Zusammenarbeit mit Kindern - Die Forscherdialoge
Kinder sollen forschen dürfen, aber man sollte ihnen dabei ihre Kreativität und ihre eigenen Ideen lassen. Das ist die zentrale Aussage von Salman Ansari in seinem neuen Buch "Rettet die Neugier! Gegen die Akademisierung der Kindheit". Passend zur gegewärtigen Jahreszeit übernehmen wir mit freundlicher Genehmigung des Verlages das Kapitel über die Forscherdialoge zum Frühling. Ansari beschreibt beispielhaft, wie er selbst mit Kindern arbeitet.
Der Fortgang der wissenschaftlichen Entwicklung ist im Endeffekt eine ständige Flucht vor dem Staunen. Albert Einstein
Kein Begriff müßte anders, als mittelst der Anschauung eingeführt, wenigstens nicht ohne sie beglaubigt werden. Das Kind würde dann wenige, aber gründliche und richtige Begriffe erhalten. Es würde lernen, die Dinge mit seinem eigenen Maßstabe zu messen, statt mit einem fremden. Arthur Schopenhauer
Das übergeordnete Ziel meiner Zusammenarbeit mit Kindern ist, dass sie sich geistig und emotional weiterentwickeln. Bevor ich mir aber konkrete Schritte dahin überlege, mache ich mir Gedanken darüber, warum und wozu ich etwas erreichen möchte. Ich stelle mir also die Sinnfrage. Ich denke darüber nach, wie und wann Kinder etwas erfahren, lernen sollten, mit welchen Mitteln und pädagogischen Strategien. Ich stelle mir die Frage, was gelernt werden soll, wie es am besten gelernt werden kann und welcher Zeitpunkt für die Aneignung des jeweiligen Wissens angemessen wäre. Ich möchte, dass die Kinder mit mir in einen Dialog eintreten, selbst wenn sie nur geringe Sprachkenntnisse besitzen. Ich animiere sie, viel zu erzählen. Da sie mit anderen Kindern zusammen sind, hören sie auch, was diese zu sagen haben, über welche Erlebnisse sie berichten und welche sprachlichen Formen sie dazu benutzen. So lernen die Kinder voneinander; sie lernen, einander zuzuhören und zu verstehen, was die anderen sagen und was damit gemeint sein könnte; also, wie man seine Gefühle und Eindrücke in Sprache übersetzen kann. Ich hoffe, dass ich damit einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass Kinder sich ermutigt fühlen, Wörter gezielt anzuwenden und in diesem Prozess eine größere Bewusstheit der Sprache zu erlangen.
Ich teile mit den Kindern die gleiche Wirklichkeit. Allerdings nehme ich diese anders wahr als die Kinder. Der Unterschied in den Wahrnehmungen beruht darauf, dass ich naturgemäß erheblich mehr Erfahrung habe. Dies ist eigentlich der einzige Unterschied. Denn das Gehirn der Kinder arbeitet nicht anders als mein Gehirn. Nur sind in meinem Gehirn unvergleichlich mehr Vernetzungen von Erfahrungen entstanden. Ich ordne die Alltagserfahrungen, die beiläufig erlebten Bilder anders ein, bewerte sie anders, da ich ein größeres Wissen und eine größere Bewusstheit von Zusammenhängen erlangt habe. Bevor ich mich also auf die Suche von wie und wozu begebe, muss ich in Erfahrung bringen, wie die Kinder ein und dasselbe Geschehen in ihr Denken einordnen, einschätzen und bewerten. Dann erst kann ich auch erkennen, worin spezifisch der Wahrnehmungsunterschied zwischen ihnen und mir besteht. Ich muss daher versuchen, über den Weg eines Dialogs auf gleicher Augenhöhe das Denken und Fühlen der Kinder kennenzulernen. Ich muss meine Sprache, meine Begriffe, Bilder, Ereignisse, Geschichten usw. so auswählen, dass Kinder etwas dazu sagen können und somit ein echter Dialog in Gang kommen kann. Als Einladung zum Dialog muss ich etwas wählen, das den Kindern zwar vertraut vorkommt, aber dennoch ihre Neugier weckt, sie zu weitergehenden Überlegungen und Ideen anregt und in lebendiger Interaktion mit mir und anderen Kindern neue Konzepte, Erfahrungen und Erkenntnisse zu vermitteln vermag. Nur so kann ich einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass Kinder in ihrem Denken und Können weiterkommen. Dies möchte ich nun anhand von Beispielen aus meiner Arbeit verdeutlichen.
Erster
Forscherdialog: »Alle Vögel sind schon da«
Frühling
In einem Stadtkindergarten ist es Frühling geworden. Die Bäume haben damit begonnen, sich zu belauben. Der Löwenzahn wuchert überall. Die Tage sind nun länger, die Vögel hört man trotz Flugzeugdonner und ohrenbetäubendem Verkehrslärm. Im Kindergartengelände gibt es viele Sträucher mit prächtigen Dolden. Morgens sitzen auf den Grashalmen und Blättern der Sträucher Wasserperlen, die im Sonnenschein glänzen. Der Spielplatz ist umgeben von einigen hohen Bäumen, und neben dem Sandkasten wächst ein Apfelbaum. Vor dem Eingang steht eine Eiche mit wuchtigem Stamm und ausladenden Zweigen und nicht weit davon eine immergrüne Fichte. Das alles erinnert mich an die Allgegenwart des Frühlings im Kindergartengelände. Was könnte ich davon in einen Dialog mit den Kindern integrieren? Denn während der nächsten Tage möchte ich mich mit ihnen auf die Suche nach dem Frühling und den damit verbundenen Naturphänomenen begeben.
Wenn ich aufwache, fällt mir als Erstes der Gesang der Vögel auf, der während der Wintermonate verstummt war. Ich möchte in Erfahrung bringen, ob die Kinder einige Heimatvogelarten kennen und ob sie sich darüber wundern, dass erst im Frühling vermehrt Vogelarten zu sehen und zu hören sind. Wo waren sie geblieben und warum? Und warum hatten diejenigen, die man im Winter sah, sich das Schweigen auferlegt. Das ist alles, was ich als Anfangsfrage im Kopf habe. Was dann wirklich kommt und welche Entwicklung das Gespräch nehmen könnte, weiß ich nicht. Denn ein genaues Lernziel habe ich nicht im Kopf. Der kreative Prozess der Zusammenarbeit mit Kindern ist für mich das eigentliche Ziel. Als Einstieg wähle ich das bekannte Gedicht von Hoffmann von Fallersleben. Ich werde das Lied den Kindern vorsingen, werde für jedes Kind Bilder von »Amsel, Drossel, Fink und Star« mitnehmen und auch ein Wandplakat, auf dem viele Vogelarten mit den zugehörigen Namen abgebildet sind. Auch eine CD mit Vogelstimmen werde ich mir besorgen.
Zehn Kinder sitzen mir gegenüber. Folgender Dialog nimmt seinen Gang: »Wieso habt ihr keine warmen Sachen mehr an, friert denn niemand von euch?« Die Kinder schauen mich belustigt an. Ein Kind meint, es sei wärmer geworden. Ein anderes meint, ich hätte ja auch nur ein Hemd an. Doch zunächst sagt niemand von ihnen ausdrücklich, dass der Winter vorbei sei und dass es Frühling geworden ist. Ich denke, dass die Kinder dies schon implizit wissen, nur nehmen sie vielleicht die sichtbaren und fühlbaren Veränderungen der Jahreszeit nicht bewusst wahr. Das Zimmer, in dem wir sitzen, hat große Glasfenster, und der Blick nach draußen fällt auf Bäume und Sträucher. Ich frage, ob sich da draußen an den Bäumen etwas geändert hat. Erst jetzt kommen sie darauf, dass die Sträucher und Bäume sich belaubt haben. »Ich habe für euch ein Lied mitgebracht. Ich kann aber nicht gut singen. Soll ich es trotzdem singen?« Alle Kinder wollen das. Also trage ich singend das Gedicht mehr schlecht als recht vor:
Während meines Vortrages merke ich, dass einige Kinder es lustig finden, dass ich singe. Denn bisher hatten sie mich nicht singend erlebt. Ich merke auch, dass fast alle Kinder das Lied schön finden und bei einigen Wörtern wie pfeifen, tirilieren oder zwitschern hell auflachen. Merkwürdig finde ich auch, dass kein Kind mich nach der Bedeutung der Wörter fragt. Es ist, als hätten sie das Gedicht inhaltlich vollkommen verstanden. Das kann jedoch nicht sein, denn die Sprache des Gedichts ist recht befremdlich für die heutigen Kinder, denke ich und frage, ob sie alles verstanden hätten. Alle bejahen dies und möchten unbedingt, dass ich noch einmal singe. Ich sage, dass ich mir dies nicht zutraue, und es sei schöner zu singen, wenn man mit Gitarre oder Klavier begleitet wird. Kaum habe ich dies gesagt, möchten alle Kinder Brigitte holen gehen, die so schön singen und Gitarre spielen kann. Doch Brigitte ist heute nicht im Kindergarten. Alle Kinder versichern mir, dass sie das Lied gerne lernen würden. Nun gebe ich jedem Kind die Bilder der Vögel und hänge das Plakat mit Abbildungen von sehr vielen Vogelarten auf. Ich erkläre Ihnen, welches Bild zu welchem Namen, also Amsel, Drossel, Fink und Star, passt. Ich frage, ob sie all diese Vogelarten schon einmal gesehen hätten. Nur zwei Kinder erkennen auf dem Bild die Amsel. »Vielleicht habt ihr die Stimmen dieser Vögel gehört?« Ich erkläre, dass ich eine CD mit Vogelstimmen mitgebracht habe. Alle Kinder wollen die Stimmen hören. Ich spiele ihnen jedoch nur die Stimmen der Vögel mehrmals vor, deren Bilder die Kinder bekommen haben. »Habt ihr vielleicht einmal diese Stimmen gehört?« Die Kinder sind unsicher, doch alle meinen, dass sie viele Vögel gehört hätten. Nun fordere ich sie auf, auf dem Plakat einen Fink zu suchen. Das geht in Sekundenschnelle. Auch die weiteren drei Vögel können sie mühelos auf dem Plakat identifizieren. Alle Kinder möchten nun nach draußen gehen, um Amsel, Drossel, Fink und Star zu entdecken.
Einige Kinder haben schon Amseln und Finken gesehen, andere auch Schwalben und Drosseln; der Papa kannte die Namen der Vögel. Wir suchen auf dem Plakat nach Schwalben und Drosseln. Die Kinder prägen sich das Aussehen der beiden Vogelarten ein. Ein Kind wundert sich, warum alle Vögel dünne Beine haben. Ich frage in die Runde, ob jemand dies erklären kann. Ein Kind meint, weil Vögel so klein und leicht seien. Ich schließe mich seiner Erklärung an und füge noch hinzu, dass große, schwere Tiere tatsächlich dicke Beine hätten, wie zum Beispiel der Elefant; vielleicht müssten seine Beine seinen schweren Körper tragen. »Ja«, meint ein Kind, »der Elefant hat ja auch vier Beine und der Vogel nur zwei.« Merkwürdig, dass ich selber nicht daran gedacht hatte!
Nun lenke ich die Aufmerksamkeit der Kinder wieder auf das Frühlingsgedicht. Ich erinnere sie daran, dass das Gedicht mit dem Vers »Alle Vögel sind schon da« beginnt. Das verstehe ich nicht. Waren denn die Vögel weg? Sind sie wieder da, weil es Frühling geworden ist? Kann jemand mir das erklären? Die Kinder haben zunächst keine Antwort darauf. Wir überlegen uns, ob man in den Wintermonaten keine Vögel sieht. Fast alle Kinder berichten, dass selbst, wenn Schnee liegt, Vögel zu sehen sind und man sie füttern sollte. »Muss man sie jetzt auch füttern?«, frage ich. Die Kinder überlegen, was sie mir antworten könnten. Zwei meinen, jetzt fänden die Vögel Würmer. »Und im Winter nicht?«, frage ich. Nein, im Winter finden sie keine Würmer. Alle sind sich darüber einig, dass die Vögel in den Wintermonaten nicht genug Nahrung fänden. Nun fragen wir uns, ob Vögel nur Würmer fressen. »Nein, auch Brot, Popcorn und Nüsse.« – »Und wie ist es mit dem Vogelgesang im Winter?«, frage ich. Einige Kinder meinen, dass im Winter alle Vögel schweigen, weil es zu kalt ist. Kein Kind erwähnt die Kategorie »Zugvögel«. Wenn Kinder etwas nicht wissen, dann bedeutet es stets, dass sie keine Gelegenheit hatten, es zu erfahren. Diese Kinder, denke ich, haben bisher weder von einem Erwachsenen etwas über die Zugvögel gehört, noch eine Geschichte darüber vorgelesen bekommen.
Ich habe Bilder von mehreren Vogelarten (Fliegenschnäpper, Schwalbe, Laub- und Rohrsänger, Grasmücke, Wildgans, Streifengans und Storch) mitgebracht. Da das Plakat mit den Abbildungen der Heimatvögel noch im Raum hängt, suchen wir die Zugvögel darin und finden fast alle. Ich erzähle, wie weit diese Vogelarten Jahr für Jahr fliegen; immer dorthin, wo es warm und sonnig ist. Erstaunlich finde ich, dass ich den Kindern nicht zu erklären brauche, weshalb die Vögel so weit fliegen. Auf meine Frage: »Was meint ihr, warum sie so weit fliegen? Mögen sie keinen Schnee?«, belehren mich die Kinder, dass der wahre Grund für die lange Reise der Mangel an Futter im Winter sei.
»Alle Vögel sind schon da« und »pfeifen, zwitschern, tirilieren«. Doch was machen sie noch, wenn sie nach der langen Reise hier angekommen sind? Alle Kinder sind der Meinung, dass die Vögel nun Nester für ihre Kinder bauen.
Ich habe
einige Vogelnester mitgebracht. Sie entdecken, wie das Innere der Nester mit
Stoffen wie Baumwolle, Schafswolle, Haaren, trockenen Blättern u.?ä. gepolstert
ist. Wo mögen sie diese Materialien gefunden haben und warum legen sie ihr Nest
damit aus? Wohin bauen sie ihre Nester? Auf den Boden oder auf einen Ast? Die
Außenseite ist mit wasserabweisendem Grün umflochten. Warum wohl? Die Kinder
haben zu diesen Fragen ganz unterschiedliche Meinungen. Auf die Frage, wo die
Vögel all diese Baustoffe gefunden haben, fällt ihnen die Antwort schwerer. Wo
könnten die Materialien herkommen? Ein Kind meint, dass die Friseure oft die
Tür ihres Ladens offen lassen und es den Vögeln somit gelänge, schnell
reinzuschlüpfen und die Haare zu klauen. Doch diese These wird verworfen. Ein
Kind erinnert sich daran, dass sich seine Katze im Winter ein dickes Fell
zulegt und im Frühling Haare verliert, die die Vögel dann schnell fänden. Jetzt
fallen den Kindern auch die Schafe ein, die auf Feldern und Wiesen grasen und
Wolle verlieren. Ich erzähle ihnen, dass es in waldbewachsenen Gegenden auch
andere Tiere mit Fell gibt. Ob jemand mir von Tieren erzählen könne, die im
Wald beheimatet seien. Einige Kinder nennen Bambi, Hase, Fuchs und Wild-
schwein.
Das Nest von einem Stieglitzpaar finden die Kinder besonders faszinierend und staunen darüber, wie raffiniert die Vögel das Nest gebastelt haben. Wir überlegen uns sodann, wie viele Stieglitzkinder im Nest Platz finden könnten. Schließlich stellen sich die Kinder vor, sie wären ein Vogel und möchten für die Brut ein Nest bauen. Sie gehen hinaus und begeben sich auf die Suche nach den Materialien, die sie zum Bauen eines Nestes brauchen könnten. Atemlos kommen sie zurück, beladen mit Stoffen, die sie gefunden haben, und bauen emsig ein Nest nach.
Dritter Tag
Die Kinder berichten, sie hätten Rotkehlchen, Specht, Sperling, Meise, Dompfaff und Eichelhäher gehört und gesehen. Wir suchen die Vogelarten und finden sie auch auf dem Plakat abgebildet. Die Kinder hören immer wieder belustigt ihre Stimmen.
Ich habe einige typische Nahrungsmittel mitgebracht, die Vögel neben Würmern, Larven, Insekten, Fliegen usw. auf ihrer Speisekarte haben: Johannisbeeren, Vogelbeeren, Äpfel, Birnen, Nüsse, Sonnenblumenkerne, kleine Samen. Die Kinder finden es komisch, dass Vögel auch Fett mögen. Sie stellen auch fest, dass die vorgezeigten Lebensmittel in den Wintermonaten nicht in der freien Natur zu finden sind.
Zum Schluss versammeln wir uns vor dem Plakat mit den Vogelbildern und machen ein Spiel. Ich sage zum Beispiel: »Ich sehe den Sperling, du aber nicht!«, dann suchen die Kinder das Abbild von Sperling und zeigen mit dem Finger darauf. Ich staune, wie schnell sie sich das Aussehen und die Namen der Vögel eingeprägt haben. Ich habe Mühe, mit diesem Spiel aufzuhören. Nicht nur hier merke ich, wie viel Energie und Ausdauer sie im Gegensatz zu mir haben.
Ich verspreche den Kindern, dass wir im Herbst Vogelhäuser bauen. Dazu werde ich versuchen, trockene Kürbisse zu besorgen. Wir werden schön bunt bemalen, ein Einstiegsloch hineinbohren und noch weitere ganz kleine Löcher, damit das Vogelhaus trocken bleibt.
Der Löwenzahn ist eine sonderbare Pflanze, denn sie hat nicht nur gelbe Blüten, sondern auch grüne, rosettenförmig angeordneter Blätter, die gelappt und gezahnt sind. Das Wurzelwerk ist ungewöhnlich lang, zuweilen bis zu zwei Metern. Die gelbe Blüte schließt sich nach einiger Zeit, dann öffnet sie sich als Pusteblume. Ich möchte zusammen mit den Kindern die Stadien der Verwandlung beobachten. Aber zuerst werden wir uns auf die Suche von Plätzen begeben, wo der Löwenzahn gedeiht.
Als Erstes gehen wir zur Eiche. Vor der Eiche entdecken wir ein Meer von Löwenzahnblüten. Doch unter dem Laubwerk der Eiche blüht kein einziges Löwenzahnblümchen. Dies fällt den Kindern auf. Ich fordere sie auf, im Gelände einen Ort zu suchen, wo der Löwenzahn auch im Schatten wächst, doch sie haben keinen Erfolg. »Das verstehe ich aber gar nicht«, bemerke ich. Doch sofort kommt ein Kind auf die Idee, dass der Löwenzahn Licht braucht. Alle Kinder teilen diese Meinung. Wir sprechen auch darüber, wo bei den Kindern zu Hause die Topfpflanzen stehen. Sie berichten, dass diese stets nah am Fenster stehen, damit sie das Licht sehen können. Ich rege an, dass wir zu einem nahe gelegenen Wäldchen gehen sollten, um zu sehen, ob der Löwenzahn vielleicht im Wald wächst. – »Was meint ihr?« Einige Kinder sind unsicher, doch die Mehrheit meint, im Wald sei viel Schatten, und der Löwenzahn mag keinen Schatten. Als wir im Wald sind, entdecken wir, dass der Löwenzahn nur am Waldrand wächst und nicht unter den Bäumen.
Vielleicht wachsen andere Pflanzen ohne Licht, frage ich, die Kinder verneinen dies. Ich grabe mühsam zwei Löwenzahnpflanzen samt dem Wurzelwerk aus. Sie staunen über die Länge der Wurzel. Ich erzähle, dass der Löwenzahn wegen seiner langen Wurzeln immer wieder blüht, auch wenn man seine Blüte verletzt hat. Wir unterhalten uns darüber, ob alle Pflanzen immer Blüten, Blätter und eine Wurzel hätten. Auch dies wissen die Kinder. Und wie ist es mit den Bäumen? Hat die Eiche auch Blüten? Das verneinen die Kinder. Ich sage darauf nichts. Statt den Sachverhalt richtigzustellen, muss ich mir überlegen, wie ich mit ihnen gemeinsam entdecken könnte, dass auch alle Bäume Blüten haben.
Über die nächsten Wochen hinweg beobachten wir den Löwenzahn und seine Verwandlungen. Besonders erstaunt sind die Kinder darüber, dass die gelbe Blüte sich über Nacht schließt. Sie bringen jeden Morgen die Blüten in den Kindergarten mit und beobachten gespannt, wie sie nach einer Weile von selbst aufgehen. Offenbar, so meinen die Kinder, mögen sie die Kälte nicht. Immer wieder staune ich darüber, dass selbst dreijährige Kinder kausal denken können.
Zweiter Forscherdialog: Wasserschöpfen
Meine Gesprächspartner im vorangegangenen Beispiel waren Kinder, deren Muttersprache Deutsch ist. Es war also möglich, alles zu verbalisieren, d.?h. über die Sprache Gedanken anzuregen und Ideen sichtbar zu machen. An Handlungen, aber auch an den sprachlichen Äußerungen der Kinder konnte ich erkennen, ob sie neue Erkenntnisse erworben hatten.
Seit zwei Jahren arbeite ich in der Stadt Offenbach in mehreren Kindertagesstätten. Mehr als achtzig Prozent der Kinder sprechen Deutsch nicht als Muttersprache. Ich muss mir also überlegen, wie ich auch mit diesen Kindern ins Gespräch kommen und dazu beitragen kann, dass sie nicht nur in ihrem Denken, sondern auch in der deutschen Sprache vorankommen. Als Ausgangspunkt muss ich mir praxisorientierte Aktivitäten überlegen, die zunächst zwar nonverbalen Charakter haben, aber letztlich die Kinder dazu anregen, sich mitzuteilen und mir die Chance einräumen, Fragen zu stellen, mit dem Ziel, die Sprachkompetenz der Kinder zu fördern.
Der Ausgangspunkt ist die Aufgabe, Wasser, das sich in einer Wanne befindet, mit Hilfe von diversen zum Schöpfen geeigneten Gegenständen wie Esslöffel, Suppenkelle, Teelöffel, Siebe, Trichter, Schwämme und Plastikschalen in Gefäße wie enghalsige Flaschen, Einmachgläser und Becher unterschiedlicher Größe zu füllen. Ich möchte, dass die Kinder unter Benutzung von vertrauten Materialien eine Aufgabe bewältigen lernen, die ihnen neue Erfahrungen und Erkenntnisse zu vermitteln vermag. Nachdem ich sichergestellt habe, dass die Kinder die Aufgabe verstanden haben, trete ich zurück und greife in das Geschehen nicht mehr ein. Auch die Kinder vergessen, dass ich überhaupt da bin. Bei dieser Aufgabe müssen die Kinder Entscheidungen treffen. Aber Entscheidungen kann man nur dann fällen, wenn man die Gelegenheit bekommt, zwischen mehreren Optionen zu wählen. Genau diesen Aspekt kann man bei dieser Übung beobachten. Jedes Kind fängt individuell an. Ein Kind wählt die Kelle zum Einfüllen des Wassers in die enghalsige Flasche, ein anderes Kind entscheidet sich für den Trichter oder das Sieb. Mit dieser Entscheidung beginnt bereits der Erkenntnisprozess und damit einhergehend die Bewältigung einer Aufgabe.
Es gibt Kinder, die die Kelle sehr schnell weglassen und stattdessen mit dem Teelöffel hantieren und dabei entdecken, dass mit dem kleineren Löffel der Transport zwar langsam, jedoch effektiver vorangeht. Die anderen Kinder bleiben zunächst recht lange bei dem Sieb oder dem Trichter, bevor sie klar erkennen, dass damit der Wassertransport nicht gut funktioniert und nach dem Löffel oder sogar nach dem Schwamm greifen. Dann gibt es Kinder, die recht schnell die richtige Bedeutung des Trichters erkennen, ihn auf die Flasche setzen, die Suppenkelle in die Hand nehmen und in kurzer Zeit große Mengen Wasser in die Flasche füllen. All das braucht Zeit, und diese haben die Kinder. Selbst nach neunzig Minuten wollen sie nicht aufhören. Zeitweise sind sie so in ihre Arbeit versunken, dass vollkommene Stille herrscht.
Ich lasse die Kinder fast zwei Stunden lang allein arbeiten. Danach gehe ich zu jedem Kind und stelle folgende Fragen oder fordere es auf, bestimmte Dinge zu tun. Im Folgenden wird dies beschrieben:
Schritt 1
Die Kinder füllen erst einmal zwei identisch große Einmachgläser mit Wasser. Ich fordere sie auf, in beide Gefäße das Wasser gleich hoch zu füllen. Dann frage ich sie, ob in beiden Gefäßen gleich viel Wasser vorhanden sei. Wenn die Kinder unsicher sind, und das sind fast alle dreijährigen Kinder, dann füllen wir das Wasser in zwei Messbecher und schauen, ob die Marke bei beiden gleich ist.
Schritt 2
Jetzt bekommen die Kinder zwei unterschiedlich große Einmachgläser und sollen in beide das Wasser gleich hoch einfüllen. Wenn dies nach Augenmaß geschehen ist, wiederhole ich meine Frage. Die Kinder sagen stets, dass in beiden Behältern gleich viel Wasser sei. Mit dem Messbecher überprüfen wir die Aussage und stellen fest, dass sie nicht stimmt. Einige Kinder vermuten, das liege an der unterschiedlichen Größe der Gläser, sind sich jedoch nicht ganz sicher. Ich nehme nun ein längliches, zylinderförmiges Glas, und überführe den Inhalt von dem kleinen Einmachglas in den Zylinder, den es fast vollständig füllt. Jetzt leere ich den Zylinder und fülle ihn mit dem Wasser aus dem großen Einmachglas. Das Wasser schwappt über. Dies hilft weiter.
Schritt 3
Ich habe wieder zwei gleich große Einmachgläser. In einem von beiden befindet sich ein Stein. Das Wasser steht in beiden gleich hoch. Viele Kinder meinen, beide enthielten gleich viel Wasser. Ich fordere sie auf, den Stein herauszunehmen, das Wasserniveau fällt sofort. In dasselbe Glas wird jetzt ein noch größerer Stein gelegt. Das Wasserniveau steigt wieder, ist auch höher als im Glas ohne den Stein. Wir ersetzen den Stein noch einmal mit einem größeren; ein Teil des Wassers fließt heraus. Jetzt bekommen die Kinder Bechergläser und mehrere Steine von unterschiedlicher Größe und können damit experimentieren.
Am Ende haben in der Regel alle Kinder eine Vorstellung von Volumen bzw. von dem Zusammenspiel von Größe und Platzbeanspruchung. Alle können sagen, dass die Steine Platz brauchen und daher das Wasserniveau sich verändert oder gar »aus dem Glas weggehen muss«, damit der Stein darin »baden« kann, wie sie sagen.
Die Kinder lernen die Größenordnung, die Passung, die Funktion der Materialien ohne Lenkung kennen. Sie korrigieren sich selber in ihren Entscheidungen. Fortwährend werden ihre Handlungen zielgerichteter und auch geschickter. Sie machen neue Erfahrungen mit ihrem Kopf und Körper. Sie erlangen eine neue Stufe des Denkens.
Ich kann dabei sehr viel über die Kinder lernen. Ich sehe, wie unterschiedlich sie sich verhalten bzw. entscheiden. Ich erlebe, dass einige dreijährige Kinder entscheidungsfreudiger und zupackender mit der Aufgabe umgehen als manche fünfjährige Kinder. Vermutlich wachsen diese Dreijährigen in einer Umgebung auf, wo sie mehr Ermutigung und Anregungen erfahren als die Fünfjährigen. Ich sehe also ihre Defizite und kann mir darüber Gedanken machen, mit welchen Maßnahmen ich sie unterstützen, ihnen weiterhelfen könnte.
Dritter Forscherdialog: Sandschöpfen
Mit dieser Übung verfolge ich die gleichen Ziele wie beim »Wasserschöpfen«. Allerdings müssen die Kinder hierbei einige andere Strategien und Arbeitstechniken entwickeln. Erst spreche ich mit ihnen über den Unterschied von Sand und Wasser. Also was besser fließt, was nass macht, was man besser anfassen und in der Hand halten kann. Kann man Sand auch gießen? Mit Sand kann man bauen. Geht das auch mit Wasser? Kann Wasser nass werden (diese Frage amüsiert die Kinder), kann Sand nass werden? Wenn es regnet, wird die Straße nass. Bleibt sie dann für immer nass? Kann Sand verdunsten, also mit der Sonne auch weniger werden wie Wasser? Welcher Sand ist zum Bauen besser, der trockene oder der nasse Sand? Wenn Wasser gefriert, entsteht Eis. Eis taut oder schmilzt. Können Steine auch schmelzen. All diese und ähnliche Fragen regen die Kinder an, ihr vorhandenes Wissen abzurufen, sich die erlebten Bilder zu vergegenwärtigen und somit Bewusstheit für die Zusammenhänge zu erlangen. Dabei lernen sie Dinge benennen und ihre Sprachkenntnisse erweitern. Folgende Materialien stehen zur Verfügung:
Die Kinder füllen nun, wie bei der vorangegangenen Aktivität, Sand in die bereitgestellten Gefäße und beschreiben dabei, welche Erfahrungen sie machen und welche Unterschiede zum Wasserschöpfen sie dabei entdeckt haben.
Mir fällt auf, dass die Kinder sofort das Sieb auswählen, um den Sand von Steinen und Hölzern zu befreien. Auch bei allen anderen Aktivitäten können sie die beim Wasserschöpfen gewonnenen Erfahrungen gezielt einsetzen. Sie können ihr Wissen übertragen.
Vierter Forscherdialog: Kinder als Entdecker und Gestalter
Bei der folgenden Übung lernen die Kinder völlig selbständig einige wichtige Zusammenhänge kennen, und darüber hinaus entwickeln sie spontan Konzepte ästhetischer Gestaltungsmöglichkeiten. Wissenschaftliche Kategorien wie Beobachten, Beschreiben, Ordnen, Sortieren, Klassifizieren lernen sie intuitiv und zeigen spontan Sinn für Formschönheit.
Schritt 1
Die Kinder bekommen ein Gemisch aus trockenen Bohnen, Erbsen, Linsen, Rosinen, Wacholder, Mais, Reis, Nüssen, Körnern und anderen Getreiden. Außerdem erhalten sie eine frische Bohne, eine frische Erbse und eine Traube.
Sie werden aufgefordert, die Lebensmittel zu benennen, die grüne Bohne und die Erbse mit der trockenen zu vergleichen, die Rosine mit der Traube. Anschließend sollen sie das Gemisch nach Gleichheit sortieren; also Bohnen von Mais trennen usw. Darüber hinaus sollen sie nach zwei vollkommen gleichen Bohnen, Rosinen o.?ä. suchen. Dann trete ich zurück, und die Kinder sind in der Regel vierzig bis sechzig Minuten lang beschäftigt. Es herrscht so lange auch vollkommen Stille.
Sie fangen langsam an, die Lebensmittel anzufassen und sich die jeweilige Form und Farbe einzuprägen. In einigen Kitas kennen die Kinder die Namen der Lebensmittel nicht. Dann erfolgt der Vergleich zwischen der Rosine und der Traube, ebenso zwischen der grünen Bohne und der grünen Erbse und der getrockneten. Weshalb die grüne Erbse und die Bohne weich im Gegensatz zu den getrockneten sind, können die Kinder erst einmal nicht erkennen. Ebenso können sie sich nicht vorstellen, dass die Rosine durch Trocknen der Traube entstanden ist. Ich fordere sie auf, mit dem Finger die frische Erbse, Bohne und die Traube zu zerdrücken. Es ist den Kindern deutlich, dass alle drei sich feucht anfühlen bzw. eine Flüssigkeit absondern. Allerdings sind sie nicht sicher, ob es sich dabei um Wasser handeln könnte, weil sie zwischen Saft und Wasser einen Unterschied vermuten. Ich erinnere sie an den nassen Sand. Wie wird er trocken? Fühlt sich der trockene Sand härter an als der nasse? In der Regel hilft dieser Hinweis den Kindern dabei zu vermuten, dass die Flüssigkeit der Bohne, Erbse und der Traube »weggegangen« sein muss, damit die harte und trockene Form entsteht. Allerdings fühlt sich die Rosine nicht so hart an wie die trockene Bohne und Erbse. Die Kinder probieren nun den Geschmacksunterschied zwischen frischen und der getrockneten Lebensmitteln. Besonders die Rosine schmeckt deutlich anders als die Traube. Ich habe eine Tüte voll mit getrockneten Obstsorten mitgebracht. Auch diese probieren die Kinder hinsichtlich des Geschmacks. Sie staunen darüber, dass die Flüssigkeit in der frischen Form so viel Veränderung an Geschmack verursacht.
Nun beginnt die Sortierung. Fast jedes Kind hat dabei eine unterschiedliche Vorgehensweise. Während einige von ihnen erst einen Haufen der Mischung in die eine Hand nehmen und mit der anderen Hand sortieren, lassen die andern das Gemisch auf dem Pappteller. Dann gibt es welche, die ein kleines Häufchen auf den Tisch überführen oder bereits auf dem Pappteller mit der Sortierung beginnen. Bereits nach wenigen Minuten fangen die Kinder an, die Materialien in unterschiedlichen Formen anzuordnen. Es entstehen Figuren und Arrangements, die ästhetische Ordnungsprinzipien offenbaren. Manchmal sind die Kinder selbst über ihre eigenen Kreationen erstaunt. Nachdem die Sortierung beendet ist, suchen sie nach zwei identischen Bohnen, Erbsen usw. Diese Übung erfordert hohe Konzentration und genaues Hinsehen bzw. die Schärfung der Beobachtungssinne. Kein Kind kann zwei identische Objekte finden. Dies überrascht sie sehr. Ich versuche, ihnen diesen Befund mit einem Gleichnis zu erläutern. »Stellt euch vor, eine Bohne oder eine Erbse hätte die Aufgabe, euch nach Mädchen und Jungen zu sortieren und forderte alle Mädchen auf, sich auf die linke Seite des Tisches zu begeben, die Jungen sollen zur rechten Seite gehen. Nun sitzen alle Mädchen den Jungen gegenüber. Würde ich nun die Bohne fragen, zeig mir bitte zwei ganz gleiche Mädchen, würde sie das schaffen?« Die Kinder finden meine Erklärung nicht nur zum Kaputtlachen, sondern auch einleuchtend. Ich erzähle den Kindern, dass in der Natur niemals zwei Dinge identisch sind. Dies könnten sie gleich nachher bei den Baumblättern nachprüfen. So wie es auch keine zwei identischen Hühner, Enten, Elefanten, Pferde, Löwen, Schäferhunde, Katzen, Rosen, Äpfel, Orangen, Bananen usw. gibt. Die Natur hat eben Verschiedenheit gern. Diesen Aspekt versuche ich immer wieder an verschiedenen Beispielen während meiner Arbeit mit den Kindern zu verdeutlichen. Vielleicht auch deshalb, weil ich höre, dass zuweilen einige Schulpädagogen den Wunsch nach homogenen Schulklassen artikulieren. Dieser Wunsch ist jedoch gegen die Natur gerichtet und daher unerfüllbar. Auch wird unerfüllbar bleiben, wenn vielerorts Kinder und Jugendliche in Gute, weniger Gute und gar Schlechte sortiert werden. Wer nicht bereit ist, Methoden der Bewältigung von Inhomogenität zu erlernen (Managing Diversity), wird den Kindern nicht gerecht.
Schritt 2
Die Kinder lernen, Vergleiche anzustellen, die Vielfalt von Materialien zu erkennen und zu benennen. Sie begegnen Naturgesetzlichkeiten, lernen Größen- und Mengenverhältnisse einschätzen. Besonders Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, lernen ungewöhnlich schnell, die Namen der Materialien und ihre Eigenschaften zu verbalisieren. Wenn sie am Anfang der Übung beispielsweise das Wort Rosine nicht kannten, dann wissen sie dies am Ende einer knappen Stunde. Ebenso gut beherrschen sie nun einige Eigenschaftswörter. Sagten sie am Anfang »Stein« statt »hart«, so ist dies jetzt nicht mehr der Fall. Auch Komparative wie »härter« oder »weicher als …« können sie nun gezielt anwenden. Hier eine Auswahl von Fragen, die die Kinder beantworten lernen:
• Was von den aussortierten Stoffen ist hart, und was ist weich?
• Was ist härter, die Bohne oder die Rosine?
• Was ist weicher, der Wacholder oder die Rosine?
• Was ist klein, und was ist groß?
• Welche Bohne ist unter den Bohnen am kleinsten?
• Welche Erbse ist am größten?
• Was ist rund?
• Was ist am rundesten?
• Ist die Erbse runder als das Maiskorn?
• Was rollt besser als die Erbse?
• Warum rollt die Linse nicht, obwohl sie rund ist?
• Warum rollen die Erbse und der Wacholder besser als das Maiskorn?
• Was geschieht, wenn man den Wacholder kräftig mit einem Finger auf dem Tisch zusammendrückt?
• Nimmt der Finger, mit dem man den Wacholder zusammengedrückt hat, einen Geruch an?
• War der Duft im Wacholder eingesperrt?
• Riechen auch die anderen Materialien, wenn man sie zusammendrückt oder mit einem Mörser zermalmt?
• Wie viele Bohnen passen in einen Plastikbecher, wie viele Linsen in denselben Becher?
• Warum passen weniger Bohnen als Erbsen in dasselbe Becherglas?
Schritt 3
Die Kinder bekommen Strohhalme, deren obere Seite man knicken kann. Mit Hilfe der Strohhalme sollen sie die vor ihnen liegenden Materialien zurück auf den Pappteller überführen. Wozu ist diese Übung gut? Die Kinder sollen, wann immer möglich, ihre Geschicklichkeit entfalten und darüber hinaus Kontrolle üben lernen.
Im ersten Augenblick kommen nur wenige Kinder dahinter, dass man eine Erbse oder eine Bohne durch Saugen an der Öffnung des Strohhalms festhalten kann, allerdings muss man sich dabei geschickt verhalten, sonst fällt die Erbse wieder hinunter. Wenn der Gegenstand angesaugt ist, muss man aufhören zu saugen, zuweilen sogar pusten, um ihn auf dem Teller zu platzieren. All dies erfordert Koordination und Konzentration. Besonders schwierig wird es, wenn man ganz kleine Stoffe, wie zum Beispiel ein Reiskorn, transportieren muss. Jetzt muss man so sanft saugen, dass das Reiskorn nicht in den Mund gerät. Einige Kinder erkennen, dass es in diesem Fall geschickter ist, wenn man das Reiskorn in den geknickten Teil des Strohhalms saugt, dann kann es nicht in den Mund gelangen.
Schritt 4
Die Kinder bekommen einen Mörser mit Stößel, Maiskörner, Salz, Wasser, Speiseöl, Thymian, Trockenhefe, 10–15?ml Milch, Plastikbecher.
Aus Maismehl und den anderen Zutaten wird ein Maisbrotteig hergestellt, aus dem runde Plätzchen geformt werden. Diese werden dann in der Kitaküche gebacken.
Wenn sie fertig sind, werden sie geschmacklich mit dem Maismehl verglichen. Die Kinder erfahren, wie sich der Geschmack verändert hat.
Aus: Salman Ansari: Rettet die Neugier! Gegen die Akademisierung der Kindheit. Erschienen bei FISCHER Krüger, Frankfurt a.M. 2013. ISBN 978-3-8105-0192-9