Kinderhände am Baum

Ökologische Intelligenz

Dr. Maria Thünemann-Albers

09.12.2021 | Fachbeitrag Kommentare (0)

Unsere gemeinsame Mutter Natur
zeigt ihren Kindern immer deutlicher,
dass ihr der Geduldsfaden gerissen ist.
Dalai Lama
 

Wenn an vielen kleinen Orten viele kleine Menschen
viele kleine Dinge tun,
wird sich das Angesicht unserer Erde verändern.
Afrikanisches Sprichwort
 

Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse,
aber nicht für jedermanns Gier
Mahatma Gandhi
 

Menschen leiden. Menschen sterben. 

Wir befinden uns am Anfang eines Massen-Aussterbens, und alles, woran ihr denken könnt, sind Geld und Märchen von ewigem Wachstum. Wie könnt ihr es wagen!",
Greta Thunberg

"Es reicht nicht aus zu recyceln. Auch nicht beim Kauf von Bio-Lebensmitteln. 

Weder die Glühbirnen wechseln noch die Stecker abziehen. Diese Schritte sind notwendig, aber nicht ausreichend, denn das, was wirklich geändert werden muss, ist unser Denken. Alle unsere Handlungen wirken sich auf die Umwelt aus: zu leugnen ist unwissend ".

Daniel Goleman 

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ 

Weissagung der Cree Indianer 1854

  

„Keine Blumen, keine Bienen, kein Honig!“ Moritz, 6 Jahre

-Die Förderung der ökologischen Intelligenz im Kindesalter-

Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die in der Überschrift enthaltene Äußerung eines sechsjährigen Kindes, die sich auf einen unmittelbar beobachtbaren Missstand in der Natur - also Ökologie bezieht. Zudem geht es, neben den momentanen tiefgreifenden Coronaproblemen, weiter um die ebenfalls immens aktuelle, dringliche und zukunftsweisende ökologische Intelligenz und darum, die damit verbundenen ökologischen Fragen vorzustellen. Es wird versucht zu beleuchten, welche möglichen Auswirkungen das Nichtlösen der ökologischen Fragen für unser Leben und das zukünftiger Generationen hat. Die Frage lautet, was genau ökologische Intelligenz ist und wie und wodurch sie angesprochen, entwickelt und vertieft werden kann. Zudem richtet sich der Blick auf die pädagogische Ausrichtung dieser Thematik und die diesbezüglichen Einstellungen von Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen. Denn Goleman (2012) betont, dass die ökologische Intelligenz in Koppelung mit den anderen  (vgl. Gardner) in allen Bildungsangeboten und Einrichtungen auch schon in der Kita behandelt werden sollte. Denn, so Goleman, nur durch eine Veränderung in unserem Verhalten könnten wir die Wirtschaft verändern und unseren Planeten evtl. retten: Treu seinem Motto: „Wer umdenkt, lebt besser“. Es wird nachgespürt, welche Rolle das Vorbildverhalten, die Einstellung und das Wissen, neben dem der Eltern von Pädagogen und Pädagoginnen im Kindergarten spielt, damit ökologische Intelligenz angesprochen, gelebt und vertieft werden kann.

Was meint Moritz mit seiner Aussage

„Keine Blumen, keine Bienen, kein Honig!“

Die Kausalität ist passend und zeigt, dass er mit 6 Jahren schon eine Vorstellung vom Kreislauf in der Natur hat. Worauf ist das zurückzuführen? 

Seine Eltern sowie das familiäre Umfeld motivieren und begleiten ihn von früh auf an, nehmen seine Fragen ernst und fördern so sein intrinsisches Interesse an der Fauna und Flora, verstärkt auch durch passende Bücher, TV-Sendungen und alters- entsprechend (Schenk-Danziger1962) für vor allem große und gefährliche Tiere wie Dinosaurier oder Haie. Im Garten wird bei jedem Wetter und jeder Jahreszeit gespielt und gearbeitet. Beobachtungen und Fundstücke werden den Eltern gezeigt und besprochen. Beim Bau des Kompostbehälters hilft er mit. Er weiß, dass man selber Tomaten anpflanzen und ernten kann. Der Pflaumenbaum ist ebenfalls ein wichtiges Element im Garten. Es gibt zwei Goldfische und die kleine Schildkröte Emil, die er mit seinem jüngeren Bruder versorgen muss. Sie sortieren den Müll. Die Kita und Schule werden, wenn eben möglich, mit dem Fahrrad erreicht 

Es gibt Fahrradtouren und Wanderungen. Der kleine Zoo wurde sehr früh und wird heute immer noch besucht. Der Urlaub fand schon öfters auf einem Bauernhof statt. Er erlebt seine Eltern, die ein umweltschonendes Verhalten vorleben und ohne den „pädagogischen Zeigefinger“ zeigen, wie ökologisches Verhalten aussieht. Der Besucher hat den Eindruck, dass zwischen Natur und Moritz ein ständiger Dialog besteht.

Es wird deutlich, wie durch das Vorbild, Vorleben in der Familie das ökologische Verständnis und damit die ökologische Intelligenz gefördert werden kann.

Was ist ökologische Intelligenz, deren Aktualität
und damit die alles überwölbende Klimafrage?

In den letzten Jahren sind das Thema Ökologie und damit verbundene Klimafragen wie keine anderen weltweit in den Fokus gerückt. Begriffe wie Umweltverschmutzung, Klimawandel, Wasserknappheit, Ressourcenschonung, Erderwärmung, Schneeschmelze, Klimanotstand, Klimagerechtigkeit, Klimaschutzgesetz, 

Klimaflüchtlinge, Schneeschmelze, Massen-Aussterben, sind „in aller „Munde“ und gehören oft auch schon zum Allgemeinwissen von Kindern. Bezeichnenderweise ist der Klimaschutz auch ein Hauptthema im diesjährigen Wahlkampf 2021.

Zunehmend, neu und erfreulicherweise setzen sich auch schon Kinder und Jugendliche aus aller Welt damit öffentlichkeitswirksam auseinander. Seit 3 Jahren gibt es die globale Aktion „Fridays for future“, die von der jungen Schwedin Greta Thunberg ins Leben gerufen wurde und durch die sie zur Identifikationsfigur und Ikone für Umweltaktivisten und Umweltaktivistinnen wurde. Diese Bewegung versteht sich als international, überparteilich und unabhängig, wobei Greta Thunberg sich als Klimaschutzaktivistin versteht und sich an Erkenntnissen der Wissenschaft orientiert, genannt sei der Bericht des Club of Rome von 1973. In diesem Bericht wird vom Ende des Wachstums gesprochen. Mit dem Schulstreik möchte Greta erreichen, dass für die Rettung des Planeten dringend notwendige Klimaabkommen auf der ganzen Welt eingehalten und nachgebessert werden. Als Repräsentantin der internationalen  Klimaschutzbewegung wurde sie 2019 mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet und vom US-Magazin Time als bislang jüngste Person zur Person of the Year gewählt.

Zudem erhielt sie den alternativen Nobelpreis und ist damit die jüngste Trägerin seit Einführung dieser Auszeichnung. In ihren Vorträgen und „Wutreden“ z. B. vor der Uno am 24.9.2019 macht sie uns alle und die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft für den erschreckenden ökologischen Zustand unserer Welt verantwortlich und ruft uns zu:“ how dare you. Wie könnt Ihr es wagen!“ 

Sie verdeutlicht, dass sie und weitere Generationen ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben auf der Erde haben sollten. Ginge es so weiter wie bisher, würde das auf keinen Fall möglich sein.

Ihre Eltern betonen in ihrem Buch, dass Greta schon früh ökologische Fragen stellte und sich dementsprechend verhalten und viel gelesen hat (vgl. Thunberg 2019). Anscheinend war sie dabei, wie es ebenfalls bei Moritz (s.o.) der Fall ist, intrinsisch motiviert, aber erhielt nach Aussagen der Mutter auch häusliche Anregungen und durch das Vorleben der Eltern wesentliche Impulse.

Die ökologische Intelligenz - und was darunter zu verstehen ist

2002 stellte der Wissenschaftler für Kognition und Pädagogik  Howard Gardner die multiplen Intelligenzen vor. Eine nannte er die naturalistische Intelligenz.  „Darunter versteht er, dass ein umfassendes Wissen und Empathie von der Welt der Lebewesen, dem Erkennen von verborgenen Mustern und Ordnungen in der Natur vorhanden ist“ Ebenhöh (2008,23). Der klinische Psychologe und Wissenschaftsjournalist Daniel Goleman, Autor der Bücher "Emotional Intelligence“ und „Soziale Intelligenz" spricht im Zusammenhang und in Anlehnung und Weiterführung an Gardner von der ökologischen Intelligenz. Auch sein Buch „Ökologische Intelligenz“ ist genau wie „Die emotionale und soziale Intelligenz“ ein weltweiter Besteller. Demnach wäre die ökologische Intelligenz die Fähigkeit, die Auswirkungen unseres Handelns auf die Umwelt verstehen zu können.

Nach ihm hat eine Person mit geringer ökologischer Intelligenz ein sehr schlechtes Bild von den Auswirkungen seines umweltorientierten Handelns in seiner Umgebung und nur wenig Fähigkeit, sein Verhalten zu verändern. Dies würde beispielsweise dazu führen, dass u. a. weiter unnötiger Müll weggeworfen wird und zu viel Wasser verbraucht würde.

Daher schlägt der Autor vor, dass wir die Auswirkungen unseres Handelns genauer überlegen. Ihm zufolge zählt jede kleine Geste! So können Maßnahmen wie der Kauf von lokalen und saisonalen Bio- und unverpackten Produkten, Kleidung aus recycelten Materialien, weniger Autofahren und mehr öffentliche Verkehrsmittel nützlich sein. Weniger Müll zu produzieren, weniger Plastik zu benutzen, nachhaltige Energieversorgung zu nutzen trägt dazu bei, unseren "ökologischen Fußabdruck" zu reduzieren. Dies würde unsere Existenz nach Goleman mit dem langfristigen Überleben des Planeten vereinbaren.

Wie man ökologische Intelligenz entwickelt

vgl. Blessing, K Mäurer, S (2002)

Das Problem einer geringen ökologischen Intelligenz ist groß. Die negativen Auswirkungen, die wir auf dem Planeten erzeugen, steigen an. Aber auch unsere eigene psychische Gesundheit leidet an der künstlichen Welt, in der wir leben. Nach verschiedenen Studien sind wir mit der Natur immer weniger verbunden, umso mehr Probleme wie Angstzustände oder Depressionen würden wir erleiden(Golemann ebd.).   

Dazu müssen nach ihm pädagogische Einrichtungen für alle Kinder und Jugendliche unbedingt auch Lebensorte zum Erlernen ökologischer Zusammenhänge werden. Wie noch beispielhaft beschrieben (s. u.), spielt der Kindergarten auch hierbei schon eine äußerst wichtige Rolle. Als positives oben aufgeführtes Beispiel steht hier die Förderung der ökologischen Intelligenz in einem Familienzentrum im Emsland.

Ökologische Förderung und Themen in einer Kita und einem 
Familienzentrum

Ökologische Bildung ist inzwischen ein wichtiger Bildungsinhalt im Kitaalltag und ist beispielhaft als Themenheft der Zeitschrift `Kindergarten Heute` 2020 erschienen. Inzwischen ist dies heute ein Konzept, das Kita-Leitungskräften eine zukunftsorientierte Führungskultur mit allen dazugehörigen Auswirkungen auf die Arbeit in der Einrichtung vermitteln kann. Des Öfteren ist die Thematik auch im Konzept der Einrichtung schon aufgenommen. Inzwischen gibt es etliche Bücher, die diese Thematik enthalten, z. B. Erman, H (2020).

Gespräch zum Thema mit der Leiterin eines Familienzentrums

Als Beispiel wird jetzt ein Gespräch zum Thema mit der Leiterin eines Familienzentrums im Emsland zusammengefasst: 

  • Das Thema wird durch Gespräche, Fragen und Hinweise der Eltern und dem Interesse aller 21 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seit längerer Zeit in den Focus gerückt. Dieses Interesse, die Sensibilität und Neugierde der Kinder bedingen sich dabei. Auch in der Konzeption der Einrichtung ist dieses ökologische Anliegen schon verankert.
  • Folgende methodischen und didaktischen Aktivitäten und Aktionen gibt es: 
  • Grundsätzlich werden natürlich auch Fragen, die die Natur betreffen, aufgegriffen und durch entsprechendes didaktisches Material behandelt und vertieft. zB. im Buch: (Blessing, K Mäurer, S (2002)
  • Bei der Ernährung werden gesunde Zutaten mit möglichst lokalen Zutaten verwendet. 
  • Ein durchgängiges Obstangebot im Gruppenraum ist selbstverständlich. 
  • Es werden auch Spielmaterialien aus der Natur wie Holz, Stöcker, Holzscheiben, Steine und Muscheln etc. angeboten.
  • draußen zu spielen bei „Wind und Wetter“ ist normal und wird verstärkt. Mit Weidenstecklingen werden Tunnel, Hecken und Tipis hergestellt.
  • Es gibt die Einbindung der Kinder bei der Pflege, Hege und Gestaltung der Außenanlage, das Angebot an Waldtagen und die Teilnahme an landesweiten Säuberungsaktionen gehören ebenfalls dazu.
  • Die Gespräche mit den Kindern bezüglich ökologischer Fragen werden mit der Ausrichtung auf Werte und Normen, also mit philosophisch existenziellen Themen verknüpft, vgl. Blessing, K, Mäurer, S (2002). Und de Boer, H, Michalik, H, Boer, H (2019)
    • Die Auszubildenen werden nach dem Praktikum diese Ausrichtung reflektieren und sind dann in der Lage, sie wahrscheinlich dem „Schneeballprinzip“ zufolge in die Arbeit weiterer Einrichtungen einzubringen.

Anstelle dieses Beispiels fehlen noch Studien, die die Anwendung ökologischer Themen landes- und bundesweit untersuchen.

Nach den Richtlinien für Grundschulen werden auch dort ökologische Themen behandelt und Moritz - nun im ersten Schuljahr- wird dort demnach weitere Impulse erhalten.

Es wurde insgesamt deutlich, dass das Thema der Ökologie und Förderung der ökologischen Intelligenz ein komplexes, aktuelles und anspruchsvolles Anliegen ist. Es konnte gezeigt werden, dass die Förderung der ökologischen Intelligenz möglichst schon in der Familie beginnen und in der Kita weiter behandelt werden müsste. Es ist anzunehmen, dass sich Pädagoginnen und Pädagogen mit dieser umfassenden Thematik intensiv auseinandersetzen müssten.

Es wurde aufgezeigt, wie wichtig das Vorbildverhalten von Eltern, Pädagogen und Pädagoginnen ist. Denn – nach Greta Thunberg - stehen wir alle in der Verantwortung, möglichst viel für das zukünftige gute Leben auf der Erde zu tun.

Literatur (eine Auswahl)

Bericht des Club of Rom (1973). Die Grenzen des Wachstums zur Lage der Menschheit. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart
Blessing, K Mäurer, S (2002). Natur, Ökologie im Kindergarten. Ein Lern- und Praxisbuch. Hirzel Leipzig 
Coleman, D (2012) Ökologische Intelligenz. Unser Land wird grün. Wer umdenkt, lebt besser. Drömer, München
de Boer, H, Michalik, H, Boer, H (2019) Philosophieren mit Kindern – Forschungszugänge. Buderich
Ebenhöh, U (2008) Multible Intelligenzen in der Psychologie nach der Theorie von Howard. Grim, München
Erman, H. (2020). Das Ökologiebuch. Wichtige Theorien einfach erklärt., Springer Spektrum, Heidelberg
Gardner ,H. (2002) Intelligenzen. Die Vielfalt des menschlichen Geistes. Klett-Cotta, Stuttgart 2002,
Gardner, H (2002) Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen.
Goleman; D (2012). Ökologische Intelligenz. Wer umdenkt, lebt besser. Knaur, München
Schenk-Danzinger, L. (1972): Entwicklungspsychologie. Wien: öbvhpt (Schriften zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung).
Thunberg, G. (2019) Rede vor der Uno am 24.9.2019: Nachzuhören unter https://www.faz.net/aktuell/politik/greta-thunbergs-komplette-wutrede-vor-der-un-im-video-16400632.html
Thunberg, M. (2019) Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima. Fischer, Frankfurt a. M.
 
Autorin: 
Dr. Maria Thünemann-Albers ist Pädagogin (M.A.)  sowie Systemischer Coach (DGSF) und hat an der Uni Osnabrück in Erziehungswissenschaften promoviert.
Sie war Dozentin (2005-2008) an der Uni Osnabrück, arbeitete bei einem freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe in der Betreuung von Pflegefamilien und entwickelte und erprobte ein Forschungsprojekts für die Förderung von Pflegefamilien; sie war darüber hinaus lange in der Erzieherinnenaus- und Weiterbildung tätig und leitete mehrere Jahre ein Bundesprojekt zur Professionalisierung der Erzieherausbildung im niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe).

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