
Mut zur Vielfalt, Mut zur Prävention – Arbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund
Der Schutz vor sexuellem Missbrauch gilt für Kinder mit unterschiedlichen kulturellen, sozialen und familiären Hintergründen mit oder ohne Behinderung gleichermaßen. Kindbezogene Angebote der Prävention reichen jedoch nicht aus; je kleiner Kinder sind, desto unrealistischer ist die Erwartung, dass sie Missbrauchssituationen alleine verhindern können. Kinder brauchen kompetente Erwachsene an ihrer Seite, und wer ist ihnen näher als die eigenen Eltern? Es gibt viele Gemeinsamkeiten unter Eltern verschiedener Herkunft, wenn es um den Schutz ihrer Kinder vor sexuellem Missbrauch geht. Es gibt jedoch unterschiedliche Nuancen in der Vermittlung von Botschaften der Prävention. Die unterschiedlichen Zielgruppen fordern unterschiedliche Zugänge bzw. benötigen eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung und einen erweiterten Blick, um sie zu erreichen. Eine der Anforderungen, die die Zielgruppe mit Migrationshintergrund betrifft, ist der interkulturelle Ansatz. Prävention hinterfragt immer auch gesellschaftliche Werte und Normen und fordert deren Reflexion und Veränderung. Es fällt vielen Eltern nicht leicht, Normen wie z. B. Geschlechterrollen zu reflektieren oder Verständnis zu entfalten für die Entwicklung kindlicher Sexualität. Für Eltern mit Migrationshintergrund, die eher auf traditionelle Normen zurückgreifen, die sie zudem durch die Mehrheitskultur gefährdet sehen, ist es noch schwerer, bestimmte Prinzipien zu verstehen, die ihre Kinder schützen sollen. Präventionsarbeit ist oft eine Gratwanderung, denn wir haben es hier mit Tabubrüchen, der Entwicklung neuer Blickwinkel, der Hinterfragung von bisherigen Werten und der Reflexion des eigenen Verhaltens zu tun. Aber das Interesse daran, ihre Töchter und Söhne vor sexuellem Missbrauch zu schützen, ist auch bei Eltern mit Migrationshintergrund groß.
Der folgende Beitrag basiert hauptsächlich auf der Erfahrung und den Erkenntnissen aus der interkulturellen Elternarbeit, die wir im Rahmen der Angebote für Eltern im Institut Amyna e.V. (1) gemacht haben bzw. machen. Die meisten Erfahrungen konnten wir im Bereich der Arbeit mit Eltern sammeln, die kleine Kinder bis zu sechs/sieben Jahren haben. Wir halten Elternarbeit mit Eltern, die ältere Kinder haben, jedoch auch für notwendig. Im Rahmen der Schule sind Eltern jedoch – sei es mit oder ohne Migrationshintergrund – schwerer zu erreichen, so unsere Erfahrung. Es wäre überlegenswert, Angebote für Eltern mit jugendlichen Kindern in einem anderen Rahmen zu machen, wie z. B. in Jugendzentren oder im Bereich Freizeit oder Sport.
Ziel unserer interkulturellen, aber auch allgemeinen Elternarbeit ist es, die Eltern zu informieren, ihre Fragen zu beantworten, ihnen den Austausch untereinander zu ermöglichen, sie im Hinblick auf das Thema Prävention sexueller Übergriffe/Gewalt kompetent zu machen und sie in der Umsetzung zu unterstützen.
Wie muss die Präventionsarbeit gestaltet sein, damit sie auch von Eltern mit Migrationshintergrund angenommen wird und interessant ist?
In erster Linie ist es wichtig, dass das Angebot einen informativen Charakter hat. Es ist notwendig, dass die Eltern über sexuellen Missbrauch, seine Dynamik, über TäterInnen und deren Strategien Bescheid wissen. In diesem Teil der Arbeit werden viele Mythen, die bisher Sicherheit vermittelt haben, zerstört. Die Vorstellung, dass die MissbraucherInnen eher fremde Personen sind und sich ihre Opfer auf dem Schulweg oder Spielplatz suchen, erweist sich als nicht richtig. Auch die Annahme, dass Kinder in der eigenen Community und der eigenen Verwandtschaft prinzipiell geschützt sind, wird langsam relativiert, wenn klar wird, dass manche TäterInnen mit den Kindern verwandt sind, viele die Betroffenen vorher kannten und sexueller Missbrauch in allen Kulturen vorkommt. Dies alles mag zwar stark verunsichern, kann aber aufgefangen werden, indem Strategien der Prävention vermittelt und neue Perspektiven aufgezeigt werden. Verunsicherung ergibt sich auch, wenn traditionelle Werte in ihrer Gültigkeit bezweifelt werden, weil sie mit präventivem Verhalten nicht im Einklang sind. Eine geschützte Atmosphäre wie kulturhomogene oder nach Geschlechtern getrennte Gruppen helfen dabei, entstehende Verunsicherungen zuzulassen und das Angebot besser anzunehmen. Eltern in homogenen Gruppen müssen sich nicht für ihr kulturelles Verständnis von bestimmten Werten rechtfertigen und können ohne Angst vor Missverständnissen oder Ausgrenzung mitmischen, sich an Diskussionen beteiligen und sich austauschen, was eine Art Unterstützung und Ermutigung für Reflexion und Veränderung sein kann. Kulturelle Phänomene, wie z. B. übertriebene Höflichkeitsgebote für Kinder Erwachsenen gegenüber, können gemeinsam besser problematisiert werden. Ebenfalls sind geschlechtshomogene Gruppen oft hilfreich, wenn z. B. Mütter ihre Frauenrolle reflektieren und sich gegenseitig unterstützen wollen, anders als bisher zu handeln, beispielsweise in der Erziehung ihrer Töchter. Geschlechtergetrennte Gruppen bieten auch einen Schutzraum für intime Themen. Ohne diesen Schutzraum würden viele Frauen und Männer mit Migrationshintergrund über Themen wie Sexualität oder gar sexuellen Missbrauch nicht sprechen. Oft erleben oder fürchten MigrantInnen, dass die deutschen ReferentInnen/PädagogInnen ihre kulturellen Besonderheiten nicht verstehen oder auf ihre Meinung und Einstellung bezüglich Kindererziehung nicht viel Wert legen. Bei der Arbeit mit Eltern, die bereits solche Erfahrungen gemacht haben, können ReferentInnen mit Migrationshintergrund, die zumindest einen ähnlichen kulturellen Hintergrund haben, sehr hilfreich sein.
Welche Prinzipien sind für Prävention von sexuellem Missbrauch wichtig?
Selbstbestimmung
Selbstbestimmung in Kulturkreisen zu postulieren, deren oberste Werte Gehorsamkeit von Kindern und Respekt vor dem Alter sind, gleicht einer Gratwanderung. Aber wenn der Sinn der Präventionsbotschaften gut vermittelt wird, verstehen auch die meisten traditionell orientierten Eltern, warum es wichtig ist, die Selbstbestimmungsmöglichkeiten von Kindern zu fördern.
Selbstbestimmung ist die wichtigste Botschaft der Prävention, damit Mädchen und Jungen verstehen, dass niemand von ihnen Dinge verlangen darf, die ihre Persönlichkeitsrechte verletzen und sie missachten. Es kann jedoch sein, dass manche Eltern sich gegen das Konzept der Selbstbestimmung von Kindern wehren, weil sie dadurch einen Respektverlust ihrer Kinder befürchten. Eltern haben zuweilen Angst, dass sich ihre Kinder vor lauter Selbstbestimmungsdrang nichts mehr von ihnen sagen lassen, alles machen dürfen, was sie wollen, oder dass sie ihnen alle ihre Wünsche erfüllen müssen. Sie haben möglicherweise Bedenken, dass das Zusammenleben und der Umgang mit einem selbstbestimmt agierenden Kind anstrengender ist als mit einem „braven“ Kind. Erziehung zu Selbstbestimmung bedeutet aber nicht automatisch Unachtsamkeit oder Unhöflichkeit gegenüber anderen Menschen. Kindern muss ebenfalls vermittelt werden, dass jeder Mensch eigene Grenzen hat, die respektiert werden müssen. Eltern muss der Unterschied zwischen völliger Regellosigkeit und Selbstbestimmung verdeutlicht werden. Dieser Teil der Präventionsarbeit hat eine besonders große Bedeutung; es geht darum, dass Kinder lernen, dass sie das Recht haben, nicht allen Erwartungen der Erwachsenen nachkommen zu müssen, da TäterInnen von Kindern Handlungen verlangen oder sie zu sexuellen Handlungen zwingen, die gegen ihren Willen sind und ihre Persönlichkeitsrechte verletzen.
Die zentrale Botschaft der Prävention von sexuellem Missbrauch ist, dass kein Kind und kein/e Jugendliche/r zu sexuellen Handlungen gezwungen werden darf. Dies beinhaltet auch, dass z. B. Jugendliche nicht zu Eheschließungen gezwungen/gedrängt werden dürfen, die Eltern oder Verwandte gut finden – auch das ist Teil des Rechts auf Selbstbestimmung. Es darf überhaupt keinen Zwang in sexuellen Beziehungen geben. Zwangsehe ist nirgendwo in den islamischen Schriften begründet, weder im Koran noch in anderen Schriften, auch wenn einige Muslime dies behaupten und die Zwangsehe religiös zu rechtfertigen versuchen. Kinder und Jugendliche haben das Recht auf sexuelle Unversehrtheit. Dieses Recht ist unantastbar. In diesem Rahmen können Eltern den Kindern und Jugendlichen ihre eigenen Werte vermitteln. Präventionsarbeit – allgemein und interkulturell – hinterfragt normative Vorstellungen und unterstützt Eltern, neue Blickwinkel zu entwickeln und neue Horizonte zu eröffnen.
Sich jemandem anvertrauen und Hilfe holen
TäterInnen setzen Kinder mit ihrem Schweigegebot unter Druck: Sie dürfen niemandem erzählen, was geschehen ist. Das sei ein Geheimnis zwischen ihnen, behaupten sie. Gegen dieses Gebot hilft, wenn Kinder erleben, dass Eltern ein Ohr für ihre Probleme haben. Kinder brauchen die Erlaubnis, „schlechte“ Geheimnisse weiterzuerzählen. Eine vertrauensvolle Gesprächskultur in der Familie verdeutlicht Kindern, dass sie gehört werden und Antworten auf ihre Fragen bekommen. Kinder brauchen AnsprechpartnerInnen, denen sie vertrauen und sich anvertrauen können, wenn sie Sorgen, Ängste oder Probleme haben. Dazu gehören auch Fragen, die sie zu Sexualität haben. Wenn das Thema Sexualität ein großes Tabu ist, trauen sich Kinder nicht, darüber zu sprechen, auch wenn sie sexuellen Missbrauch erleiden. So können sie sich auch keine Hilfe und Unterstützung holen, um den Missbrauch zu beenden. Es kann sein, dass in Familien, in denen die obersten Regeln auf Gehorsam, Respekt und Schamhaftigkeit beruhen, Kinder nicht so viel Mitspracherecht haben oder ihnen beigebracht wurde, nicht so viel zu erzählen und Fragen zu stellen. Eltern können im Kontext von Prävention sexueller Gewalt jedoch oft gut nachvollziehen, wie wichtig eine gute Gesprächskultur ist, dass es Bezugspersonen braucht, die ihre Kinder informieren und dabei auf ihr Sprechen achten und Kindern so lange zuhören, bis sie verstehen, was diese ihnen mitteilen möchten.
Sexualerziehung und Prävention
Es gibt vermutlich viele Eltern – sei es mit, sei es ohne Migrationshintergrund –, die sich wenig mit Sexualerziehung beschäftigen, da sie nicht viel über kindliche Sexualität und deren Entwicklung wissen. Es wird eher angenommen, dass Sexualität nur für Erwachsene relevant und in Bezug auf Kinder kein Thema ist. Die Notwendigkeit von Sexualerziehung für Prävention und Schutz sollte deshalb auf Elternabenden angesprochen werden. Kinder brauchen Informationen über ihren Körper und seine Funktionen. Unter dem Deckmantel, ihnen Wissen zu vermitteln, nutzen TäterInnen oft das Unwissen von Kindern aus. Diese brauchen vertrauenswürdige Bezugspersonen, die ihre neugierigen Fragen beantworten und sie bei komplizierteren Angelegenheiten im Verstehen unterstützen können. Sexualaufklärung von Mädchen und Jungen ist Teil der Prävention: Informierte Kinder, die die Erlaubnis der Eltern haben, über ihren Körper und ihre Sexualität zu sprechen, laufen weniger Gefahr, von TäterInnen ausgenutzt zu werden.
Erfahrungsgemäß fällt Sexualerziehung Eltern schwer, die aus Kulturen kommen, in denen das Thema Sexualität stark tabuisiert ist. Die Gründe für fehlende Sexualerziehung, zumindest in muslimischen Familien, können sein (vgl. Cagliyan 2006; Djafarzadeh 2010, S. 81):
- das große Schamgefühl, über sexuelle Themen mit den eigenen Kindern zu sprechen,
- Angst und Schamgefühl, offen zuzugeben, dass sie selbst Sexualität leben,
- Angst vor Respektverlust, wenn sie über sexuelle Themen mit ihren Kindern sprechen; vor allem Angst davor, dass Kinder diese Gespräche als Erlaubnis für freizügiges sexuelles Verhalten verstehen könnten,
- Angst davor, dass ihre Kinder durch Sexualerziehung schädliche Informationen erhalten, die sie nicht verstehen oder verarbeiten können,
- eine Protesthaltung gegenüber der allgemeinen Enttabuisierung der Sexualität und Pornofizierung in öffentlichen Medien, Musik und auf dem Konsummarkt. Pornofizierung ist ein Grund für viele Eltern, sich dem Thema Sexualität zu versperren und durch ihr Schweigen über Sexualität zu versuchen, ihre Kinder davor zu schützen.
Laut einer Befragung von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) spielen Eltern mit Migrationshintergrund in der Sexualaufklärung ihrer Kinder eine weitaus geringere Rolle als Eltern ohne diesen Hintergrund (vgl. BZgA, 2010, S. 18). Besonders Jungen mit Migrationshintergrund werden von ihren Eltern unterversorgt. Eher gefragt werden der/die beste FreundIn oder VertrauenslehrerInnen, wenn es bei Jungen um das Thema Sexualität geht. Die Studie lässt stark vermuten, dass das mangelnde Gesprächsangebot der Eltern auch Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter betrifft. Dies kann als Appell an Institutionen, die mit kleineren Kindern arbeiten, verstanden werden, auch Eltern mit Migrationshintergrund für diese Aufgabe zu gewinnen oder ggf. selbst dieses Defizit zu füllen und sich von den Eltern die Zustimmung dafür geben zu lassen. Man könnte Eltern mit dem Hinweis motivieren, dass es unter Umständen leichter und mit weniger Schamgefühlen besetzt ist, wenn sie bereits mit kleineren Kindern üben, über Sexualität zu sprechen. Eltern berichteten, dass es mit zunehmendem Alter der Kinder sowohl für die Kinder als auch für sie selbst schwieriger werde, über intime Themen zu sprechen. Ältere Kinder hätten sich schon von den Eltern distanziert und würden sich nicht mehr auf intime Gespräche mit ihnen einlassen.
Geeignete Materialien als Hilfsmittel
Der Einsatz von geeigneten Büchern und Printmaterialien ist hilfreich, um Präventionsinhalte zu vermitteln. Bilderbücher sind grundsätzlich ein gutes Hilfsmittel für Eltern und Fachleute, mit Kindern über unterschiedliche Themen zu sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Materialien, die speziell auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten sind. Kinder und ihre Eltern brauchen Bilder oder Geschichten, mit denen sie sich identifizieren können und von denen sie sich angesprochen fühlen. Deshalb bedarf es vieler und vielfältiger Bilderbücher mit präventiven Inhalten, die z. B. auch andere Familienkonstellationen behandeln als die Standardfamilie Vater, Mutter, Kind: z. B. alleinerziehende Elternteile, Großfamilien und auch gleichgeschlechtliche Familienkonstellationen. Es muss auch Materialien geben, die nicht nur weiße und/oder blonde AkteurInnen mit deutschen Namen haben. Zudem zeigt unsere Erfahrung, dass sexualpädagogische Bilderbücher für die interkulturelle Elternarbeit problematisch sein können, die zwar fachlich/inhaltlich sehr gut sind, aber mit ihren sehr konkreten und offenherzigen Bildern oder dem direkten Ansprechen von Aspekten des Intimlebens der Eltern viele traditionellere Mütter und Väter abschrecken. Oft zeigen sich Mütter und Väter bei Bildern zu Sex- oder Geburtsszenen oder einer ausführlichen Beschreibung des Lustaspekts beim Sex sehr beschämt, sodass sie die Bücher nicht akzeptieren. Hier geht es nicht darum, einem neuen Konservatismus in sexualpädagogischen Büchern das Wort zu führen und die bisherigen Bücher nicht mehr einzusetzen, sondern darum, die Eltern zu erreichen, sie dort abzuholen, wo sie stehen, um sie für das Thema Sexualerziehung zu motivieren. AMYNA e.V. veröffentlichte 2011 ein sexualpädagogisches Bilderbuch mit dem Titel „Pelin und Paul – Ein Buch über Mädchen und Jungen, den Körper und mehr“, in dem der Versuch gemacht wird, ein Bilderbuch vorzulegen, das auch für Kinder traditioneller Eltern einsetzbar ist und das diese Mütter und Väter befürworten können. Uns ist bewusst, dass in diesem Buch viele relevante Aspekte der Sexualerziehung nicht angesprochen werden, wie z. B. Homosexualität. Aber wir möchten Eltern mit Migrationshintergrund erste Schritte ermöglichen und auch für sie zentrale Botschaften der Prävention und der Sexualerziehung bereitstellen.
Fazit: In Sachen Prävention gibt es noch viel zu tun
Viele Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe und aus dem schulischen Bereich sind verunsichert, wenn sie mit dem Thema sexueller Missbrauch konfrontiert werden, was sich potenziert, wenn sie sehen, dass sie dazu auch mit Eltern mit Migrationshintergrund arbeiten sollen. Seit über 25 Jahren wird in Deutschland Präventionsarbeit gemacht. In dieser Zeit hat sich viel geändert, Präventionsangebote haben sich weiterentwickelt, es wurden einige Untersuchungen durchgeführt und viele Bücher veröffentlicht. Beratungsstellen wurden eröffnet, die betroffenen Mädchen und Jungen helfen sollen, den sexuellen Missbrauch zu verarbeiten und damit einer Reviktimisierung vorzubeugen. Nach wie vor zeigen Studien jedoch, dass Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund einen sexuellen Missbrauch seltener aufdecken als Menschen ohne einen solchen Hintergrund (vgl. Bange 2011, S. 49). Dies verstehen wir als Appell an Institutionen, die mit Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund arbeiten, sich dem Thema zu öffnen, sich nicht zu scheuen, Hilfe zu holen, Fachleute anzufordern, offene Fragen zu beantworten, Eltern in ihre Arbeit miteinzubeziehen, darüber zu kommunizieren, mit ihnen zusammenzuarbeiten und dadurch Mut zur Vielfalt und Mut zur Prävention zu zeigen. Es gibt in Bezug auf Prävention sexueller Gewalt und sexueller Übergriffe noch viel zu tun – allgemein und interkulturell.
Anmerkung
(1) AMYNA – Institut zur Prävention von sexuellem Missbrauch, wird seit 1992 von der Stadt München bezuschusst – arbeitet auf unterschiedlichen Ebenen für die Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen vor sexueller Gewalt. Neben Fortbildungen für Fachleute und Elternabenden bietet AMYNA Einzelberatung für Mütter, Väter oder andere Bezugspersonen von Kindern bzw. Jugendlichen oder pädagogische Fachkräfte und steht auch Trägern, die ihre Institution umfassend vor sexuellem Missbrauch durch MitarbeiterInnen schützen wollen, in Form von Trägerberatung zur Verfügung.
Kontakt
Literatur
Bange, Dirk (2011): Eltern von sexuell missbrauchten Kindern. Reaktionen, psychosoziale Folgen und Möglichkeiten der Hilfe. Göttingen.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.) (2010): Jugendsexualität. Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern. Aktueller Schwerpunkt Migration. Ergebnisse der aktuellen Repräsentativbefragung. Köln.
Cagliyan, Menekse (2006): Sexuelle Normenvorstellungen und Erziehungspraxis von türkischen Eltern der ersten und zweiten Generation in der Türkei und in Deutschland. Berlin.
Djafarzadeh, Parvaneh (2010): Geschützter Rahmen, offene Haltung. In: AMYNA e.V. (Hrsg.): Prävention geht alle an! München, S. 77–84
Schmidt, Elke/Djafarzadeh, Parvaneh/Rudolf-Jilg, Christine/Amyna e.V. (Hrsg.) (2011): Pelin und Paul. Ein Buch über Mädchen und Jungen, den Körper und mehr. München.
Wir übernehmen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung der Redaktion aus den IzKK-Nachrichten, die vom Deutschen Jugendinstitut herausgegeben werden.