Singen hat im Kita-Alltag eine große Bedeutung für Erziehungskräfte
Was des einen Freud ist, ist des anderen Leid: Als berufliche Vielsprecher:innen sind Erziehungskräfte stimmlich sehr gefordert. Vom Frühdienst bis zum Spätdienst hat Stimme in der täglichen Kommunikation mit den Kindern, Kollegen und Eltern über viele Stunden am Tag Höchstleistungen zu vollbringen. Heiserkeit, stimmliche Angeschlagenheit und Stimmmüdigkeit sind oft leider all zu bekannte Begleiter. Jetzt auch noch Singen? Nein danke…
Sehr gut erinnere ich mich an zwei Erzieherinnen in meinem Stimmseminar, die mir verzweifelt schilderten, wie anstrengend für sie das Kinderlied „Stups, der kleine Osterhase“ ist. Als ich die Beiden bat, mir mal das Lied vorzusingen, wurden gefühlt zig Verse in einem mörderischen Tempo im schwindelerregender Tonhöhe eher gepresst herausgedrückt als gesungen. So konnte Singen physiologisch nicht gelingen und viel mehr, keinen Spaß machen. Hätte es mir auch nicht.
Wie kann man in einem unterbesetzten Haus mit einer energievollen Kinderschar nach vielen Stunden Sprechen, Rufen und Übertönen von Lärm noch mit Freude singen? Eine gute Selbstfürsorge und tägliches Stimmtraining sind hier der Schlüssel.
- Jede Erziehungskraft sollte die tägliche Sprechleistung so ernst nehmen wie ein Hochleistungssportler die täglichen Sporteinheiten, um die persönliche Leistungsfähigkeit und Gesundheit nachhaltig sicherzustellen. Dazu gehört ein tägliches Aufwärmen der Stimme, um diese als gesundes und klangvolles Instrument auch im Dauereinsatz präsent und physiologisch einsetzen zu können. Ein paar Minuten Lockerungsübungen und Stimmübungen morgens als Routine eingebaut oder ein gemeinsames Warm up mit den Kindern im Morgenkreis könenn hier helfen, dass es nicht nur mit dem Sprechen, sondern auch mit dem Singen klappt.
- Nur Mut, es gibt keine Musikpolizei: Das sage ich immer wieder gerne. Was ich damit meine? Oft existiert noch immer der Glaube, dass man schön und interessanterweise hoch singen muss, um Sing-können als Erziehungskraft zu beweisen. Ich ermuntere hier immer, Lieder so zu transponieren, dass sie in einer passenden Tonlage sind, die leicht für die jeweilige Erziehungskraft zu singen ist. Lieder in eine persönlich singbare Tonlage zu transponieren, das ist wirklich erlaubt;). Alles an musikalischen Hilfsmitteln ist erlaubt: Instrumentalbegleitung, Playbacks, die Spaß machen; Wichtig ist, die Stimme als persönliches Klanginstrument wohlwollend und bewusst einsetzen zu lernen. Wenn Erziehungskräfte ihre Stimme gut kennen, sie bewusst stärken und gesund einsetzen im beruflichen Arbeitsalltag, wird sicherlich auch mit Freude gesungen. Das überträgt sich wiederum auf die Kinder. Beim gemeinsamen Singen mit den Kindern sind nicht richtige Töne oder schwindelig hohe Töne entscheidend, sondern, dass überhaupt und vor allem mit guter Stimmung und Freude gesungen wird. Gemeinschaftsgefühl anstatt Perfektionszwang!
- Eine müde und angeschlagene Stimme benötigt Ruhe: Wie soll das im fordernden Alltag funktionieren? Heiserkeit, die länger als 3 Tage andauert, sollte immer fachärztlich abgeklärt werden. Beim berühmten Kloß im Hals oder einer angehenden Erkältung sollte man die eigenen Redeanteile überdenken, eine gute Stimmhygiene durchführen und möglichst ohne Druck und nicht zu laut sprechen. Hier gilt die Faustregel: Bevor ich laut werden muss, werde ich immer erstmal deutlich. Also Zähne beim Sprechen auseinander!
- Singen ist Stimmstärkung und Training für die Sprechstimme: Unter diesem Aspekt kann man das tägliche Singen bewusst nutzen, um der Stimme als Stimmtraining etwas Gutes zu tun. Die einzige Voraussetzung ist: Man sollte auf eine gute Haltung beim Singen und eine angenehmen Tonlage des Liedes achten. Stehen ist hier immer eine bessere Wahl als der Schneidersitz im Morgenkreis oder auf den kleinen Kinderstühlen zu sitzen.
- Jede Kita hat Fortbildungstage: Wie wäre es hier mit einem Stimmseminar für alle Mitarbeiter:innen, um Stimmgesundheit, Stimmhygiene und effektive Stimm-und Körperübungen für einen gesunden und präsenten Stimmeinsatz zu lernen? Nicht nur Schauspieler, Moderatoren oder Sänger bilden über Jahre ihre Stimme aus. So werden auch Erziehungskräfte zu Experten:innen für ihre Stimme und können nachhaltig in diesem Beruf mit Freude und einer guten Stimmgesundheit arbeiten.
Ich finde, dass alle Seiten davon profitierten, wenn in den Kitas mehr gesungen wird. Die Stimmen der Erziehungskräfte werden gestärkt, gute Laune und positive Energie entsteht bei Groß und Klein, Sprachförderung und motorische Entwicklung findet statt, sowie das Gemeinschaftsgefühl wird gestärkt. In Krisenzeiten, wo Einrichtungen mit zu wenig Personal kämpfen, kann Singen ein gutes Argument für mehr Gesundheit und mehr Zufriedenheit sein.
Autorin:
Ariane Roth ist Stimmcoach, Dipl. Musikpädagogin und Bühnenexpertin