mehrere Kinder

Wichtige Themen: Migration und Bildung in der frühen Kindheit und der U3-Ausbau

Hilde von Balluseck

18.07.2013 Kommentare (0)

Migration und Bildung in der frühen Kindheit ist das Schwerpunktthema von Heft 3 der Zeitschrift Frühe Bildung.  Drei Beiträge stellen neue Forschungsergebnisse zum Thema vor. Der erste Beitrag  "Effektivität alltagsintegrierter Sprachförderung bei ein- und zwei bzw. mehrsprachig aufwachsenden Vorschulkindern" enthält zwar ein beeindruckendes Instrumentarium quantitativer Methoden. Schon vom Sample her wird jedoch der Anspruch, etwas über zweisprachig aufwachsende Kinder zu sagen, nicht eingelöst. Die Fallzahl dieser Gruppe beträgt gerade mal 23. Sprachlich auffällige Kinder profitieren am meisten von alltagsintegrierten Sprachfördermaßnahmen. Nein, wirklich? Die anderen brauchen doch keine Förderung, oder?

Der zweite Artikel behandelt "Effekte kombinierter Förderprogramme zur phonologischen Bewusstheit und zum Sprachverstehen auf die Entwicklung der phonoligischen Bewusstheit von Kindergartenkindern mit und ohne Migrationshintergrund". Die Methoden sind auch hier ausschließlich quantitativ, das Ergebnis besagt, dass ein phonologisches Training der Kinder gewisse Effekte zeitigt. Auch diese Untersuchung ist nur bedingt aussagekräftig, u.a. wegen der ungleichen Zusammensetzung von Untersuchungs- und Kontrollgruppe.

Lediglich der dritte Beitrag bringt Ergebnisse, die nachdenklich stimmen und für die Praxis der Frühpädagogik einen Fortschritt darstellen. Der Artikel "Einstellungen zum Einbezug der Erstsprache im Kindergarten und deren Bedeutung für die Wortschatzentwicklung im Deutschen bei Kindern mit Migrationshintergrund " von Jens Kratzmann, Simone Lehrl und Susanne Ebert stellt das allgemein heute gültige Prinzip der Einbeziehung der Erstsprache von Kindern in der Kita in Frage, insbesondere in Gruppen, in denen Kinder überwiegen, die nicht Deutsch als Erstsprache sprechen: "Für Kinder, in deren Familie weniger in der deutschen Sprache kommuniziert wird, und in Einrichtungen mit einem hohen Anteil an MH-Kindern (MH=Migrationshintergrund, H.v.B.) erscheint es für die Wortschatzentwicklung im Deutschen nicht förderlich zu sein, wenn die Erzieherin der Ansicht ist, die Erstsprache sollte noch aktiv einbezogen und thematisiert werden " (S. 141). Diese Aussagen erschüttern einige Glaubenssätze, die derzeit noch in der Frühpädagogik Gültigkeit haben und müssen von daher unbedingt in der Praxis reflektiert werden.

Neben den Schwerpunktbeiträgen gibt es einen Freien Beitrag zur Wirkung der Beoabachterrolle auf die Beurteillungen frühkindlicher Entwicklung. Darin untersuchen zwei Forscherinnen, welche Bedeutung der beobachtete Entwicklungsbereich (z.B. Motorik, Sprache) und die Beobachterrolle (Fachkraft, Eltern) auf die Beurteilungen der kindlichen Entwicklung haben. Das Ergebnis ist nicht überraschend: In einigen Entwicklungsbereichen stimmen die Beobachtungen überein, z.B. Motorik, in anderen weniger, z.B. Gefühle. Ein weiteres Ergebnis ist, dass die Beobachtungen von Fachkräften eher übereinstimmen als die Beobachtungen von Fachkräften und Eltern. Auch diese Studie arbeitet rein quantitativ, um diese doch relativ trivialen Ergebnisse zu erzielen.

Man fragt sich, wo die qualitative Forschung in der Frühpädagogik bleibt. Wie es den Kindern und den Fachkräften GEHT, was sie FÜHLEN, wie ihre ERFAHRUNGEN sind - das sind hier keine Themen. Es zählen quantitativ fassbare Variablen, wobei deutlich wird, dass das Ziel neuer, und auch hilfreicher Erkenntnis doch häufig nicht erreicht wird.

Im Diskussionsteil schreibt Thomas Rauschenbach über den Rechtsanspruch und seine Folgen. Er skizziert die augenblickliche Situation des U3-Ausbaus unter verschiedenen Gesichtspunkten. Insbesondere geht es dabei um die Frage, ob das Ziel, den Rechtsanspruch zu erfüllen, erreicht wird. Rauschenbachs Antwort deckt sich mit der der Familienministerin, die ja auch das Deutsche Jugendinstitut finanziert: Es wird im Wesentlichen genügend Plätze geben, einen Grund zur Sorge gibt es nicht. Die Qualität der Betreuung unserer Kleinsten ist in diesem Beitrag kein Thema. Das sehen viele ExpertInnen anders, z.B. die AWO, die GEW,der VBE, vor allem, wenn man die Entwicklungen in einigen Bundesländern anschaut, z.B. Baden-Württemberg.

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