Offener Brief an Ministerpräsident Alexander Schweitzer
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Schweitzer,
der Kita-Fachkräfteverband Rheinland-Pfalz gratuliert Ihnen herzlich zu Ihrem neuen Amt.
In unserem Verband engagieren sich Kita-Fachkräfte neben ihrer Arbeit in den Kitas ehrenamtlich für eine kindgerechte Kita-Qualität.
Bei Ihrer Antrittsrede vom 10.7.24 gaben Sie den Menschen und Familien ein Aufstiegsversprechen. Sie versprachen, dass jeder, der bereit ist etwas einzubringen, für sich und seine Familie ein gelungenes Leben organisieren könne. Sie sagten außerdem, dass ein gelungener Start in die Bildungskarriere das wesentliche Fundament für dieses Aufstiegsversprechen sei.
Leider haben Sie mit Ihrem Amt auch eine massive Kita-Krise geerbt. Unter den aktuellen Gegebenheiten bieten die Kitas kein qualitativ hochwertiges Fundament für die Bildungskarrieren unserer Kinder. Viele rheinland-pfälzische Einrichtungen bieten zurzeit weder verlässliche, bedarfsgerechten Betreuungszeiten noch eine Kita-Qualität unter entwicklungsförderlichen Rahmenbedingungen.
Gegenüber der RHEINPFALZ gaben Sie zum Thema Bildung und Kitas folgende Statements ab:
„Wir dürfen aber auch beim Thema Schule und Bildung nicht nachlassen. Das ist ein Bereich, auf den ich jetzt sehr genau schauen werde.“ (Ausgabe vom 5.7.24).
„Wir müssen das Aufstiegsversprechen in Deutschland erneuern. Die Ansprüche an Kitas und Schulen sind enorm gewachsen. Wir können nicht stehen bleiben und müssen immer wieder neue Ideen entwickeln. Als SPD müssen wir Bildung immer nach vorne denken.“ (Ausgabe vom 9.7.24)
Wir begrüßen, dass Sie sich den Bildungsbereich sehr genau anschauen werden und hoffen, dass Sie dies auch im Bereich der frühkindlichen Bildung tun. Die ersten Lebensjahre legen das Fundament der Bildungsbiografie eines Kindes. Hier können je nach Rahmenbedingungen die Potentiale eines jeden Kindes gefördert, Chancengleichheit ermöglicht und Nachteile ausgeglichen, aber genauso Entwicklungschancen versäumt oder gar verhindert werden.
Wir brauchen zunächst keine neuen Ideen und Denkmodelle. Es muss endlich darum gehen, die bereits vorhandenen wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse und Empfehlungen im Bereich der frühkindlichen Bildung umzusetzen. Die Mindestanforderungen an eine kindgerechte Kita-Qualität sind der Bildungspolitik seit Jahren bekannt und in der Fachwelt unumstritten. Das Land Rheinland-Pfalz hat sich bereits im Rahmen des guten Kita-Gesetzes des Bundes von 2019 vertraglich verpflichtet, eine Fachkraft-Kind-Relation für U3 Kinder von 1: 4 und für Kinder von 3-6 Jahren von 1:9 anzustreben. Das entspricht einem Personalschlüssel (hier werden mittelbare Arbeitszeiten berücksichtigt) von 1:3 für Kinder unter drei Jahren und 1:7,5 für Kinder von 3-6 Jahren. (https://www.bmfsfj.de/resource/blob/141612/04aee2a704daec414455e3abb513f3cd/gute-kita-vertrag-bund-rheinland-pfalz-data.pdf siehe Anlage 2 Seite 7)
Die prekäre Lage der Kitas im Land hat sich seit Jahren zugespitzt. Auch der Kita-Fachkräftemangel kam nicht über Nacht. Bereits 2013 wiesen die entsprechenden Fachleute bei Einführung des Rechtsanspruchs auf Kita-Betreuung ab einem Jahr darauf hin, wie viele zusätzliche Fachkräfte zur Umsetzung des Anspruches ausgebildet werden müssten.
Die Umfrage unseres Verbandes unter mehr als 1000 Kita-Fachkräften, die wir im November 23 veröffentlichten, förderte erschreckend Erkenntnisse über die Lage der Kitas im Land zutage (https://kitafachkraefteverband-rlp.de/kita-fachkraefte-evaluieren-das-kita-zukunftsgesetz/). Unsere Ergebnisse decken sich mit vielen anderen Befragungen und Studien auf Landes- und Bundesebene). Die massiven Probleme lassen sich nicht über Nacht lösen, müssen aber konsequent angegangen werden. Der quantitative Ausbau muss in Zukunft mit den erforderlichen qualitativen Anforderungen Hand in Hand gehen.
Die rheinland-pfälzischen Kita-Fachkräfte begrüßen daher jede Annäherung an fachlichen Mindeststandards für eine kindgerechte Kita-Qualität. Der Kita-Fachkräfteverband Rheinland-Pfalz stimmt Ihnen aus vollem Herzen zu, dass qualitativ hochwertige Bildung (auch oder besonders im frühkindlichen Bereich) eine Priorität der Landespolitik darstellen muss.
Wir freuen uns über das Statement in Ihrer Antrittsrede, ein zuhörender und lernender Ministerpräsident sein zu wollen. Als Expertinnen und Experten des Kita-Alltags stehen wir Ihnen für Gespräche gern zur Verfügung und würden uns über ein Interview mit Ihnen sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Theobald
(Vorsitzende)
Quelle: Kita-Fachkräfteverband Rheinland-Pfalz