Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung – zwischen 2006 und 2012 um 2.270 Euro gestiegen!
In den letzten Jahren sind die Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege stark angestiegen. Zum einen wurden viele Halbtagsplätze in (teurere) Ganztagsplätze umgewandelt, da immer mehr Mütter arbeiten und deshalb längere Betreuungszeiten für ihre Kleinkinder benötigen. Zum anderen musste das Angebot an Plätzen für unter Dreijährige stark ausgeweitet werden, da zum 1. August 2013 ein Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung für Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr an eingeführt wurde.
Der Jugendhilfestatistik, die vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellt wird, kann entnommen werden, dass Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2012 netto 18,9 Milliarden Euro für Kindertagesbetreuung ausgaben (nach Abzug der Einnahmen in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro), wobei dieser Betrag auch investive Kosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro beinhaltet. Im Jahr 2006 – also sieben Jahre zuvor – lagen die Nettoausgaben erst bei 10,4 Milliarden Euro.
Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege nur von 3,0 Millionen auf knapp 3,3 Millionen zu. Schon aus diesen Zahlen lässt sich schließen, dass die Ausgaben je Kind stark angestiegen sind – z.B. aufgrund der bereits erwähnten Ausweitung der Betreuungszeiten und des Ausbaus des (teureren) Platzangebots für unter Dreijährige. Dies verdeutlicht die nachstehende Tabelle: Die Pro-Kopf-Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden für Kindertagesbetreuung stiegen zwischen 2006 und 2012 von 3.464 auf 5.734 Euro – also um sage und schreibe 2.270 Euro!
Pro-Kopf-Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesbetreuung: 2006 und 20121) |
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Land |
Pro-Kopf-Ausgaben 2006 |
Pro-Kopf-Ausgaben 2012 |
Differenz |
Deutschland |
3.464 Euro |
5.734 Euro |
2.270 Euro |
|
|
|
|
Baden-Württemberg |
3.438 Euro |
5.527 Euro |
2.089 Euro |
Bayern |
2.925 Euro2) |
5.797 Euro3) |
2.872 Euro4) |
Berlin |
7.082 Euro |
8.537 Euro |
1.455 Euro |
Brandenburg |
3.132 Euro |
4.196 Euro |
1.064 Euro |
Bremen |
4.578 Euro |
6.901 Euro |
2.323 Euro |
Hamburg |
5.207 Euro |
6.650 Euro |
1.443 Euro |
Hessen |
4.001 Euro |
6.247 Euro |
2.246 Euro |
Mecklenburg-Vorpommern |
3.683 Euro |
3.459 Euro |
– 224 Euro |
Niedersachsen |
3.159 Euro |
5.069 Euro |
1.910 Euro |
Nordrhein-Westfalen |
3.700 Euro5) |
6.882 Euro5) |
3.182 Euro5) |
Rheinland-Pfalz |
4.076 Euro |
7.134 Euro |
3.058 Euro |
Saarland |
4.173 Euro |
7.260 Euro |
3.087 Euro |
Sachsen |
3.392 Euro |
4.063 Euro |
671 Euro |
Sachsen-Anhalt |
3.121 Euro |
3.754 Euro |
633 Euro |
Schleswig-Holstein |
3.272 Euro |
4.672 Euro |
1.400 Euro |
Thüringen |
4.083 Euro |
5.939 Euro |
1.856 Euro |
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Überraschend groß sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung. Für 2012 ergibt sich folgende Reihenfolge der Länder:
- Berlin: 8.537 Euro
- Saarland: 7.260 Euro
- Rheinland-Pfalz: 7.134 Euro
- Bremen: 6.901 Euro
- Nordrhein-Westfalen: 6.882 Euro
- Hamburg: 6.650 Euro
- Hessen: 6.247 Euro
- Thüringen: 5.939 Euro
- Bayern: 5.797 Euro
- Baden-Württemberg: 5.527 Euro
- Niedersachsen: 5.069 Euro
- Schleswig-Holstein: 4.672 Euro
- Brandenburg: 4.196 Euro
- Sachsen: 4.063 Euro
- Sachsen-Anhalt: 3.754 Euro
- Mecklenburg-Vorpommern: 3.459 Euro
Sieben Bundesländer wandten mehr als 6.000 Euro pro Kind für Kindertagesbetreuung auf – zwei Länder hingegen weniger als 4.000 Euro. Der Spitzenreiter, das Land Berlin, gab mit 8.537 Euro pro Kopf mehr als doppelt so viel wie Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern aus. Besonders überrascht bei der Rangfolge, dass vier der fünf ostdeutschen Länder die hintersten Plätze belegen.
Die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern können nur ansatzweise erklärt werden. Sicherlich ist der Ausbaubedarf in den westdeutschen Ländern größer als in Ostdeutschland, sodass hier mehr investive Ausgaben in die Pro-Kopf-Beträge eingeflossen sein dürften. Jedoch gibt es in den ostdeutschen Ländern mehr Ganztagsplätze und eine höhere Betreuungsquote bei unter Dreijährigen, was die finanziellen Aufwendungen erhöhen müsste.
Frühere Analysen zeigten, dass Rahmenbedingungen wie Gruppengröße, Erzieherin-Kind-Schlüssel und Qualifikation der Fachkräfte nur wenig zur Aufklärung der Unterschiede zwischen den Bundesländern beitragen (Textor 2008, 2013). Bedeutsamer scheint zu sein, dass viele westdeutsche Bundesländer ein oder mehrere Kita-Jahre für Eltern beitragsfrei gestellt haben und dass dort bei weitem mehr Kinder mit Migrationshintergrund betreut werden, die besondere Fördermaßnahmen benötigen – ein zusätzlicher Kostenfaktor (a.a.O.).
Schwer zu erklären sind auch die zum Teil sehr großen Sprünge bei den Pro-Kopf-Beträgen. So stiegen die Ausgaben des jeweiligen Bundeslandes und seiner Kommunen zwischen 2006 und 2012 um
- 3.182 Euro in Nordrhein-Westfalen,
- 3.087 Euro im Saarland und
- 3.058 Euro in Rheinland-Pfalz
an. In Mecklenburg-Vorpommern sanken sie im gleichen Zeitraum um 224 Euro; aber auch die Zunahme der Aufwendungen in Sachsen-Anhalt (633 Euro) und Sachsen (671 Euro) bleibt weit hinter der Ausgabenentwicklung in anderen Bundesländern zurück. Auffällig ist, dass der Ausgabenzuwachs in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz (s.o.) fast so hoch ist wie der gesamte Pro-Kopf-Betrag in Mecklenburg-Vorpommern von 2012 (3.459 Euro)!
Auch diese Unterschiede lassen sich nur teilweise durch die vorgenannten Faktoren erklären (z.B. Beitragsfreiheit für ein oder mehrere Kita-Jahre, unterschiedliche Versorgungsquoten mit Ganztagsplätzen und Plätzen für unter Dreijährige, Rahmenbedingungen wie Personalschlüssel und Qualifikation der Fachkräfte). Keinesfalls hat sich die Qualität der Kindertagesbetreuung verbessert – laut der Nationalen Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK) ist sie heute genauso niedrig wie in den 1990er Jahren (Tietze et al. 2013). Auch die Bezahlung der Fachkräfte hat sich kaum verbessert.
Zudem ergeben sich andere Pro-Kopf-Beträge, wenn man die Finanzstatistik anstatt der Jugendhilfestatistik als Berechnungsgrundlage wählt (siehe Textor 2013). So könnten z.B. auch Erhebungsfehler die vom Statistischen Bundesamt aufbereiteten Daten verfälscht haben. Diese wurden ja von den Behörden der mehr als 11.000 Kommunen, der knapp 300 Landkreise und der 16 Bundesländer zur Verfügung gestellt.
Abschließend soll noch erwähnt werden, dass bei den Pro-Kopf-Beträgen nur die reinen Kosten von Bund, Ländern und Gemeinden berücksichtigt wurden. Die Gesamtausgaben pro Kind sind somit höher, wenn man auch die Ausgaben der Eltern (Elternbeiträge) und der freien Träger von Kindertageseinrichtungen (z.B. Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbände, Vereine) einbeziehen würde.
Literatur
Textor, M.R.: In Berlin ist ein Kleinkind doppelt so viel wert wie in Bayern: Zum Zusammenhang von Ausgaben, Qualitätskriterien, Betreuungsquoten und Elternbeiträgen (2008). http://www.kindergartenpaedagogik.de/1764.html
Textor, M.R.: Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung – zwischen 2008 und 2011 um 1.156 Euro gestiegen!? (2013). http://www.kindergartenpaedagogik.de/2263.html
Textor, M.R.: Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung: 2006-2012 (2014). http://www.kindergartenpaedagogik.de/1650a.pdf
Tietze, W./Becker-Stoll, F./Bensel, J./Eckhardt, A./Haug-Schnabel, G./Kalicki, B./Keller, H./Leyendecker, B. (Hrsg.): Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK). Kiliansroda: verlag das netz 2013
Autor
Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Im November 2006 gründete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von mehr als 40 Büchern und hat über 600 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht. Weitere Informationen unter http://www.martin-textor.de.