Menschen um einen Tisch herum

Teil I: Fachberatung in den Ländern

Tanja Hammer

06.06.2022 | Fachbeitrag Kommentare (0)

Fachberatungen übernehmen im Kitasystem die Funktion der Unterstützer:innen für Träger, Eltern, Kinder, Leitungen, pädagogische Fachkräfte und Dritte. Sie steuern pädagogische, wirtschaftliche, politische und alltagspraktische Informationen. Doch immer wieder stellt sich die Frage, auf welcher gesetzlichen Grundlage sie tätig werden. Um diese Frage zu beantworten, braucht es einen Blick in die Gesetze, Erlasse und Verordnungen jedes einzelnen Bundeslandes, die sich dem Thema Kinderbetreuung annehmen, denn die Bundesländer führten die im KJHG geregelte Betreuung von Kindern mit eigenen Landesgesetzen weiter. Gerade für Fachberatungen, Kita-Leitungen und Trägervertreter:innen, die zuvor in einem anderen Bundesland im Kita-Bereich tätig waren, führt dieser Flickenteppich bisweilen zu Herausforderungen und Missverständnissen. Nicht in allen Bundesländern haben Fachberatungen die gleichen Aufgaben, Pflichten und Rechte. Auch die Abrechnungsmodalitäten, die Pflicht, eine Fachberatung vorzuhalten und deren fachlichen Voraussetzungen ist Ländersache. Selbst ein einfaches Nachfragen, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen gestaltet sind, kann eine Herausforderung darstellen, sind doch Fachberatungen in den Bundesländern mal dem Sozial-, mal dem Kultusministerium zugeordnet.

Um eine erste Einordnung zu ermöglichen, findet sich nachfolgend ein Überblick über die landesrechtlichen Regelungen:
Ansprechpartner für pädagogische Fachkräfte und Trägervertretungen sind Fachberatungen in Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Sie kümmern sich um die konzeptionelle und strukturelle Weiterentwicklung und beraten zu Fragen der Qualität frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung (
ThürKitaG § 10 Abs. 10 KitaFö, § 11 Abs. 2). Hamburgs Landesgesetz führt die Beratung zu „wirtschaftlichen, organisatorischen und baulichen Fragen“ als Aufgabenfeld an (ThürKitaG § 10 Abs. 10 KitaFö, § 11 Abs. 2). Expertenkenntnisse in mehreren, sehr unterschiedlichen, Bereichen sind demnach zwingend Voraussetzung, um die Aufgabe zu bewältigen. Ein Qualifikationsprofil für diese herausfordernde Aufgabe machen jedoch nur wenige Bundesländer. Hessen beispielsweise schlägt eine Qualifizierung von wenigen Tagen vor. In Mecklenburg-Vorpommern ist „langjährige Erfahrung“ als pädagogische Fachkraft ausreichen, jedoch sollte diese Person nicht mit Betriebserlaubnis-relevanten Fragen betraut sein (§ 16 Abs. 1 KiföG M-V). Schleswig-Holstein bietet eine 1,5 Jahre andauernde berufsbegleitende Weiterbildung an. Diese ist an der FH Kiel angesiedelt und kann auch im Rahmen eines kindheitswissenschaftlichen Studiums an der Uni Koblenz-Landau belegt werden. Anerkannt wird sie mit 30 CPs. Für die Tätigkeit als Fachberatung ist diese Qualifikation keine Vorschrift, sondern nur optional. Sachsen und Thüringen machen als einzige Bundesländer verbindliche Vorgaben zur Qualifizierung und Zuständigkeit einer Fachberatung (§ 19 Abs. 2 ThürKitaG; § 21 Abs. 3 SächsKitaG; § 6 SächsQualiVO). In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt es immer wieder von großen Trägerverbänden organisierte Fort- und Weiterbildungsreihen für Fachberatungen, deren Inhalte sich jedoch aus der Praxis speisen und weder durch Verordnungen vorgegeben noch regelhaft mit wissenschaftlichen Institutionen verwoben sind. Eine gesicherte Refinanzierung der Fortbildungskosten ist in keinem Bundesland gegeben. Fachberatung übernehmen kann demnach außer in Sachsen und Thüringen jede:r, der vom Träger oder der Trägerin für geeignet befunden wird. Eine verbindliche Eingangsqualifikation gibt es nicht.

Eine Fachberatung in Berlin und Hamburg zählt laut Verordnung Leitungskräfte und in Thüringen Eltern zu ihren Klienten. Ausschließlich in Thüringen wird die Fachberatung als Ansprechpartner:in für Kinder benannt (§ 4 Abs. 3 ThürKitaVO). Wie die Fachberatung-Kita- oder Fachberatung- Fachkraft-Relation gestaltet werden soll, bleiben die meisten Ländergesetze schuldig und machen ein dezidiertes Verhandeln der Kosten mit der Standortkommune oder dem Land notwendig. Mecklenburg-Vorpommern macht großzügige Angaben: „Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat Kapazitäten für die Fach- und Praxisberatung in Kindertageseinrichtungen für je 1.200 belegte Plätze, soweit diese Aufgabe nicht durch die Träger der Kindertageseinrichtungen oder ihre jeweiligen Dach- oder Spitzenverbände selbst wahrgenommen wird, jeweils in einem einer Vollzeitstelle entsprechenden Umfang vorzuhalten.“ (§ 16 Abs. 3.1 KiföG M-V – Kindertagesförderungsgesetz). Rheinland-Pfalz hat sich mit dem neuen Kita-Gesetz auf den Weg gemacht, Fachberatungen zu stärken. „Jede Kita soll Zugang zu FB haben“, führt es aus, ebenso gibt es Infos zur Finanzierung (KitaZG § 25). Eine Vorgabe, ob Träger:innen die Fachberatung vorhalten, über den Kreis, die Standortkommune, einen möglichen Dachverband oder durch Beauftragung selbstständiger Fachberatungen decken sollen, bleibt das Gesetz schuldig. Bei der Personalkostenabrechnung kann ein Träger 1000 Euro für eine Fachberatung unkompliziert abrechnen, pro Jahr. Unter der Eingabemaske für das Regelpersonal kann die Fachberatung, die auch als solche benannt ist, eingegeben werden. Darüberhinausgehende Kosten können mit der Standortkommune zur Kostenübernahme vereinbart werden, jedoch gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine Refinanzierung über die 1000 Euro Grenze hinaus. Wie mit diesem geringen Budget alle Kitas mit Fachberatung versorgt werden sollen, sagt uns das Gesetz leider nicht.

Natürlich stellt sich die Frage nach der Verbindlichkeit von Fachberatungs-Kontakten. In Berlin ist die Fachberatung fest vorgeschriebenes Element in der Kita-Landschaft, im Saarland lediglich eine Option für pädagogische Fachkräfte (12 Abs. 6 VO-SKBBG § 10 Abs. 4 KitaFöG). Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, dass in keinem Gesetz, keiner Verordnung und keinem Erlass Fachberatungen anführt. In diesem Bundesland gibt es demnach keine Möglichkeit, Faktoren wie Zuständigkeit, Ressourcen oder gar Vergütungsmodalitäten allgemeinverbindlich zu erfahren. Häufiger Streitpunkt ist die Dienst- und Fachaufsicht. Außer in Thüringen und Schleswig-Holstein gibt es in keinem Land das Verbot von fachberaterischer Tätigkeit in Kombination mit Dienst- und Fachaufsicht (§ 4 Abs. 6 ThürKitaVO; § 20 Abs. 2 Kita-Reform-Gesetz S-H.). Schleswig-Holstein knüpft die Refinanzierung einer Fachberatung an die Bedingung, Fachberatung und Dienst- und Fachaufsicht zu trennen. Welche Aufgaben in ihr Aufgabenfeld fallen, bleibt genau wie in Rheinland-Pfalz offen. Stellen wir uns die Frage, was die Fachberatung denn tun soll: Den höchsten Anspruch stellt Nordrhein-Westfalen an seine Fachberatungen und nennt sie in einem Zuge mit Qualitätsentwicklung. Sie sind u.a. in Kooperation mit den Trägern zuständig für die „Sicherstellung und Weiterentwicklung des Leistungsangebots und zum Ausbau der Betreuungsplätze“ (§ 6 Abs. 1 KiBiz) sowie zur „Bereitstellung von angebots- und trägerübergreifenden Arbeitshilfen und Mitwirkung an überörtlichen Evaluationen, überörtlicher Qualitätssicherung und -entwicklung.“ (§ 6 Abs. 1 KiBiz) Hamburg sieht die Beratung „nach Bedarf zu pädagogischen und organisatorischen Fragestellungen“ klar als Fachberatungstätigkeit an (3 LRV HH). In Thüringen ist die Beratung zur „umfassenden Einbeziehung der Eltern in Fragen der Bildung und Erziehung ihrer Kinder“ und die Beratung zur „Betriebsführung der baulichen, räumlichen und sächlichen Ausstattung“ in das Portfolio der Fachberatung eingegangen (§ 4 Abs. 4 ThürKitaVO). Hamburg sieht die Trägervertretung in Gremien bei der FB angesiedelt. Demnach hat die Fachberatung Träger:innen bei Einführung neuer Angebotsformate zu unterstützen.

Die Aufgaben reichen im Bundesgebiet von rein konzeptionell-pädagogischen über Bearbeitung von Verwaltungs- und politischen Fragen bis hin zum Qualitätsmanagement und der Personalentwicklung von Fachkräften. Wie die Fachberatungen ohne verbindlicher Eingangsqualifikation für diese spezielle Aufgabe vorbereitet werden kann, setzt hohe Anforderungen an die Personalentwicklung der Träger:innen. Ideen zur Personalentwicklung von Kita-Fachberatungen finden sich im folgenden Teil der Reihe.

Literaturempfehlung: 

Hammer, Tanja (2021): Faktoren und Handlungsansätze gelingender Kindertagesstätten-Fachberatung. Potentiale und Grenzen der Personalentwicklung. München

* Teil I zum Thema "Fachberatung" 

Autorin: 

MA Tanja Hammer, Erzieherin, Sozialwissenschaftlerin. Arbeitet derzeit als Schulleiterin und Dozentin an der Heilerziehungspflegeschule in Karlsruhe.

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