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Zwischenruf des Bundesjugendkuratoriums: Es ist keine kinder- und jugendpolitische Strategie der Bundesregierung gegen Kinder- und Jugendarmut erkennbar

10.10.2023 Kommentare (0)

Das Bundesjugendkuratorium als zentrales Beratungsgremium der Bundesregierung in der Kinder- und Jugendpolitik fordert bereits seit mehreren Legislaturperioden eine ressort-übergreifende kinder- und jugendpolitische Gesamtstrategie. Die Rechte der Kinder und Jugendlichen zu verwirklichen und ihnen eine diskriminierungsfreie und chancengerechte Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, bedeutet vor allem auch, sie nicht in Armut aufwachsen zu lassen. Eine ressortübergreifende kinder- und jugend-politische Strategie der Bundesregierung ist gegenwärtig nicht zu erkennen. Auch das erhoffte Signal oder gar ein Systemwechsel in der Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut ist mit dem Referentenentwurf zur Kindergrundsicherung ausgeblieben.

Insbesondere haben Kinder und Jugendliche einen Anspruch darauf, dass eine neue und zutreffende Feststellung ihrer Bedarfe erfolgt und sie haben das Recht, dass sie an dieser Bemessung beteiligt werden. Zudem sollte die Armutsforschung intensiv in diesen Prozess einbezogen werden. Doch die bisher mit der Kindergrundsicherung angekündigten Maßnahmen bedeuten keine grundlegende Neubemessung des sozialkulturellen Existenzminimums. Wenn keine weiteren Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, ist es auch fraglich, zu welchem Zweck eine Neubemessung vorgenommen wird.

In der weiteren kinder- und jugendpolitischen Diskussion ist es aus Sicht des Bundesjugendkuratoriums grundlegend, sich erstens von dem Narrativ – Investitionen in Bildung, Infrastruktur oder Beschäftigungsfähigkeit gegen eine monetäre Existenzsicherung auszuspielen – zu verabschieden. Diese Debatte um das Gegeneinander von Ausgaben lenkt davon ab, dass in keinem dieser Bereiche gegenwärtig zufriedenstellende Fort-schritte erfolgen und mittlerweile finanzielle Kürzungen in der Kinder- und Jugendpolitik vorgenommen werden. Auch pauschale Aussagen, dass keine weiteren Sozialreformen in dieser Legislaturperiode mehr vorgenommen werden, ist angesichts der sozial- und bildungspolitischen Herausforderungen und Lebenslagen von jungen Menschen in Deutschland kontraproduktiv.

Vielmehr ist eine wirkliche Kindergrundsicherung zweitens durch Investitionen in Bildung und kinder- und jugendgerechte Infrastrukturen zu untersetzen, die im Diskurs seit Jahren als armutsvermeidend ins Feld geführt wurden. Bisher ist aber noch kein politisches Gesamtkonzept erkennbar, wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene durch eine gerechtere und inklusive Bildungsinfrastruktur besser gefördert werden sollen. Auch die Prüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Vereinten Nationen, worauf das Deutsche Institut für Menschenrechte in diesen Tagen hinweist, hat herausgestellt, dass die Bildungs-infrastruktur mehr kinder- und jugendpolitisches Engagement erfordert und weit von inklusiven und gerechten Bedingungen entfernt ist. Auf Bundesebene bedarf es bildungspolitischer Mehrinvestitionen. Das Startchancenpaket, das zum Beispiel auf den Weg gebracht wird, erscheint schon in seinem Ansatz, seinem Umfang und vor allem seiner Verteilungslogik vielen Schulen, die armutsüberwindende Maß-nahmen finanzieren müssten, nicht angemessen zu erreichen. Selbstverständlich müssen auch die Bundesländer die Qualität der Bildungsinfrastruktur ebenfalls energischer politisch priorisieren und nicht weiter im Sinne einer Verantwortungsdiffusion auf den Bund verweisen. Dennoch ist auch der Bund in der Pflicht.

Zudem wird – drittens – die Gruppe der jungen Erwachsenen gegenwärtig kaum bildungs- und sozialpolitisch konsistent berücksichtigt. Neben der nur begrenzten Berücksichtigung in der Kindergrundsicherung werden gleichzeitig größere Verschiebungen in der Beratung von jungen Erwachsenen durch die Job-Center und die Agentur für Arbeit diskutiert, wobei auch in diesem Kontext keine jugendpolitische Strategie zur Armutsbekämpfung erkennbar ist. Durch rein haushalterisch begründete Maßnahmen stehen etablierte Angebote zur Herstellung der Erwerbsfähigkeit junger Erwachsener oder erfolgreiche lokale Strukturen – wie auch die Jugendberufsagenturen – letztlich zur Disposition.

Es stellt sich die Frage, ob Kinder- und Jugendpolitik noch als Querschnittsthema der Bundesregierung insgesamt angesehen wird und übergreifend ein zentrales Anliegen ist, um die Rechte von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verwirklichen. Bisher ist in dieser Legislaturperiode nur erkennbar, dass Maß-nahmen, die ein kinder- und jugend-politisches Profil auszeichnen können, aus-gebremst oder hinter anderen politischen Logiken zurückgestellt werden. Die Haushaltskürzungen zeigen bedauerlicher-weise in genau diese Richtung. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung die Kinder- und Jugendpolitik systematisch in den Vordergrund rückt und ihre Maßnahmen stärker am Ziel des chancengerechten Aufwachsens orientiert. Dies hat sie nach Corona den jungen Menschen versprochen! Jetzt muss sie es einlösen!

Kontakt und Rückfragen: bundesjugendkuratorium@dji.de

Quelle: Pressemitteilung des Bundesjugendkuratoriums vom 7. September 2023

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