So geht Inklusion in der Grundschule! Wie Lehrerinnen und Erzieherinnen (1) zusammenarbeiten
Inhalt- Integrationsschulen und Inklusion in Berlin
- Die Einführung der Integrationsschulen
- Die offene Ganztagsgrundschule
- Integration und Inklusion
- Die Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert
- Inklusion sozial benachteiligter Kinder
- Die Zusammenarbeit zwischen Lehrerinnen und Erzieherinnen - konkret
- Das wünschen wir uns für die Zukunft
Integrationsschulen und Inklusion in Berlin
Inklusion in der Kita ist eigentlich kein Thema: In der Kita wird nicht nach Leistung differenziert, die Fachkräfte müssen keine messbaren Bildungseffekte vorweisen, die Kinder werden - wenn die Erzieherinnen gut ausgebildet sind - nicht unter Leistungsdruck gesehen.
Anders ist das schon in der Grundschule, in der die Lehrkräfte bewerten müssen, ob ein Kind die Ziele des jeweiligen Jahrgangs/Lehrbuchs erreicht hat. Wie kann Inklusion unter diesen Umständen gelingen? Berlin ist hier Vorreiter gewesen, denn schon ab 1975 wurden Grundschulen eingerichtet, an denen Kinder mit und ohne Behinderungen unterrichtet wurden. Die Grundschule am Barbarossaplatz gehörte zu den ersten dieser Schulen. Erst später folgten Schulen der Sekundarstufen. Die Schulen erhielten zusätzlich Stunden für sonderpädagogische Lehrkräfte. Der Umfang dieser Zusatzausstattung richtete sich, wie heute auch noch, nach den jeweiligen zu integrierenden Schülerinnen und Schülern und der Art und Schwere ihrer Behinderung. Außerdem gab es pädagogische Unterrichtshilfen. Im Hortbereich begannen Erzieherinnen mit einer heilpädagogisch orientierten Zusatzausbildung. Es folgte die Weiterbildung zur Facherzieherin für Integration. Diese Fachkräfte wurden (und werden) auch besser bezahlt. Damit ist eine gute Grundlage für das Ziel der Inklusion gelegt, das jetzt realisiert werden soll. Grundschulen mit langer Integrationserfahrung sind ein Vorbild für die Umsteuerung zur inklusiven Bildung.
Im Laufe der Inklusionsbemühungen wird es vermutlich auch zu einer anderen Steuerung der Ressourcenzuwendung durch die Verwaltung kommen. Die Rahmenbedingungen dafür werden gerade entwickelt, so dass sich noch nicht sagen lässt, inwieweit das die Schulen verändern wird. Im folgenden Interview vermitteln die Grundschullehrerin Ulrike Scharf-Germershausen und die Erzieherin Christine Wiese, wie sie in ihrer Zusammenarbeit Inklusion realisieren.
Die Einführung der Integrationsschulen
ErzieherIn.de: Seit wann ist Ihre Schule Integrationsschule?
Ulrike Scharf: Seit 1989, also seit 25 Jahren.
ErzieherIn.de: Was hat sich damals im Personalschlüssel und in der Aufteilung der Arbeit zwischen Lehrerinnen und Erzieherinnen geändert?
Ulrike Scharf: Die Klassen waren kleiner: 18 Kinder ohne Behinderung plus 2 Kinder mit Behinderung. Die schulische Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen fing erst mit der verlässlichen Halbtagsgrundschule (VHG)(2) und der Einführung des jahrgangübergreifenden Lernens an.
ErzieherIn.de: Wie haben Sie die Umstellung auf eine Integrationsschule erlebt? Konnten Sie dem Anspruch auf Integration aller Kinder gerecht werden?
Ulrike Scharf: Die Grundschule am Barbarossaplatz ist als Integrationsschule gegründet worden und alle LehrerInnen haben sich extra deshalb dorthin beworben. Wir wollten den Integrationskindern, die es auch an anderen Schulen gab, gerechter werden. Der Personalschlüssel war besser und die Klassenstärke war begrenzt auf 18 plus zwei Integrationskinder. Damals betrug die Klassenstärke in den Regelschulen 27 bis 31 Kinder. Wir haben eine zweijährige Fortbildung von zwei Wochenstunden erhalten und im Team gearbeitet. Zusätzlich gab es pädagogische Unterrichtshilfen, die die Arbeit bei Kindern mit körperlicher und geistiger Behinderung unterstützt haben. Mit dieser Ausstattung und unserem Engagement konnte man vielen Kindern (hoffentlich allen) gerecht werden.
Christine Wiese: Ich arbeite beim Pestalozzi-Fröbel-Haus. Das PFH stellt als Kooperationspartner der Grundschule für die Kinder in der ergänzenden Betreuung Räume in der Karl-Schrader-Straße und in der Grunewaldstraße zur Verfügung - nur wenige Gehminuten von der Schule entfernt. In drei Häusern werden hier bis zu 230 Kinder von den Klassen 1 bis 6 betreut. Alle Räume sind als Funktionsräume gestaltet, die den Kindern vielfältige Möglichkeiten für Lern- und Spielerfahrungen geben. Das Pestalozzi- Fröbel-Haus arbeitet nach dem EEC-Konzept, einem Konzept, das die Beobachtung und individuelle Förderung, die Einbeziehung von Eltern in die Bildungsprozesse ihrer Kinder und die Öffnung der Institutionen in den Sozialraum für Familien in den Vordergrund stellt. Wir beobachten Stärken und Kompetenzen der Kinder und versuchen individuelle Lernangebote für Kinder zu entwickeln und Bildungsprozesse auf diese Weise zu aktivieren.
Integration bedeutet an diesem Punkt auch einen gemeinsamen Entwicklungsprozess von Lehrerinnen und Erzieherinnen. Die binnendifferenzierte Lernmethodik der Grundschule am Barbarossaplatz habe ich als unterstützend und bereichernd erlebt. Kinder werden über ihre Fähigkeiten und Kompetenzen wahrgenommen und nicht über das, was sie nicht können.
ErzieherIn.de: Was hat sich für Sie persönlich durch die Umstellung verändert?
Ulrike Scharf: Wir waren zwei Klassenlehrerinnen, wir konnten im Team arbeiten. Für die Planung und auch für die Durchführung des Unterrichts war das sehr hilfreich. Wenn man an seine Grenzen bei einem Kind stieß, konnte man gemeinsame Lösungen überlegen.
Methodisch-didaktisch arbeiteten wir binnendifferenziert, dabei wurden die Kinder ihrem Leistungsvermögen entsprechend unterrichtet. Es wurde fast ausschließlich in Blockstunden unterrichtet. Es gab kein Klingelzeichen mehr. Wir frühstückten gemeinsam ein - hoffentlich gesundes - Frühstück in der Klasse und die Kinder gingen in den beiden Frühstückspausen zum Spielen auf den Hof.
Christine Wiese: Die Bildungsprozesse, die in der ergänzenden Betreuung angeregt werden sind nicht leistungsorientiert, sondern orientieren sich am Wohlbefinden und der Engagiertheit von Kindern – vielleicht der gravierendste Unterschied.
Meine Erfahrungen sind in diesem Bereich der Auseinandersetzung mit Lehreinnen und der Institution Schule ausgesprochen positiv.
Gemeinsam mit den Lehrerinnen versuchen wir Wege zu finden, um Lernprozesse von Kindern zu unterstützen und zu erweitern. Die Zusammenarbeit mit einer anderen Berufsgruppe habe ich als sehr bereichernd und konstruktiv erlebt.
Die offene Ganztagsgrundschule
ErzieherIn.de: Im Jahr 2008 wurde Ihre Schule zur Verlässlichen Halbtagsgrundschule und zur offenen Ganztagsgrundschule. Was hat sich dadurch für Sie beide verändert?
Ulrike Scharf: Hier hat die enge Zusammenarbeit von Lehrerinnen und Erzieherinnen begonnen. Die Erzieherinnen sind in einigen Stunden im Unterricht anwesend und arbeiten mit. In den Hausaufgabenstunden und anderen VHG-Stunden sind die Erzieherinnen allein verantwortlich in der Klasse. Grundsätzlich ist bei uns eine Erzieherin einer Klasse und einem LehrerInnenteam zugeordnet und ist auch im Ganztag (3) für diese Kinder zuständig.
Christine Wiese: Die Reflexion der eigenen Schulerfahrungen bekam neue Impulse. Die Erfahrung eines anderen Rollenverständnisses wirkte sich positiv auf meine berufliche Identität aus. Die Umsetzung des Berliner Bildungsprogrammes hat die ergänzende Betreuung aus der Beliebigkeit eines Freizeitbereiches in ein anderes Verständnis von Bildungsprozessen geführt. Das Erleben der Kinder über einen ganzen Tag hat unseren Blick sensibilisiert und Visionen geschaffen. Im Schulalltag ist mir sehr deutlich geworden, wie positiv und resilienzfördernd sich die Wertschätzung und Anerkennung der Lehrinnen auf das Selbstkonzept der Kinder auswirkt.
ErzieherIn.de: Wie hat sich die Umstellung auf Ihre Zusammenarbeit ausgewirkt?
Ulrike Scharf: Wir sind seitdem alle ein Team. Lehrerinnen und Erzieherinnen haben gemeinsame Konferenzen, Kollegiumsausflüge, Weihnachtsfeiern und Schulfeste. Die Elternabende und verschiedene Elterngespräche werden gemeinsam durchgeführt. Es gibt seitdem z.B. kein hitzefrei mehr. Früher hatte man einfach früher Schulschluss und die Horte mussten die Kinder dann früher betreuen.
Es ist eine enge Zusammenarbeit entstanden. Da die ErzieherInnen näher an den Eltern dran sind, können sie den Lehrerinnen viele Gespräche abnehmen und Probleme schneller lösen.
Christine Wiese: Ich habe die Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Professionen als sehr ressourcenorientiert wahrgenommen. Um einen positiven, ressourcenorientierten Blick auf die Kinder zu entwickeln, ist es notwendig ihn auch im Klassenteam zu verwirklichen.
ErzieherIn.de: Es wird häufig gesagt, dass die offene Ganztagsgrundschule Nachteile gegenüber einer gebundenen Ganztagsschule hat. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ulrike Scharf: Bei uns gibt es meines Erachtens keine Nachteile, weil alle Kinder der Klassen 1 bis 4 und auch viele Kinder der 5. und 6. Klassen in den Ganztag gehen.
Christine Wiese: Ich vermisse manchmal Lehrer im Ganztag und Angebote, die gemeinsam mit Erziehern entwickelt werden und im Nachmittagsbereich stattfinden, eine Rhythmisierung, die an gebundenen Ganztagsschulen eher vorgegeben ist.
Integration und Inklusion
ErzieherIn.de: Wie wird in der Integrationsschule Inklusion definiert? Ist die Inklusion durch die Integration schon verwirklicht oder geht sie weiter als Integration?
Ulrike Scharf: Ich habe Probleme mit dem Unterschied. Jedes Kind hat unterschiedliche Bedürfnisse und braucht unterschiedliche Förderung Das hat nichts mit der Zuordnung zu Integration oder Inklusion zu tun. Wir versuchen allen Kindern gerecht zu werden.
Christine Wiese: Inklusion ist für mich ein Ansatz, der sich an Unterschiedlichkeit orientiert und nicht an normativen Massstäben.
ErzieherIn.de: Lehrkräfte sind gezwungen, Kinder nach ihren Leistungen zu beurteilen. Widerspricht dies nicht den Prinzipien von Inklusion?
Ulrike Scharf: Ab Klasse 5 sind Zensuren eine Problem, weil sie an Standards gemessen werden und nicht die individuelle Leistungsentwicklung gewürdigt werden kann.
In Klasse 1 bis 4 werden Entwicklungsberichte geschrieben, die die Leistungen des jeweiligen Kindes beschreiben.
Tests und Klassenarbeiten schreiben die Kinder oft zu unterschiedlichen Zeiten, wenn sie sich sicher fühlen und in verschiedenen Schwierigkeitsstufen.
ErzieherIn.de: Was hat sich durch die Umstellung auf jahrgangsübergreifende (4) Gruppen für Ihre Bemühungen um Inklusion verändert?
Ulrike Scharf: Es hat sich für uns Lehrerinnen kaum etwas verändert. Natürlich ist die Differenzierung noch umfangreicher geworden.
Christine Wiese: Es erleichtert den Umgang mit unterschiedlichen Entwicklungsprozessen. Altersheterogene Gruppen ermöglichen einen individuellen Blick eher, da grundsätzlich unterschiedliche Entwicklungsstadien in der Klasse vorhanden sind.
ErzieherIn.de: Und wie erlebt eine Heilpädagogin den Druck der Grundschule, Leistung zu verlangen?
Christine Wiese: Ich bin in der jahrgangsübergreifenden Eingangsstufe der Klassen 1-3 tätig. Ich erlebe ein großes Engagement der Lehrer/innen, um Kinder in ihren Lern- und Bildungsprozessen zu unterstützen. Zensuren werden in diesen Klassen noch nicht gegeben.
Das Wissen um Wohlbefinden als Voraussetzung für gelungenes Lernen, für Wertschätzung und Anerkennung ist Grundlage der pädagogischen Haltung der Lehrer/innen. Ich erlebe die Kollegen an der Schule eher als erfahren und gelassen gegenüber dem Leistungsdruck – auch gegenüber dem Erwartungsdruck der Eltern…sehr wohltuend…
Die Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert
ErzieherIn.de: Halten Sie die Bedingungen zur Verwirklichung von Inklusion an Ihrer Grundschule heute für ausreichend?
Ulrike Scharf: Bei uns haben wir heute eine Klassenstärke von 24 Schülern. Diese Klassenstärke ist bereits zu hoch. Die Klassen dürfen nicht stärker werden. Wir brauchen viel Raum für Material. Das Individualisieren des Lernens führt zu sehr enger Zusammenarbeit mit den Kindern Wir sind in den JÜL-Klassen meistens zu zweit, da wir auch mehrere Integrationskinder pro Klasse haben. Häufig sind zwei Erwachsene in den Unterrichtsstunden, so dass die Kinder Unterstützung erhalten. Die Situation darf sich nicht verschlechtern. Sie muss verbessert werden.
Die Deckelung der Etats der Schulhelfer und der Betreuungsstunden für Integrationskinder von 4,5 auf 1,5 hat dazu geführt, dass sich die Ausstattung deutlich verschlechtert hat, so dass der bisherige Stand der Qualität der Integration nicht mehr gehalten werden kann.
Christine Wiese: Ich finde, dass mehr Räume zur Verfügung stehen sollten, um Kinder individuell fördern zu können oder Spielsequenzen in den Stundenplan einbauen zu können.
Erzieher/innen haben bei uns ausschließlich Teilzeitstellen, so dass die Doppelsteckungen im Unterricht und die pädagogische Begleitung der Kinder im Ganztag zeitlich eng limitiert sind.
Inklusion sozial benachteiligter Kinder
ErzieherIn.de: Inklusion bezieht sich ja nicht nur auf Kinder mit Behinderungen, sondern auch auf Kinder, die durch ihre sozialen Bedingungen unterprivilegiert sind. Kann Schule überhaupt Inklusion für diese Kinder bewirken? Und wenn ja, wie, und wo sind die Grenzen?
Ulrike Scharf: Hier sind die Grenzen, da wir oft die Doppelsteckungen für die Kinder mit Gutachten brauchen. Wir haben z.B. ein Problem mit den Hausaufgaben in den Klassen 4 bis 6. Die Kinder der 6. Klasse haben keine Hausaufgabenzeit in der Schule und in der 5. Klasse reicht die eine Hausaufgabenstunde nicht aus. Bestimmte Kinder brauchen aber Begleitung bei den Hausaufgaben. Dafür haben die Erzieherinnen keine Kapazitäten. Andererseits ist der Ganztag eingeführt worden, um Chancengleichheit herzustellen. Wenn es genügend Lehrerstellen gäbe, könnte eine Lehrerin die Hausaufgabenbetreuung übernehmen. Das gesamte System steht und fällt mit der quantitativen und qualitativen Ausstattung von Schule und Ganztag.
Christine Wiese: Gerade im Bereich sozial schwacher Familien zeigt sich, dass Schule und Ganztag ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur Chancengleichheit sein können. Eine Institution, die sich über lange Zeit in den Phasen der Lern – und Identitätsentwicklung mit Kindern auseinandersetzt, ihnen einen Ort bieten kann, an dem sie sich wohlfühlen, ernstgenommen fühlen. Wenn es Orte der Chancengleichheit geben kann, dann doch Schule und Ganztag: Die Möglichkeit pädagogisch begleitete Hausaufgaben zu machen, Freizeitangebote wahrnehmen zu können, unterschiedliche Lebensentwürfe kennenzulernen, Talente zu entwickeln.
Die Zusammenarbeit zwischen Lehrerinnen und Erzieherinnen - konkret
ErzieherIn.de: Wie gestaltet sich Ihre Zusammenarbeit konkret?
Christine Wiese: Es gibt verschiedene Bereiche der Zusammenarbeit:
- Unterrichtsbegleitung
- gemeinsame Förderplanung
- Zusammenarbeit mit FamilienGemeinsame Studientage
- Gremienarbeit
Ulrike Scharf: Während des Unterrichts hilft die Erzieherin bestimmten Kindern, auch den Kindern, die z.B. die Aufgabenstellung nicht verstanden oder gelesen haben. Sie bringt sich außerdem in Unterrichtsgesprächen ein. Sie ist gleichberechtigtes Mitglied im Klassenteam. Da die Schüler aus dem Ganztag von den Eltern abgeholt werden, ist die Erzieherin die erste Ansprechpartnerin. Bei Teamsitzungen kann man diese Elterngespräche vor- bzw. nachbereiten. Dadurch kann man auf Probleme viel schneller eingehen und sie aus dem Weg räumen. Die Klassen 1 bis 4 haben Hausaufgabenzeiten in der Schule. In dieser Zeit ist die Erzieherin die Verantwortliche, die die Situation bereitstellen muss, so dass die Kinder arbeiten können.
ErzieherIn.de: Die Arbeitsbeziehung zwischen Lehrerinnen und Erzieherinnen ist gekennzeichnet durch einen Status- und Gehaltsunterschied.In Ihrem Fall ist das nicht so, aber wie erleben Sie dieses Problem bei KollegInnen? Wie wird diese unterschiedliche gesellschaftliche Anerkennung von ihnen verarbeitet, wie beeinflusst sie die Kooperation?
Christine Wiese: Grundsätzlich denke ich, dass alle Professionen, die im Bildungsbereich tätig sind und mit Kindern arbeiten – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten – gleich bezahlt werden sollten.
Und manchmal gibt es schon Bitterkeiten, zum Beispiel bei dem fröhlichen Abschiedsgruß „Schöne Ferien“ der Lehrer/innen – der Ganztag hat auch in den Ferien geöffnet, das Team der Erzieher/innen arbeitet – oder eben beim unterschiedlichen Engagement der Lehrerinnen im Nachmittagsbereich.
Ulrike Scharf: Es ist für die Zusammenarbeit wichtig, dass die Lehrerin die Arbeitsbeziehung zwischen sich und der Erzieherin aufbaut und ihr Anerkennung entgegenbringt.
Hilfreich ist, dass auch die Lehrerinnen unterschiedlich bezahlt werden. Es gibt angestellte und verbeamtete KollegInnen, es gibt LehrerInnen mit einem oder mit zwei Wahlfächern, Sonderpädagogen. Außerdem gibt es Teilzeitkräfte und SchulhelferInnen.
Die Lehrerinnen müssen zum Ganztag gehen, dem Arbeitsplatz der Erzieherinnen Wertschätzung entgegenbringen und genial wäre, wenn die Lehrerinnen eine Hausaufgabenstunde im Ganztag anbieten könnten (natürlich aus dem Stundendeputat, nicht zusätzlich).
Das wünschen wir uns für die Zukunft
ErzieherIn.de: Was wünschen Sie sich für Ihre Berufsgruppe, um den Anforderungen der Inklusion in der Grundschule besser gerecht werden zu können?
Christine Wiese:
- Gemeinsame Teamzeiten mit Lehrerinnen im Stundenplan
- Gemeinsame Fortbildungen
- Gemeinsame Projekte im Nachmittagsbereich
- Gemeinsame Supervision
Ulrike Scharf: Da gibt es einiges:
- Die wöchentliche Arbeitszeit müsste wieder verringert werden von 28 auf 26 Stunden.
- Eine Lehrerstunde im Ganztag.
- Feste Teamzeiten als Arbeitszeit.
- Wiedereinführung der Fortbildung der Nichtsonderpädagogen und/oder gemeinsame Fortbildungen.
ErzieherIn.de: Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Hilde von Balluseck
Anmerkungen
(1) In diesem Text wird für Erzieherinnen und Lehrerinnen nur die weibliche Form verwendet, gemeint sind aber auch die - zahlenmäßig geringeren - männlichen Fachkräfte.
(2) In der verlässlichen Halbtagsschule bleiben die Kinder bis mindestens 14 Uhr, danach haben sie die Möglichkeit, im Hort zu bleiben.
(3) Als Ganztag wird intern das Hortangebot bezeichnet, das sich an die Schulstunden anschließt.
(4) In den jahrgangsübergreifenden Klassen (JÜL) bleiben die SchülerInnen der Klassen 1 bis 3 zusammen. Wer dabei die Lernziele der dritten Klasse nicht erreicht, bleibt in dieser Gruppe.
Ulrike Germershausen-Scharf: geb. 1954, studierte Englisch und Grundschulpädagogik an der PH- Berlin und machte ihr 2. Staatsexamen 1979. Ihre drei Kinder bekam sie in den Jahren 1981, 1984, 1988. Von 1979 bis 1991 arbeitete sie an der Brandenburg-Grundschule in Schöneberg und wechselte dann an die Grundschule am Barbarossaplatz. Sie unterrichtet in den Klassen 1 bis 4, dann in JÜL, und ist Fachlehrerin für Englisch in den Klassen 3 bis 6.
Christine Wiese, staatlich anerkannte Erzieherin, M.A. Germanistik und Literatur, staatlich anerkannte Heilpädagogin, war in verschiedenen Arbeitsbereichen der Kinder-und Jugendhilfe und Sozialpädiatrie tätig und arbeitet seit 1997 am Pestalozzi- Fröbel- Haus Berlin, das u.a. mit der Schule am Barbarossaplatz kooperiert.
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