mehrere Kinder

Neuer Haustarifvertrag bei FRÖBEL - ein Träger geht neue Wege in der Tarifpolitik

Timo Stampe

01.03.2010 Kommentare (4)

Hintergrund

Die gesellschaftliche Anerkennung des ErzieherInnen-Berufs ist noch lange nicht dort angelangt, wo man sich das Berufsbild und den damit verbundenen Status einer hochqualifizierten pädagogischen Fachkraft in einer modernen, bildungsorientierten Einrichtung wünschen würde. Auf Seiten von Ämtern, Behörden und Politikern ist zwar oft die Rede davon, dass die Umsetzung der Bildungspläne in vorschulischen Einrichtungen höchste Priorität habe. Andererseits liegt die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung aber noch immer hinter den Schulstrukturen zurück, wenn es um die gesellschaftliche Wahrnehmung einer „echten" Bildungseinrichtung geht, die sich in den Kanon der bildungsbiographischen Chronologie von Schul-, Fach- und Hochschulausbildung einreihen lässt.

Dass die Stellung des ErzieherInnen-Berufes einer ebenso dringenden finanziellen Aufwertung bedarf, steht außer Frage und wird auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Das Jahr 2009 war für ErzieherInnen in städtischen und kommunalen Kindertagesstätten von einem besonderen Arbeitskampf geprägt - ein vergleichsweise einmaliges Tarifergebnis hat im November vergangenen Jahres zu einem durchschnittlichen Lohnanstieg von knapp 12% im öffentlichen Dienst (TVöD) geführt. Allerdings ist deutschlandweit nur knapp ein Drittel aller ErzieherInnen im öffentlichen Dienst tätig - der Großteil von ihnen ist in Kindertagesstätten von freien Trägern und Kirchen angestellt. Ebenso stammen viele bundesdeutsche Tarifverträge, die sich ausschließlich an der Beschäftigungsdauer ausrichten, noch aus Zeiten, in denen das lebenslange Lernen - und nicht zuletzt auch das lebenslange Recht auf Bildung - noch Fremdwörter waren.

Diese beiden grundlegenden Überlegungen - die finanzielle und bildungsorientierte Aufwertung des ErzieherInnen-Berufes - haben dazu geführt, dass sich Geschäftsführung und Betriebsrat der gemeinnützigen FRÖBEL-Gruppe gemeinsam an die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gewandt haben, um den deutschlandweit über 1.500 MitarbeiterInnen bei FRÖBEL eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine verlässliche Perspektive bei der zukünftigen Gehaltsentwicklung zu ermöglichen. Dass MitarbeiterInnen-Vertreter und Arbeitgeber sich von Anfang an über dieses Ziel einig waren, hat innerhalb kürzester Zeit dazu geführt, dass die FRÖBEL-Gruppe einen Haustarifvertrag abgeschlossen hat, der aufgrund einer vorrangigen Orientierung an Fortbildung und Qualifizierung im klassischen Sozial- und Erziehungsdienst bisher seinesgleichen sucht. Darüber hinaus wurde zum ersten Mal ein tarifvertraglich festgeschriebener wöchentlicher Zeitrahmen für die mittelbare pädagogische Arbeit vereinbart, die insbesondere der Vor- und Nachbereitung zur Verfügung steht.

Fortbildungsorientierte Stufenaufstiege - lebenslanges Lernen

Eine der wesentlichen Grundlagen wirkungsvoller Pädagogik ist die Vorbildfunktion. Professionalität bedeutet für ErzieherInnen auch, an immer mehr Stellen Vorbildfunktionen einzunehmen - nicht nur für die betreuten Kinder, sondern auch für KollegInnen und Eltern. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat man sich bei FRÖBEL dazu entschlossen, im Gegensatz zu klassischen Tarifmodellen die Fortbildung der eigenen MitarbeiterInnen als zentralen Bestandteil einer qualifizierungsorientierten Tarifautomatik einzurichten. Im Detail bedeutet dies, dass der Aufstieg in eine höhere Gehaltsstufe nicht ausschließlich an die „Verweildauer" im Betrieb geknüpft ist, sondern gleichermaßen die im Sinne der Einrichtung absolvierten Fortbildungen als wesentliche Aufstiegsvoraussetzung einbezieht. Erwirbt eine neu eingestellte Mitarbeiterin durch einen dreitägigen Lehrgang beispielsweise drei Credits - sogenannte Fortbildungspunkte - hat sie bereits die Hälfte der benötigten Fortbildungen für den ersten Stufenaufstieg erreicht. Absolviert sie zum Ende des zweiten Beschäftigungsjahres eine weitere Veranstaltung gleichen Umfangs, steht der Gehaltssteigerung um 105,- EUR nichts mehr im Wege.

Kritiker dieses Modells könnten bemängeln, dass durch die Einführung der fortbildungsorientierten Stufenaufstiege eine zusätzliche Hürde eingebaut würde, um Gehaltsaufstiege zu verhindern. Dass dieses Argument nicht tragfähig ist, lässt sich allein schon durch den im Tarifvertrag verankerten Anspruch auf Fortbildung entkräften - nicht zuletzt sind diejenigen MitarbeiterInnen, die sich schon heute in einer Vielzahl von teilweise privat finanzierten Qualifizierungen für die Verbesserung der pädagogischen Qualität engagieren, bislang immer im Nachteil gegenüber allen anderen KollegInnen, die dies nicht tun. Durch die große Ausweitung des Fortbildungsprogramms des FRÖBEL-Bildungswerks wurde ein weiterer wichtiger Schritt getan, um die Möglichkeit zur Weiterbildung auf eine noch breitere Grundlage zu stellen.

Aufgrund der erstmaligen Einführung eines solchen Tarifvertrags bei einem freien Träger bleibt abzuwarten, inwieweit bestimmte Einzelregelungen zukünftig gegebenenfalls noch in der Einführungsphase angepasst werden müssen. Eine gute und solide Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung der personalpolitischen Neuerungen bei FRÖBEL ist gelegt. Möglich wurde dies nicht zuletzt auch deswegen, weil im Zusammenspiel von Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und GewerkschaftsvertreterInnen auf mühselige und zeitraubende Verhandlungsrituale verzichtet werden konnte. Es besteht nun die große Chance, mit dem Haustarifvertrag bei FRÖBEL den hohen Ansprüchen moderner Frühpädagogik besser gerecht zu werden - auch als Vorbild für zukünftige Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst.

Mehr Geld in Zeiten der Krise?

Die FRÖBEL-Gruppe betreibt Kindertagesstätten und Horte in mehr als zehn unterschiedlichen Kommunen und Städten, was eine jeweils zehnfach unterschiedliche Umsetzung der jeweiligen Finanzierungsregelungen bedeutet. Der Haustarifvertrag der FRÖBEL-Gruppe hat diesen Umstand in seiner Gehaltstabelle bestmöglich berücksichtigt und stellt dementsprechend einen Kompromiss dar, der so vielen MitarbeiterInnen gerecht wird wie möglich. Die Einführung der neuen Gehaltsstruktur führt bis 2012 bei FRÖBEL zu einer finanziellen Mehrbelastung von insgesamt über zwei Millionen Euro - im Hinblick auf die Fortbildungsorientierung des Tarifvertrags allerdings gut angelegtes Geld. Die Städte und Kommunen, die in ihren eigenen Einrichtungen den neuen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst umsetzen müssen, stehen hier noch vor einem Problem. In Zeiten wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen und neuer Schuldenpolitik wird bereits in mehreren Rathäusern in Erwägung gezogen, die Gehaltssteigerung im öffentlichen Dienst über eine Erhöhung der Elternbeiträge oder den Verzicht auf kostenfreie Betreuungsplätze zu finanzieren.

Die damit verbundenen Mehrbelastungen junger Familien und oftmals auch alleinerziehender Elternteile dürfen in keinem Falle hingenommen werden. Aber auch hier zeigt sich, dass es in Sachen frühkindlicher Bildung noch viel zu tun gibt. Eine Lobby für ErzieherInnen ist in Teilen zwar gewerkschaftlich oder in Wohlfahrtsverbänden und Wissenschaft organisiert, ist aber noch zu schwach, um mit dem Einfluss von Lehrerverbänden und Hochschulen mitzuhalten. Allein im neu gewählten Deutschen Bundestag, der insgesamt 622 Mandatsträger zählt, sind nur drei Abgeordnete beruflich in der sozialen Arbeit verankert und stehen über 40 verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern im Parlament gegenüber. Mehr Selbstbewusstsein und eine höhere Wertschätzung der wichtigen und höchst anspruchsvollen Arbeit von pädagogischen Fachkräften in Krippen, Kitas und Horten ist also dringend notwendig, um die Versuche, an der Zukunft der Kinder sparen zu wollen, zu unterbinden.
Bei FRÖBEL hofft man dementsprechend umso mehr, durch die neuen und tarifvertraglich abgesicherten Qualifizierungswege einen Schritt voran gekommen zu sein, wenn es um die Mitwirkung von Trägern an politischen Entscheidungsprozessen geht - Partizipation durch Bildung, von Anfang an - auch in Krippe und Kindergarten.

Timo StampeTimo Stampe, Diplom-Sozialwirt, ist als Prokurist bei der FRÖBEL Competence GmbH zuständig für Tarifpolitik
www.froebel-gruppe.de

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Kommentare (4)

Pia Schnadt 08 Juni 2011, 13:38

Sehr geehrter anonymer Komentator,
ich kann Ihnen nur beipflichten. Durch Feiertage dürfen keine Minusstunden entstehen Dies ist im FRÖBEL Haustarifvertrag auch nicht vorgesehen, denn auch hier gelten Sonn- und Feiertage als arbeitsfrei, ohne dass dadurch Minusstunden entstehen. Darüber hinaus sind auch im FRÖBEL Haustarifvertrag Feiertagszuschläge vorgesehen. Laut § 25 Abs. 0 betragen diese für Arbeitsleistungen, die an Feiertagen erbracht werden, je Stunde 35 v. H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Stufe und Gruppe.

R.H 08 Juni 2011, 09:34

Sehr geehrter Herr Stampe,
Sehr geehrte Fröbel Gruppe,
sieht Ihr Haustarifvertrag auch vor, gesetzliche Feiertage als Minusstunden den Mitarbeitern bzw. Erzieherinnen auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Nach unserer Auffassung gibt es ein sogenanntes Arbeitsschutzgesetz das nach § 9 vorgibt an Sonn und Feiertagen grundsätzlich keine Beschäftigung nachgegangen wird. Sollte dies aus besonderen Umständen erforderlich sein, so werden diese Tätigkeiten nach dementsprechenden Feiertags-Tarifen vergütet. Dem Mitarbeiter entstehen allein im Monat Juni bedingt durch 3 gesetzliche Feiertage 24 Minusstunden! Da kann und darf nicht Richtig sein!!!

Timo Stampe 23 März 2010, 11:25

Sehr geehrte Frau Gerlach,
ich kann Ihnen in Bezug auf private, nicht profitorientierte Träger beipflichten und Sie darauf hinweisen, dass das Gehaltsniveau des Haustarifvertrags bei FRÖBEL derzeit über mehreren anderen Haustarifverträgen bei vergleichbaren gemeinnützigen freien Trägern liegt. Andere freie Träger, die keinerlei tariflicher Bindung unterliegen, zahlen bspw. in Berlin oftmals noch ein Einstiegsgehalt von 0.700,- EUR für ErzieherInnen, bei FRÖBEL liegt dieses bei 2.000,- EUR monatlich. Deswegen sind wir äußerst guter Dinge, auch zukünftig mit motivierten und zufriedenen Fachkräften eine hochwertige pädagogische Arbeit anbieten zu können. Insbesondere die letzten Monate haben uns dies bereits in der Praxis bestätigt.

Monika Gerlach 21 März 2010, 14:13

Wer sein Personal nicht angemessen bezahlen kann, sollte sich nach Meinung der Fachszene und auch meiner Meinung nach als privater Träger im Kindertagesstättenbereich verabschieden.

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