Tiere in der Kita?
Sollten Kinder auch in der Kita mit Tieren in Berührung kommen? Diese Frage stellen sich viele pädagogische Fachkräfte. Aus der Zeitschrift Welt des Kindes haben wir dazu mit freundlicher Genehmigung der Redaktion eine Diskussion übernommen, die das Pro und Kontra aufzeigt.
Pro:
Hunde, Katzen, Hasen, auch gefährliche Raubtiere oder Dinosaurier: All diese Tiere springen, schleichen und hüpfen täglich in unserer Einrichtung umher. Natürlich nicht als richtige tierische Lebewesen – die Kinder schlüpfen in diese Rollen und stellen die speziellen Eigenheiten der Tiere im Spiel dar. Sogar unsere Jüngsten, die Krippenkinder, begeistern sich für solche Rollenspiele: Neulich stand ich plötzlich mitten in einem Rudel Wölfe - alle mit Pampers-Po.
Schüchternen Kindernetwa hilft eine Handpuppe in Form eines Tiers beim Eintritt in die Kita, Zutrauen in die neue Umgebung und zu den Personen zu finden.
Häufig beobachte ich, dass die Kinder großes Interesse an allen Themen zeigen, die mit Tieren aller Artzu tun haben, und dabei auch von weniger„kuscheligen“ Tieren wie beispielsweise Spinnen und Regenwürmern fasziniert sind.
Inzwischen gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass Tiere eine vielfältige positive Wirkung auf die Entwicklung von Kindern haben und das kindliche Verantwortungsbewusstsein unterstützten:Bei der Kontaktaufnahme mit einem lebenden Tier erleben die Kinder, dass sie so angenommen werden, wie sie sind. Aber sie lernen auch, dass das Tier eigene Bedürfnisse hat, auf die sie Rücksicht nehmen müssen – schließlich ist ein echtes Tier kein Kuscheltier oder Spielzeug. Das Zusammenspiel von Fürsorge des Kindes und Zutraulichkeit des Tiers, von Füttern und Pflegen einerseits und dem Wohlbefinden und der Gesundheit des Tiers andererseitsist von entscheiden-der Bedeutung für die Entwicklung von Verantwor-tungsgefühl.
Diese Argumente und meine persönlichen Beobachtungen haben mich überzeugt, dass Tiere in der Kita eine Bereicherung sein können – aber nur dann, wenn wichtige Aspekte berücksichtigt werden.
Der Meerschweinchen-Käfig etwa mitten in der Bauecke, wie ich es einmal in einer Einrichtung gesehen habe, ist natürlich ein Beispiel, wie dieses Thema nicht umgesetzt werden sollte. Die Bedürfnisse der jeweiligen Tiere zu respektieren muss an erster Stelle stehen. Beispielsweise muss gewährleistet sein, dass sie sich jederzeit zurückziehen können. Deshalb brauchen sie einen ruhigen Platz im Gebäude oder im Garten der Einrichtung. Eine solche Platzwahl kommt auch den Kindern zugute, weil sie sich an solchen Orten voll und ganz auf die Beobachtung und Pflege des Tiers konzentrieren können und nicht durch Lärm abgelenkt werden.
Unverzichtbar ist es, mit den Kindern klare Regeln zu erarbeiten, zum Beispiel, dass das Tier nur dann gestreichelt werden darf, wenn es das gerade möchte,oder dass die Kinder nach dem Kontakt mit dem Tier die Hände waschen.
Bevor Tiere in eine Einrichtung einziehen können, müssen die Mitarbeiterinnen allerdings unbedingt klären, welchen zeitlichen und organisatorischen Aufwand sie leisten können. Schließlich brauchen etwa Kleintiere wie Hasen und Meerschweinchen auch am Wochenende und in den Ferien Nahrung und Pflege, während Fische schon einmal ein paar Tage „vorgefüttert“ werden können.
Vielleicht können aber auch Familien für die Pflege der Tiere gewonnen werden. Grundsätzlich sollte vor dem Einzug der Tiere in die Kita auch mit den Eltern das Für und Wider von echten, lebendigen Tieren in der Einrichtung diskutiert werden. Ein überzeugendes Argument könnte zum Beispiel sein, dass die Eltern dann nicht mehr im eigenen Heim dem Wunsch ihres Kindes nach einem Haustier entgegenkommen müssen. Gibt es in der Einrichtung Kinder mit einer Tierhaarallergie, muss das natürlich bei der Auswahl berücksichtigt werden.
Beachtet man all diese Punkte, sind Tiere meiner Meinung nach auf jeden Fall eine Bereicherung für den Kindergarten.
Martina Bentenrieder, Leiterin des katholischen Kindergartens Herz Jesu in Augsburg.
Kontra:
Auf die Frage, ob Tierhaltung in der Kita sinnhaft ist oder nicht, habe ich inzwischen ein ganz klares „Nein“ gefunden. Zugegebenermaßen war das nicht immer so – in meiner Zeit als Leitung einer Kindergartengrup-pe war ich die treibende Kraft für die Anschaffung eines Aquariums. „Das ist eine gute Möglichkeit, Kinder an die Verantwortung und den richtigen Umgang mit Tieren zu gewöhnen. Zudem finden die Kinder das Beobachten der Fische toll, und es hat beruhigende Auswirkungen auf die Gruppe.“ Dies waren meine Argumente den Eltern und dem Team gegenüber. Ich war überzeugend: Die Eltern waren begeistert und beglückten uns mit schönen Fischen für unser Becken.
Heute, nach meinen Erfahrungen mit besagtem Gruppenaquarium, sehe ich das anders. Anfangs waren das Becken und die Fische für die Kinder tatsächlich spannend. Sie rissen sich geradezu darum, beim Füttern zu helfen. Das Säubern des Aquariums übernahmen meine Kollegin und ich – meist machten wir das, wenn die Kinder bereits zu Hause waren, da sich dies im laufenden Gruppenbetrieb als schwieriges Unterfangen herausstellte.
Nach einigen Monaten stellten wir– als absolute Aquaristik-Neulinge – fest, dass die schönen, von den Eltern geschenkten Fische sehr schnell wuchsenund für unser Becken viel zu groß wurden. Immer wieder hatten wir Probleme mit den Wasserwerten, die Algen wuchsen munter und überwucherten unser Becken.Die Fische bekamen Pilze und/oder gingen ein. Das führte dazu, dass wir immer häufiger irgendwelche Mittelchen kaufen mussten, um das ganze System am Laufen zu halten – zulasten unserer Gruppenkasse.
Das Füttern der Fische an den Wochenenden und in den Ferien wurde ebenfalls zur Herausforderung. Natürlich hatten wir uns einen Futterautomaten gekauft – nur leider funktionierte dieser nicht so, wie er sollte. Meist gab er entweder gar kein Futter oder die Ration für drei Tage auf einmal ab. Was wiederrum zu Schwierigkeiten mit den Wasserwerten führte.
Außerdem wurde das Aquarium für die Kinder dann doch langweilig. Im Becken „passierte“ ja nicht wirklich etwas, und anfassen und streicheln kann man die Fische auch nicht. Kurz und gut – die Idee mit dem Aquarium war nicht wirklich die allerbeste.
Allein dieseErfahrungen belegen noch nicht, dass die Haltung von Tieren in der Kita nicht sinnvoll ist. Letztlich stellt sich für mich jedoch die Frage: Welche Tiere sind denn kita-tauglich? Tiere, die in einer Kita gehalten werden, müssen in jedem Fall stressresistent sein. Doch auf welche Tiere trifft daszu? Wellensittiche? Schildkröten? Mäuse? Hasen, Hamster oder Meerschweinchen? Es liegt auf der Hand, dass es diesen Tieren nicht besonders gut geht, wenn sie durch viele verschiedene Kinderhände gereicht werden, die mehr oder weniger sanft zupacken. Wie oft werden die Tiere „zwangs-geknuddelt“ oder bekommen unkontrolliert mehr Futter, als ihnen guttut? Und sind wir mal ehrlich – auch pädagogische Fachkräfte haben ihre Augen und Ohren nicht überall. Sieht so ein verantwortlicher Umgang mit Tieren aus? Wohl kaum.
Und was ist mit der Versorgung der Tiere an den Wochenenden und in den Ferien? Einige Tiere können in diesen Zeiten nicht einfach in der Kita bleiben. Dann werden sie häufig von einer Hand zur anderen gereicht. Und wer kontrolliert, wie gut die Tiere in der „Urlaubsstätte“ gepflegt werden?
Die Haltung von Tieren in der Kita, die nicht ihrer Art entsprechend gehalten werden können, hat für mich nichts mit einem verantwortungsvollen Umgang mit Tieren zu tun. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass Kinder erst ab etwa sechs Jahren in der Lage sind, sich verantwortungsbewusst um ein Tier zu kümmern, sollte sich meines Erachtens nach die Frage nach Tieren in der Kita erübrigen.
Silke Moser, Dipl.-Sozialpädagogin, Referentin im Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e. V.
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