Erzieherin liest mit Kindern

Warum ErzieherInnen sich das Vorlesen nicht abnehmen lassen sollten

Angelika Mauel

23.12.2022 | Fachkommentar Kommentare (1)

Ein Advent ohne Liste für die Eltern – na und?

Eine Mutter berichtete mir, dass sie bei der Kindergartenleiterin (ohne jeden Vorwurf) nachgefragt hat, ob dieses Jahr nicht wie sonst eine Liste empfehlenswerter Kinderbücher ausgehängt wird. Ihr war bewusst, dass die ErzieherInnen angesichts der Krankheitswelle und den „normalen“ Arbeitsbelastungen noch nicht dazu gekommen waren, die von ihr geschätzte Tradition fortzuführen. 

„Gerade Erzieherinnen, die unsere Kinder kennen, können doch die besten Bücher empfehlen“

Stimmt. Aber nur, wenn wir wieder genug Zeit haben, um Kindern selbst vorzulesen. Dann bekommen wir mit, welche Bücher geliebt werden, weniger gut - oder aber auch gar nicht ankommen. Was manchen ErzieherInnen zu bedrohlich vorkommt oder als „nicht schön“ empfunden wird, können Kinder toll finden. Auch das Gegenteil kommt vor. Den altbekannten Regenbogenfisch mögen sich nicht wenige Kinder auch nach mehreren  Jahren im Kindergarten noch regelmäßig mal ansehen, weil die Bilder allesamt traumhaft sind. Aber wer den ersten Band so deutet, als ob Freundschaft zu kaufen sei, mag den Regenbogenfisch eher nicht und würde ihn auf keine Empfehlungsliste setzen. - Wozu auch? Er ist ja bekannt genug.

Weitergeben konnte ich, dass ein Bilderbuchklassiker wieder neu aufgelegt wurde. Etliche junge ErzieherInnen kennen die liebenswerte Geschichte von den Tieren, die den Mond erreichen wollen, aus ihrer eigenen Kindheit. „Wie schmeckt der Mond?“ - Eine einfach harmonisch aufgebaute Geschichte von ungleichen Tieren, die ein gemeinsames Ziel erreichen wollen und es schaffen, ein Stück vom Mond zu kosten. Wer das Buch als Kind gemocht hat, wird sich erinnern. Hoffentlich wird jungen Fachkräften darüber bewusst, wie viel mehr Zeit und innere Ruhe die ErzieherInnen früher für das Vorlesen hatten. (Meistens jedenfalls. In der Vorweihnachtszeit ging es zwar auch schon mal stressig zu, aber kein Vergleich zur Dauerüberlastung der Fachkräfte in den letzten Jahren.)

Niemand hätte vor zwanzig Jahren je von uns erwartet, dass wir das Vorlesen „delegieren“

Um den Zusammenbruch des Betreuungssystems möglichst noch abzuwenden, können Kitas „Hilfsangebote“ annehmen, deren Ausnahmecharakter schon längst keiner mehr ist. Ehrenamtler, Kita-Helfer, Praktikanten und BuFDis sollen uns viele Arbeiten abnehmen. Sogar das Vorlesen. Ob wir das richtig finden, danach wird nicht gefragt. - Denn ohne „Zusatzkräfteprojekte“ könnten viele entkräftete ErzieherInnen jede Hoffnung auf Besserung verlieren.

Gutes Vorlesen und freies Erzählen sind eine Kunst

Manche können es spontan, andere müssen es noch lernen. Wird Kindern am Girls oder Boys day allzu stammelnd vorgelesen, haben wir schon mal das Gefühl, dass jemand zu wenig Talent zur Sprachförderung mitbringt. Andererseits brauchen Kinder keine geschauspielerte Performance. „Auf einer Spanne von eins bis zehn habe ich schon alles erlebt“, meinte eine Kollegin, die lieber selbst vorliest, als dies anderen zu überlassen. Wie so viele BerufskollegInnen findet sie es schade, dass Auszubildende mittlerweile zu selten mitbekommen, wie unterschiedlich verschiedene Erzieherinnen und Erzieher vorlesen. Temperament und der Geschmack derjenigen, die die Bücher auswählen, sorgen für eine bestimmte Atmosphäre. Deshalb ist es auch für den Nachwuchs im Beruf schade, wenn das Vorlesen durch Fachkräfte zu kurz kommt. - Ein Tipp: Das Kinderfernsehen kann Anregungen geben. Oder Videos auf YouTube. „Piggeldy und Frederick“ beispielsweise werden in einem einprägsamen Sprachduktus vorgelesen. Ein großer Bruder erklärt seinem kleinen Bruder Lebensfragen. Die bebilderten Vorlesebücher entstanden, nachdem die Kurzfilme mit den Kultschweinen und den nachahmenswert gelesenen Texten so gut ankamen.

Auch die Kinder ahmen nach

Da einige Kinder nicht nur beim Memory über ein Spitzengedächtnis verfügen, lernen auch immer welche die Geschichten oder Sachbuchtexte wie von allein auswendig. Und wenn sie dann die Bücher für andere Kinder aufklappen, spüren wir wieder unsere Freude am Beruf. Manchmal verblüffen uns Vorschulkinder durch den von einem Erwachsenen übernommenen Stil. Mal hat ein Elternteil, mal hat eine Fachkraft oder auch ein guter „Lückenfüller“ sie entscheidend beeindruckt. Liebevoll und ohne spürbare Absicht geförderte Kinder zeigen, dass Medien wie Kassetten, CDs oder Roboter Bindungspersonen mit Vorbildcharakter niemals ersetzen können.

Dürfen Aushilfen eigentlich vorlesen? Was zählt noch zu den „pädagogischen Aufgaben“?

Müssen wir uns diese Frage je nach „Fördertopf“ neu stellen? Oder dürfen wir uns auf den Standpunkt stellen, dass wir es besser finden, wenn eine Kita-Helferin vorliest anstatt nur die Lautstärke der CD mit dem Hygienetuch nach unten zu regulieren? Bezahlte Helfer dürfen keine pädagogische Aufgabe übernehmen, heißt es. Doch die Kinder bitten auch sie selbstverständlich um Hilfe. Was ist mit den diversen Kita-Helfern, die ursprünglich zum Desinfizieren, Putzen und Händewaschen mit den Kindern eingestellt wurden, die kurz geschult wurden – oder auch nicht? Jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln.  Wann und wo wird es noch so weit kommen, dass sich die Reinigungsaufgaben der Helfer offiziell auch auf die Kinderpos erstrecken? - Wenn es dazu kommt, dass die Höchstgruppenstärke erweitert und der Mindestpersonalschlüssel unterschritten werden,  werden nicht nur „putzende und desinfizierende Hände gebraucht. Es fehlen vor allem Menschen, die Kinder trösten, tragen und sich intensiv und kompetent mit ihnen – in allen Bereichen – beschäftigen können. Schon jetzt, (siehe Link oben), wird das „Herzblut“ der Helferinnen und Helfer gelobt. - Als ob „Herzblut“ alle Probleme in Kitas lösen könne. Aber „Vorlesen kann ja jeder“. Basteln ebenso und zum Wickeln braucht es auch kein Diplom. Wenn das so weitergeht, stellt sich irgendwann die Frage, ob am Ende die „beziehungsvolle Pflege der Kinder mit Gummihandschuhen“, die Elterngespräche und die Erfüllung von Dokumentationspflichten die alltäglichen Aufgaben sind, die allein von ausgebildeten Fachkräften übernommen werden dürfen.

Warum erwarten wir nicht von uns, dass wir den Kindern in Krippen und Kitas mehr selbst vorlesen?

Auf Elternabenden und auch zwischendurch empfehlen wir Eltern , dass sie ihren Kindern mehr selbst vorlesen sollten. - Warum empfehlen wir uns nicht ebenso nachdrücklich, dass auch wir den Kindern viel mehr in Ruhe selbst vorlesen sollten? Es tut weh, wenn eine wohlmeinende „Vorleseoma“ aus dem benachbarten Seniorenheim ein Kind zurechtweist, weil es etwas Negatives über seine Mutter oder seinen Vater gesagt hat. „Man schimpft nicht über seine Eltern.“ Wir ahnen, dass uns einiges entgeht, wenn wir zulassen, dass Externe die besonders innige Zeit in der Vorleseecke oder auf dem Kuschelsofa übernehmen. Wie verantwortungsbewusst ist es, PraktikantInnen, EhrenamtlerInnen, kurz geschulten Kita-HelferInnen oder einer aus dem Ausland angeworbenen studierten Fachkraft mit einem erheblich ausbaufähigen Wortschatz das Vorlesen vor den Kindern zu überlassen?

Sowohl während eines Stuhl- oder Sitzkreises  - und erst recht während des Vorlesens! - kann es vorkommen, dass ein Kind unverhofft etwas sagt, was Rückschlüsse auf Gewalterfahrungen oder Missbrauch zulässt. Dann muss geklärt werden, ob Kinder „nur“ etwas aus ihrer Phantasie wiedergeben, oder was ansonsten dahintersteckt. Es heißt, dass ein missbrauchtes Kind meist mehrere Anläufe brauchen würde, bis ihm geglaubt wird. Auch ist die Dunkelziffer missbrauchter Kinder wesentlich höher als die Zahl der Fälle, die aufgedeckt werden. Schon immer wurden in Kindergärten auch Kinder aus Heimen, Pflegefamilien, Kriegsgebieten und Kinder von überforderten, körperlich oder psychisch kranken Eltern betreut. Es gehört zu unseren Aufgaben, Traumata zu erkennen, damit Kindern geholfen werden kann. Das aber kommt bei den Eltern und der Öffentlichkeit nicht klar genug an. Wie so vieles.

Wenn Kinder bei Nicht-Fachkräften über Tische und Stühle gehen und das Fenster in einem Obergeschoss auf einmal weit offen steht, bleibt das nur ein Thema für das Teamgespräch. Nette „Anekdoten“ dürfen stets publik gemacht werden. Das wird nicht als Verstoß gegen arbeitsrechtliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit angesehen. Aber Vorfälle, zu denen es nicht hätte kommen dürfen, die keine Anekdoten, sondern Teil des Alltags sind! - werden den Eltern und der Öffentlichkeit vorenthalten. - Warum?

Aus der Praxis

Der Vorleseopa ist ja nie allein mit den Kindern. Manchmal fällt es ihm etwas schwer, moderne Schrifttypen in Bilderbüchern zu entziffern und aus Sachbüchern mit kleineren Druckbuchstaben wollen die älteren Kinder neuerdings lieber in der Vorschulgruppe vorgelesen bekommen. Der Praktikant, den ein Team – nur aus dem Bauchgefühl heraus – nicht mehr haben wollte,  hat später in der OGS grundsätzlich die Maske sehr „lässig“ getragen. Seit er da war, gab es dort Sprüche über „Schlafschafe“. Was hat er eigentlich alles zu den Kitakindern gesagt? - So uneingeschränkt beliebt wie sein Vorgänger war er nicht. Die Kinder fragen noch heute, wann Jörg wiederkommt. - Manchmal ist es ein Gewinn, wenn Aushilfen oder dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland in die Kita kommen. Aber...

Beschönigungspresse für „bessere Kitas"?

In Zeitungsartikeln wird bemerkenswert oft über die große Freude berichtet, wenn aus anderen Ländern angeworbenen Fachkräfte in einer deutschen Einrichtung arbeiten dürfen. Doch längst nicht überall klappt es so gut, dass die Kindergartenleiterin vor der Presse über die neue Erzieherin sagt „Die gebe ich nicht mehr her.“ (Quelle) - (Wobei sich die Frage stellt, ob es nicht auch am gesetzlich vorgeschriebenen Personalschlüssel liegen kann, dass Kräfte unbedingt behalten werden wollen.)

Im Alltag jedenfalls tauchen mehr Probleme mit ArbeitsmigrantInnen auf, als die „Willkommensartikel“ ahnen lassen. Einen „Abschiedsartikel“, in dem Kindergartenleitungen es bedauern, dass die vor Monaten angeworbenen Fachkräfte gekündigt haben, habe ich noch nie entdeckt. Dabei verlassen nicht wenige ArbeitsmigrantInnen ihre Arbeitsstellen in Krippen und Kitas. Und auch wenn es sprachliche Probleme und eventuell auch noch hohe Fehlzeiten gab, werden sie von Kindern schmerzlich vermisst. Ihr Lächeln, ihr gewinnendes Wesen, das Schäkern, das Getragen werden...  

Erinnern wir uns an eigene sprachliche Fehlleistungen

„Nadine, Nadine! Du musst jetzt sterben!“ - Das war kein Todesurteil, nur ein Weckruf an ein verträumtes Mädchen, das im Spielkreis seinen Einsatz als „Dornröschen“ verschlafen hatte. Zu viel Stress und zusätzlich ein gravierendes privates Problem und wir können froh sein, dass keine Abhöranlage alles aufzeichnet. Wie schwer aber muss es für schnell durch Deutschkurse geschleuste ErzieherInnen sein, auf einer Vollzeitstelle in unseren „Kitas am Limit“ zu arbeiten? In ihren Kursen hat man ihnen nicht beigebracht, Dialekte, Regiolekte und die kreativen Wortschöpfung von Kleinkindern zu verstehen. Wenn Julia „Punkie“ sagt, meint sie „Pudding“. Björn und andere Kindern nuscheln und verschlucken die Endungen.  

Damit die Neuzugänge weniger unter Stress stehen, wurde manchen ausdrücklich erlaubt, in ihrer Muttersprache mit den Kindern zu sprechen. Da Bilderbücher zur Senkung der Herstellungskosten meist in mehreren Sprachen herausgebracht werden, ist es gut möglich, Bilderbücher in mehreren Sprachen anzuschaffen und den Kindern auch in einer anderen Sprache etwas vorzulesen, so nach dem Motto „Aus jeder Notlösung lässt sich noch eine bildungsfördernde Maßnahme kreieren.“

Angeschlagen von einem Infekt bleibt das für nötig erachtete B2-Sprachniveau auf der Strecke. Absprachen mit Kollegen können misslingen. Wenn Missverständnisse zu Aufsichtspflichtverletzungen führen, kann es gefährlich werden. -  Aber dank der „Rosinenpickerei“ etlicher Journalisten, bleiben die Schattenseiten zahlloser  Notlösungen unerwähnt. Auf die Frage, ob sie froh sei, eine junge Kollegin aus welchem Land auch immer „gefunden“ zu haben, kann eine neben der Neuen stehende Kindergartenleitung vor der Presse nicht so leicht „Nein!“ oder „Ja, aber...“ sagen.  

Zurück zu dem Erfreulichen: Den Bilderbüchern

„Von mir aus könnte einfach eine Liste aus den letzten Jahren aufgehängt werden“, meinte die Mutter. „Die fotografiere ich dann und finde bestimmt noch ein passendes Buch für meine Jüngste.“ Ihre Frage, ob ich etwas Aktuelles empfehlen könne, habe ich verneint.

Aber aus dem Stegreif fallen mir viele Klassiker ein, zum Beispiel von Diogenes. Wer Tomi Ungerers „Sexmaniak“ nicht mag, kann sich von seinen Kinderbüchern angenehm überraschen lassen. Das Buch „Crictor“ und dazu die Plüschschlange eines bekannten Möbelhauses, die es ohnehin schon in vielen Kitas gibt. Ob spontanes Theaterspiel mit „der guten Schlange“ oder Arbeit an einem eigenen Hörspiel. - Dass es sich lohnt Bücher wiederzuentdecken und sich zu eigenen kreativen Aktionen inspirieren zu lassen zeigt auch diese Empfehlung zu „Tremolo“.

Nicht unerwähnt bleiben sollten auch etliche Bücher, die nur noch mit Glück neu oder als broschierte Ausgabe gekauft werden können. Über das Internet lassen sich zahlreiche vergessene Schätze aufstöbern, die man auf Flohmärkten vergeblich sucht. Von einem richtigen Lieblingsbuch wollen sich Kinder so schnell nicht trennen. Wer erinnert sich noch an „Das unheimliche Spukhaus“ von Kicki Stridh und Eva Erickson?  Zahlreiche Kitas haben es bedauert, das zerlesen Buch irgendwann weggeworfen zu haben. - Jetzt kann man froh sein, ein Exemplar antiquarisch erstehen zu können.  

In Deutschland nicht sonderlich bekannt ist Ted van Lieshouts wundervolle Vater-Sohn-Geschichte „Ich bin ein Held“. Ganz besonders kann man sie vielleicht  geschiedenen Papas empfehlen. Oder einfach mal im Kindergarten sich gemeinsam gemütlich gruseln und schlapp lachen. Schnell werden sensible Kinder durch das Lachen der anderen angesteckt und ihre Ängste verflüchtigen sich wie der „Nackegeist“.

Ein längerer Text und das kunterbunte Familienleben einer Großfamilie liefern Anlass zu vielen Gesprächen. Mädchen und Jungen wollen ebenso hilfsbereit sein, wie Farafina und ihre Geschwister. Auch das ebenfalls lebensfrohe Buch M´toto von Anne Wilsdorf, ist ein idyllischer Augenschmaus. Wer sich zutraut, es aus dem Französischen ins Deutsche zu übersetzen, kann eine französische Ausgabe bestellen.

Der durstige Löwe entpuppt sich als ein Vorbild in Sachen „Frustrationstoleranz“. Dass er niemals rasend wütend wird, überrascht Kinder und Erwachsene vor allem auf der letzten Seite.  Ein ganzjährig und nicht nur zu Karneval oder bei extrem hohen Temperaturen empfehlenswertes Buch für Kindergärten. Prädikat: So gut, dass es von einer Gruppe zur anderen immer wieder weitergereicht und wieder zurück geholt wird.

Es gibt so viele Bücher, die das gewisse Etwas haben und die Kinder und Erwachsene auf eine besondere Weise ansprechen. Bücher, die Kindern und auch den PädagogInnen mehr geben als die diversen Förderprogramme mit ihren „Projektmaskottchen“. WissenschaftlerInnen und andere „Experten“ haben „Bausteine“ und „Module“ entwickelt, die zu unserer „Arbeitsentlastung“ beitragen sollen. Dazu gehört, dass wir die Vorgaben ernst nehmen und das eigene Hirn nicht beanspruchen. Zum Beispiel, indem wir eine Knotenpuppe namens „Smiley“ in die Hand nehmen, um Kindern etwas vorzukaspern. Eine Kostprobe: „Ich habe euch heute drei Gefühle mitgebracht! Schauen wir einmal, ob ihr die kennt?“ . Smiley verschwindet laut Regieanweisung kurz hinter dem Rücken der Trainerin und kommt hervor mit dem Worten...

Zwei namhafte Verlage haben das Werk mit einem höchst fragwürdigen „Praxisteil“ unter dem gleichen Titel, unverändertem Inhalt, aber mit einem etwas geänderten Cover herausgebracht. - Manchmal ist es gut, auf die Anleitungen von „Experten“ zu verzichten. Nehmen wir uns doch bald wieder mehr Zeit, die Neuerscheinungen von Künstlern zu entdecken, die Kinder intuitiv ernst nehmen. Wissenschaftler und andere Schöpfer von „Traingsprogrammen“ scheinen Kinder wohl eher als „in ihren Kompetenzen zu fördernde Studienobjekte“ anzusehen.  

Kein Wunder, dass manches theorielastige Fachbuch mit nicht überzeugenden Tipps für die Praxis von Fachkräften kaum zur Kenntnis genommen wird. Als Springerin ist mir in den Buchbeständen von Kitas immer wieder aufgefallen, wie viele Fachbücher – ganz anders als beliebte Bilderbücher - kaum oder gar keine Spuren des Lesens aufweisen. Doch sie stehen und stehen jaaaahrelang in den Regalen. Niemand hat sie mehr als nur kurz angelesen. Und doch kommt keiner auf die Idee, sie kritisch zu prüfen und bei Nichtgefallen an den Verlag zurückzuschicken mit dem Vermerk : „Leider unbrauchbar für unsere Bildungsarbeit“.

Gebraucht werden und sich überfordern lassen als Lebensaufgabe - bis zum Burnout?

Was brauchen wir? Jetzt und in naher Zukunft? Werden derartige Frage an Erzieherfachschulen noch gestellt und wenn ja, wie wurde geantwortet? Einige meiner Gedanken münden in Sätze, die mit „mehr“ anfangen. Es geht allerdings nicht um Materielles. Ich denke noch nicht mal, dass die Krippen und Kitas mehr Fachkräfte brauchen, denn sie sind einfach  nicht da. Da hilft kein Wünschen, kein Verhandeln und kein Kita-Gipfel.

Aber mehr Zeit... und mehr Zuwendung, die könnten Kinder bekommen. Andere Wünsche beginnen mit „weniger“ oder „später“. Weniger Zeit in... Später in die Krippe oder Kita.

Gut, dass zunehmend mehr Erzieherinnen und Erzieher erkennen, dass sie sich nicht auf die „helfende Politik“ und ihre „guten Gesetze“ vertrauen können, sondern dass sie ihre eigenen „helfenden Augen“, ihre „helfenden Münder“ - die Stimmen aus der Praxis! -  und ihre „helfenden Gehirne“ nutzen können, um Wege zu finden, die mehr taugen als offensichtliche Notlösungen. Schon lange denken immer wieder Erzieherinnen, dass der besonders teure und personalintensive Rechtsanspruch auf die Betreuung der unter Dreijährigen besser eingeschränkt, ausgesetzt oder aufgegeben würde. Diese Gedanken – von vielen ErzieherInnen - könnten für mehr Respekt vor der Berufsgruppe sorgen.

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Kommentare (1)

Dr. Erika Butzmann 29 Dezember 2022, 18:30

Liebe Frau Mauel,
wie gut, dass Sie hier immer zu Wort kommen können mit Ihren so zutreffenden Analysen des unzuträglichen Lebens als "Kita-Fachkraft" und besonders als Krippenkind. Ja, der teure und personalintensive Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz sollte erheblich eingeschränkt werden, und zwar auf die Kinder, die zu Hause nicht gut aufgehoben sind.

Und das andere Dilemma mit den WissenschaftlerInnen und anderen SchöpferInnen von „Trainingsprogrammen“, die Kinder eher als „in ihren Kompetenzen zu fördernde Studienobjekte“ ansehen und die Fachzeitschriften, die dieses munter transportieren, sollte auch langsam ins Bewusstsein der EntscheidungsträgerInnen sickern.

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