
Was Eltern ihren Kindern antun: Der Konflikt der Jugendämter und Gerichte
Die Zahl der Fälle, in denen Kinder vom Jugendamt aus den Familien genommen werden, steigt. Die häufigsten Anlässe sind nach wie vor Gewalt sowie Vernachlässigung und Verwahrlosung der Kinder durch überforderte Eltern. Aber diese haben zu allererst ein Recht auf ihre Kinder und es ist für die SozialarbeiterInnen in den Jugendämtern immer wieder ein Spagat zwischen Elternrecht und Kindeswohl, den sie bewältigen müssen. Denn es ist das Jugendamt, auf dem schwere Vorwürfe lasten, wenn ein Kind zu Tode gekommen ist. Dabei sind diese Kindermorde nur die Spitze des Eisberges - von vielen misshandelten Kindern erfährt man erst etwas, wenn sie als Jugendliche vor den Richter kommen. Wenn sie drogenabhängig werden und/oder in der Psychiatrie landen, nimmt die Öffentlichkeit ohnehin nicht wahr, ws ihnen angetan wurde.
Manche Eltern misshandeln ihre Kinder aufgrund von religiöser Überzeugung. So zwei Elternpaare der ultrabiblischen Gemeinschaft "Zwölf Stämme" in Bayern. Der ohnehin fragwürdige Spruch aus der Bibel "Wer sein Kind liebt, der züchtigt es" wird von Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft so ernst genommen, dass die Kinder regelmäßig mit Ruten geschlagen werden. 40 Kinder haben die Familiengerichte aufgrund der Voten von Jugendämtern daraufhin aus diesem Familien genommen, denn bei uns ist Schlagen von Kindern gesetzlich verboten. Die meisten dieser Kinder wurden "nach langen Verhandlungen" ihren Eltern zurückgegeben. Aber zwei Elternpaaren wurde as Sorgerecht für ihre Kinder vom Oberlandesgericht Nürnberg endgültig entzogen, weil die Gefahr von Schlägen weiterhin bestand. Dagegen klagen die Eltern nun vor dem Bundesverfassungsgericht. Wir sind gespannt und hoffen, dass der Kinderschutz Vorrang vor einer Religiosität hat, die unsere Gesetze nicht respektiert.
Wohin diese religiösen Überzeugungen führen können, zeigt das Beispiel einer Familie, die eine medizinische Behandlung ihres an Mukoviszidose erkrankten 12jährigen Jungen verhinderte. Der Stiefvater liess sich als Guru feiern und hing der Überzeugung an, jede Behandlung durch die Schulmedizin sei des Teufels. Am schärfsten war die Argumentation der Mutter vor Gericht, die betonte, das Kind habe selbst die Behandlung abgelehnt.
Nach drei Jahren, mit 15, wog der Junge nur noch 30 Kilo. Glücklicherweise konnte er zu seinem leiblichen Vater fliehen und verklagte nach mehreren Jahren seine Mutter und deren fanatischen Lebensgefährten, die sein Leben aufs Spiel gesetzt hatten. Hier hat nun der Bundesgerichtshof das Urteil von drei Jahren Haft für die Mutter und ihren Partner bestätigt.
Die Angaben stammen aus den Artikeln "Eltern müssen schwerkranke Kinder behandeln lassen" und "Da nehmen wir das Kind lieber gleich mit" aus der Süddeutschen Zeitung von heute.
Wenn Sie das Thema sehr bewegt, kann ich Ihnen eine Roman empfehlen, der sich unglaublich intensiv damit auseinandersetzt und überaus spannend ist. Es handelt sich um Ian McEwans "Kindeswohl" (auf Englisch: The Children Act). Wie gesagt: fesselnd, bewegend - ich gebe es zu - bis hin zu Tränen.