Mehr Männer in meiner Kita - Eine systematische Sammlung unterschiedlicher Akquise-Ideen
Einleitung
Nach der ersten Pisa-Studie, die Jugendliche einem international vergleichenden Bildungstest unterzog, wurde einer breiten Öffentlichkeit, die in Fachkreisen seit über drei Jahrzehntenbekannte Tatsache, bewusst, dass Jungen in Deutschland durchschnittlich ein niedrigeres schulisches Leistungsniveau als Mädchen zeigen (Wallner/ Drogand-Strud 2012, S. 109). Dieses Thema wurde auch schnell von eher seriöseren Medien aufgegriffen, die es dann in ihren Veröffentlichungen vor allem verallgemeinernd und stark verkürzt darstellten (vgl. Bundesjugendkuratorium 2009) und die Artikel häufig mit der Forderung nach mehr Männern in den sozialen Berufen auf komplexe individuelle und gesellschaftlichen Fragen antworteten (vgl. Fegter 2014).
Neben den Schulen gerieten auch die Kindertageseinrichtungen in das Zentrum der Diskussion. Im frühpädagogischen Bereich werden seither durch die Anwesenheit von Männern viele positive Effekte erwartet, vor allem für Jungen (Rose 2014, S. 29). Nicht alle sind wissenschaftlich belegt (ebd., S. 32) und einige eher übertriebenes Wunschdenken. Diese Nichterfüllbarkeit kann aber alle Beteiligten relativ schnell frustrieren. Keineswegs von der Hand zu weisen ist jedoch, dass sich die Vielfalt in den Einrichtungen vergrößert und das Spektrum möglicher geschlechtlicher Rollenentwürfe erweitert. Jungen schauen sich die als männlich anerkannten Verhaltensweisen nicht nur von anderen Kindern und medialen Vorbildern ab, sondern eben auch von realen Männern (vgl. Neubauer 2011, S. 16 f.). Letztere erleben sie in der Kita aber momentan kaum.
Ich werde in diesem Text jedoch nicht empirisch untersuchen, ob sich anwesende reale Männer positiv auf die (geschlechtliche) Entwicklung von Jungen auswirken. Ebenso wenig schließe ich hier an theoretische psychologische, soziologische oder pädagogische Überlegungen zur Persönlichkeitsentwicklung an. Sondern in diesem Fachbeitrag sollen ausschließlich Ideen aufgezeigt und teaminterne Reflexionen angeregt werden, wie mehr Männer in der Kita sichtbar und erlebbar werden können.
Ich werde exemplarisch nach internen sowie externen Human- und Kooperationspotenzialen (Früchtel/ Budde/ Cyprian 2013a, S. 199) suchen. Wofür ich zunächst bekannte Strategien zusammentrage und Akquisemöglichkeiten für Erzieher sowie Väter betrachte. Anschließend nehme ich eine sozialräumliche Perspektive ein und richte meinen Blick auf die Männer im lebens-und systemweltlichenUmfeld der Einrichtung. Die auf diesem Weg gewonnenen Erkenntnisse visualisiere ich daraufhin in einem Vier-Felder-Schema, bevor ich mithilfe einer Fragensammlung zur offenen Reflexion einlade. Abschließend übertrage ich die Ergebnisse auf andere Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit.
Einrichtungsbezogene Betrachtung
In dem Positionspapier „Zwischen Abwesenheit und Ankommen. Mehr Männer in Kitas“ der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) wird die Forderung nach mehr Männern in den Kindertagesbetreuungseinrichtungen aufgestellt und mit dem Auftrag der Kitas begründet, (auch) die gesellschaftliche Vielfältigkeit abbilden zu müssen (AGJ 2018, S. 1). Es wird erwähnt, dass immer mehr Väter mittlerweile ihre Elternrolle familienorientierter definieren und deshalb viel präsenter in den Einrichtungen sind, als früher, jedoch wird dies nur kurz angerissen und dann nicht weiter thematisiert. Dies liegt eventuell an der Einschätzung, dass es lediglich männliche pädagogische Fachkräfte den Kindern erleichtern, selbstverständlich mit verschiedenen Geschlechtern umzugehen und Geschlechtergerechtigkeit zu erleben. Ihr Fehlen erscheint daher problematisch (vgl. AGJ 2018, S. 7).
Die Annahme liegt nahe, bei Männlichkeit in der Kita an Erzieher zu denken. Diese sind fachlich kompetent und verbringen regelmäßig viel Zeit mit den Kindern, also auch mit den Jungen. Dadurch könnten diese sich Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen an- und abschauen. Jedoch bekommen nur wenige Jungen diese Gelegenheiten, denn Einrichtungen in denen Erzieher arbeiten, sind selten, da ihr Anteil an den pädagogischen Fachkräften weiterhin sehr gering ist und Männer häufiger Leitungspositionen übernehmen (Rübenach/ Kucera 2014) und so weniger praktisch mit Kindern arbeiten.
In dem bereits erwähnten Positionspapier werden drei Gründe angeführt, zunächst der Umstand, dass die Kindertagesbetreuung ein historisch gewachsenes Frauenberufsfeld ist, weiterhin die, von den Fachkräften als unzureichend wahrgenommene, Entlohnung (AGJ 2018, S. 2). Während diese beiden lediglich kurz abgehandelt werden, bekommt der (vermutete) „Generalverdacht“ viel Raum (AGJ 2018, S. 3).
Selbstverständlich ist es wichtig, dass sich die Leitung und die Beschäftigten einer Einrichtung mit diesen Themen auseinandersetzen und Ideen entwickeln, wie sie in entsprechenden Situationen reagieren (können). Ebenso notwendig ist es, dies aufzuschreiben und zu kommunizieren, sowohl nach außen (bspw. Eltern) als auch nach innen (bspw. Personal). Dadurch werden gewisse Entscheidungen wahrscheinlich leichter nachvollziehbar sein und es erhöht außerdem die Sicherheit für alle Beteiligten (Kinder, Eltern, Fachkräfte, Leitung, Verwaltung etc.). Jedoch ist es fraglich, ob durch diese Maßnahmen mehr Männer für dieses Arbeitsfeld begeistert werden können, denn es kann nicht eindeutig bestimmt werden, wie hemmend sich der Generalverdacht auf die Berufswahl auswirkt (Cremers/ Krabel 2012, S. 269). Einem vertrauensvollen Arbeitsklima sind verdeckte Befürchtungen aber allemal abträglich (vgl. Mayer 2011, S. 24 f.). Zudem können Einrichtungsteams bei diesem Grund, im Gegensatz zu den zwei anderen, durch das Erarbeiten eines Schutzkonzeptes (Cremers/ Krabel 2012, S. 275 ff.) eigenständig tätig werden. Am besten bevor darüber diskutiert wurde, Männer einzustellen, denn sonst nährt dieser Prozess eher geschlechtliche Vorurteile.
Wenn sich Menschen entscheiden in der Kindertagesbetreuung zu arbeiten, dann gewichten sie sicherlich vorher ökonomische und soziale Faktoren individuell. Für einige sind die (noch nicht existente, jedoch von Familienministerin Franziska Giffey geforderte) Ausbildungsvergütung (BMFSFJ 2018) und die später zu erwartende Entlohnung wichtiger. Andere suchen vermehrt gesellschaftliche Anerkennung und reagieren vielleicht auf Programme (z.B. Boys‘ Day), die diese Entwicklung anstoßen (sollen) (AGJ 2018, S. 3). Wieder andere lassen sich von vermuteten Verdächtigungen eher abschrecken und wieder andere knüpfen an persönliche Erfahrungen mit alltäglich gelebter geschlechtlicher Vielfältigkeit an (siehe Tabelle).
Wenn Kinder wirklich auch außerhalb der Familie männliche Bezugspersonen haben und erleben sollen, dann ist es kontraproduktiv, sich ausschließlich auf Hauptamtliche zu konzentrieren. Denn in einer Kinderbetreuungseinrichtung hängen diese Erfahrungen ja nicht allein von der Anzahl männlicher Erzieher ab, sondern auch von anderen Chancen, Männern zu begegnen, also auch bspw. davon, wie die Väter angesprochen und eingebunden werden, sowie Möglichkeiten sich einbringen zu können. Väter wünschen sich vielleicht (mehr) Kontakt zu anderen Vätern, wollen mit ihren Fähigkeiten die Kita unterstützen oder einmal das eigene Kind aus einem anderem Blickwinkel betrachten und es mit Gleichaltrigen erleben (Scheibe 2018, S. 58).
Erfahrungen mit und ohne männliche Fachkräfte in der Väterarbeit wurde bereits systematisch gesammelt und aus diesen Erkenntnissen Ideen, wie bspw. Väterabende, entwickelt (vgl. Koordinationsstelle „Männer in Kitas“ 2013).Die sozialen Kontakte der Kinder sind sehr förderlich, denn über diese können Väter und andere männliche Familienmitglieder angesprochen werden. Sie könnten beispielsweise Ausflüge als zusätzliche Betreuer begleiten, ein „Tagespraktikum absolvieren“ oder über ihre Tätigkeit(en) berichten. Zudem bieten sich reine „Vater-Kind-Aktionen“ an oder die Männer werden zu Instandhaltungsmaßnahmen ermuntert, an denen auch die Kinder teilnehmen. So ist es ihnen möglich, auch Männern außerhalb der eigenen Familie zu begegnen. In der Regel endet die Bereitschaft sich einzubringen, wenn das eigene Kind die Einrichtung verlässt, deshalb müssen kontinuierlich neue (potenziell) Interessierte begeistert werden (Scheibe 2018, S. 57 f.).
Selbstverständlich sind Väter und männliche Hauptamtliche anders motiviert, ausgebildet und in die Einrichtung eingebettet. Hier bietet sich eine Betrachtung an, bei der zwischen der Lebensweltund Systemweltunterschieden wird. Beide Begriffe gehen auf den Soziologen Jürgen Habermas zurück und wurden von Frank Früchtel, Wolfgang Budde und Gudrun Cyprian für die Soziale Arbeit fruchtbar gemacht. Väter gehören demnach zur Lebenswelt, also dem Ort mit gleichberechtigter, wechselseitiger Hilfe im sozialen Umfeld, und sie unterscheiden sich dadurch von Erziehern bzw. anderen männlichen Pädagogen. Denn diese sind der Systemweltzuzurechnen, in welcher durch zweckrationales, strategisch erfolgsorientiertes Handeln die Verfahrensbeteiligten wie Verfahrensbetroffene behandelt werden (vgl. 2013b, S. 26 f.). Es geht an dieser Stelle nicht darum, die einen über die anderen zu stellen, sondern vielmehr um den Hinweis, dass beide Gruppen den Alltag der Kinder bereichern und prägen.
Sozialraumorientierter Blick
Ein offener Blick in die Einrichtungen lässt schon einige Möglichkeiten erkennen, wie Männer in der Kita sichtbar (gemacht) werden (können). Dennoch können Verantwortliche diesen noch stärker weiten und nach männlichen Akteuren aus dem Umfeld suchen, um diese nachhaltig in die pädagogische Arbeit konstruktiv einzubinden. Dies könnten dann ebenso Gewerbetreibende aus dem Stadtteil, wie Pädagogen aus einem gemeinsamen Arbeitskreis sein (Scheibe 2018, S. 57). Diese Sichtweise wäre zeitgemäß, denn die Sozialraumorientierung ist seit den 1990ern fester und akzeptierter Bestandteil der sozialarbeiterischen/-pädagogischen Fachdiskurse (Kessl/ Reutlinger 2010a, S. 39) und „heute einer der bekanntesten und in der Umsetzung Sozialer Arbeit am häufigsten genutzten sozialpädagogischen Ansätze“ (Heintz 2015, S. 18). Dies gilt auch für den Bereich der Kindertagesbetreuung, in dem die Veröffentlichungen sich vor allem auf Elternbildung, Sozialraumanalyse und auf die Vernetzung der eigenen Einrichtung mit anderen im Stadtteil konzentrierten (vgl. Deinet 2013, Jares 2014, Nolte 2014, Corell/ Hiemenz/ Lepperhoff 2012). Die Frage, ob durch ein sozialraumorientiertes Engagement mehr Männer im Alltag sichtbar werden, wurde bislang nicht gestellt.
Vielleicht reagierten einige Einrichtungsleitungen gelegentlich auf das Fehlen männlicher Erzieher, indem sie externe männliche Fachkräfte beauftragen, um meist speziell mit den Jungen zu arbeiten. Dieses Vorgehen ist jedoch dahingehend zu problematisieren, dass diese Experten ansonsten oft mit Jugendlichen arbeiten und meist nur geringe frühpädagogische Kenntnisse besitzen. Darüber hinaus sind auf diese Weise das Thema und die Teilnehmer aus den alltäglichen Abläufen ausgeschlossen (Rohrmann 2009, S. 63). Wenn die finanziellen Mittel dafür dem eigenen Etat entnommen werden müssen, sollte doch überlegt werden, ob sie an anderer Stellen nicht wirkungsvoller investiert werden können.
Eine nützliche Perspektive könnte in diesem Zusammenhang der Blick in Richtung Sozialraum sein, also jenem Gebilde, das Fabian Kessl und Christian Reutlinger, als eine durch menschliche Handlungen gestaltete Umwelt, die wiederum die individuellen und kollektiven Betätigungsoptionen bestimmt wird, beschreiben. Er ist demnach weder ausschließlich als geografisch abgegrenzter Ort zu fassen, noch kann er als reine Verknüpfung sozialer Beziehungen verstanden werden (Kessl/ Reutlinger 2010b, S. 249 f.).
Denn hier sind viel mehr Möglichkeiten zu finden und dies erhöht die Erfolgsaussichten, so gibt es vielleicht „[die] Familie, Freunde, Bekannte, Kollegen, Gleichgesinnte, Freizeitpartner, Nachbarn, Frisöre […], Arbeitgeber, professionelle Dienstleister, Vereine, Initiativen, Fußballplätze, Kirchengemeinden, Kindergärten, Bibliotheken, Schulen, Ämter, Grünflächen, Schrottplätze, Flohmärkte …“ (Budde, Früchtel, Loferer 2004, S. 20) und darüber hinaus noch „den Postboten, den Hausarzt, die Gemeinde-Caritas, die Skatbrüder […] Ortspolitiker/innen, Geschäftskund/innen oder dem/ der Versicherungsvertreter/in“ (Hinte/ Treeß 2014, S. 69) und ggf. „Handwerker, Lehrer, Bankiers, (Tier)Ärzte, (Straßen)Künstler, Ladenbesitzer, ,Elternzeitnehmer‘ oder Senioren mit einem spannenden Hobby die Kindern ihre speziellen Fähigkeiten und persönlichen Problemlösungsstrategien präsentieren“ (Scheibe 2018, S. 57). Die können also interessante Männer im Umfeld der Einrichtung und ggf. in ihrem Bekanntenkreis finden, wenn sie diese suchen (ebd.). Zusätzlich könnte mit anderen Einrichtungen dahingehend kooperiert werden, dass deren männliche Fachkräfte sich an gemeinsamen Projekten beteiligen.
„Im Mittelpunkt einer solchen Sozialraumarbeit steht also auf Seiten der Fachkräfte die Ausbildung einer reflexiven räumlichen Haltung als Realisierung einer reflexiven Professionalität im Fall raumbezogener Vorgehensweisen und die Ermöglichung einer solchen - Sozialraumarbeit durch die Trägerorganisationen und die politisch Verantwortlichen“ (Kessl/ Reutlinger 2010a, S. 126). Öffentliche und freie Träger könnten ihre engagierten Angestellten dabei unterstützen, ein solches Vorhaben umzusetzen. Hierfür sollten sie thematische Weiterbildungen und Reflexionsrunden anregen und Zeitkontingente vorsehen, die Fachkräfte dafür nutzen können, geeignete Männer im Sozialraum zu suchen, diese für das Vorhaben zu gewinnen und die einzelnen Angebote vorzubereiten (Scheibe 2018, S. 58).
Tab. 1: Systematik möglicher Männer (eigene Darstellung)
|
Brennweite des Blickwinkel |
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einrichtungsbezogen |
sozialraumorientiert |
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Erbringungsart der Unterstützung |
Systemwelt |
Erzieher Frühpädagogen Sozialarbeiter etc. |
pädagogische Fachkräfte von Partner Kitas, aus Netzwerken, Jungenarbeiter etc. |
Lebenswelt |
Väter Brüder Onkel Großväter etc. |
Handwerker Geschäftsinhaber Feuerwehrmänner Sportler Pfarrer etc. |
Die Tabelle zeigt überblicksartig verschiedene Männer auf, die möglicherweise gewonnen werden können, um sich in der Kita zu engagieren. Diese sind in vier Felder eingeteilt, um zu verdeutlichen, wie sie erreicht werden können und welchen fachlichen Hintergrund sie mitbringen. Denn es muss nicht immer die pädagogische Fachkraft ein Mann sein, wenn zu Männlichkeit(en) pädagogisch gearbeitet werden soll. Dies kann auch von Erzieherinnen und Pädagoginnen geleistet werden, wenn sie die Treffen mit den Männern geschlechtsreflektierend planen, begleiten und nachbereiten.
Reflexionsfragen
Hat sich das Team einer Einrichtung entschieden Männer stärker im Alltag sicht- und erlebbar machen zu wollen, dann sind sie bereit, dafür auch aktiv zu handeln. Die folgenden Fragen sollen sie dabei unterstützen, die eigene und die strukturimmanenten Chancen und Fallstricke zu reflektieren. Die Sammlung ist eine Anregung. Sie muss nicht abgearbeitet werden und kann selbstverständlich erweitert werden.
Allgemein
- Wie viele reale Männer sind in unserer Einrichtung für die Kinder direkt erlebbar?
- Wie bewerten wir dabei die Häufigkeit, Dauer, Intensität und den Inhalt?
- Welchem Feld ordnen wir die Männer zu?
- Wollen wir, dass sich mehr Männer aus diesem Feld in unserer Einrichtung engagieren?
- Welches Feld ist nicht besetzt?
- Wollen wir, dass sich mehr Männer aus diesem Feld in unserer Einrichtung engagieren?
- Fragen wir die Kinder, welche Männer sie in der Einrichtungen erleben?
- (Wie) Werden die tollen Angebote der Einrichtung außen sichtbar?
Fachkräfte
- Welche Kompetenzen soll eine männliche Fachkraft in unserer Kita haben besitzen/ sich aneignen wollen?
- Wie steht die Geschäftsführung/ Personalabteilung zu männlichen Fachkräften?
- Wie kann unserer Einrichtung für männliche Bewerber (Erzieher, FSJler, Praktikanten etc.) attraktiver werden, ohne weibliche dadurch „abzuschrecken“ oder gering zu schätzen? (z.B. Schutzkonzept)
Väter
- Welche männlichen Familienmitglieder der Kitakinder kennen wir?
- Wer würde an unseren Angeboten für Väter teilnehmen?
- Wie könnten wir durch eine Angebotserweiterung auch andere ansprechen?
- Welche konkreten Kompetenzen besitzen die Väter?
- Wie kommen wir an diese Informationen? (z.B. Tür-und-Angelgespräche)
- Wie können diese gesichert werden? (z.B. Kartei)
- Wie können wir diese für Aktionen fruchtbar gemacht werden? (z.B. besprechen bei Teamsitzungen)
Experten
- Welchen anderen Einrichtungen haben männliche Fachkräfte?
- Wie können wir mit diesen sinnvoll kooperieren? (Win-Win-Situationen)
- Kennen wir andere männliche Experten?
- Besitzen diese neben geschlechts- auch frühpädagogische Fachkenntnisse?
- Wie können wir sie für unsere Einrichtung gewinnen?
Männer aus dem Umfeld
- Welche Männer sind uns im Umfeld der Einrichtung schon aufgefallen?
- Woran erinnern wir uns bei ihnen?
- Wie sehen diese Männer die Arbeit der Einrichtung/ des Teams?
- Wofür sind diese Experten? (z.B. verkaufen, schmieden, musizieren)
- Wie können die Angebote professionell (geschlechts-)pädagogisch flankiert werden?
- Welche Rolle nehmen die weiblichen Fachkräfte während des Angebotes ein?
Sind interne sowie externe Human- und Kooperationspotenziale entdeckt und Strategien entwickelt worden, wie diese Männer in der Kindertageseinrichtung (mit)wirken können, dann sollte dies nicht nur einmal in einem günstigen Moment ausprobiert werden. Es sollten verschiedene Möglichkeiten parallel versucht und immer wieder systematisch wiederholt werden. Dies sorgt für eine größere Dynamik und es können mehr Erfahrungen mit den Neuerungen gesammelt werden (Früchtel/ Budde/ Cyprian 2013a, S. 200).
Übertragung in andere Arbeitsfelder
Männer sind nicht ausschließlich in Frühpädagogik unterrepräsentiert, weshalb sinnvollerweise zu überlegen ist, ob bzw. wie die hier vorgestellten Ideen auf andere Arbeitsfelder übertragen werden können. Die ähnliche Altersstruktur der Kinder legt zunächst den Gedanken nahe, die aufgezeigten Wege auf die Grundschule zu übertragen, denn hier arbeiten mittlerweile auch nur noch wenige männliche Fachkräfte. Früher war Grundschullehramt aber, anders als bei Fachkräften in Kindertagesbetreuungseinrichtung, ein Männerberuf. Weshalb es möglich wäre und deshalb auch versucht wird, an dieses Bild anzuschließen (vgl. Gesterkamp 2017). Dafür ist es viel schwieriger, Väter oder andere männliche Verwandte zu erreichen, da sie kaum noch in der Einrichtung sind. Dies gilt noch stärker für Jugendzentren. Hingegen könnten in beiden Fällen die sozialräumlichen Aktivitäten ähnlich wie in der Kita gestaltet sein und sie sind sicherlich ebenso erfolgreich.
Fazit
In diesem Text habe ich gezeigt, dass es möglich ist, Männer in der Kindertageseinrichtung häufiger sicht- und erlebbar zu machen. Einen oder mehrere Erzieher zu beschäftigen, ist nur ein Weg und es existieren noch weitere. Werden die Geschlechterrollenbilder der bestehenden Teams dabei nicht berücksichtigt, so kann ein solches Vorhaben schnell misslingen, denn deren Vorstellungen sind entscheidend, wenn ein Praktikum zum Boys‘ Day erfolgreich angeboten oder die Einrichtung in Internet und Presse (für Männer) attraktiv dargestellt werden soll. Zudem wird ausschließlich systemweltlich und einrichtungsbezogen geschaut, weshalb die lebensweltlichen und sozialräumlichen Möglichkeiten weitgehend unsichtbar bleiben. Gegangen werden können diese Wege vornehmlich nur, wenn sich die Fachkräfte mutig aufmachen, eine geschlechtsreflektierende und sozialraumorientierte Haltung (weiter) zu entwickeln. Dann können auch verschiedene Wege kombiniert werden. So könnte bspw. ein neuer Erzieher durch attraktive Arbeitsbedingungen gewonnen und ein Externer mit einem angemessenen Honorar entlohnt werden. Den Männern aus dem Umfeld der Einrichtung nützt möglicherweise ein Artikel mit Bild in der Lokalzeitung, durch den andere auf die eigenen Themen aufmerksam werden.
Ungeachtet der Frage, wie die Männer gewonnen werden: bei allen Angeboten von und mit ihnen muss professionell gearbeitet werden. Wenn die Männer aus der Lebenswelt kommen, dann müssen sie mit einer pädagogischen Fachkraft zusammenarbeiten. Deshalb ist die Überlegung auch sehr naheliegend, sich auf Erzieher zu konzentrieren, da erwartet werden kann, dass diese gleichzeitig männlich und professionell sind. Ebenso ist nachvollziehbar, dass Schutzkonzepte attraktiv sind, da sie Sicherheit geben und Einrichtungsteams sie selbst erstellen können und somit nicht von dritten abhängig sind. Aber sowohl die Auswahl, als auch die Art, wie beide zentralen Themen abgehandelt wurden, lassen viele Punkte im Dunkeln.
Es ist zudem egal aus welchem Feld bzw. welchen Feldern die Männer kommen (sollen), die für die Kinder in der Tageseinrichtung sichtbar und erlebbar werden, ist es stets sinnvoll die konkreten Personen vorher genauer aus einer geschlechtsreflektierenden Perspektive zu betrachten, damit durch dieses Engagement nicht ungewollt traditionelle Erwerbsrollen zementiert werden.
Literatur
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- Budde, Wolfgang/ Früchtel, Frank/ Loferer, Andrea (2004): Ressourcencheck– ein strukturiertes Gespräch über Stärken und was daraus zu machen ist. In: Sozialmagazin, 29. Jg., H. 6, S. 14 - 26
- Bundesjugendkuratorium (Hrsg.) (2009): Schlaue Mädchen – Dumme Jungs? Gegen Verkürzungen im aktuelle Geschlechterdiskurs, München
- Cremers, Michael/ Krabel, Jens (2012): Generalverdacht und sexueller Missbrauch in Kitas. Bestandsanalyse und Bausteine für ein Schutzkonzept. In: Cremers, Michael/ Höyng, Stephan/ Krabel, Jens/ Rohrmann (Hrsg.): Männer in Kitas. Opladen/ Berlin/ Toronto: Barbara Budrich, S. 265 – 288
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- Wallner, Claudia/ Drogand-Strud, Michael (2012): Cross Work. Warum der Ansatz so gehypt wird und was er für eine geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe tatsächlich leisten kann. In: Betrifft Mädchen, 60. Jg., H. 3, S. 107 – 113