (1996, zitiert nach Heinrichs 2010). Das Hauptproblem an diesen Formulierungen ist die Leugnung der Macht, die der Lehrer neben seinen Sympathien auch hat. Und damit kann die Person des Lehrers relativ unreflektiert die neben der Nähe erforderliche pädagogische Distanz aufweichen. Sadistische und sexuelle Bedürfnisse können ausgelebt werden bis hin zu Brutalität und Missbrauch. Es spricht für das Reflexionsvermögen der Lehrkräfte, dass die allermeisten sich ihrer Verantwortung bewusst waren und daher ihre Macht nicht missbraucht haben.
Im Gegensatz zur Reformpädagogik hat die katholische Kirche nicht den Anspruch, auf Macht zu verzichten. Vielmehr verstehen sich Priester als Stellvertreter Gottes und repräsentieren damit eine überirdische Macht. Sie sind jedoch ebenso wie andere Menschen mit erotischen Anwandlungen konfrontiert und mit sexuellen Bedürfnissen ausgestattet. Das Problem der Kirche ist nun, dass Sexualität als Bestandteil des Menschseins gering geschätzt wird, außer wenn sie in einer ehelichen Beziehung eder Fortpflanzung dient. Die Katholische Kirche ist hat daher viel menschliches Elend zu verantworten:
- Hunderttausende von Toten und Millionen von Aids-Kranken, weil sie Kondome verbietet und die Gläubigen an die Gebote ihrer Kirche glauben;.
- Vaterlosigkeit der Kinder von Priestern, die den Namen des Vaters nicht wissen dürfen,
- Lügen von Ehepaaren, die sich aberwitzige Geschichten („die Ehe wurde nie vollzogen“) ausdenken müssen, um eine Scheidung zu erreichen.
- das Leid von gewissenhaften Jugendlichen, die sexuell aktiv sind und sich sündig fühlen.
- die Konflikte von Homosexuellen, die sich zur Kirche zugehörig fühlen, aber als sündhaft gelten.
Bedenkt man die Verlogenheit dieser Moral und ihre Schädlichkeit, so ist es nicht verwunderlich, dass in der Ausbildung von Priestern das Thema Sexualität ausgeblendet wird. Wer jedoch über die eigene Sexualität nicht reflektiert, wer sich nicht dem Verzicht darauf im Zölibat gestellt hat– ein solcher Mensch ist nicht geeignet, jungen Menschen darüber etwas zu vermitteln. Darüber hinaus ist er nicht gefeit gegen erotische Versuchungen durch Heranwachsende. Wunnibald Müller hat schon 2002 die ganzen Schwierigkeiten, die die Kirche mit sexualisierter Gewalt hat, benannt und forderte, dass die Opfer ernst genommen werden,
Es ist nicht der Zölibat, der zur Diskussion stehen muss. Zum einen geht es in der Katholischen Kirche keineswegs nur um sexuelle, sondern auch um andere brutale körperliche Übergriffe. Zum anderen kann der Zölibat nicht der Grund für die sexuellen Übergriffe sein, denn es gibt in den meisten Religionsgemeinschaften das Ideal der Transzendierung von Sexualität zugunsten eines höheren Ziels, wie z.B. die Anbetung Gottes (z.B. bei den Karthäuser-Mönchen), Erleuchtung (bei buddhistischen Mönchen). Ein freiwilliger Verzicht auf Sexualität kann sehr fruchtbar für die Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit sein. Problematisch ist nur, wenn Menschen, die sich dafür entschieden haben, ihre Sexualität zu verdrängen versuchen. Das kann üble Folgen haben, wie man am Missbrauchsskandal in der Kirche sieht.
Odenwaldschule und kirchliche Internate hatten gemeinsam, dass es abgeschlossene Biotope waren, in denen die Nähe zwischen Pädagogen und Kindern/Jugendlichen besonders eng war. Bedrohlich wurde diese Nähe durch die Ideologie der Institutionen, die die Kinder zur Ohnmacht verdammte und die Pädagogen dadurch zu besonderer Macht aufsteigen ließ. Aber Ähnliches geschah im Canisiuskolleg, einer Tagesschule, bei den Regensburger Domspatzen und bei vielen anderen Kindern, die nicht in stationären Einrichtungen lebten, sondern im Elternhaus. In diesen Organisationen oder Vereinen waren dann Männer die Leiter, die ebenfalls für sich das Recht auf Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse durch die Kinder ableiteten. Weil diese Einrichtungen (Kolleg, Chor) als besonders galten, jeder sich als zur Elite gehörig fühlte, hatten die Täter ihre Chance: Sie waren kaum angreifbar.
Der Unterschied zwischen der Reformpädagogik und der Kirche war die Leugnung dessen, was immer ist: Macht in der Reformpädagogik, Sexualität in der Kirche.
Die Gefahr ist jedoch nicht gebannt. Missbrauch in Einrichtungen gehört nicht der Vergangenheit an. Nach wie vor gibt es Pädosexuelle, die gezielt in Institutionen gehen, wo sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten können. Dort entwickeln sie raffinierte Strategien, um Opfer zu gewinnen und zum Schweigen zu veranlassen (Enders 2003, Ulonska 2003 a). Auch Kitas sind vor sexuellen Übergriffen nicht gefeit (Endres 2003). Da Sexualität im Team zumeist ein Tabuthema ist (Conen 2004), werden Unsicherheiten nicht thematisiert. Daran können wir etwas ändern.
Das Ende des Schweigens
Nach den Ereignissen Ende der neunziger Jahre richtete die Odenwaldschule einen Ausschuss zum Schutz vor sexuellem Missbrauch ein, Der Direktor, der inzwischen im Amt war, versuchte, jeden weiteren Kontakt der Schule mit Gerold Becker zu vermeiden. Eine strafrechtliche Verfolgung, die jedem Einzeltäter blühen würde, unterblieb jedoch. Auch danach gab es Fälle, in denen Mädchen sich über einen Lehrer beschwerten und nichts geschah (Simon/Willeke 2010). Ähnliches passierte in einer weiteren Schule mit reformpädagogischen Anspruch, der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden.
Die Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime, der auch die Odenwaldschule angehört, trat auf einer Tagung im Jahr 1999 für ein „Klima der angstfreien Aufklärung“ ein, Den Internaten wurden Supervisionen empfohlen, Schulpsychologen, Sorgentelefone. Es erfolgten keine Nachfragen oder gar Evaluationen, ob irgendein Rat umgesetzt worden war.
Dass die Odenwaldschule dann in die Medien kam, lag an der neuen Leiterin, Margarita Kaufmann. Sie war in der Lage, den Skandal als solchen zu benennen und ihn öffentlich zu machen.
In der Katholischen Kirche galt bis vor kurzem, dass die Priester als Mitglieder des Klerus geschützt werden müssten. Laut Äußerungen des seiner kirchlichen Lehrbefugnis beraubten Theologen Hans Küng hat Papst Benedikt XVI als Erzbischof in München und in seiner 24jährigen Zeit als Chef der Päpstlichen Glaubenskongregation immer Zugang zu den Daten der Missbrauchsfälle gehabt (http://www.welt.de/politik/deutschland/article6882971/Ratzinger-soll-Missbrauch-geheimgehalten-haben.html). "Es gab in der ganzen katholischen Kirche keinen einzigen Mann, der so viel wusste über die Missbrauchsfälle, und zwar ex officio - von seinem Amt her“ (a.a.O.). Noch 2005 sind die kirchlichen Würdenträger angewiesen worden, alle Voruntersuchungen zu Missbrauchsanschuldigungen an Ratzinger weiterzuleiten. Die kirchlichen Untersuchungen sollten geheim durchgeführt werden und erst 10 Jahre nach der Volljährigkeit der Opfer eingesehen werden können. Küng: "Alle Missbrauchsfälle sind zentralisiert, damit sie unter höchsten Geheimhaltungsstufe unter der Decke gehalten werden können."
An den Papst trauen sich aber die meisten Medien nicht heran. Angriffsziel wurde Bischof Mixa, der genau die Ansichten hat und realisiert, die der Papst hat. Erst in jüngster Zeit hat der Papst deutliche Worte gegen den Missbrauch gesagt, ohne allerdings die eigene Mitschuld zu erwähnen. Es ist nicht ihm, sondern einem anderen Katholiken in der Führungsriege der Jesuiten zu verdanken, Pater Klaus Mertes, dass die Missbrauchsfälle der Katholischen Kirche immer deutlicher zu Tage treten. Weil Mertes, Direktor des Canisius-Kollegs in Berlin, sich zur Öffentlichmachung entschied, meldeten sich immer mehr Opfer – ermutigt dadurch, dass ihnen keine Schande widerfuhr, sondern das Bemühen um zumindest nachträgliche Gerechtigkeit.
Deutlich wird: Wenn Institutionen sich gegen die „Außenwelt“ abschirmen, haben die Opfer keine Chance. Erst wenn die Spitze bereit ist, Schuld und Versagen anzuerkennen, werden auch die Opfer gehört und ernst genommen. Wenn es irgendwo ans „Aufräumen“ geht, sollte dies bedacht werden. Die Erfahrung lehrt: Traue keinem in der Spitze der Hierarchie, nur weil er (oder sie) oben ist!
Die Täter
Klar ist, dass die Ideologie einer gewalttätigen Pädagogik die Gewalt in den Heimen der Nachkriegszeit bewirkt hat, weil Gewalt gegen Kinder eine Selbstverständlichkeit war. Klar ist auch, dass die Hierarchie der Kirche und ihre Sexualfeindlichkeitauf der einen Seite, die Leugnung von Macht in der Odenwaldschule auf der anderen Seite in den Köpfen der Täter wirkten. Aber Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt haben nie nur institutionelle Ursachen, sondern sind auch persönlichkeitsbedingt. Denn die meisten Priester, die meisten LehrerInnen in der Reformpädagogik wurden NICHT zu Tätern. Wie kommt es also zur Gewalt von einzelnen Reformpädagogen und kirchlichen Würdenträgern?
Die Odenwaldschule hatte nicht umsonst einen so guten Ruf, insbesondere in der protestantischen Elite (Dönhoff, Dohnany, Weizsäcker u.v.a.). Welche Biografien die Täter haben, wissen wir nicht und können wir im Moment nicht erforschen. Zu vermuten ist eine Schädigung in der Kindheit und/oder fehlende Möglichkeiten einer sexuellen Befriedigung und/oder fehlende Anerkennung. Problematisch ist die Idealisierung der eigenen Grenzüberschreitungen mit dem Pädagogischen Eros. Auch wenn mit diesem Begriff nicht die sexualisierte Gewalt gemeint sein muss, so wurde sie damit bemäntelt.
Für die Kirche hat Mertes eine Typologie benannt, die auch für andere Institutionen zutrifft: „Es gibt Täter, die halten das, was sie taten, nicht für eine Sünde. Dennoch sind sie schuldig. Der Begriff der Krankheit hebt das Schuldhafte nicht auf. Und es gibt den Täter, der sich mit seiner Geschichte auseinandersetzt und Reue empfindet. Dem ist es wichtig, dass ich ihm nicht einrede, er sei eigentlich nur krank.“
Zur Typologie der Täter gibt es viele Veröffentlichungen (AFET 2004; Bange/Körner 2002; Bange 2007; Conen 2004, Fegert/Wolff 2002 u.a.). Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass es nicht reicht, die Einzelnen haftbar zu machen, sondern dass die Strukturen der Institutionen analysiert werden müssen, um dauerhaft Schäden bei Kindern zu vermeiden.
Die Mittäter
Neben den Tätern sind die Mittäter zu nennen. Und auch hier stellt sich wieder die Frage: Was haben die Odenwaldschule und die kirchlichen Internate gemeinsam, dass den Kindern nicht geglaubt wurde und die Täter nicht bestraft wurden?
Das Schweigen der Mittäter ist der eigentliche Skandal, denn Verbrechen gibt es überall. Dabei gab es verschiedene Ebenen.
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Die Mächtigen
Der heutige Papst Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation sollte Beschwerden gegen die missbrauchenden Priester entgegennehmen. Eine Überantwortung an die Behörden kam nicht zustande, vielmehr wurden die Priester versetzt oder es wurde ihnen eine Therapie verordnet.
Ganz ähnlich der Chef der Odenwaldschule, der vom Vorstand 1985 zum Ausscheiden motiviert wurde, allerdings ohne strafrechtliche Konsequenzen. Als die FR schon 1998 Anschuldigungen von Schülern veröffentlichte, glaubte es niemand bzw. die Medien nahmen das Thema nicht auf. Becker wurde in Schutz genommen von seinen mächtigen Freunden.
Hier zeigt sich die Einstellung der Schwarzen Pädagogik gegenüber dem Kind: Kinder und Jugendliche sind den Erwachsenen untertan, üben sie Kritik, wird diese ins Reich der Fabeln verwiesen.
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Die Kollegen/Mitbrüder des Ordens
Es gab Kollegen in der Odenwaldschule und Ordensbrüder in den kirchlichen Institutionen, die wussten, was passierte. Sie wollten es entweder nicht glauben oder sie hatten Angst, sich in der Institution unbeliebt zu machen. (Simon/Willeke 2010). Kahl (2010) erklärt seinen eigenen Unglauben damit, dass er es nicht ertragen konnte, die eigenen Ideale von den Idealisierten mit Füßen getreten zu sehen. Er hat sich selbst und die anderen, die nicht hinschauen wollten, als „erlösungsbedürftig“ bezeichnet. Und in der Tat: das Bedürfnis, an das Gute, an die Realisierung der Utopien durch wunderbare Menschen zu glauben, ist gerade bei jenen stark, die Veränderungen anstreben. Die Vorsitzende des Trägervereins der Schule, Sabine Richter-Ellermann, die seit 1998 im Vorstand sitzt, erinnert sich an Diskussionen innerhalb ihres Gremiums. „Es war eine Frage des Vorstellungsvermögens, nicht der Loyalität zu Becker. Wir gingen leider davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelte. Von heute aus gesehen, haben wir nicht genügend zugehört, nicht genügend nachgefragt. Vielleicht auch aus einer unbewussten Angst heraus, dass da doch mehr sein könnte. (Simon/Willeke 2010). 1999, als die Frankfurter Rundschau die Anklagen der Opfer veröffentlichte, lag deren Missbrauch 10 Jahre zurück. Das allein reichte der Staatsanwaltschaft schon, das Verfahren einzustellen. Andere Medien nahmen die Meldung nicht auf, weil sie Freunde von Gerold Becker und seinem Lebensgefährten Hartmut von Hentig waren.
In allen Fällen – Kolleginnen, Leitung, Medien – galt das Wort der Opfer weniger als das der Mächtigen.
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Die Eltern
In einer Dokumentation beschreibt Dohnany, der selbst auf der Odenwaldschule war, aber nicht missbraucht wurde, wie die Eltern seiner Internatsfreunde auf die Erzählungen ihrer Kinder reagierten. Ein als Junge missbrauchter Mann beschreibt Jahre später, wie seine Mutter ihn im Stich gelassen hat (Kohlenberg 2010). Dies sind Fälle aus gut situierten Familien mindestens der Mittel-, wenn nicht der Oberschicht. Die Eltern solidarisierten sich eher mit den Lehrern als mit ihren Kindern – eine verhängnisvolle Entscheidung. Sie zeigt die autoritäre Haltung der Eltern und ihre Ahnungslosigkeit bezüglich der Folgen des Missbrauchs. Hinzu kommt die fehlende Zivilcourage: Was für einen Ärger hätte man sich eingehandelt, gegen die Autoritäten in Kirche und Schule vorzugehen? Würde man nicht selbst beschmutzt durch das Erzählen schmutziger Schauergeschichten? Man hätte die Zugehörigkeit zu einer Gruppe gefährdet, in der man sich zu Hause, von der man sich angenommen fühlen wollte. Das Eigeninteresse war größer als der Drang, Gerechtigkeit zu schaffen für die Opfer. Dieses Funktionieren des Unrechts ist im Übrigen in allen Institutionen üblich, die das Ansprechen von Problemen nur den Obersten überlassen und die Unteren zumindest partiell zu Claqueuren degradieren.
Die Opfer
Es gab Kinder und Jugendliche, die die Dinge beim Namen nennen wollten. Eine Gegenwehr hat jedoch nur dann Erfolg, wenn den Kindern auch geglaubt wird, das heißt, wenn die Erwachsenen die Schranke zwischen den Generationen nicht zur Schranke für Glaubwürdigkeit werden lassen nach dem Motto: Du bist Kind und daher weniger glaubwürdig als mein Mann (in der Familie), mein Kollege (in der Schule), mein Ordensbruder (im katholischen Internat). Die asymmetrische Beziehung zwischen Kind und Erwachsenen wird dann zu einem Ungleichgewicht zwischen einem einzelnen Kläger (Kind) gegenüber der Mafia der Erwachsenen. Und diese wiederum sind in Familie und Institutionen eingebunden, die ihnen per se und per definitionem als Väter/Mütter/Pädagogen Macht einräumen
Die Hilferufe der Opfer wurden lange nicht wahrgenommen, teilweise wurden diese auch zusätzlich gedemütigt durch Beschuldigungen. Dass sie heute sprechen, ist ein großer Fortschritt. Pater Klaus Mertes hat daraus eine Art Heldentum gezimmert in seinem Artikel: „Aus den Dornen wird eine Krone. Das Opfer ist mächtiger als die Mächtigen“ (Mertes 2010 b).
Dies ist leider ein Irrtum. Noch immer gibt es Opfer, die keineswegs mächtiger sind als die Täter. Und diejenigen, die nach Jahrzehnten ihre Stimme erhoben haben: Ihr Leben war und ist belastet durch den Machtmissbrauch und die Schändung von Vertrauen, während die Täter zumeist in angesehenen Positionen verharren konnten, geschützt durch ihre Oberen und angesehen in elitären und mächtigen Zirkeln. Von daher ist eine Glorifizierung verfehlt.
Die Entschuldigungen, die jetzt auf die Opfer nieder regnen, sind lächerlich angesichts der Schäden, die der Missbrauch angerichtet hat. Bei den Jesuiten laden die Opfer die Täter zu einem (ausdrücklich nicht runden) Tisch, an dem alle Vorwürfe auf den Tisch gelegt werden (Schwarz 2010). Es ist die Frage, ob sich die Patres darauf einlassen. Entschuldigungen sind billig. Aber sich anhören zu müssen, was die Opfer ihnen vorwerfen – das sind Rituale, die befreiend wirken können für die Opfer, und die auch eine empfindliche Strafe sind für die Täter. Derartige Rituale wären auch anderen Einrichtungen wie der Odenwaldschule zu wünschen.
Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmaximen
Es kann hier nicht das gesamte Handlungsrepertoire der Jugendhilfe und des Kinderschutzes aufgezählt werden (vgl. dazu Maywald 2009; Fröbel 2009). Die Abwehr von physischer Gewalt gegen Kinder und von Vernachlässigung hat zu wirksamen Schutzprogrammen bei allen Organisationen geführt, die mit Kindern arbeiten. Darin ist auch die asymmetrische Beziehung angesprochen, aber nicht immer explizit.
Besonders wichtig erscheint die Reflexion über die Themen, die in diesem Artikel angesprochen und die in der Pädagogik weitgehend ausgeklammert werden: Macht und Sexualität. Dazu brauchen PädagogInnen:
- die Bereitschaft von Trägern und Leitungen, über Machtstrukturen in der Institution nachzudenken
- demokratische Strukturen, die Diskussionen über alle Themen ermöglichen
- ein Klima der Offenheit, in dem auch unangenehme Themen angesprochen werden können,
- Teambesprechungen, in denen auch das Thema Sexualität angesprochen wird,
- Informationen über die kindliche und Reflexionen über die eigene Sexualität.
Eine wesentliche Verbesserung der pädagogischen Arbeit wäre durch Supervision möglich. Dann allerdings müsste darauf geachtet werden, dass die SupervisorInnen selbst Weiterbildungen absolviert haben, die es ihnen erlauben, sexualpädagogische Beratungen zu leisten. Denn heute kann man weder bei PsychologInnen noch bei SozialpädagogInnen davon ausgehen, dass sie etwas über Sexualpädagogik gelernt haben.
Im Umgang mit den Kindern müssen die Regeln, die auch jetzt schon in guten Einrichtungen für den Kinderschutz gelten, praktiziert werden:
- Partizipation der Kinder an Entscheidungen
- Stärkung des Selbstbewusstseins und Anerkennung
- Klare Grenzsetzungen im Verhältnis PädagogInnen/Kinder
- Intensive Arbeit mit Eltern
Elisabeth Karnatz hat dazu ein Buch geschrieben (s. Literaturverzeichnis), dessen erster Teil sehr hilfreich dafür ist. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (http://www.bzga.de)bringt viele brauchbare Materialien heraus. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat einen guten Ratgeber für Eltern veröffentlicht. Familienplanungs- und Beratungszentren bieten auch sexualpädagogische Weiterbildungen für ErzieherInnen und LehrerInnen an (z.B. http://www.fpz-berlin.de). Diese Möglichkeiten gilt es auch in der Kita zu nutzen.
Die Sexualpädagogik selbst muss jedoch auch in Reflexionsprozesse einsteigen. Es gilt, kindliche Sexualität nicht in der Form von der erwachsenen abzugrenzen, wie dies derzeit passiert. Es gilt, konkrete Situationen zu benennen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es gilt auch, angenehme oder unangenehme Gefühle zu benennen, die PädagogInnen überkommen können, damit diese verarbeitet werden können. Die Unsicherheit, die die meisten PädagogInnen in Kitas und anderswo beim Thema Sexualität haben, kann nur in einem Klima von Offenheit bearbeitet werden.
Anmerkungen
(1) Auch wenn ich versucht habe, das Thema umfassend zu beleuchten, so war mir dies aus Zeitgründen doch nicht vollständig möglich. So fehlt z.B. die Erörterung die Gewalt in Heimen der ehemaligen DDR, Gewalt gegenüber behinderten Kindern und Jugendlichen und die Gewalt in evangelischen Institutionen Ergänzungsartikel und Kommentare werden gerne entgegen genommen und auf diesem Portal veröffentlicht.
(2) Leider ist die Realität eine andere: Die staatliche Gewalt ist ausgelagert bzw. unsichtbar und nicht transparent, z.B. durch Waffenexporte und die Verträge zur Rücksendung von Flüchtlingen, aber auch durch die subtile Gewalt der Wirtschaft, die als Lobby auf politische Entscheidungen Einfluss nimmt (z.B. Pharmaindustrie).
(3) Im Rahmen eines Forschungsprojekts bietet das Institut für Sexualmedizin der Charité Berlin Beratung und Therapie für Pädophile an, um sexuellem Kindesmissbrauch und Konsum von Kinderpornographie vorzubeugen. http://www.kein-taeter-werden.de/
(4) Den weiter gehenden Folgerungen Achterbergs, die die Verletzlichkeit des Kindes als gesellschaftliches Konstrukt ansieht, schließe ich mich nicht an, weil dabei die Körperlichkeit außen vor bleibt.
Quellen
Die für ErzieherInnen in Kitas wichtigsten Bücher und Materialien sind fett gekennzeichnet. Für die offene Diskussion über Missbrauch ist Kanitz sehr hilfreich, für die gesamte Kinderschutzdiskussion Maywald. Für den Erwerb leicht verständlicher sexualpädagogischer Kenntnisse bieten sich die meist kostenlosen Veröffentlichung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an (BZgA.de) wie auch sexualpädagogische Weiterbildungen unterschiedlicher Anbieter.
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