Beratungsgespräch

Zusammenarbeit mit Eltern

Hilde von Balluseck

06.04.2009 Kommentare (2)

Eine der neu definierten Aufgaben für die Frühpädagogik besteht in der intensiven Zusammenarbeit mit Eltern. In früheren Jahren verstanden sich viele pädagogische Professionelle als diejenigen, die besser wissen als die Eltern, was für ihr Kind gut ist. Und manchmal hört man auch heute - gerade von LehrerInnen - dass die Eltern nur störend wahrgenommen werden.

In der Tat: Es begegnen sich zwei verschiedene Systeme, wenn Eltern ihr Kind in eine Kita bringen. Auf der einen Seite das jeweilige Familiensystem, in dem durch die Familiengeschichte, den familiären Alltag, aber auch durch die soziale Situation der Familie bestimmte Selbstverständlichkeiten angenommen werden. Und daneben das stark regulierte System der Kita, in dem sich die pädagogischen Fachkräfte ihrer fachlichen Verantwortung und Trägervorgaben stellen müssen. Die Familie ist eine Gruppe ohne große Durchsetzungsmöglichkeit, die Kita hingegen ist eine Institution, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben einen Auftrag hat, in dem Eltern ohne großes Selbstbewusstsein sich schnell ganz klein vorkommen können.

Kinder sind aber in erster Linie loyal gegenüber ihren Eltern - diese Erfahrung musste die gesamte Pädagogik und Soziale Arbeit in den letzten Jahrzehnten immer wieder machen. Die besten Programme, die schönsten Ideen bringen den Kindern wenig oder nichts, wenn die Eltern sie nicht auch begrüßen. Und die tollsten pädagogischen Prinzipien in der Kita zerbröseln im Alltag des Kindes, wenn sie in einem Elternhaus nicht mit getragen werden.

Aus diesem Grunde ist die respektvolle Einbeziehung der Eltern so unendlich wichtig für das Gelingen professioneller Pädagogik. Das wissen die Fachkräfte inzwischen auch. Wir dokumentieren hier den Weg, den das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg geht, um die Kompetenzen von Eltern zu stärken und zu einer Erziehungspartnerschaft - zu einer dialogischen Arbeit mit den Eltern - zu kommen.

Dialogische Arbeit mit Familien: Familienbildung in Friedrichshain-Kreuzberg

Katinka Beber

Dass der Berliner Bezirk überdurchschnittlich von Armut mit allen entsprechenden Konsequenzen - u.a. geringerer Bildungsgrad, schlechterer Gesundheitsstatus, keine ausreichenden Wohnverhältnisse - betroffen ist, dürfte in Deutschland bekannt sein. Dass infolge einer verfehlten Migrationspolitik und sozialer Verwerfungen besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund dort wohnen, ist ein Thema, das ebenfalls in den Medien ständig wiederholt wird. Die Frage ist, wie sich ein Jugendamt zu den Problemen von Familien verhält, die mit den Folgen von Armut zu kämpfen haben, welche Handlungsmöglichkeiten ihm zur Verfügung stehen und ob es auch in einem kommunalen Amt kreative Problemlösungen gibt.

In Friedrichshain-Kreuzberg ist es das vorrangige Ziel des Jugendamtes, Kindern frühzeitig bessere Bildungschancen zu eröffnen und ihnen und ihren Familien vielfältige Zugänge zu Bildungsprozessen sowie besseren Schutz vor Ausgrenzung zu bieten, um den Kreislauf von Armut und sozialer Benachteiligung zu unterbrechen. Dazu gehört die Familienbildung, wie sie in § 16 SGB VIII beschrieben ist, und die in unserem Jugendamt als Zusammenarbeit mit Eltern aufgefasst wird. Dieses Ziel beruht auf der Erkenntnis, dass, je früher Kinder gefördert und Familien beraten und unterstützt werden können, umso eher die Grundlage gegeben ist, Kindern gute Entwicklungschancen zu bieten, das familiäre System zu stabilisieren und den Vätern und Müttern bei der Entwicklung der erforderlichen Erziehungskompetenzen, aber auch bei eigenen Bildungsanstrengungen und der Integration in die Gesellschaft zu helfen. Eine gut aufgestellte Familienförderung, die die Elternbildung einbezieht, stellt damit auch die Basis für präventiven Kinderschutz und funktionierende Frühwarnsysteme dar.

Viele der bisherigen (familien-)bildenden und interkulturellen Ansätze in der Zusammenarbeit mit Eltern gehen immer noch an den Realitäten in unseren Bildungseinrichtungen, wie auch an den Problem- und Lebenslagen von Kindern und Familien vorbei und manifestieren das Oben-Unten-Verhältnis von Institution und Familie und die in diesem Verhältnis angelegte Einbahnstraße. Die Schlussfolgerung für uns im Jugendamt hieß, Konzepte zu finden und zu fördern, die weg von der Behandlung von Familien durch pädagogische Fachkräfte und hin zur Ver- bzw. Aushandlung zwischen Familien und Fachkräften führen und dabei zugleich die Fachlichkeit der PädagogInnen wie auch die aktive Beteiligung und Einflussnahme von Eltern zu stärken.

Die ersten Schritte, die zur Umsetzung dieser jugendpolitischen Zielsetzung erfolgten, bestanden im Aufbau eines neuen Fachdienstes für „Frühe Bildung und Erziehung“ mit im Wesentlichen drei Aufgabenbereichen:

  • Fachliche Steuerung der bezirklichen Kindertagesbetreuung
  • Kindertagespflege
  • Familienförderung und -bildung

In dieser Zusammensetzung drückt sich bereits eine gewisse Programmatik aus, nämlich die Familienbildung nach § 16 SGB VIII deutlich auszubauen und stärker in die Nähe der frühen Bildung und derjenigen Institutionen zu rücken, wo sich kleine Kinder und ihre Familien aufhalten.

Nach der Ausgliederung der Kitas aus der kommunalen Trägerschaft hat das Jugendamt zwar formal wenige Steuerungsmöglichkeiten in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung und Kooperationsbereitschaft von Kitas im Kiez, aber gerade deshalb kommt guten kommunikativen Strukturen zwischen dem Jugendamt und den freien Trägern seines Bezirks eine umso größere Bedeutung zu. Die Teilnahme der Kitas an fachlichen und regionalen AGen ist entscheidend, um die Jugendhilfeplanungen in diesem Kontext qualitativ und quantitativ bedarfsgerecht umsetzen und gemeinsam zum Wohle der Kinder vor Ort agieren zu können. Nimmt man das berlinweit neu eingeführte Konzept der Sozialraumorientierung ernst, ist die Mitarbeit der Kitas unabdingbar, sei es für die Vernetzung früher Hilfen für Familien, für präventiven Kinderschutz oder den Aufbau regionaler Bildungslandschaften und die Kompensation von Bildungsbenachteiligungen. Allein, die Personaldecke und häufig auch die Qualifikation der pädagogischen Fachkräfte reichen kaum aus, um das, was vernünftig, hilfreich und wünschenswert wäre, auch leisten zu können. Aufgrund der Strukturveränderungen in der Kita- und Hortlandschaft in den letzten Jahren, sowie durch die Einführung des Berliner Bildungsprogramms und des Sprachlerntagebuchs etc. waren und sind die Kita-MitarbeiterInnen so belastet, dass sie weitgehend abgekoppelt waren von dem Paradigmenwechsel und den gravierenden Umstrukturierungen in der Jugendhilfe.

Unser Jugendamt versucht daher, Kitas und andere Regeleinrichtungen in ihrer Arbeit mit Familien durch die zusätzliche Finanzierung familienbildender Maßnahmen zu unterstützen. Wir bedienen uns dabei eines in der Familienförderung bislang noch kaum genutzten Steuerungsinstruments: dem Leistungsvertrag auf der Grundlage von § 16 SGB VIII.

Mit VertreterInnen der Arbeitsgemeinschaften wurde zu diesem Zweck eine Leistungsbeschreibung als Förderungsgrundlage entwickelt. Zeitgleich fand in unserem Jugendamt eine erhebliche Umsteuerung von Transfermitteln statt, um die Finanzierung neuer Projekte in diesem Bereich überhaupt vornehmen zu können, denn bisher hatten die Jugendämter - wenn überhaupt - nur marginale Beträge im Bereich der Familienförderung nach § 16 im Haushalt eingestellt.

Dies stellt unter den gegebenen Einsparungen in der Jugendhilfe Berlins, einer restriktiven Haushaltsführung und dem Zwang unserer Jugendabteilung, Defizite anderer Abteilungen im Bezirksamt mit ausgleichen zu müssen, nahezu die Quadratur des Kreises dar. Geld für die Arbeit mit Familien ist fast nur zu beschaffen auf Kosten anderer Bereiche der Jugendhilfe, die keiner Zweckbindung unterliegen. Das ist aber nur bei sehr wenigen Bereichen der Fall, wie z.B. bei der Kinder- und Jugendförderung, so dass die Gefahr droht, Familienbildung auf Kosten von Kinder- und Jugendeinrichtungen oder -projekten aufzubauen. Es liegt leider nicht in der Macht eines Bezirks, das Globalsummenbudget, das vom Senat zur Verfügung gestellt wird, zu erhöhen, selbst wenn es gute Gründe dafür gibt. Dies könnte nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Bezirksämter, freier Träger und politisch Verantwortlicher gelingen.

Dieser Balanceakt, die eine Hilfeart auf- und die andere nicht abzubauen, muss von den Jugendämtern in zähen Verhandlungen mit den eigenen Haushältern, dem Bezirksamt, der Bezirksverordnetenversammlung und schließlich dem Finanzsenat erst einmal ausgehalten werden und es ist noch nicht sicher, wie weit wir mit unseren Planungen durchkommen, ob wir also kleine oder sehr kleine Schritte werden gehen können. Die berlinweit vergleichende Kosten-Leistungsrechnung, die die Leistungen aller Bezirke auf einen produktbezogenen Median (mittlerer Stückkostenpreis) zurechtstutzt, sieht systemimmanent keinen Ausbau, sondern lediglich eine stetige Reduzierung von Mengen und Preisen vor. Die Kosten-Leistungsrechnung mit ihrer aus der Wirtschaft auf die sozialen Verwaltungen übertragenen Produkt- und Stückkostenlogik als Grundlage der Budgetzuweisung für die Bezirke stellt bis heute einen der größten Fallstricke in der Finanzierung und Umsetzung von regional bedarfsgerechten und flexiblen Hilfen dar.

Zu den ersten Maßnahmen, die wir dennoch finanziert haben, um die inhaltliche Schwerpunktsetzung besser strukturell abzusichern, gehörte der Aufbau der „Servicestelle für Elternpartizipation und Sprachförderung“ in Kooperation mit der RAA Berlin (Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie e.V.). Sie hat den Auftrag, erfolgreiche oder viel versprechende Programme, Konzepte und Methoden zu diesen Praxisfeldern zu eruieren, in Kooperation mit Kitas, Tagespflegen, Familienzentren und Schulen zu erproben und zu verbreiten.

Bei der Auswahl und Konzipierung von Maßnahmen und Projekten nach § 16 lassen wir uns bislang von folgenden Grundüberlegungen leiten:

  • Familienbildung muss dort zu finden sein, wo Eltern sind, ohne dass sie sich oder ihr Kind zum Problem definieren. Deshalb muss sie an Regeleinrichtungen andocken (Kitas, Schulen, Angeboten der Gesundheitsversorgung, Familienzentren etc.) sowie mobile, aufsuchende Angebote umfassen.
  • Familienbildung heißt nicht nur Bildung für Familien, sondern auch Bildung der pädagogischen Fachkräfte und Ausrichtung der Regeleinrichtungen auf die Familien, die im Quartier leben.
  • Angebote der Familienbildung sowie jeglicher Bildung wenden sich bewusst gegen gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung sowie gegen „farbenblinde“, normierende Konzepte, die Ausgrenzung rechtfertigen.
  • Alle Angebote müssen auf der Anerkennung vielfältiger Familienkulturen durch die pädagogischen Fachkräfte basieren, um Erziehungs- und Bildungspartnerschaften aufbauen und eine demokratisch-partizipative Praxis mit einander entwickeln zu können.
  • Pädagogische Fachkräfte müssen Eltern auf gleicher Augenhöhe begegnen und ein Miteinander im Dialog entwickeln, um Integration und Beteiligung auch der Kinder und ihrer Familien zu gewährleisten, die in großer Distanz zu gesellschaftlichen Institutionen leben und nur schwer Zugang finden.
  • Angebote und Projekte zur frühkindlichen Förderung werden innerhalb eines Netzwerkes im Stadtteil eingerichtet und erreichen Kinder und Familien zum frühest möglichen Zeitpunkt.
  • Die Übergänge für Kinder von der Familie zur Kita, von der Kita zur Grundschule, von der Grundschule zur Oberschule und schließlich zur Berufsausbildung müssen von allen Beteiligten gemeinsam sorgfältig gestaltet werden.

Ausgehend von diesen Leitgedanken unterstützt das Jugendamt Initiativen wie die Umwandlung von Kitas nach dem Muster der Early Excellent Centres, Gesprächskreise von Müttern und Vätern verschiedener Kulturen, Kooperationen von Tagspflegeeltern mit Kitas und Familienzentren, kiezbezogene Bildungsverbünde, FuN-Kurse in Kitas. FuN steht für „Familie und Nachbarschaft“ und ist in seinem Aufbau und seiner Gestaltung insbesondere für die Arbeit mit sozial benachteiligten und bildungsungewohnten Familien konzipiert (siehe auch www.praepaed.de). Entscheidend dabei sind die Kooperationen der einzelnen Dienste, Einrichtungen bzw. Initiativen und der Versuch, Eltern grundsätzlich dialogisch zu begegnen. Zwei dieser Projekte seien beispielhaft näher beschrieben.

Durch das gemeinsame Projekt von Bezirk und RAA gelang es, die seit Jahren in Nordrhein-Westfalen erfolgreichen „Rucksack-Programme“ in Berlin einzuführen. Es handelt sich dabei um ein zweisprachiges Elternbildungs- und Sprachförderprogramm für Migranteneltern an Regeleinrichtungen (Kita, Schule), mit mehrsprachigen Materialien in verschiedenen Sprachen und für verschiedene Altersstufen der Kinder. Das Programm arbeitet gleichzeitig auf mehreren Ebenen:
MigrantInnen werden zu ElternbegleiterInnen mit Multiplikatorenfunktion geschult, um ihrerseits eine Gruppe von Eltern (meist Mütter) fortzubilden. Die Eltern treffen sich einmal pro Woche in der Einrichtung und erhalten von der Elternbegleiterin Anregungen und Arbeitsmaterialien zu verschiedenen Themen, die sie dann in der ihnen vertrauten Sprache zu Hause mit ihren Kindern spielerisch „bearbeiten“. Gleichzeitig werden in Kita und Schule die von den Eltern verwendeten Themen und Wortfelder in der deutschen Sprache in die pädagogische Arbeit mit den Kindern integriert. Dies geschieht auf unterschiedlichste Weise entsprechend der Ideen und Wünsche der PädagogInnen, z.B. im Morgenkreis, durch Spiele, Bücher und andere Aktivitäten.

Durch die Wertschätzung und Förderung der Erst- und Zweitsprache, zu Hause und in der Einrichtung, verbessert „Rucksack“ die Sprachkompetenz der Kinder. Die Kinder erkennen die Brücke, die zwischen ihrem Zuhause und der Einrichtung geschlagen wird. Sie erweitern und vertiefen ihre Sprachkenntnisse in der Muttersprache und in Deutsch zur gleichen Zeit.

Durch die Ausbildung einiger Eltern zu MultiplikatorInnen (ElternbegleiterInnen) gelingt die Aktivierung von Migranteneltern bei der Unterstützung der Bildungsprozesse ihrer Kinder. Gemeinsame Fortbildungen von Eltern und Fachkräften unterstützen die Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften und sorgen für eine vertiefte interkulturelle Sensibilisierung der Fachkräfte. Das Programm entfaltet dadurch außerdem eine starke emanzipatorische Wirkung. Über die RAA ist eine bundesweite Qualitätssicherung gewährleistet, die Evaluation findet in Kooperation mit dem Jugendamt statt.

Das zweite hier skizzierte Projekt ist die Elternvolksuniversität. Sie besteht aus professionell moderierten Gruppen von Eltern, die mit Unterstützung von SozialforscherInnen Fragen zum Oberthema „Eltern sein in der heutigen Zeit“ nachgehen. Vorrangiges Ziel der Gruppen ist es, die Praxiskompetenz von engagierten Eltern zu nutzen. Die dabei erarbeiteten Ergebnisse sollen zugleich auch für andere Eltern nützlich und verständlich sein.

Eltern soll damit ermöglicht werden, ihren Standpunkt und ihre «Perspektive» der Elternschaft zu verdeutlichen und sich damit in die aktuellen Debatte über das Elternsein, die wesentlich von ExpertInnen und von PolitikerInnen geführt wird, einzumischen und somit die vorherrschende Meinung über (das Versagen der) Eltern in den so genannten sozialen Brennpunkten zu ändern. Die Eltern werden also selber forschen und nicht als KursteilnehmerInnen mit vorgefertigtem Wissen versorgt.
Eingebettet ist das ganze Projekt in die Aktivitäten des europäischen Netzwerkes DECET (Diversity in Early Childhood Education and Training), das einen Austausch aller Beteiligter mit Elternvolksuniversitäten in Frankreich und Belgien zu organisieren versucht.

Fazit

Auch in einem sozial stark belasteten „Problem-Kiez“ wie Friedrichshain-Kreuzberg sind Initiativen des Jugendamts möglich, die die Lebenssituation von Familien und die Bildungschancen von Kindern verbessern helfen. Ideen und Konzepte sind vorhanden, die für eine Neuorientierung in der Arbeit mit Familien sorgen können, entscheidend sind dabei der dialogische Ansatz und die Kooperationsfähigkeit aller Institutionen.

Allerdings sind nicht alle Einrichtungen enthusiastisch, wenn es darum geht, in diese Art von Arbeit einzusteigen, selbst wenn das Jugendamt Projekte finanziell und konzeptionell unterstützt. Das Umdenken erfordert doch größere Anstrengungen von jeder einzelnen pädagogischen Fachkraft, als diese im Moment vielleicht bereit ist zu leisten. Die Kultur unserer Bildungseinrichtungen hat häufig mit gleicher Augenhöhe gegenüber Eltern, manchmal auch gegenüber anderen Kooperationspartnern nichts zu tun. Wirklich verbindende Kooperationen aufzubauen, erfordert ein gerütteltes Maß an Auseinandersetzung und Selbstreflexion, ist zermürbend, langwierig und mitunter von Rückschlägen gekennzeichnet. Die Belastungen der pädagogischen MitarbeiterInnen sind oft seit langem schon zu hoch, die Personaldecke zu kurz für solche anspruchsvollen und ungewohnten Kooperationen mit Eltern und anderen Einrichtungen. Für längere Beratung und Begleitung hat auch das Jugendamt keine Kapazitäten, Initiativen können oft nur angestoßen, aber nicht wirklich gut ausfinanziert werden. Und selbst bei dem bereits vollzogenen Ausbau des Volumens der Familienbildung von 250 auf 850 Tausend Euro im Jahr, handelt es sich um den berühmten Tropfen auf den heißen Stein, das ca. 17-fache wäre ein realistisches Budget, von dem man tatsächlich eine breitere Wirksamkeit erwarten dürfte und auch das wären nur ca. 50 Euro pro Einwohner Friedrichshain-Kreuzbergs im Jahr. Von daher klingt die Summe eigentlich nicht utopisch - sie ist es aber zur Zeit. Diese Sparsamkeit der öffentlichen Hand wird sich langfristig allerdings als sehr teuer herausstellen, denn die Folgen von missglückten Sozialisationsprozessen sind bekannt - misslingende Integrationsprozesse, Arbeitslosigkeit, psychische Krankheit, Gewalt, Kriminalität, Lethargie. Und ihre Bearbeitung ist weitaus teurer als präventive Maßnahmen.

Katinka Beber ist verantwortlich für die fachliche Steuerung von Kindertagesbetreuung, Tagespflege und Familienbildung, sowie präventiven Kinderschutz im Jugendamt. Ihr Artikel ist erschienen in dem von Hilde von Balluseck 2008 beim Verlag Barbara Budrich herausgegebenen Buch „Professionalisierung der Frühpädagogik“, S. 177-182.

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Kommentare (2)

03 August 2009, 10:59

Hallo Frau Ensel,

hier die Infos, die ich von Frau Beber erfragt habe:
Rucksack I ist tatsächlich nur für die 3-6 jährigen ausgelegt und an einen Kitabesuch gebunden, Rucksack II für die Schulanfangsphase, also 6-8 jährige. Vor ca. 0 Jahr wurde der „Rucksack für Kleine“ aufgelegt, das Programm heisst „Griffbereit“ und ist eine zweisprachige Spielgruppe für 0-3 jährige, das in Kitas mit Familientreffpunkten, Nachbarschaftshäusern oder Familienzentren läuft, auf die Kita vorbereitet und neben der zweisprachigen Spielanleitung auch alle möglichen Erziehungsthemen beinhaltet. Direkt nach der Geburt setzt das Jugendamt eher mit anderen Projekten an, wie aufsuchende Elternhilfe, demnächst mit Familienhebammen (die es n Hamburg schon gibt!), „Von Anfang an Familienleben“ oder eben thematisch verschiedene Kurse und offene Treffs für Eltern, Väter, Mütter mit kleinen Kindern in den Familienzentren.
Weitere Infos stelle ich im September ein, wenn alle aus dem Urlaub zurück sind!
Freundliche Grüße
Hilde von Balluseck

Angelica Ensel 29 Juli 2009, 11:58

Mich interessiert, ob das Rucksackprojekt schon in der Schwangerschaft ansetzt und Migrantinnen rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternwerden unterstützt oder ob es woanders schon solche Projekte gibt. Würde mich sehr über eine Antwort freuen bzw. auch über die Möglichkeit eines Telefongesprächs. Bin Hebamme und recherchiere gerade zu diesem Thema.
Mit freundlichen Grüßen
Angelica Ensel (040-392878)

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