Neugier trifft Technik: 10. Tüftler- und Forscherinnentag Baden-Württemberg
Kita-Kinder besuchen Unternehmen und Institutionen aus Naturwissenschaft, Technik und Handwerk. Sie lernen dabei die Arbeitswelt besser kennen, staunen über Maschinen und Anlagen, erproben bei spannenden Mitmach-Aktionen unbekannte Werkzeuge und ungewöhnliche Materialien oder erforschen naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Das ist die Idee des Tüftler- und Forscherinnentags Baden-Württemberg der element-i Bildungsstiftung. Am 13. Mai 2025 feierte der Aktionstag seinen zehnten Geburtstag – mit 54 Betrieben, die ihre Pforten für Kita-Kinder öffneten.
Was 2014 mit acht Unternehmen aus Stuttgart und dem Umland und 170 teilnehmenden Kindern startete, kam bei Kitas und Unternehmen so gut an, dass es von Jahr zu Jahr – von einer Corona-Delle abgesehen – stetig wuchs. 2025 machten 54 Betriebe und Institutionen in 27 baden-württembergischen Städten und Gemeinden beim Tüftler- und Forscherinnentag mit. Sie hatten 1.100 Kinder zwischen vier und sieben Jahren zu Gast.
Zugänge zu Naturwissenschaft und Technik eröffnen
„Seit seinem Bestehen profitierten rund 7.500 Kita-Kinder aus 560 Kindertagesstätten vom Tüftler- und Forscherinnentag. Und 106 Organisationen aus insgesamt 40 Kommunen hatten Kita-Gruppen zu Gast“, berichtet mir Meike Betz-Seelhammer, Leiterin der element-i Bildungsstiftung und ergänzt: „Unser Antrieb ist es, allen Kindern – unabhängig von ihren sozialen Voraussetzungen – Zugänge zu naturwissenschaftlich-technischen Themen zu eröffnen, ihnen Impulse zu geben, die sie weiterverfolgen können, und ihnen Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten zu vermitteln.“
Wie das funktioniert? Das schaue ich mir beim diesjährigen Tüftler- und Forscherinnentag in Karlsruhe an. Tom Peper, Fotograf der Stiftung, und ich machen uns auf den Weg nach Karlsruhe, wo wir zwei Unternehmen besuchen und den Kindern beim Tüfteln über die Schulter schauen wollen:
Schrauben & Muttern bei den Stadtwerken Karlsruhe
Um 9.00 Uhr morgens bei den Stadtwerken Karlsruhe: Zwölf Kinder aus der Evangelischen Kindertageseinrichtung Reinhold-Schneider-Straße sitzen bereits gespannt in einem der Ausbildungsräume im Bereich Mechanik, als wir eintreffen. Ausbildungsreferentin Monika Vogel gibt jedem Kind ein laminiertes Bild, das unterschiedliche Schrauben, Unterlegscheiben und Muttern zeigt, die zwei längliche Kunststoffbrettchen zusammenhalten, sowie eine gelbe Box, die alle Teile enthält, die auf dem Foto zu sehen sind. „Eure Aufgabe ist es, die Brettchen genauso zusammenzuschrauben, wie es das Bild zeigt,“ sagt der Leiter der Ausbildungswerkstatt Adrian Kary.
Alles muss korrekt sein
Die Kinder machen sich konzentriert ans Werk. Die einen studieren noch das Foto, während andere gleich ausprobieren, welche Mutter zu welcher Schraube passt und die Brettchen anschließend damit verbinden. Schon nach wenigen Minuten ruft Nina: „Ich bin fertig!“ Doch was ist das? Es sind noch Teile übrig. Da kann etwas nicht stimmen. Sie schaut noch einmal genau hin. Sie hat einige Unterlegscheiben vergessen. Das geht nicht nur ihr so. „Ich hab‘ alles falsch!“, ruft der Junge, der neben ihr sitzt und klingt dabei belustigt. Samuel macht ähnliche Erfahrungen. Als er alle Schrauben untergebracht hat, sind noch drei Unterlegscheiben in seiner Box. Schnell findet er die Stellen, an denen sie fehlen, und korrigiert sie geduldig. Nun schaut der Ausbildungsleiter vorbei und sagt: „Da sind ja alle Schrauben drin. Aber schau das Foto mal genau an. Entdeckst du einen Unterschied?“ Samuel merkt, dass auf dem Bild alle Schraubenköpfe auf einer Seite der Brettchen und alle Muttern auf der anderen Seite zu sehen sind. Das hat er nicht beachtet. Ungerührt macht er sich noch einmal an die Arbeit und passt sein Werkstück den Vorgaben an. „Das hat Spaß gemacht“, lautet sein Fazit. „Aber es war auch ein bisschen schwierig – wegen der Muttern.“
„Jetzt weißt du, wie es geht“
Schließlich haben alle Kinder Schrauben, Unterlegscheiben und Muttern korrekt verbaut. Dann heißt es: „Nun bitte alles wieder auseinandernehmen und in die Boxen zurücklegen. Dann können die Kinder beim nächsten Tüftler- und Forscherinnentag das Material ebenfalls nutzen.“ „Dann habe ich ja alles umsonst gebaut“, beschwert sich ein Junge. „Aber jetzt weißt du, wie es geht!“, sagt Erzieherin Corinna Manaa, die vom Tüftler- und Forscherinnentag ebenso begeistert ist wie die Kinder. „Der Aktionstag gibt uns die Chance, mit den Kindern in neue Welten außerhalb der Kita einzutauchen. Dieses Angebot hier bei den Stadtwerken passte besonders gut, da wir mit unseren ‚Schlaufüchsen‘, die im Herbst in die Schule kommen, gerade ein Projekt zur Feinmotorik durchführen“, berichtet die Erzieherin.
Erfolgserlebnisse vermitteln
Monika Vogel erklärt, warum die Stadtwerke sich bereits seit vielen Jahren regelmäßig am Tüftler- und Forscherinnentag beteiligen: „Wir wollen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und schon junge Kinder – Jungen wie Mädchen – an technische Themen heranführen. Hier können sie erleben: ‚Ich kann das auch!‘ Außerdem ist es schön, wenn die Kinder etwas mit den Stadtwerken verbinden. Wir versorgen hier in Karlsruhe viele Haushalte mit Strom, Gas, Wasser und Fernwärme und immer mehr Kinder können sagen: ‚Die Stadtwerke? Die kenne ich. Da war ich schon mal.‘“
Für die Kindergruppe geht der Tüftler- und Forscherinnentag noch weiter. Sie sind als nächstes im IT-Bereich der Ausbildungswerkstatt zu Gast. Zum Schluss steht die Elektronik auf dem Programm. Doch wir müssen schon weiter zum nächsten Angebot.
Nagelbrett und Solarwindmühle bei der EnBW in Karlsruhe
Neun Jungen und Mädchen aus dem Evangelischen Kinder- und Familienzentrum Villa Regenbogen stehen staunend in der Ausbildungswerkstatt beim Energieversorger EnBW. Hier gibt es viele spannende Maschinen und Geräte. Die Auszubildenden erzählen den jungen Besucher:innen geduldig, wozu die Maschinen gut sind. Es entspinnen sich Dialoge: „Ich möchte einen Diamanten machen!“, ruft ein Junge einem Azubi an einer Drehmaschine zu. „Hier können wir nur Metall verarbeiten“, sagt der Auszubildende und bittet die Kinder, in sicherer Entfernung stehenzubleiben. „Ich will einen Hammer“, sagt ein anderer Junge und bekommt zur Antwort: „Es gehen nur runde Gegenstände.“
„Ich habe es hingekriegt!“
Einige andere Kinder sitzen noch an einem niedrigen Tischchen und basteln an einem Nagelbild. Dafür haben EnBW-Auszubildende kleine Holztafeln mit Nägeln vorbereitet. Jetzt ist es die Aufgabe der Kinder, die Nägel mit einem dünnen Metalldraht so zu verbinden, dass der Draht um jeden Nagel herumführt. Dabei stehen ihnen die Auszubildenden mit Rat und Tat zur Seite. „Ich habe alles hingekriegt“, erklärt mir Laura stolz. „Aber das war schwer, weil der Draht hart ist.“
Eine schöne Erfahrung für die Auszubildenden
Ausbilder Maximilian Filler sagt: „Wir wollten mit den Kindern etwas machen, das gleichzeitig einfach aber haptisch anspruchsvoll ist. So schulen sie ihre Feinmotorik.“ Es macht ihm Spaß zu beobachten, wie die Kinder an die Aufgabe herangehen und wie sie sich bei der Lösung gegenseitig unterstützen. „Wir brauchen in Zukunft Menschen, die sich auf neue Herausforderungen einstellen, sich dabei gut selbst steuern und gemeinsam Probleme lösen können.“ Beim Tüftler- und Forscherinnentag denkt er jedoch nicht nur an die Förderung des Vorschul-Nachwuchses: „Auch für unsere Azubis ist es eine positive Erfahrung, den Kindern spielerisch etwas beizubringen und dabei eigenes Wissen weiterzugeben.“
Kinder, die ihre Nagelbilder fertiggestellt haben, stehen unterdessen vor der Laserschneid-Maschine Schlange, um ihren Namen auf das Brettchen gravieren zu lassen. Dazu müssen sie ihn in den Computer eingeben. Alpaslan braucht einige Zeit, bis alle Buchstaben an der richtigen Stelle stehen. Seine Erzieherin hilft ihm.
Sie dreht sich
Jetzt ziehen wir mit der ganzen Kindergruppe aus der Werkstatt in einen Seminarraum um. Hier haben die Kinder die Aufgabe, eine solarbetriebene Windmühle zusammenzubauen. Dafür gibt es Bausätze. Zaid versucht, mit winzigen Schrauben den Motor, der das Rad antreiben soll, an der Frontseite der Windmühle festzuschrauben. Einer der EnBW-Azubis hilft. Das wäre geschafft! Geschickt steckt Zaid die restlichen Hausteile zusammen. Er ist bereits beim Dach angelangt, durch dessen eine Seite er eine kleine Solarzelle gesteckt hat, als ihm auffällt, dass etwas nicht stimmt. Auf der einen Hausseite klafft eine Lücke zwischen Dach und Wand. Gleichzeitig ist die Wand so lang, dass das Haus nicht richtig steht. Zaid lacht laut auf. Die Wand steckt verkehrt herum drin. Er baut zurück und neu. Nun befestigt er noch die Solarzelle mit dem beiliegenden Klebestreifen am Dach. Fertig ist die Solarmühle, die er jetzt zu denen seiner Freunde unter die Lampe stellt. „Es funktioniert nicht!“, sagt er erstaunt. Doch dann positioniert er die Mühle so, dass die Dachseite mit dem Solarmodul zur Lampe weist und das Rad beginnt, sich zu drehen. „Das ist toll“, findet Zaid, schnappt seine Mühle und setzt sich an den Tisch, um sie anzumalen.
Erzieherin Susanne Heydmann sagt: „Unsere Kita ist ein ‚Haus der kleinen Forscher‘. Daher kommen wir jedes Jahr gerne zum Tüftler- und Forscherinnentag. Da unser nächstes Sommerfest unter dem Thema ‚Energie’ stehen soll, haben wir uns dieses Mal für das Angebot der EnBW entschieden. Ich bin begeistert, wie freundlich wir hier aufgenommen werden.“
Technikthemen im Kita-Alltag verankern
„Wir freuen uns, wenn zwischen Kitas und Unternehmen durch den Tüftler- und Forscherinnentag Kontakte entstehen, die über den Tag hinausreichen und sich Technikthemen dadurch stärker im Kita-Alltag verankern“, kommentiert die Stiftungsleiterin. „Seit 2023 verfolgen wir eine ähnliche Idee und koppeln den Tüftler- und Forscherinnentag für die Kinder mit zwei anschließenden MINT-Fortbildungstagen für fertige beziehungsweise angehende Kita-Fachkräfte.“ Erzieherinnen und Erzieher stärken dabei vor Ort in Institutionen und Betrieben ihre Begeisterung für Technik, erwerben praktisches Wissen und schulen ihre handwerklichen Fähigkeiten. „Einiges davon können sie direkt in ihrer Kita nutzen und an die Kinder weitergeben“, sagt Meike Betz-Seelhammer. „Ausschlaggebend sind jedoch, dass wir Neugier auf und Offenheit für Technikthemen fördern. Dann trauen es sich die Fachkräfte zu, gemeinsam mit den Kindern auf Forschungs- und Entdeckungsreise in die MINT-Welt zu gehen.“
Der nächste Tüftler- und Forscherinnentag Baden-Württemberg findet am 11. Mai 2027 statt. Anschließend gibt es zwei Tüftler- und Forscherinnentage für Kita-Fachkräfte.
Informationen unter: www.element-i-bildungsstiftung.de