
Offener Brief zur Rettung der Sprach-Kitas
Der Regierungsentwurf für das KiTa- Qualitätsgesetz ist kein Rettungsschirm für die Sprach-Kitas.
Die Bundesregierung hat auf ihrer Kabinettssitzung am 24. August 2022 auf Vorlage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) beschlossen. Im Zuge der Verabschiedung des Gesetzes haben Vertreter:innen der Bundesregierung, unter anderem der Bundesfinanzminister Christian Lindner und die Bundesfamilienministerin Lisa Paus, darauf verwiesen, dass das KiTa- Qualitätsgesetz neue Mittel für die Bundesländer zur Verfügung stellt, mit denen die Länder die Möglichkeit haben, die Sprach-Kitas nach Auslaufen des Bundesprogramms zum 31. Dezember 2022 fortzuführen.
Wir, ein Zusammenschluss von Vertreter:innen aus der Praxis der frühkindlichen Bildung, aus der Wissenschaft, aus den Fach- und Interessenverbänden, Gewerkschaften und Elternvertretungen, empfinden diese Darstellung als irreführend: Das KiTa-Qualitätsgesetz ist in der aktuellen Fassung kein Rettungsschirm für die Sprach-Kitas!
Es ist ein richtiges Zeichen, dass der Bund im Anschluss an das Gute-KiTa-Gesetz auch in den nächsten zwei Jahren jeweils 2 Milliarden Euro für Qualitätsmaßnahmen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung bereitstellt. Im Entwurf für das KiTa-Qualitätsgesetz ist ferner auch ein besonderer Fokus auf das Handlungsfeld 7, Förderung der sprachlichen Bildung, ausgewiesen. Damit ist die sprachliche Bildung eines von insgesamt sieben Handlungsfeldern, in denen Länder nun vorrangig die Mittel aus dem KiTa-Qualitätsgesetz investieren müssen. Bisher war dies in zehn Handlungsfeldern möglich. In diesem Zusammenhang wird aber eine zentrale Komponente des Gesetzes in den Statements der Bundesregierung nicht erwähnt: Die Bundesländer haben auf Grundlage des Gute-KiTa-Gesetzes bereits bestehende Qualitätsmaßnahmen und Maßnahmen zur Gebührenentlastung, die die 2 Milliarden Euro komplett in Anspruch nehmen. Eine Abdeckung der rund 250 Millionen Euro, immerhin 12,5 Prozent der jährlichen Mittel des KiTa-Qualitätsgesetzes, für die Sprach-Kitas würde nur zu Lasten anderer Qualitätsmaßnahmen erfolgen können. Die Bundesregierung will somit Verantwortung für die Qualität der frühkindlichen Bildung abgeben und gleichzeitig die Bundesländer dazu zwingen, eine Entscheidung zu treffen, ob Qualitätsmaßnahmen zukünftig wegfallen müssen, um die Sprach-Kitas zu retten. Dieses Vorgehen hat eine große Unsicherheit für die Fortführung der Sprach-Kitas zur Folge.
Dies ist ein fatales Signal und ein klarer Bruch der Versprechen, die eben jene Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten hat:
„Wir werden das Gute-Kita-Gesetz auf der Grundlage der Ergebnisse des Monitorings und der Evaluation fortsetzen und bis Ende der Legislaturperiode gemeinsam mit den Ländern in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards überführen. Dabei fokussieren wir auf Verbesserung der Betreuungsrelation, Sprachförderung und ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot. […]Die Kindertagespflege wollen wir als Angebot der Kindertagesbetreuung weiterentwickeln und fördern und das Programm „Sprach-Kitas“ weiterentwickeln und verstetigen.“ (Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ der Regierungsparteien, S. 95)
Die Ampel-Koalition hat beides versprochen: Die Fortsetzung der Qualitätsmaßnahmen im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetzes und die Fortführung und Verstetigung des Bundesprogramms Sprach-Kitas. Beides nun als Konsequenz falscher Prioritätensetzung zu Lasten der frühkindlichen Bildung gegeneinander aufzurechnen, um 250 Millionen Euro, oder 0,056 Prozent der geplanten Ausgaben im Haushaltsplan 2023, einzusparen, ist ein Vertrauensbruch vor dem Hintergrund der gegebenen Versprechen im Koalitionsvertrag.
Aus unserer Sicht gibt es auch inhaltliche Gründe, die für eine Fortführung und Verstetigung der Sprach-Kitas als Bundesprogramm sprechen: Das Programm hat etablierte Strukturen und Netzwerke geschaffen, in denen sich Fachkräfte, Fachberatungen und Einrichtungen unter wissenschaftlicher Begleitung bundesweit austauschen. Kein anderes Kita-Programm des Bundes hat solch erfolgreiche und nachhaltige Strukturen geschaffen. Diese Strukturen in weniger als 5 Monaten nun an die Länder zu übergeben, ohne jegliche Vorwarnung oder Chance auf Vorbereitung, nimmt mutwillig in Kauf, die harte Arbeit und Erfolge der letzten Jahre ohne Grund zu verspielen. Das ist keine weitsichtige Politik im Sinne der Kinder, Familien und Beschäftigten.
Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ ist ein riesiger Erfolg, von dem gerade diejenigen Kinder und Familien profitieren, die es nicht so leicht haben. Es stärkt die Qualität in der Betreuung von Kindern in jeder achten Kita, sichert Weiterqualifizierungen und Fachberatungen ab und baut damit Brücken in ein besseres Leben für die Kleinsten der Gesellschaft. Spitzfindige Politikrhetorik und Ablenkung wird diesem Programm und den Leistungen aller darin Beteiligten nicht gerecht. Die Sprach-Kitas brauchen jetzt keine halbgaren Ideen zur Fortsetzung sondern eine klare Perspektive, so wie es im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Die Sprach-Kitas müssen gerettet werden.
Die über 400 UnterzeichnerInnen können Sie hier nachlesen.
Quelle: https://sprachkitas-retten.de
Ihre Meinung ist gefragt!
Diskutieren Sie über diesen Beitrag.
Kommentare (1)