
Neue Pläne aus Berlin für Grundschule und Sprachförderung in der Kita
Wir geben hier den Inhalt des Artikels "Jetzt haben Schulen die Wahl" im Tagesspiegel vom 20.11.2010 von Susanne Vieth-Entus wider.
Die Sprachförderung in der Berliner Kita soll laut Bildungsverwaltung ausgedehnt werden. Vorschulkinder sollen täglich fünf statt bisher drei Stunden lang in der Kita gefördert werden. Außerdem plant die Senatsverwaltung Sanktionen gegenüber Eltern, die ihre Kinder nicht zum Sprachtest oder anschließend in die Kita schicken. Derartige Maßnahmen erscheinen erforderlich, weil von ca. 2000 Kindern im Vorschulalter, die keine Kita besuchen, rund 1400 nicht zum verpflichtenden Sprachtest erschienen sind. Eltern, die ihre Kinder bis zur Einschulung bei den Großeltern in der Türkei lassen und von daher den Sprachtest auslassen, werden ebenfalls mit Sanktionen belegt. Bildungssenator Zöllner überlegt darüber hinaus, ob die Sprachtests nicht eineinhalb oder zwei Jahre vor der Einschulung Sprachtests zumuten solle, damit eine Förderung früher erfolgen kann. Sie könnte dann auch eher juristisch durchgesetzt werden.
Eine weitere Änderung ist bei Jül vorgesehen. Jül - das heißt jahrgangsübergreifendes Lernen in den ersten Schuljahren. Dieses Konzept wurde den Berliner Schulen verordnet, soll aber jetzt wieder teilweise zurückgenommen werden. Interessanteste Kritikerin ist Emine Demirbürken-Wegner (CDU), die Jül als "Schwachsinn" bezeichnet hat. Jül kann nämlich nur gut funktionieren, wenn zwei pädagogische Fachkräfte sich um die Bildung der Kleinen kümmern, dieser Anspruch wird jedoch nicht überall realisiert. Insbesondere Schulen in sozialen Brennpunkten erleben Jül als zusätzliche Belastung und nicht als Erleichterung der pädagogischen Arbeit.
Kommentar der Redaktion
Es ist absolut wünschenswert, dass Kinder schon sehr früh mit der Sprache vertraut werden, die sie dann in der Schule können müssen, um schulische Erfolge zu erzielen. Die Frage ist jedoch: Sind finanzielle Sanktionen gegenüber den Eltern sinnvoll? Hier sollte man sich etwas anderes einfallen lassen, denn man kann den Eltern, meist ohne guten finanziellen Hintergrund, nicht noch etwas wegnehmen, ohne dass es den Kindern fehlt.
Dass Jül nur unter bestimmten Umständen funktionieren kann, war von vorneherein klar. Es ist ein Jammer, dass die Stimmen der PraktikerInnen (=Lehrkräfte und SozialpädagogInnen) nicht gehört wurden. Nun wird ein Konzept vorgelegt, das auf die Eigenarten der jeweiligen Schule bzw. ihres Umfeldes Rücksicht nimmt, und das ist vernünftig.
Bei der Kritik an der fehlenden Integrationswilligkeit von Eltern und den fehlenden Sprachkenntnissen der Kinder gibt es allerdings einen wesentlichen Mangel. Wir wissen aus der Pädagogik und der Psychologie, dass Menschen zu Verhaltensänderungen am ehesten bereit sind, wenn sie für das, was sie können und leisten, gelobt werden. Wir sollten uns mal klar machen, was wir von den Kindern verlangen, die mit sechs Jahren zwei Sprachen fließend sprechen können müssen. Wir sollten uns mal deutlich machen, dass deutsche Kinder diese Leistung nicht erbringen (es sei denn, sie wachsen in einem zweisprachigen Elternhaus auf, was nicht die Regel ist). Immer wenn ich in der U-oder S-Bahn die türkischen und arbabischen Mädchen und Jungen, die von der Schule kommen, großartiges Deutsch sprechen höre - bis sie dann auf einmal in ihre Muttersprache wechseln -geniere ich mich. Ich kann keine Fremdsprache so fließend sprechen wie diese jungen Menschen es können. Warum gibt es nicht in jeder Schule Preise für diese Kinder und Jugendlichen? Sie schaffen mehr als manche Lehrkräfte, die nicht mal fließend Englisch können. Und dabei ist der Unterschied zwischen der englischen und der deutschen Grammatik und dem Wortschatz bei weitem nicht so groß wie der Unterschied zwischen deutsch und türkisch bzw. arabisch.