
Vielfältige Kritik am geplanten Koalitionsvertrag
Nach Ansicht des Deutschen
Kinderhilfswerkes gibt es nur wenige Verbesserungen für Kinder und
Jugendliche im Koalitionsvertrag zu verzeichnen. So soll die Handlungsfähigkeit im
Asylverfahrens- und Aufenthaltsrecht auf 18 Jahre angehoben und dadurch
der Vorrang des Jugendhilferechts für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge festgeschrieben werden. Und auch die Abschaffung der
Optionspflicht für Migrantenkinder, die in Deutschland geboren und
aufgewachsen sind, ist eine echte Verbesserung. Bei der
Absichtserklärung der Bundesregierung, jede politische Maßnahme und
jedes Gesetz daraufhin zu überprüfen, ob sie mit den internationale
vereinbarten Kinderrechten im Einklang stehen, bleibt abzuwarten, wie
das im konkreten Regierungshandeln umgesetzt wird.
„Es stimmt sehr nachdenklich, dass das Thema Kinderrechte im
Koalitionsvertrag in fünf Zeilen abgehandelt wird. Bei zentralen kinder-
und familienpolitischen Punkten hat die Große Koalition anscheinend
kaum etwas zu bieten, beispielsweise bei der Verankerung von
Kinderrechten im Grundgesetz oder der Bekämpfung der Kinderarmut. Das
Wort Kinderarmut kommt im Koalitionsvertrag nicht einmal vor. Das ist
angesichts von 2,8 Millionen Kindern und Jugendlichen, die in
Deutschland von Armut betroffen sind, nicht hinnehmbar. Zudem wurden
weder Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket noch bei der
dringenden Reform des Kinderzuschlags vereinbart. Und auch einen
Bundesbeauftragten für Kinderechte oder ein Ganztagsschulprogramm sucht
man im Koalitionsvertrag vergeblich. Insgesamt sehen wir also wesentlich
mehr Schatten als Licht im Koalitionsvertrag“, betont Anne Lütkes,
Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Dafür bleibt uns
das Betreuungsgeld erhalten, das geradewegs in eine bildungspolitische
Sackgasse führt und zentrale Zielstellungen der Bildungs- und
Sozialpolitik konterkariert. Gleichzeitig fehlt eine konkrete
Verabredung für gesetzlich fixierte bundesweite qualitative
Mindeststandards in der Kindertagesbetreuung und ein entsprechendes
Qualitätsmonitoring, wie dies von den Fachpolitikern parteiübergreifend
noch im ersten Entwurf des Koalitionsvertrages gefordert wurde“, so
Lütkes weiter.
„Wir sind gespannt, was im Bereich des quantitativen Ausbaus der
Kindertagesbetreuung letztlich erreicht wird. Hier ist das vereinbarte
dritte Investitionsprogramm ein wichtiger Schritt. Leider wird zur Höhe
dieses Programm im Koalitionsvertrag nichts gesagt. Ebenso spannend wird
es sein zu beobachten, wohin die versprochenen sechs Milliarden Euro
für die Entlastung von Ländern und Kommunen fließen. Diese dürfen nicht
nur im Hochschulbereich, sondern müssen vor allem in Kitas und Schulen
ankommen. Und auch die versprochene Stärkung der Infrastruktur der
Kinder- und Jugendarbeit sowie die Absichtserklärung der Koalition,
Anreize zur Stärkung partizipationsfördernder Kommunalpolitik zu
schaffen, muss jetzt mit Leben erfüllt werden. Daran werden wir die
Koalition aus kinderrechtlicher Sicht letztlich beurteilen“, so Lütkes
abschließend.
Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Kinderhilfswerks vom 27.11.2013
Auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter kritisiert das Fehlen von Aussagen zur Kinderarmut. Einige Inhalte werden aber auch gelobt: „Der Vertrag enthält familienpolitisch gute Einzelschritte, die
Chance auf große Reformen in einer großen Koalition haben die
Beteiligten jedoch verpasst. Dass es keine Antworten auf das brennende
Thema Kinderarmut gibt, ist eine Enttäuschung für Alleinziehende. Wir
begrüßen allerdings sehr, dass unsere Forderung den steuerlichen
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu erhöhen, auf der Agenda der
neuen Bundesregierung steht.“
Der Entlastungsbetrag stagniert seit 2004 bei 1.308 Euro Absetzbetrag
pro Jahr. „Alleinerziehende fühlen sich im Vergleich zu Ehepaaren in der
Steuer zur Familie zweiter Klasse degradiert“, bemängelt Schwab. „Gut,
dass die neue Bundesregierung diese Ungerechtigkeit angehen wird.“
Überfällig ist eine deutliche Erhöhung des steuerlichen
Entlastungsbetrags, deshalb fordert der VAMV eine Koppelung der Höhe an
den Grundfreibetrag. „Das wäre eine deutliche Verbesserung für
Alleinerziehende“, betont Schwab. Alleinerziehende und ihre Kinder haben
mit 43 Prozent das höchste Armutsrisiko aller Familien.
Eine weitere Gerechtigkeitslücke wird durch die ausgeweitete Anerkennung
von Kindererziehungszeiten bei der Mütterrente kleiner. Geschlossen ist
diese aber erst, wenn auch Mütter, die ihre Kinder vor 1992 bekommen
haben, drei Entgeltpunkte erhalten. Auch Maßnahmen, die Alleinerziehende
als Familienernährerinnen unterstützen, sieht der VAMV positiv. Dazu
gehören das Recht auf befristete Teilzeit, der Mindestlohn und
Verbesserungen beim Elterngeld.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter hofft, dass die neue
Bundesregierung über den Koalitionsvertrag hinaus die Chance auf
grundlegende Reformen hin zu einem familienpolitischen Masterplan
ergreift. Um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, muss Familienpolitik alle
Familien gleichermaßen fördern. Die staatliche Förderung von Kindern
darf nicht länger an Familienform und Einkommen ihrer Eltern gekoppelt
sein. Eine Kindergrundsicherung ist die beste Antwort!
Quelle: Pressemitteilung des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 28.11.2013
Christiane
Reckmann, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF)erklärt zum Koalitionsvertrag: „In der
Familienpolitik weist der Koalitionsvertrag viele kleine Einzelmaßnahmen
auf, ein fortschrittliches Gesamtkonzept ist jedoch nicht erkennbar.
Zur Zeitpolitik finden sich einige wichtige Anstöße in die richtige
Richtung: Wir begrüßen, dass die zehntägige Auszeit zur
Pflegeorganisation künftig mit einer Lohnersatzleistung ausgestattet
werden soll. Auch die Einführung eines Rechts auf befristete Teilzeit
und die Einführung eines Teil-Elterngeldes ohne doppelten
Anspruchsverbrauch samt Partnerschaftsbonus sehen wir positiv. Doch auch
hier werden nur kleine Schritte gesetzt: Der Ausbau der Partnermonate
beim Elterngeld fehlt ebenso wie die Absicherung längerer Auszeiten bei
der Pflege.
Enttäuschend sind vor allem die Aussagen zum Abbau von Kinderarmut: Sie
fehlen! Trotz der erst kürzlich veröffentlichten Gesamtevaluation
monetärer Familienleistungen bleibt es beim Status Quo: keine Reformen
beim Kindergeld, keine Umwandlung des Ehegattensplittings, keine
Verbesserungen beim Kinderzuschlag oder dem Sozialgeld für Kinder.
Auch bei der Kinderbetreuung fehlt der Mut zur Reform: ein noch im
Entwurf geplantes Bundesqualitätsgesetz wurde wieder herausgestrichen,
während das widersinnige Betreuungsgeld erhalten bleibt.
Das ZFF erwartet vom Bundestag und der neuen Bundesregierung, dass sie
in der 18. Legislaturperiode die vorsichtigen Schritte hin zu einer
modernen Familienpolitik ausbauen. Vielleicht kann dann der große Wurf
doch noch gelingen?!“
Quelle: Pressemitteilung des Zukunftsforum Familie e.V. vom 28.11.2013