mehrere Kinder

Vernachlässigt Bayerns Regierung die Qualität in Kitas? – Eine neue Studie wirft Fragen auf

04.11.2023 Kommentare (0)

Die Bayerische Staatsregierung beteuert immer wieder, dass das Wohl der Kinder an erster Stelle stehen muss, da sie die Zukunft des Landes sind. So traf die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf unter anderem in einer Pressemitteilung die Aussage: „Kinder sind das wertvollste Gut unserer Gesellschaft“*1. Doch sind das nur leere Floskeln oder setzt die Regierung dieses Ziel wirklich um?

Die Ergebnisse der vor Kurzem vorgestellten Studie „Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2023“ des Wiff (Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte) lassen Zweifel an der Umsetzung dieser Aussage zu.

Die Studie zeigt, dass Bayern im Vergleich mit den anderen Bundesländern das geringste Qualifiaktionsniveau beim pädagogischen Perosnal hat.*2 Und was tut die bayerische Staatsregierung? Sie führt mit dem modularen Weiterbildungskonzept eine Möglichkeit ein um auf schnellerem Weg mit weniger Wissenvermittlung und Praxisbegleitung kurzfristig Personal zu gewinnen. Und zwar durch Weiterbildungen, die nicht dem DQR-Level zugeordnet werden können, keine zentral gestellten Prüfungen haben, außerhalb des zertifizierten und erfahrenen Schulwesens stattfinden und nur in Bayern mit Zustimmung der jeweiligen Aufsichtsbehörde zum Einsatz kommen dürfen. Dadurch wird das Qualifikationsniveau in den kommenden Jahren noch weiter sinken.

Dramatisch sind auch die Zahlen zur Leitungsfreistellung in Bayern, das eines der drei Bundesländer ist, in denen die Leitungsfreistellung nicht verbindlich geregelt ist. Dies zeigt sich auch an der mangelhaften Umsetzung. So verfügen laut der Studie fast 80% der Leitungen über keine ausreichenden Leitungsressourcen.Auch bei diesem Qualitätsindikator liegt Bayern damit auf dem letzten Rang im deutschlandweitem Vergleich. In Bayern hat das pädagogische und Leitende Personal im Schnitt lediglich 0,9h pro Person Leitungsfreistellung. Der deutschlandweite Schnitt beträgt hingegen 2,2 Stunden.*2

Diese beiden Qualitätsindikatoren zeigen deutlich an welchen Stellen es in Bayern fehlt. Die Staatsregierung könnte diese durch sinnvolle Gesetzgebung beeinflussen, kommt dem jedoch unzureichend nach. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Ausbau und Betreuung statt Bildung bei der Staatsregierung an erster Stelle steht. Dies belegt auch folgende Zahl eindrücklich. Die Anzahl an rechnerischen Vollzeitstellen stieg in Bayern von 2012-2022 um 71%. Das ist die größte Wachstumsrate in ganz Deutschland und zeigt, wie viele Kräfte aufgrund des immensen Ausbaus an neuen Einrichtungen in den letzten Jahren benötigt wurden. Doch trotz des hohen Wachstums an mehr Personal und dem niedrigen Qualifiaktionsniveau sind die Personalkapazitäten nicht ausreichend. Die Staatsregierung finanziert jedoch weiterhin zahlreiche Neubauten durch Förderprogramme. Wir fragen uns ob an dieser Stelle nicht falsche Schwerpunkte gesetzt werden. Gleichzeitig die Qualität zu verbessern ist kaum möglich. Das spüren das Personal, Kinder und Familien täglich in den Einrichtungen.

Die Studie zeigt zudem, dass auch der Anteil an Männern in bayerischen Kindertageseinrichtungen am geringsten ist und die zweithöchste Befristungsquote besteht. *2 Damit wird auch an dieser Stelle Potenziale nicht genutzt, um mehr Personal zu gewinnen, bzw. zu halten. Die Regierung könnte an dieser Stelle auf die Träger einwirken und Modellprojekte starten, um die Ergebnisse zu verbessern.

Nur um die Gesamtheit zu nennen, es gibt auch Bereiche, in denen Bayern gute Ergebnisse im Ländervergleich verzeichnet. So bildet Bayern unter anderem am drittmeisten Erzieher aus. Bayern ist jedoch auch das zweitgrößte Bundesland in Deutschland. Doch auch hier gibt es laut der Studie noch weitere Möglichkeiten um die Ergebnisse zu verbessern. In Bayern absolvieren nur 2% die Ausbildung in Teilzeit.*2 Diese Form wird kaum angeboten und damit Potenzial verschenkt. Auch die Anzahl der Abschlüsse und von Personen im ersten Ausbildungsjahr in Kinderpflegeschulen war 2021/22 rückläufig.*2

Beim Personalschlüssel kann Bayern immerhin Ergebnisse im Mittelfeld verzeichnen, auch wenn diese noch lange nicht den wissenschaftlichen und fachpraktischen Empfehlungen genügen und in den nächsten Jahren unbedingt weiterentwickelt werden müssen. So liegt Bayern bei den unter Dreijährigen Kindern gemeinsam mit Schleswig-Holstein auf Rang vier, bei den Kindergartenkindern jedoch nur auf Rang acht. Hingegen bei den altersübergreifenden Kindern auf Rang drei und im Bereich für Schulkinder sogar auf Rang zwei.

Im Austausch mit der Staatsregierung hört unser Verband immer wieder das Argument, dass die Träger und Kommunen für gute Bedingungen sorgen müssen. Die Staatsregierung entzieht sich unserer Meinung nach hier der Verantwortung. Träger und Kommunen können nur insoweit gute Bedingungen schaffen, wie sie es finanzieren können. Da der Freistaat maßgeblich an der Finanzierung beteiligt ist, müsste diese intensiviert werden um für qualitative Verbesserungen zu sorgen. Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich zudem ableiten, dass Bundesländer, die mehr Regelungen zur Qualität in ihren Kita-Gesetzen vorgeben, in zentralen Punkten bessere Ergebnisse verzeichnen. Wir appellieren daher an die neue Staatsregierung ihre Arbeitsweise aus den letzten Legislaturperioden auf ihre Wirksamkeit hin zu überdenken. Wenn Kinder wirklich das wertvollste Gut unserer Gesellschaft sind, sollte es nicht um Betreuung um jeden Preis gehen, sondern um qualitativ hochwertige Bildung in bayerischen Kindertageseinrichtungen, die gute Arbeitsbedingungen für das Personal voraussetzt.

Quellen:

*1 https://www.bayern.de/ministerin-scharf-kinder-sind-das-wertvollste-gut-unserer-gesellschaft- familienpolitik-ist-von-zentraler-bedeutung-und-betrifft-alle-lebensbereiche-familien/

*2 https://www.fachkraeftebarometer.de/fileadmin/Redaktion/Publikation_FKB2017/Publikationen_FK B_2023/WiFF_FKB_2023_Web.pdf


Quelle: Verband Kita-Fachkräfte Bayern e.V.


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