Qualifikationsrahmen, Quereinstiege und die (Männer-) Quote - Aktuelle Herausforderungen an die Ausbildung von ErzieherInnen
Inhalt- 1. Funktionen einer Ausbildung
- 2. Die Qualifikationsrahmen
- 3. Geschlecht als Qualifikation?
- 4. Neue Qualifikationswege
- 5. Zusammenfassung
- Anmerkungen
- Quellen
1. Funktionen einer Ausbildung
Eine berufliche Ausbildung soll qualifizieren für eine bestimmte Tätigkeit. Mit ihr sollen Menschen befähigt werden, ihre Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt zu verkaufen. Heute hat Ausbildung darüber hinausgehende Funktionen:
- Sie ist vor allem kompetenzorientiert.
- Sie baut auf der Fähigkeit zu lebenslangem Lernen auf und soll diese Fähigkeit stärken, weil Wissen heute schnell veraltet.
- Damit der deutsche Markt wettbewerbsfähig bleibt, werden konkurrenzfähige bzw. im Vergleich zu anderen Ländern bessere Arbeitskräfte gebraucht. Angesichts des Rohstoffmangels in Deutschland ist die deutsche Wirtschaft im besonderen Maße auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen. Nur wenn der Staat über ausreichend Steuereinnahmen verfügt, kann der infrastrukturelle Standard und das Sozialstaatsprinzip, und damit auch ein steigender Standard in der Frühpädagogik gehalten werden.
Aus diesem Grund sind Ausbildungsfragen von hoher gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Relevanz.
ErzieherInnen bzw. FrühpädagogInnen sind in besonderem Maße aufgerufen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu fördern, indem sie mittels der frühkindlichen Bildung alle Anlagen von Kindern fördern und Defizite ihrer Entwicklung, die aus der Lebenswelt der Kinder (=soziale Ungleichheit) resultieren, ausgleichen.
Diese Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte hat das außerordentliche Interesse von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik an der Frühpädagogik bewirkt. Dabei nimmt die Ausbildung der Fachkräfte einen besonderen Platz ein, denn von ihr wird erhofft, dass sie die erforderlichen Kompetenzen hervorbringt, die Fachkräfte dazu befähigen, diese verantwortungsvolle Aufgabe wahrzunehmen.
Wir wollen im Folgenden drei aktuelle Phänomene in diesem Zusammenhang betrachten:
- Die Qualifikationsrahmen:Welche Relevanz haben sie für den Kompetenzerwerb und die Durchlässigkeit?
- Geschlecht als Qualifikation:Inwieweit kann Geschlecht als Qualifikationsmerkmal dienen?
- Neue Qualifikationswege: Welche Qualifikationswege versprechen mehr Durchlässigkeit bei gleichem Kompetenzniveau?
2. Die Qualifikationsrahmen
2.1 Zielsetzung
Die neue Frühpädagogik in Deutschland ist praktisch zeitgleich mit einer neuen Matrix zur Einschätzung und Bewertung von Ausbildungen auf den Weg gebracht worden. Diese Matrix ist der Versuch, mit Qualifikationsrahmen ein Instrument zu schaffen, das u.a Ausbildungen effizienter gestaltet.
Schon 2005 wurde im Zusammenhang mit der Bologna-Reform ein Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse (QRDH) erstellt (Räbiger 2010: 40 f.). Kurz darauf, am 23. April 2006, beschloss das Europäische Parlament die Einrichtung eines Europäischen Qualifikationsrahmens und empfahl allen Ländern der EU die Umsetzung bis 2010. Dies erklärt, warum sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kultusministerkonferenz (KMK) im Oktober 2006 darauf verständigten, gemeinsam einen Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) zu entwickeln und die relevanten Akteure in diesen Prozess einzubinden.
Der Qualifikationsrahmen soll als Referenzrahmen für lebenslanges Lernen die Leistungen der jeweiligen nationalen Bildungssysteme auf europäischer Ebene in acht Niveaustufen abbilden. Er dient damit dazu, Lernergebnisse aus allen Bildungsbereichen international verständlicher und vergleichbarer zu machen. In seiner Funktion als Übersetzungsinstrument zwischen den Bildungs- und Qualifikationssystemen der Mitgliedstaaten trägt er dazu bei, dass Arbeitnehmer und Lernende ihre Qualifikationen auch über die eigenen Ländergrenzen hinweg nutzen können (vgl. Deutscher Qualifikationsrahmen 2009). Insgesamt wird die Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Bildungswegen, insbesondere zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöht. Bei den Bildungsergebnissen „besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass auch diejenigen Kompetenzen Berücksichtigung finden, die nicht auf formalen, sondern auf informellen Bildungswegen erworben werden“ (Räbiger 2010:41). Im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung ist die Einführung des Qualifikationsrahmens als Programmpunkt benannt
Die grundlegende Perspektivenänderung scheint darin zu bestehen, dass von den Inputs (= den Lerninhalten) der Blick auf die outcomes (= die Kompetenzen) gelenkt wird. Diese wurden zunächst allgemein im Entwurf zum Deutschen Qualifikationsrahmen im Februar 2009 definiert.
2.2 Kritische Stimmen
Nun steht allerdings der Deutsche Qualifikationsrahmen unter Beschuss des Deutschen Hochschulverbandes. Der DHV lehnt Pläne für Umsetzung eines Europäischen Qualifikationsrahmens ab und rief laut Presseerklärung vom 23.3.2010 Bund und Länder dazu auf, die Einführung eines Europäischen Qualifikationsrahmens sowie dessen Umsetzung in nationales Recht zu stoppen. DHV-Präsident Bernhard Kempen kritisierte besonders die Kompetenzstufen: "Die Kategorisierung in acht Kompetenzstufen beinhaltet notwendigerweise hierarchisierende und diskriminierende Wirkungen und Wertungen. Dieses dirigistische und menschenverachtende Vorhaben ist ein zum Scheitern verurteilter erneuter Versuch, kulturelle Vielfalt in ein europäisches Einheitsschema zu pressen" (http://www.hochschulverband.de/cms1/pressemitteilung+M527cbf7b19b.html).
Die Implementierung eines Europäischen Qualifikationsrahmens sei ein Beschäftigungsprogramm für Technokraten und werde lediglich der Akkreditierungs- und Evaluationsbürokratie Auftrieb geben. Dem enormen Verwaltungsaufwand stehe kein erkennbarer Nutzen gegenüber. "Mit Scheingenauigkeit werden weder Transparenz noch Mobilität gefördert", hob Kempen hervor. "Die leidvollen Erfahrungen des Bologna-Prozesses in Deutschland lehren, dass administrative Überregulierung begrüßenswerte Zielsetzungen konterkariert."
Außerdem fehle den im Diskussionsvorschlag für einen Deutschen Qualifikationsrahmen zugrunde liegenden Kategorien Wissen, Fertigkeiten und personale Kompetenz jegliche präzise Aussagekraft und Trennschärfe. Bildung werde erneut auf ökonomischen Nutzen und Verwertbarkeit reduziert.
Nach diesen kritischen Äußerungen wird allerdings auch ein anderes Anliegen deutlich, nämlich der Beruflichen Bildung nicht die Definitionsgewalt über den Hochschulzugang einzuräumen. Beruflich Qualifizierten auf Grund des Nachweises einer entsprechenden Kompetenzstufe per se den Direkteinstieg in ein Studium zu ermöglichen, sei autonomiefeindlich und verstoße gegen das Recht der Hochschulen, die Studienaufnahme an inhaltliche Voraussetzungen zu knüpfen. "Trotz der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von akademischer und nicht-akademischer Bildung darf nicht ihre prinzipielle Andersartigkeit geleugnet werden", erklärte der DHV-Präsident. "Mit dem Qualifikationsrahmen wird über die Hintertür der Unterschied von beruflicher und akademischer Bildung eingeebnet und den Hochschulen eine neue Klientel zugewiesen."
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat Bedenken anderer Art. Zum einen wird hier vorgebracht, dass die Konzentration auf die Ergebnisse von Lernprozessen nicht daran vorbei gehen kann, wie diese Lernprozesse gestaltet sind. Die Gewerkschaft will den Blick stärker auf diese Lernprozesse und auf die dort erforderliche Qualitätsentwicklung lenken. Des Weiteren sieht sie im jetzigen Entwurf die Gefahr, dass die Institutionen, die die formalen Abschlüsse vergeben, sich letztlich doch ihre Reviere sichern und damit die gewünschte Durchlässigkeit gefährden. Denn eines der wesentlichen Ziele des Qualifikationsrahmens ist die Definition von Kompetenzen unabhängig davon, wo sie erworben werden. So ist es auch das Anliegen der Gewerkschaft, dass Qualifizierungen durch die Jugendberufshilfe anerkannt werden.
Einige dieser Kritikpunkte verlieren an Kraft, wenn man sich die Umsetzung auf die fachliche Ebene, wie bei der Frühpädagogik, ansieht.
2.3 Fachqualifikationsrahmen
In vielen Fachrichtungen gibt es schon spezifische Qualifikationsrahmen, die auf die einzelnen Fächer bzw. Arbeitsbereiche zugeschnitten sind. Parallel zum Qualifikationsrahmen für die Soziale Arbeit (Dezember 2008) hat die Robert Bosch Stiftung (2008) in Kooperation von fünf Hochschulen einen frühpädagogischen Qualifikationsrahmen herausgebracht, der zunächst für die Bachelor-Ausbildung an Hochschulen gelten sollte. Die Fachschulen legten nach: Sie haben mit einem eigenen Qualifikationsrahmen versucht, sich in die Diskurse, die die Bachelor-Studiengänge leiten, einzuklinken (Arbeitsgruppe 2009). Das Ziel zumindest einiger Fachschulen ist es, in die Anerkennung als Bachelor-Ausbildungsinstanz einbezogen zu werden. So hat das Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA) mit der folgenden Fragestellung den Auftrag zur Evaluation gegeben: „Ist die dreijährige Ausbildung der Erzieherinnen am Pestalozzi-Fröbel-Haus vergleichbar mit einem sechssemestrigen Bachelorstudium an einer Hochschule – sowohl von den Lehrinhalten und dem Qualifikationsniveau als auch von den Rahmenbedingungen für eine wissenschaftliche Ausbildung?“ Das Gutachten bejahte diese Frage. Diese Bemühungen können im Zusammenhang mit der Forderung des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung im Rahmen einer Fachtagung gesehen werden, die inzwischen qualitativ hochwertige Fachschulausbildung mit dem Abschluss des Bachelor zu versehen. Die Qualität der Fachschulausbildung in Deutschland sei gleichwertig mit vielen akademischen Ausbildungen im Ausland. Der formale Abschluss sei hier nicht mit dem Qualifikationsniveau verschiedener Länder zu vergleichen (http://www.hibb.hamburg.de/index.php/article/detail/6936).
Die Robert Bosch Stiftung hat das Projekt PIK (Profis in Kitas) 2005 gefördert, dessen erstes Resultat die Publikation "Orientierungsrahmen - Frühpädagogik studieren!" war. Aufbauend auf diesen Ergebnissen plant die Robert Bosch Stiftung in der zweiten Förderphase von PiK eine Abschlusspublikation anzufertigen. Deren Ziel wird es sein, eine Handreichung in Form eines Metarahmens für kompetenzorientierte Ausbildungsprofile zu erarbeiten, die sich auf die Ebenen Fachschule, Fachhochschule und Universität bezieht. Darüber hinaus soll die Ebene der Berufsfachschule Berücksichtigung finden, um die Ausbildung zur Kinderpflegerin in das Dokument mit einzubeziehen. Die Publikation soll nicht zu einer Verdrängung bestehender Ansätze im Feld führen. Vielmehr erhofft sich die Stiftung auf diese Weise, die Transparenz und die Qualität bei der Konzeption neuer Studiengänge zu erhöhen. Der geplante Metarahmen soll als Orientierungshilfe konzipiert werden, der noch genügend Raum für eigene Ausgestaltungen bei der Konzeption neuer Studiengänge zulässt.
Im Juli trifft sich eine Expertengruppe um über die weiteren Schritte des Vorhabens zu diskutieren. Geplant ist unter Einbeziehung aller von der Stiftung für relevant gehaltenen Akteure im Feld eine Veröffentlichung im Frühjahr 2011.
2.4 Diskussion
- Experten und Interessen
Der Qualifikationsrahmen ist unter der Herrschaft von WissenschaftlerInnen aufgebaut worden, denen die staatlichen Instanzen ihre Entscheidungsgewalt übertragen haben (vgl. Münch 2009). Diese WissenschaftlerInnen stehen voll im Dienste einer an die Wettbewerbsfähigkeit angepassten Bildungspolitik. Die zweckfreie Bildung wird zu Grabe getragen. Entscheidend in den Qualifikationsrahmen sind zumeist Handlungskompetenzen, die direkt auf den Arbeitsprozess übertragbar sind. Auch diejenigen, die gegen den DQR protestieren, akzeptieren im Grunde ein Bildungsmodell, das Traditionen außer Kraft setzt und sich allein an Handlungskompetenz orientiert. Sie halten dabei jedoch teilweise an den Privilegien verheißenden Traditionen fest und machen sich damit unglaubwürdig in dieser Auseinandersetzung, so auch der DHV. Richard Münch hat das Dilemma der Traditionswahrer auf den Begriff gebracht:
„Die Kritik an der neuen Bildungswelt kann sich allerdings nur auf die alte Tradition stützen und steht angesichts der Koalition von transnationaler Wissens – und Wirtschaftselite auf verlorenem Posten....“(Münch 2009: 57)
- Die Messbarkeit der Kompetenz
„Kompetenzen sind eben messbar, Bildung nicht“ (a.a.O.). Es ist zutreffend, dass Bildung schwer messbar ist. Aber ist Kompetenz objektiv messbar? Wer ist es denn, der Kompetenz misst? Das sind alles Menschen mit ihrer eigenen Subjektivität, in ihren eigenen Lebenswelten. Wenn es nicht objektivierbare Tests sind, dann spielen bei der Wahrnehmung und Bewertung von Kompetenzen immer der persönliche Eindruck der Lehrkraft oder HochschullehrerIn, die Lehrer-Schüler-Beziehung, die Gruppendynamik in der Klasse, die soziale Herkunft und die entsprechenden Distinktionsmechanismen eine Rolle. Die Frage ist: Wer spricht das Urteil über die Kompetenz, aufgrund welcher subjektiven, psychischen und sozialen Voraussetzungen? Nehmen wir ein kleines Beispiel aus dem Entwurf der Arbeitsgruppe von Fachschulen (Arbeitsgruppe 2009) zur Professionellen Haltung. Da werden Kompetenzen aufgeführt wie dass die Absolventinnen über demokratische Verhaltensweisen verfügen und ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Risiken ihres Handelns. Wie will das jemand im Unterricht oder auch im Rahmen eines Praktikums feststellen? Hat die Person, die das beurteilt, überhaupt selbst ein Bewusstsein für die Risiken ihres Handelns, verfügt sie selbst über demokratische Verhaltensweisen?
Vergleichstests in Schulen machen uns glauben, es gebe so etwas wie Objektivität. Dabei werden jedoch Äpfel und Birnen verglichen. Denn SchülerInnen in einem Armutsviertel mit wohlsituierten Jungen und Mädchen zu vergleichen, macht wenig Sinn – es sei denn den, die Bedeutung der Ausgangsvoraussetzungen und der Lebenswelten deutlich zu machen. Das schlechte Abschneiden der Stadtstaaten in den Vergleichstests ist nicht auf deren schlechte Bildungspolitik, sondern auf ihre Belastung mit sozialen Problemen (hoher Anteil an Erwerbslosigkeit und an Unterschichten mit und ohne Migrationshintergrund) zurückzuführen. Auch im Verhältnis von Lehrenden und Lernenden in der Frühpädagogik ist die Differenz der Lebenswelten nicht zu vernachlässigen – sie spielt immer eine Rolle.
- Wie kommt Kompetenz zustande?
Beim outputorientierten Blick auf die Kompetenzen wird dem Individuum die alleinige Verantwortung für seine Qualifikation zugeschoben (vgl. Münch 2010). Die Ausgangssituation, das Lernumfeld und die Lehrenden bleiben außer Betracht. Es ist der Gewerkschaft zuzustimmen, dass der Blick darauf gelenkt werden muss. Sonst besteht die Gefahr, dass das Ausbildungssystem – durchaus auch in dem vom DHV kritisierten menschenverachtenden Sinne – sich allein an den Interessen der Abnehmer von Arbeitskraft orientiert.
- Welche Kompetenzen sind erforderlich?
Geradezu sklavisch hat sich die Bildungsbürokratie den neuen, international geltenden Richtlinien verschrieben. Die Gefahren, die daraus resultieren, hat Richard Münch treffend dargestellt (a.a.O.). Für die Frühpädagogik und andere Arbeitsfelder stellt sich die Frage, ob zweckfreie Bildung noch einen Platz in den Curricula der Ausbildungsinstanzen hat – eine Bildung, die mit persönlichem Wachstum verbunden ist, die nicht direkt auf Handlungskompetenzen bezogen ist, dafür aber die Fähigkeit zur Selbstreflexion teilweise mehr steigern kann als die spezifisch dafür angesetzten Seminare.
Einen Schritt in die richtige Richtung hat die AGJ getan, indem sie die spezialisierten frühpädagogischen Studiengänge mit einer generalistischen Grundausbildung unterlegen will. Denn die Bachelor- und Masterstudiengänge orientieren sich zwar am Qualifikationsrahmen, .die eigentlich gewünschte höhere Mobilität und Flexibilität wurde damit jedoch, auch im Bereich der Frühpädagogik, nicht erreicht:
„Infolge der thematischen und strukturellen Breite der Angebote besteht die Gefahr, dass das Ziel der gegenseitigen Anerkennung und Durchlässigkeitnicht erreicht werden kann: Inhaltlich weisen die Studiengänge einen Mangel an gemeinsamer generalistischer Basis und eine jeweilige Verkürzung auf Einzelaspekte der Frühpädagogik auf; strukturell gelten zum Beispielunterschiedliche Zugangsregelungen und Studiendauern. Darüber hinaus fehlt es den Studiengängen aus Sicht von Anstellungsträgern oftmals anPraxisrelevanz und Bedarfsorientierung“ (AGJ 2010).
Tatsächlich machte sich im Laufe der Bachelorisierung jede Hochschule eigenständig auf den Weg, die Verwaltungsvorschriften und die Inhalte der neuen Studiengänge zu bewältigen. Eine bedeutende Rolle spielte dabei auch das Diktat der Akkreditierungsangenturen (vgl. Münch 2010) – nicht auf demokratischem Wege zustande gekommenen Instanzen, die mit der Kritik oder gar Ablehnung eines Studienganges der Hochschule große Probleme bereiten können. Neben der Möglichkeit zur Profilierung innerhalb der Hochschule ist der Aufbau von Studiengängen eine Verschleuderung von unendlich viel Zeit aller beteiligten HochschullehrerInnen. Was dabei herauskam ist zwar eine beachtliche Anzahl von interessanten Studiengängen, die jedoch nicht aufeinander abgestimmt sind. Das PIK-Projekt der Robert Bosch Stiftung, das Modulbausteine erarbeitete, wurde nicht als maßgeblich angenommen. So ist heute angesichts der Bachelorisierung und Modularisierung festzustellen, dass Studierende diverse Studiengänge mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten wählen können. Wenn sie jedoch von einer Hochschule zur anderen wechseln, kann es passieren, dass sie Module, also erbrachte Studienleistungen nicht anerkannt bekommen. Diese Situation ist noch weitaus dramatischer für Studierende, die ein oder mehrere Semester im Ausland verbringen.
Die AGJ fordert eine „grundständige sozialpädagogische Grundqualifizierung“, in der ein „generalistischer Kern ... gesichert“ werden muss. Diese Forderung sollte noch erweitert werden um Freiräume in der spezialisierten Ausbildung, die heute kaum noch zur Verfügung stehen. Es sind aber solche Freiräume, die Persönlichkeitsentwicklung befördern. Und diese ist vielleicht die wichtigsten Kompetenz, die den spezifischen Herausforderungen des pädagogischen Berufs standhalten kann. Dazu gehört auch das Aushalten von Unsicherheit:
„Professionalität (kann) als die subjektive Fähigkeit und Bereitschaft begriffen werden, die Ungewissheit des Handelns zu ertragen, immer wieder neu die Implikationen für das Handeln in Ungewissheit zu reflektieren und auf der Basis von Zuständigkeit auch die Verantwortung für das Handeln zu übernehmen“ (Rabe-Kleberg 1996: 295).
3. Geschlecht als Qualifikation?
Jahrtausendelang galt die Erziehung von Kindern, insbesondere von kleinen Kindern, als Frauensache – Männer hatten dabei – außer als Ernährer - nichts zu suchen. Für die bürgerlichen Frauen des 19. Jahrhunderts ergab sich aus dieser Ideologie die Chance eines ersten Zugangs zur Arbeitswelt. Die erste und die zweite Frauenbewegung haben diesen Glauben an das weibliche Geschlecht als Qualifikationsmerkmal zunächst nicht angegriffen. Erst im Zuge der Entwicklung neuer Männlichkeiten, nämlich solcher, die auch traditionell weibliche Eigenschaften verkörperten, konnte die Frage entstehen, ob nicht auch Männer für Kinder bedeutsam sind.
Inzwischen gibt es „von unten“ Väterbewegungen und „von oben“ die Förderung von Väterlichkeit über Erziehungsgeldkonditionen. Aber erst die offensichtliche Gefährdung männlicher Hegemonie durch die geringeren Schulleistungen und höheren Auffälligkeiten bei Jungen waren der ausschlaggebende Grund für die Forderung, dass Männer in die Frühpädagogik gehören. Man verspricht sich davon bessere Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern, insbesondere von Jungen.
Die Diskussion, ob Jungen schlechtere Leistungen als Mädchen erbringen, weil sie ausschließlich von Frauen erzogen, gebildet und kontrolliert werden, ist inzwischen etwas abgeflaut, weil es keine Beweise dafür gibt, dass tatsächlich die weibliche Dominanz im Erziehungs- und Bildungssystem für junge und kleine Kinder negative Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit hat (vgl. Balluseck 2009). Der Ruf nach mehr Männern in der Frühpädagogik bleibt jedoch. Er ist psychologisch und insbesondere psychoanalytisch gut zu begründen, wenn man davon ausgeht, dass Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Kindheit zu entsprechenden Identitäten führen. Jungen, die das Glück haben, einen sorgenden, liebevollen Vater zu erleben, entwickeln andere Eigenschaften als jene, deren Vater prügelt und ein autoritäres Familienregime führt. Und sie sind sich ihrer Männlichkeit weitaus sicherer als solche, die keinen Vater und keine wirklich bedeutsame männliche Bezugsperson positiv erlebt haben.
Es macht also Sinn, wenn die EU sich das Ziel einer Erhöhung der männlichen Fachkräfte bei pädagogischen Fachkräften gesetzt hat (vgl. Oberhuemer/Schreyer 2010: 512 f). Unter den EU-Ländern sind dabei große Unterschiede zu verzeichnen. Dänemark ist der Spitzenreiter mit 6 % Männern in der Krippe und 10 % in Kindergärten. Die Anteile sind höher in Freizeiteinrichtungen und im außerschulischen Bereich. Deutschland hat in Kitas einen Anteil von 3 %, die meisten Länder kommen jedoch nicht einmal auf 1 %. Es handelt sich hier also nicht um ein deutsches, sondern um ein europäisches Thema.
Oberhuemer/Schreyer diagnostizieren, dass die geringen Gehälter der Grund für die fehlende Präsenz von Männern im Kita-Bereich seien. Dies ist sicher ein Grund, aber es gibt darüber hinaus andere (vgl. Balluseck 2009; Balluseck 2010):
- Das traditionelle Männerbild lässt sich immer noch schwer mit der sorgenden, empathischen Arbeit mit kleinen Kindern vereinbaren.
- Auch aufgeschlossene, flexible Männer werden häufig Probleme haben, ihrer Umwelt zu vermitteln, dass sie nun mit kleinen Kindern arbeiten wollen: Die Reaktion der Umwelt ist nicht zu vernachlässigen.
- Ein wesentlicher Punkt ist auch die weibliche Domäne Kita, in der sich einzelne Männer als Fachkräfte behaupten müssen. Es gehört viel Mut dazu, sich einer solchen Übermacht an Frauen auszuliefern.
Die Politik versucht, die männliche Präsenz in Kitas zu stärken. Ministerin Christina Schröder will Männer für den pädagogischen Bereich umschulen lassen. (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,690325,00.html), Dieses Unternehmen kann nur gelingen, wenn die obigen Gesichtspunkte mit bedacht werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass erwerbslose Männer, die ohnehin schon einen Bruch in ihrer Identität haben, in Massen in die Frühpädagogik flüchten, um eine bezahlte Arbeit zu haben. Denn auch dort ist ja ihre Identität, und diesmal auch die Geschlechtsidentität, einer Belastung ausgesetzt. Es bedürfte also weitaus mehr Bemühungen, Männer in ihrem Weg zu anderen Männlichkeitsvorstellungen zu stützen, z.B. bei der Berufswahl, um den Abgrund zwischen den Bildern und Realitäten erfolgreicher Männlichkeit und Kindererziehung zu verringern. Dabei sind zwei Gesichtspunkte zu beachten: Sonderkonditionen in der Ausbildung von Männern sollten vermieden werden, um nicht qualifizierten ErzieherInnen in der Praxis Missachtung entgegenzubringen. Jedoch sind geschlechtshomogene Ausbildungswege ein guter Weg. Was in der Schule für die naturwissenschaftliche und mathematische Bildung von Mädchen festgestellt wurde, nämlich Leistungsverbesserung bei Abwesenheit von Jungen (vgl. u.a. Prengel 2008), kann auch in der Ausbildung von Männern in einem für ihr Geschlecht atypischen Beruf genutzt werden. Männer brauchen Männer, um sich für diesen Beruf und die weibliche Dominanz in der Kita zu rüsten.
Ergänzung am 3. Juli: Ein lohnendes Projekt in diesem Zusammenhang ist die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Koordinationsstelle "Männer in Kitas". Die Tagung der Koordinationsstelle am 25. Oktober wird in unserem Veranstaltungskalender angezeigt.
4. Neue Qualifikationswege
Wenn es, wie mit den Qualifikationsrahmen beabsichtigt, nicht mehr darauf ankommt, wo, sondern nur noch ob eine Fachkraft Kompetenzen erworben hat, dann ist es auch legitim, neue Qualifikationswege zu begehen, die nicht den herkömmlichen entsprechen. Der teilweise schon bestehende, beim Krippenausbau jedoch mit Sicherheit drohende Fachkräftemangel in der Frühpädagogik erfordert Erfindungsreichtum. Wir haben nur für die Bundesländer Berlin und Brandenburg Recherchen anstellen können – mit Sicherheit sind auch andere Bundesländer innovativ.
4.1 Brandenburg
Seit 2007 bietet Brandenburg einen Ausbildungsgang für Erwerbslose mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung an. Die Motivation dazu war der sich abzeichnende Mangel an Fachpersonal im Kita-Bereich und die Erprobung erwachsenengerechter Ausbildungswege. Außerdem war es das Ziel, Männer in die Kita zu bringen. Initiator war die Väterinitiative Berlin-Brandenburg, die zunächst Schnupperzeiten mit der Perspektive auf eine Hilfskraftqualifikation anbot. Das Bildungsministerium in Gestalt von Detlef Diskowski, Leiter des Referats Kindertagesbetreuung, Kinder- und Jugendhilferecht, familienunterstützende Angebote (Referat 22), machte daraus ein Ausbildungsprojekt. Der Modellversuch wurde inzwischen zum regulären Projekt in Brandenburgs Bildungslandschaft erklärt. Am 18. August 2009 erließ das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport entsprechende Rahmenvorgaben. Inzwischen können auch Frauen an dieser Qualifizierungsform teilnehmen.
Die Qualifizierung zum Kita-Erzieher findet nach einem Auswahlverfahren und einer Vorbereitungsphase im Laufe von zwei Jahren statt. Diese geringe Zeitdauer ist möglich, weil sie sich nur auf den Kindertagesbetreuungsbereich bezieht und nicht auch – wie die Fachschulbreitbandausbildung – auf die Erziehungshilfe, die Jugendarbeit etc. Nach dem Brandenburgischen Gesetz für Sozialberufe kann eine Qualifikation unter verschiedenen Voraussetzungen als gleichwertig anerkannt werden, die nicht identisch ist mit der Fachschulausbildung. Die in dieser Qualifizierung ausgebildeten Kita-Erzieher können zum gleichen Tarif wie Fachschul-ErzieherInnen bezahlt werden.
Die Ausbildung wurde zuerst von einem Bildungsträger, dem Berliner Institut für Frühpädagogik, durchgeführt. Inzwischen werden die Kurse auch z.B. von der privaten Fachschule AGUS/GADAT angeboten (1). Die meisten Teilnehmer der Maßnahme haben eine Stelle gefunden. Das Geld der Bundesanstalt und des Europäischen Sozialfonds erfüllt also seinen Zweck.
Es gibt einige Besonderheiten, die diese Ausbildung von anderen formalen Qualifizierungsprozessen unterscheiden. Wie in berufsintegrierenden Studiengängen sind Theorie und Praxis durch abwechselnde Phasen im Seminar und in der Kita verwoben. Alle Beteiligten (also auch die Lehrenden) des Projekts werden als Lernende verstanden. Die in den Praxis- und Seminarzeiten zu bearbeitenden Inhalte sind nicht im Detail festgelegt. Das Rahmenkonzept orientiert sich am frühpädagogischen Qualifikationsrahmen (Robert Bosch Stiftung 2007). Den Teilnehmern steht in der Kita während der Praxisphasen eine Mentorin zur Seite, die ihrerseits regelmäßig im Kontakt mit dem Bildungsträger steht. Der Bildungsträger entschied sich gegen Benotung der Leistungsnachweise und stattdessen für motivierende, dialogische verbale und schriftliche Rückmeldungen an die einzelnen Teilnehmer. Entwicklungsgespräche und Entwicklungsberichte waren weitere Formen, in denen die Teilnehmer über ihre Fortschritte Rückmeldungen erhielten.
Das Paradoxon dieser Ausbildung besteht darin, dass das Bildungsministerium neben seine eigene Fachschulausbildung einen neuen Ausbildungsweg für die Arbeit in frühpädagogischen Einrichtungen eingerichtet hat. Damit kommen Männer und Frauen in die Kita-Ausbildung, die ursprünglich ganz andere Berufsorientierungen hatten und die Frühpädagogik kann neue Impulse erhalten. Und zweitens wird die Ausbildung von der Bundesanstalt für Arbeit bezahlt, die Erwerbslosen eine Umschulung bis zu einer Dauer von zwei Jahren finanziert. Diese begrenzte Ausbildungsdauer hat auch die zweijährige Qua lifizierungsform bewirkt.
Die Lehrkräfte des Berliner Instituts für Frühpädagogik verfügen nicht über eine formalisierte Ausbildung für die Lehrtätigkeit als solche. Möglicherweise ist dieser Tatbestand eine gute Voraussetzung für die Schaffung neuer Ausbildungsformen. Denn mit der flexiblen Gestaltung der Inhalte, ausgerichtet an den Bedarfen der Praxis und der TeilnehmerInnen, und mit dem Verzicht auf Noten geht das Institut einen progressiven Weg.
Vergleicht man die Ausbildungsbedingungen mit denen an der Alice Salomon Hochschule Berlin, so steht die von der Bildungsbürokratie finanzierte Ausbildung wesentlich schlechter da als die von der Sozialbürokratie (Jobcenter) finanzierte. Denn die Gruppengröße am BIfF beträgt 20, während die HochschullehrerInnen im allgemeinen jeweils Gruppen von 40 Studierenden ausbilden müssen. Diese Gruppengröße ist nicht nur ein Handikap für den Austausch persönlicher Erfahrungen, der für die Entwicklung von Reflexivität und das Lernen des Umgangs mit Ungewissheit erforderlich ist. Die Lehrenden sind auch in weitaus stärkerem Maße belastet durch die Anleitung und Bewertung von Prüfungsleistungen. Die Mentoren, die bei Beantragung des Studienganges 2003 bei der Senatsverwaltung für Bildung und Forschung aus Kostengründen abgelehnt wurden (2), werden von der Sozialbürokratie finanziert. Diese bessere Personalausstattung gibt zu denken.
Die Evaluation der Kompetenzen der auf diese Weise qualifizierten Männer ergab keine repräsentativen Ergebnisse, weil – aus verschiedenen Gründen – nicht alle nach erfolgter Prüfung aufgesucht werden konnten. Die Ergebnisse, bezogen auf die Prozessqualität, entsprechen den Ergebnissen anderer Evaluationen. Innerhalb der Einrichtungen gab es keine größeren Differenzen zwischen traditionell ausgebildeten Erzieherinnen und Absolventen der Qualifikationsmaßnahme. Die Qualität der Interaktionen mit Kindern und Eltern weicht „nicht erkennbar“ von Ergebnissen anderer Untersuchungen ab (PädQuis 2010).
Daraus ergibt sich zumindest als Hypothese: Eine zweijährige, spezifische Ausbildung für QuereinsteigerInnen kann bei entsprechender (nicht unbedingt formaler) Qualifikation der Lehrenden und einer sehr guten Personalausstattung gute pädagogische Fachkräfte heranbilden. Ob diese im Beruf bleiben, wie insbesondere Männer mit den veränderten Anforderungen an ihre Geschlechtsrolle auf lange Sicht zurecht kommen und welche weiteren Entwicklungen die Newcomer im Vergleich zu traditionell ausgebildeten Erzieherinnen durchlaufen – das wäre zu erforschen..
4.2 Berlin
In Berlin gibt es ebenfalls Bemühungen, die Anzahl pädagogischer Fachkräfte zu erhöhen. Dabei sind zwei aktuelle Tendenzen zu benennen: Die Richtlinie des Senats - im Hinblick auf die Ausführungsvorschriften noch in Bearbeitung - zur Einstellung von Fachkräften, die nicht die Mindestanforderung eines Fachschulabschlusses aufweisen, und die Nichtschülerprüfung.
- Fachkräfte ohne Fachschulabschluss
Mit Zustimmung der Kitaaufsicht können in begründeten Einzelfällen andere Kräfte (andere als „Sozialpädagogische Fachkräfte“ im Sinne der Verordnung) beschäftigt und auf den Personalschlüssel angerechnet werden, wenn
- “dies auf Grund der besonderen Konzeption , insbesondere bei einer bilingualen Ausrichtung, erforderlich ist (...).“ Voraussetzung ist die durchgehende Anwesenheit von Fachpersonal.
- Des Weiteren können Personen auf den Personalschlüssel angerechnet werden, „die in die berufsbegleitende Ausbildung gehen oder die sich in der Vorbereitung auf die Nichtschülerprüfung befinden“ (bei einem Weiterbildungsträger).
- Diese Regelung gilt auch für „Personen, die über hinreichende pädagogische Fachkenntnisse verfügen (hier wurden verschiedene Berufsgruppen identifiziert, die in Betracht kommen können, bspw. Magister Erziehungswissenschaften, Grundschullehrer, Ergotherapeuten u.a.m.). Die Fachkenntnisse müssen in acht relevanten Feldern nachgewiesen werden. Ggf. werden Fortbildungsauflagen erlassen.
Die Genehmigung durch die Aufsicht bezieht sich immer auf den begründeten Einzelfall und auf eine bestimmte Kita. Für Personen nach Nummer 3 ist vorgesehen, von der erneuten Einzelfallprüfung bei Jobwechsel abzusehen, wenn sie sechs Jahre in einer Kita gearbeitet haben“ (http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-familie/rechtsvorschriften/vokitafoeg.pdf?start&ts=1276251354&file=vokitafoeg.pdf).
Bei diesen Personen handelt es sich also um Fachkräfte, die eine pädagogische Ausbildung haben, jedoch (noch) nicht einen Abschluss als ErzieherIn an einer Fach- oder Hochschule. Trägern wird so die Überwindung von Personalengpässen ermöglicht.
- Nichtschülerprüfung
Die zweite Möglichkeit, in Berlin nicht über eine originäre Fach- oder Hochschulausbildung als pädagogische Fachkraft anerkannt und bezahlt zu werden, ist der Weg über die Nichtschülerprüfung. Diese Möglichkeit richtet sich an Personen, die die Voraussetzungen für eine Fachschulausbildung erfüllen und mit der Prüfung die Anerkennung als staatlich anerkannte ErzieherInnen erlangen wollen. Die Nichtschülerprüfung wurde für Fachschulen, angelehnt an den Beschluss der KMK zum Nachholen schulischer Abschlüsse vom 26.4.1996, in der Rahmenvereinbarung über Fachschulen 2002 ermöglicht (http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2002/2002_11_07-RV-Fachschulen.pdf. Der Berliner Senat hat erst im März dieses Jahres zur Anmeldung für eine solche Nichtschülerprüfung aufgerufen, weil der Personalmangel nicht mehr zu übersehen war. Die Prüfung für NichtschülerInnen ist umfangreicher als die an Fachschulen, weil der Fachschulbesuch nicht nachgewiesen kann. Es wird eine mindestens einjährige Vorbereitungszeit empfohlen. Danach erfolgt – bei Zulassung – die Prüfung in Form einer Facharbeit, eines Kolloquiums, sowie von weiteren schriftlichen und mündlichen Prüfungen. Der Aufwand dürfte also beträchtlich sein.
Der unkonventionelle Weg, die Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit bzw. die Job Center für die Qualifikation von FrühpädagogInnen fruchtbar zu machen, wird in Berlin nicht beschritten. So werden die Beschäftigungsverhältnisse nach AGHE (das sind von Jobcentern geförderte reguläre Arbeitsverhältnisse) und AGH-MAE (=1-Euro-Jobber) nicht auf die notwendigen Voraussetzungen für die Nichtschülerprüfung angerechnet.
- Teilzeitausbildung
Jedoch hat Berlin eine besondere Lösung für Personen gefunden, die eine Teilzeitausbildung machen. „Diese geht mit drei Jahren nicht über den Zeitraum der Vollzeitausbildung hinaus. Das wurde seinerzeit so entschieden, um Personen zu erreichen (insbesondere auch Männer), die sich wegen der Versorgung einer Familie einen langen Zeitraum des Geringverdienens nicht leisten können. Eine Folge hieraus ist, dass Berlin einen besonders hohen Anteil an Plätzen in der Teilzeitausbildung hat“ (Carsten Weidner,Leiter der Kindertagesstättenaufsicht in der Senatsverwaltung für Bildung und Forschung Berlin, Mail vom 30.6.).. Diese Vorschrift begünstigt auch und besonders Alleinerziehende, die es sich nicht leisten können, die Erwerbstätigkeit zu unterbrechen.
4.3 Diskussion
Berlin verlässt bei der Zulassung pädagogischer Fachkräfte nicht die althergebrachten Strukturen. Dies mag durchaus der Loyalität gegenüber den Fachschulen geschuldet sein. Brandenburg hingegen hat QuereinsteigerInnen durch eine neue Qualifikationsform den Weg zur pädagogischen Fachkraft in Kitas geebnet. Andererseits berücksichtigt Berlin die schwierige Situation von Personen mit geringem Einkommen in hohem Maße. Auch dies muss gesehen werden, wenn es um neue Wege der Qualifikation geht.
5. Zusammenfassung
Qualifikationsrahmen können eine Orientierung für die Lehre in den verschiedenen Ausbildungsinstanzen sein – alle Probleme, mit denen diese zu kämpfen haben, lösen sie jedoch nicht. Vielmehr muss bedacht werden, dass die Anerkennung dieser oder jener Kompetenz immer auch subjektive Elemente enthält, da insbesondere eine professionelle frühpädagogische Haltung nicht abprüfbar ist, sondern sich erst in der Praxis erweist.
Dass Männer ebenfalls diese Kompetenzen erwerben können, steht außer Frage. Ihnen besondere Bedingungen einzuräumen, um sie in den frühpädagogischen Beruf zu locken, wäre verfehlt. Sinnvoll sind jedoch geschlechtshomogene Ausbildungsgruppen. Für eine Umschulung erscheint das Brandenburger Modell für Erwerbslose beiderlei Geschlechts, die aus einem anderen Beruf kommen – sinnvoll. Es wäre zu überlegen, ob und inwieweit die Unterstützung seitens der Jobcenter für Qualifizierungen mehr genutzt würden.
Anmerkungen
(1) Zum Begriff der Bildungsträger muss man wissen: Der gesamte Bereich der Weiterbildung, der von der Bundesanstalt für Arbeit bzw. dem Europäischen Sozialfonds finanziert wird, ist ein Dschungel der besonderen Art. Es gibt Weiterbildungsträger, deren LeiterInnen auf diese Weise zu viel Geld kommen. Die Lehrkräfte arbeiten auf Teilzeitbasis und erhalten eine erbärmliche Bezahlung und die TeilnehmerInnen an den Kursen kommen selten zu einer neuen Stelle. Dieser Bereich der Sozialpolitik, der ungeheure Summen verschlingt, bedarf dringend einer Evaluation und eines neuen Zuschnitts. Im Falle des BIfF scheint es sich um eine seriöse Institution mit engagierten MitarbeiterInnen zu handeln, die auch Erfolge aufweisen können.
(2) Die Verfasserin dieses Beitrags hat 2003 die entsprechenden Verhandlungen mit der Senatsverwaltung, gemeinsam mit Rolf Landwehr und Sieglinde Machocki (beide ASH Berlin), geführt.
Quellen
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